Ruth
[81]
Schwer auf Israel lag Jehova’s zürnende Rechte,
Und es verschloß die Erde den Schooß; nur dürftige Halme
Keimten vereinzelt empor, kornleer vorreifend die Aehren.
Bald auch drohet’ und schlug in Schreckensgestaltung der Hunger,
Und ob stöhnend das Volk aufflehte zur Veste des Himmels,
Ob die Mutter das lechzende Kind von vertrockneten Brüsten
Jammernd zum Herrn aufhob – o Herzen zerreißender Anblick! –
Nicht doch milderte sich das strafende Zürnen Jehova’s.
So auch Eli Meléch mit seiner Gefährtin Nahemi,
Zogen sie hin aus Bethlehem Juda, die Felder verlassend,
Welche, belastet mit Fluch, treu waltendem Fleiß sich verschlossen.
Welcher die Nacht aufklärt, und machte die Fremde zur Heimath;
Denn wo die Lieb’ erblüht, lacht vaterländischer Himmel.
Und die trefflichen Söhn’, heimführten als treffliche Hausfrau’n
Hochbeglückt, sie ein liebliches Paar Moabitischer Töchter,
Bis der Herrscher des Alls, der, immer und ewiglich Einer,
Durch den Wechsel erzieht die Erschaffnen zu höherem Daseyn,
Sprach: des Glückes genug! – Und er sandte den Todes-Engel,
Daß er Eli Meléch heimführ’ und die rüstigen Söhne.
Blind unerforschlichem Schluß, der am Grabe verblichner Geliebten,
Weckt’ in der Greisin Brust die entschlummerte Liebe zur Heimath,
Daß sich die Liebe bewähr’ und die höchste Lieb’ ihr entsprieße.
Denn ihr thatet Gutes an mir und meinen Geliebten,
Bis sie der Engel des Tod’s abrief. Mit kindlicher Liebe
Stützt ihr, selber gebeugt, seitem die verwaisete Mutter,
Achtet, obwohl noch jung und blühend, wie Rosen des Frühlings,
Hemmt, mich erblickend, den Laut der einsam tönenden Klage
Und den bitteren Strom hinrollender Wittwen-Zähren,
Daß nicht der Mutter Leid sich vermehr’ im Leide der Töchter;
Darum segn’ euch der Herr und bescheer’ euch Tröstung und Frieden.
Bricht, es von eurer Hand, ihr Geliebten, verschließen zu lassen.
Doch hier ist’s mir so öd’ und so leer, denn jegliches Plätzchen
Zeigt mir der Theuren Verlust, die vor mir hingingen zur Heimath.
Dort kniet’ Eli Meléch, aufflehend zum Himmel beim Frühroth;
Meinen Chilion stets, dort meinen verscheidenden Mahlon,
Und von Neuem erfaßt Sehnsucht und zerreißender Schmerz mich.
Ihr auch, denk’ ich, vermißt in verödeter Hütte die Gatten,
Wie mir der Kummer bezeugt, der bekämpfte, doch nimmer besiegte;
Heim nach Bethlehem zieht mich das Herz, daß da, wo den ersten
Strahl mein Aug’ einsog, es sich einst beim letzten verdunkle.
Dort auch leben mir viel treuliebende Jugendgenossen,
Welche des Lebens schönere Zeit in trauten Gesprächen,
Und was ihr Liebes gethan an mir, euch liebend vergelten.
Möchtet ihr also mit mir hinziehn nach Bethlehem Juda?
Sagt freimüthig mir denn und wahr des Herzens Bedünken.
Sprach’s und mit fröhlicher Eil rief Ruth: Wie das Herz dir gebietet,
Und mit schweigendem Dank küßt’ auf die Stirn sie Nahemi.
Leiseres zögerndes Lauts, erdwärts hinsenkend die Blicke:
Mir ist lieb mein heimisches Land, nicht will ich’s verbergen,
Darum wandl’ ich mit dir, und trennen soll uns der Tod nur.
Siehst du aber mein Auge bethränt beim Schmerze des Abschieds,
Zürne darob mir nicht, und liebe darob mich nicht minder.
Schnell ist der Arme zur Reise bereit – und eilendes Fluges
Denn es trennet der Mensch sich schwer von vertrauter Gewohnheit
Und, zuschreitend dem Bessern, verläßt er das Schlimmre mit Wehmuth.
Doch vor Allen ergriff unsäglicher Schmerz dich, o Arpa!
