Säkulargesang beym Anfang des neunzehnten Jahrhunderts
Säkulargesang
beym Anfang des neunzehnten Jahrhunderts.
Wirf, schrecklichstes von allen, die noch waren,
Wirf, blutbeflecktestes von allen Jahren,
Wirf, o Jahrhundert, nur noch Einen Blick,
Eh du entfleuchst, in unsre Welt zurück.
Blick nieder auf die Millionen Thränen,
Die Deutschlands Flur, von Leichnamen gedüngt,
Und Rhein und Donau blutgeröthet trinkt.
Hör’ an der Hütt’ und des Palastes Trümmern,
Vernimm mit Schaudern, wie auf banger Flucht
Der Eine betet, dort der Andre flucht!
Und nun erheb’, hinauf vom Kriegsgewimmel,
Dich wieder zu des Allerbarmers Himmel,
Auf, und erzähl’ ihm, was dein Aug’ erblickt!
Sag’ ihm, daß unter all den Millionen
Von Bösen auch noch gute Menschen wohnen,
Die, schlecht und recht, das Eine sich erfleh’n,
Leg, an der Seite deiner ältern Brüder,
Vor seinem Thron die tausend Seufzer nieder,
Die, Jahre schon vom Kriegessturm verweht,
Umsonst den Frieden uns herabgefleht.
Die Schläf, umgrünt vom frischen Myrtenkranze,
Den Palmzweig in der hochgehobnen Hand,
Der Friedensengel aufs verheerte Land.
Die Menschheit jauchzt mit lauten Herzensschlägen
Der Krieg durchbohrt wuthknirschend sich die Brust,
Und Alles schwimmt in neuer Lebenslust.
Joh. Mart. Miller.