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Sage vom Galgenberg bei Brambach

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Sage vom Galgenberg bei Brambach
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 96-97
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[96]
704) Sage vom Galgenberg bei Brambach.
Bearbeitet von Julius Schanz, metrisch behandelt von Fr. Rödiger.

In Brambach ertönte eines Morgens früh das Armensünderglöcklein: ein junges Mädchen mit schwarzen Schleifen in den Haaren und schwarzen Schleifen an dem Kleide, saß auf dem Karren und sollte zum Richtplatz gebracht werden. Viel Volks begleitete den Zug; doch fehlte, als man am Galgenberge ankam, noch das letzte Entscheidungswort, vor dessen Eintreffen die Hinrichtung nicht stattfinden durfte. Der Reiter, der darnach ausgeritten war, ließ sich endlich am Rande des Waldes erblicken. Wenn er mit dem Tuche wehte, solle der Urtheilsspruch vollzogen werden, so war es verabredet, und siehe! er nahm das Tuch heraus und fuhr damit über die Stirn, indeß er sein Roß jedoch zu immer größerer Eile anspornte. Man glaubte das Zeichen in dem verabredeten Sinne verstehen zu müssen und der Kopf des Mädchens fiel auf das Schaffot, als der Reiter in athemloser Hast heransprengte und dem Henker entgegen rief: „Warum habt Ihr ein unschuldiges Mädchen gerichtet? Sie war freigesprochen!“ – „Ich habe recht gerichtet,“ sprach der Henker; „ist’s ein Mord, so ist’s die Schuld des Richters.“ „Euer ist die Schuld,“ sprach der Richter zu dem Boten, „Ihr winktet mit dem Tuche, wie es verabredet war.“ – Da löste sich das grauenvolle Mißverständniß: der Reiter hatte das Tuch nur entfaltet, um sich den Schweiß von der erhitzten Stirn zu trocknen, denn er hatte sich und sein Roß in Angst und Schweiß geritten, um nicht zu spät zu kommen! – – „Ich bitte,“ sprach der Bote mutherfüllt, „nicht um Gnade; laßt mich die Strafe des Mordes tragen.“ – Tiefe Stille lag auf der Menge: der Henker schlug dreimal an’s Becken, das einen grellen Ton gab, und der Richter sprach zu dem Unglücklichen: „Du bist des Schwertes schuldig!“ – Nicht der Bote, aber die versammelte Menge und selbst der Henker erschrack vor diesem harten Spruche. Der Bote zog sein Schwert, hieb seinem Pferde mit einem kräftigen Schlage den [97] Kopf ab und bat den Richter, ihn auch so zu treffen. Das Sünderglöcklein tönte von Neuem und ein rascher Hieb trennte seinen Kopf von den Schultern. „Hab ich’ recht gerichtet?“ rief der Henker. „Recht!“ sprach der Richter. „Aber es war zum letzten Mal!“ entgegnete der Henker, „kein unschuldig Blut soll fürder dieses Schwert beflecken!“ – Mit diesen Worten brach er sein Schwert mitten entzwei und begrub es mit dem armen Sünder. Dieser aber fand keine Ruhe im Grabe und macht noch jetzt in der Geisterstunde mit seinem Roß die Runde um den Galgenberg, beide ohne Kopf, wie manches Sonntagskind erzählt, das sie gesehen hat.