Kaum dich zu trennen vermögend, verweiltest du noch in dem Zimmer,
Sprach so traulich dir zu und mahnte dich: Scheide von mir nicht!
Und als endlich die Mutter dich rief, zur Eile dich mahnend,
Schrittest du vor, trostlos, und zerrangst laut schluchzend die Hände,
Zwar auch Nahemi weinet’ und Ruth, die Freunde verlassend,
Aber, Jene von Hoffnung gestärkt, und Diese von Liebe,
Schieden sie, kräftiges Sinns, von segnenden Wünschen begleitet.
Doch oft schaut’ auf Arpa Nahemi bedenklich und düster,
Hier sich der Blick in der Ferne verlor, von Bergen umschlossen,
Welche geheimnißvoll sich verhüllten in bläulichen Düften;
Dort noch nah erschaute den eben verlassenen Wohnsitz,
Und die Hütt’, aus grünem Gezweig vorragend, die Fenster
Siehe, da hemmte die Mutter den Schritt und sprach zu den Töchtern:
Wohl bedenke der Mensch, was er thut. Er schreite nicht vorwärts,
Eh’ er die Pfade geprüft und die Kraft vorsorgend gemessen.
Oft wohl trübt Sehnsuch des Urtheils sichere Klarheit,
Vorwärts auch zugleich der ruhig erwägende Geist ruft.
Seht in die Ferne hinaus! Verworren und immer verworrner
Zeigen die Bilder sich dort, je weiter das Auge dahinstreift.
Führt er den Wandrer vielleicht; vielleicht durch sandige Steppen,
Durch der Dornen Gewind dahin zum Rande des Abgrunds.
Aber sehet aus Grün vorragend die freundliche Hütte,
Euch von der Jugend an bekannt mit der ganzen Umgebung.
Krümmung tönen vertraut euch Freundesstimmen entgegen.
Dorten kennt ihr am Menschen, so wie das Gesicht, die Gesinnung,
Und Vergangnes erhalten lebendig, die mit es erlebten.
Ach, wer die Heimath flieht und den Kreis der Freunde der Jugend,
Wenn sich in trübe Nacht der Freude schönes Gestirn hüllt;
Hier vorschwebt, es verschmilzt in der Fern’ in verworrene Schatten.
Darum begreif’ ich es wohl, daß Grauen euch faßt vor dem Fremden,
Geht doch sträubend der Mensch aus trüb umnachtetem Leben
Hin nach Abrahams Schooß zu unvergänglichen Freuden.
Zwar ist mein Bethlehem schön; dort grünen frischer die Auen
Als ich sie je noch grünen gesehn; dort schlagen die Herzen
Und euch könnt’ aufblühn ein erneutes herrliches Glück dort.
Aber gedächtet ihr dann der Heimath, so würd’ euch wie Mondschein
Dünken das Glück in der Fremd’ und sehnen würde das Herz sich
Nach der wärmenden Sonn’ am vaterländischen Himmel.
Darum jetzt, da es Zeit noch ist, befraget euch selber.
Ruft auch mahnend das Herz mich zurücke nach Bethlehem Juda,
Dennoch wohn’ ich lieber mit euch in der Hütte des Jammers,
Als geschieden von euch, ihr Geliebten, im Hause des Glückes.
Sprach’s und mit fröhlicher Eil rief Ruth: Wie das Herz dir gebietet,
Wandl’, ich wandle mit dir, und trennen soll uns der Tod nur!
Aber reichlicher floß der Zähren Strom von den Wangen,
Dir, o Arpa! – es wogte die Brust, und mächtiges Kampfes,
Hier, ehrwürdig und mild, erscheint dir der liebenden Mutter
Altergebeugte Gestalt – wie kannst du die Theure verlassen?
Dort winkt, hold anlächelnd, das heimische Land und die Hütte,
Und das vertraute Gehölz, und der Bach und der sonnige Hügel,
Also stehst du und schwankst, hierhin dich wendend und dorthin,
Suchst Antwort und die Red’ ersticken dir Thränen und Zweifel.
Wieder begann Nahemi: Vom Himmel wird uns das Gute:
Lasset uns flehen zum Herrn, der mein Gott ist und der eure,
Und sie sank auf die Knie dahin, ausstreckend die Hände
Und aufhebend den Blick zur strahlenden Veste des Himmels,
Und sie fleht’ inbrünstig empor, laut tönender Stimme:
Herr, der in Moab herrscht und in Israel, Herrscher des Alls, Gott,
Der du zum Leben mich riefst, der du im Leiden mich prüftest,
Der du mich überall umfängst, in der Lüfte Gesäusel,
Wie wenn, den Stolz hinschmetternd, vom Himmel Donnergeroll schallt;
Der du die Herzen erkennst, und was war, und was ist, und was seyn wird,
Siehe wir schwanken im Zweifel dahin und daher, wie das Rohr schwankt;
Redlich siehst du und treu die Herzen, o Herzenerforscher,
Aber der Geist, Zukünftigem blind, vorschauend in Nacht nur,
Welche die kommende Stund’ einhüllt nach dem ewigen Rathschluß,
Einen Strahl nur geuß ihm herab aus unendlichem Lichtquell,
Die zu erfreulichem Ziel hinweise die wankenden Schritte.
Kindlich vertrauend auf dich, geloben wir alle zu wandeln,
Denn, eh den Saamen die Erde verbirgt, erkennst du die Frucht schon.
Also rief sie, und flehte noch still, inbrünstiges Herzens,
So auch thaten die Töchter, und göttliche Flammen ergossen
Sich von oben herab, und erfüllten mit muthiger Kraft sie.
Nahte der Mutter sich nun, umschlang ihr den Nacken und drückte
Ans hochschlagende Herz sie. „So lebe wohl denn auf ewig!“
Sprach sie und wendete weg das Gesicht, denn ihr brachen die Zähren
Unaufhaltsam hervor, und Schluchzen erstickte die Worte.
Sprach, zu Nahemi gewandt: Dir folg’ ich, so will es Jehova,
Welcher auch mein Gott ist, und nicht die Götter der Heiden!
Heim zu ihrem Gott und dem Volk und den Jugendgenossen,
Kehre zurück auch du, und folge dem warnenden Beispiel.
Aber in heiliger Gluth entzündet’, o Ruth, sich der Blick dir,
Gluth, wie der Zorn anfacht, erregt vom innig Geliebten,
Welcher unendlicher Lieb’, ein Ungläubiger, nimmer vertraun will;
Rückwärts tratest du fest, ausstreckend zum Himmel die Rechte,
Einer Begeisterten gleich, sich rüstend zu heiligem Eidschwur;
Höher schien die Gestalt und völliger anzuschauen,
Und hochwogendem Busen entscholl, wohllautend und kräftig,
Weg mich wenden von Dir. Wo Du hingehst, geh’ Ich hin,
Ich auch verbleibe wo Du verbleibst. Dein Volk, es ist mein Volk,
Dein Gott ist mein Gott; auch Ich will sterben, wo Du stirbst.
Reicht’ ihr freudig die Hand, und beide schieden von Arpa,
Die noch lang auf dem Hügel verzog, nachschauend den Beiden,
Welche sich oft umkehrten und Grüß’ ihr winkten zum Hügel,
Bis Gebüsche den Pfad einhüllt’ und die theuren Gestalten.
Aber Jene zogen dahin nach Bethlehem Juda.
Heimkehr, leuchtender Stern im trübumnachteten Leben,
Wie so herrlich erglänzt in des Herzens froher Erwartung
Aus der Ferne dein Licht nach langen Jahren der Trennung.
Gleich paradiesischen Au’n, die geliebten Gefilde der Heimath;
Zeigt huldvoll und getreu uns die fröhlichen Jugendgenossen,
Stets unerkaltetes Sinnes, in Kraft und Lieb’ unverändert!
Aber ach, wie Vielen erlosch in der Nähe dein Lichtstrahl,
Kindlicher Hoffnung und süßem Vertraun hohnsprechend, zurückstieß.
Dein auch harrt, o Nahemi, der Schmerz. O hemme die Schritte,
Die, wie beflügelt, dahin nach Bethlehem Juda dich tragen,
Daß nachkeichend nur der Greisin die blühende Schnur folgt!
Selig dein Mund, wie streckt sich dein Arm dem freundlichen Thal zu!
Dort noch, wie sonst, erhebt sich die Stadt. So ragten die Giebel
Hinter den Bäumen hervor, wenn du, als blühende Jungfrau
Mit der Heerd’ ausruhtest nach schwerem Erklimmen des Hügels
Dort rinnt, sanft hinplätschernd, auf reinlichen Kieseln der Bach noch,
Welcher die Heerd’ oft tränkt’, und Gesicht und Brust dir erfrischte.
Schlängelnd windet, wie einst, durch blumige Wiesen der Pfad sich,
Den du mit Eli Meléch so oft am Abend gewandelt,
Lange verlorest du dich, stillschweigend, in Wonn’ und in Wehmuth,
Tief in Sinnen und Schaun, und zuletzt, aufseufzend, begannst du:
Sieh, Ruth, dorten das Ziel. Sprich, ist nicht herrlich der Thalgrund?
Sahst du so Liebliches je? So schön, ja schöner, als einstmals,
Diesen Gefilden glitt spurlos die enteilende Zeit hin,
Ueppig ersetzend, was sie zerstört, denn jeglicher Frühling
Schmückte mit Blüthen sie neu, und jeglicher Sommer mit Früchten.
Sie begrüßen mich jung; ich sie verblüht; kein Frühling
Wieder den Schmuck hervor, der ach! im Grabe verwelkt ist.
Als ich zum letztenmal auf diesen Hügeln emporklomm,
Treu vom Gatten gestützt, und gefolgt von rüstigen Söhnen,
Ach, wie trieb damals vorwärts mich die leuchtende Hoffnung,
Und nun kehr’ ich zurück, trostlos, und verwaiset und einsam.
Ruth auch schwieg, den Blick auf die jammernde Mutter geheftet,
Wissend, daß heiliger Schmerz Trostworte verschmäht, doch in Wehmuth
Aber als zu versiegen begann die Quelle der Zähren,
Nahte sie innig, des Trosts Wohllaut auf den rosigen Lippen:
Mutter, du bist nicht verwais’t. Blick’ auf zum unendlichen Himmel,
Und dann frage das Herz noch einmal: ob du verwais’t bist?
Küßt nicht geistig ihr Hauch dich in lieblicher Lüfte Gesäusel?
Ist verloren, wer schied zu fröhlicher Wiedervereinigung?
Nimmer ermangelst du auch der Lieb’ auf der Pilgerreise,
Weil mein Herz noch schlägt. Muthvoll drum blicke nach dorten,
Sprach’s, und wie Frühlingsluft vom Himmel umnachtend Gewölk scheucht,
Scheuchte das tröstende Wort den Schmerz von der Seele Nahemi’s,
Daß glanzreich aufs Neue die Freud’ und die Hoffnung erstrahlten.
Wo Erinnerung ihr ein Bild der Jugend zurückrief.
Jeglichen Wanderer schaute sie an, und forscht’ in den Zügen,
Ob ein Freund vielleicht ihr erschien, ob ein theurer Verwandter,
Aber jeglichen sah achtlos und fremd sie vorbeiziehn.
Einst als Eli Meléchs Hausfrau vorsorgend gewaltet;
Zeigte das Feld, ihm eigen vordem, das, unfruchtbar verlassen,
Jetzo von Fremdlings-Händen bebauet, in üppigen Saaten
Hinwärts wogt’ und zurück, wie im spielenden Weste die Meerfluth;
Nannte der horchenden Schnur die Erben dabei, und beschrieb ihr
Jegliches Alter, Gestalt und Gemüth, ausführlich und wortreich,
Israels herrschende Sitt’ ihr verkündigend, wie mit dem Erbtheil,
Wer es erwerbe, sich auch des Verstorbenen Wittwe verbinde.
Stand im Abend, da langten sie an in Bethlehem Juda.
Pflegend vertrautes Gespräch und am thauigen Abend sich letzend,
Als, neugierig beschaut, Nahemi des Weges daherkam,
Sittig die Augen gesenkt, an der Seite der Mutter daherschritt.
Aber Nahemi sucht’ umher im Kreise des Volkes,
Forschend in jedem Gesicht nach bekannten Zügen der Freunde,
Lauschend, ob nicht ein freudiger Ruf Willkommen ihr biete.
Die sie als Männer gekannt, sie standen, die Wangen gerunzelt,
Wankend am Stab, zahnlos, dem forschenden Blick unerkennbar;
Die sie als Greise gekannt, sie schlummerten sämmtlich im Grabe.
Also hatt’ ein Geschlecht, aufblühend, verdrängt das verblühte,
Zitternd erbangt’ ihr das Herz, und jegliche Hoffnung entschwand ihr.
Fühlte sie tief in der Brust Vorwürf’ und bittere Reue,
Daß sie die treffliche Schnur hinausgelockt in die Fremde.
Der, theilnehmendes Blicks, die zagenden Frauen beschaute,
Nach dem Geschick der Freund’, und that ihm, wieder befragt, dann
Kund den Namen, den Tod der Geliebten, und wie nun von Moab
Sie nach Bethlehem heim Sehnsucht und Liebe geleitet,
Die, holdseelig gebeugt, schaamroth zum Boden hinabsah.
Solches hörte der Greis, dacht’ Eli Meléchs und gedacht’ auch
Noch Nahemi’s und rief herbei so manchen Bekannten;
Und aus dem, was die Zeit den Gesichtern verliehn und entnommen,
Daß sie, manchen erkennend, von Manchem wieder erkannt ward.
Als theilnehmende Freundschaft nun und lauschende Neugier
Viele des Volks herrief, und manch Willkommen ertönte,
Sank von Nahemi’s Busen die Last schwerdrückender Sorgen.
Zum verlassenen Haus, und freundliche Gaben erfüllten,
Bald den verödeten Raum, ihn neu zum Bewohnen zu rüsten.
Denn es regte die Stadt sich ob Nahemi’s Zurückkunft,
Viele priesen die schöne Gestalt und die Sitte der Fremden,
Rühmend die fromm ausharrende Treu’ und die kindliche Liebe;
Andere sannen, mit böslichem Wort Argwohn zu verbreiten,
Dies vermuthend und jenes, was aus den Gefilden der Heimath
Aber Alle doch zog Neugier zu dem rosigen Weib hin,
Zu vernehmen von ihr den Klang ausländischer Sprache,
Zu erforschen des Auslands Art und Weis’ und Gesittung,
Und Nahemi’s Geschick im fernen Lande zu wissen,
Doch als, was Neugier ausforscht, nun alles enthüllt war,
Als sie des Anblicks sich des blühenden Weibes ersättigt,
Das mit sittigem Ernst lustwandelnde Blicke zurückwies,
Als sich in Altgewohntes das reizende Neue verwandelt,
Andere schwanden hinweg, wie mit der Sonne der Schatten,
Als Nahemi bedrängt Beistand sich erbeten und Rathschlag,
Die den verlassenen Acker indessen bebaut, zu entziehn sey.
Erst von Freunden gesucht, doch zuletzt vergebens sie suchend.
Bald auch näherte sich, schwer drückend und schwerer bedrohend,
Düsterer Mangel dem Haus, und fern blieb Hülf’ und Erbarmen.
Da umdunkelte sich das Herz und das Auge der Greisin;
Wenn sie auf Ruth hinsah, die ewig frohes Gemüthes,
Aus der Lieb’ unerschöpflichem Quell die Freud’ und die Kraft trank,
Waltend im engen Haus, unermüdet die schaffenden Hände.
Doch in Nahemi’s Brust stritt mit dem Zweifel die Sorge,
Daß von Entschluß zu Entschluß sie fort der schwankende Streit trieb,
Und auf den Lippen das Wort, das oft hindringende, stockte.
Einstmals war sie allein mit Ruth in der Stunde der Dämmrung,
Welche das Herz aufschließt, daß im traulichen Wechsel-Gespräche
Ruth, unablässig lastet auf mir das Zürnen Jehova’s,
Welcher, verwirrend den Geist, Sehnsucht in entzündeter Brust weckt,
Die zum Verderblichen hin vom Guten und Rechten mich fortreißt.
Schon von unendlichen Kummers Last der Sinn und die Glieder,
Und nah winkt mir im Grab von allen Leiden Erlösung.
Aber du, theilnehmend am Fluch, so mit mir du vereint bist,
Weit noch blickst du hinaus nach dem Ziele des irdischen Lebens;
Nicht harmvoll unersetzliche Zeit der Jugend vertrauern,
Denn die Blüthe, vom Jammer zernagt, sie reifet zur Frucht nicht.
Darum wende den Schritt vom Pfad, den ich Elende gehn muß,
Dir ein erfreulich Geschick, von mir geschieden, zu suchen.
Sprach’s und schwieg, aufstöhnend in bitterem Schmerz, und unendlich
Rannen die Thränen herab an gefurchten Wangen der Greisin.
Sondern ernst, kraftvoll, in erhabener Ruhe, begann so:
So dein Gott mir helfe, der Ewige, welcher ist mein Gott.
Trifft dich des Mächtigen Hand, wohlan, so treffe sie mich auch.
Drückt dich nieder die Last, wohlan, so drücke sie mich auch,
Aber sendet der Herr mir Glück, so send’ er es dir auch.
Welches auf Ihn vertraut, und besserer Tage gewiß ist.
Scheuch’ auch du kleinmüthige Furcht und wecke die Hoffnung.
Frei blick’ um dich in Gottes Welt. – Reif wogen die Saaten
Auf reich prangender Flur, vom Allernährer gesegnet.
Kraut und grünende Halm’ und den Reichthum goldener Aehren;
Uns auch rief er die Blüthen zur Lust, und die Früchte zur Nahrung.
Doch dem Menschen schenkt er die Kraft und die regsamen Hände,
Schon ergießt sich die Schaar frohsinniger Schnitter auf’s Feld hin,
Ihnen folg’ ich getrost, denn rüstiger Hände bedarf man,
Und, wo Arbeit, findet sich Lohn. Doch begehrte der Hülfe
Keiner, so sammelt, was oft leichtsinnig der Reiche vergeudet,
Morgen geh’ ich mit Gott und bringe von reichlicher Ernte
Einen Theil dir ins Haus, und verscheuch’ eindringenden Mangel,
Denn Beistand mir verleihn wird Er, der den Muth und die Kraft gab.
Sprach’s, und bei dem Gespräch war schwarzumhüllend die Nacht schon
Aber der Greisin war’s, als ob aus der Stelle, wo Ruth stand,
Dringe lieblicher Schein, gleich rosiger Morgenröthe,
Sanft umdämmernd die hohe Gestalt und die herrlichen Züge;
Dann allmählig von unten verschwind’, und weiter nach oben
Rund vorstrahlend aus schwarzer Nacht, das Haupt ihr umfasse;
Und Nahemi’s Gemüth durchbebt’ ein heiliger Schauer.
Kaum drang dämmriges Licht, noch kämpfend mit Nacht, in die Hütte,
Als Ruth leis’ aufstand, sich über die schlummernde Mutter
Und sie ging nun hinaus auf die schweigende Flur, die von Nebeln,
Feucht und schaurig und kalt, wie von wallenden Schleiern verhüllt war,
Daß der Pfad sich kaum vor dem Fuße der Wandlerin zeigte.
Da ward bang ihr ums Herz; kein Blick zum verschleierten Himmel
Nach erloschenem Muth und fröhlichem Gottvertrauen.
Nur fruchtlos erschien ihr die Müh’, und feindlich die Erde,
Nirgends, wie gestern, ersahn ein lohnendes Ziel sich die Blicke.
Und allmählig zu wogen begann’s in dem weißen Gedüfte,
Und lebendiger ward und lebendiger immer die Regung.
Hier wich goldenem Glanz, der plötzlich verschwebte, der Nebel,
Dort verdichtet’ er sich zum langhinziehenden Streife,
Frei nun stralte der Welt die erhabene Fürstin des Tages,
Glanz ausspendend und Lust, und jegliches Gräschen der Triften,
Jeglicher Halm der Flur, und jegliches Blättchen der Bäume,
Trug, vielfarbiges Lichts, ihr Bild in flüssigen Perlen,
Lustvoll klang Wohllaut freischwebender Lerch’ aus den Lüften,
Lustvoll klang, antwortend, aus Waldes-Umnachtung der Vollchor,
Lustvoll mischten sich ihm der rüstigen Schnitter Gesänge.
Und wie die Welt ringsum sich in Glanz und Tönen belebte,
Und dir erglühte das Herz im himmlischen Glanze des Morgens,
Und nachhallend erklang der Jubelgesang in der Brust dir.
Aemsig mischtest du dich in der Schnitter fröhliche Reihen,
Weilte der Männer Blick, Ehrfurcht Scherzworte verbannte.
Schon lang goldnes Getreid’ auf der Flur, der Sichel gesunken,
Lang in Streifen gereiht, und bald erstanden die Garben,
Wohlgeordnet gehäuft, den fleißig schaffenden Händen.
Bückend, und viel aufsammelnd der gern verlorenen Aehren;
Denn es schauten mit Lust die Knechte sie an und die Dirnen,
Wenn sie, lange gebückt, nun tief aufathmend emporstand,
Hochroth glühend die Wang’ und im Blick frommlächelnde Milde,
Schleuniger ihr sich vermehr’ und das mühsame Suchen erleichtre.
Siehe, da schreitet mit heiterem Ernst ein stattlicher Mann her.
„Gott mit euch!“ so sagt er zum Gruß. Und die Schnitter, mit Ehrfurcht,
Traten zurücke, gebeugt und erwiedern: Es segne der Herr dich!
Still und sicher und ernst, in heitrer ruhiger Würde.
Endlich blickt er auf Ruth, befragend den Aelt’sten der Knechte,
Welchen er vorgeordnet den übrigen: Weß ist die Dirne?
Welche von Moab her mit der Schwieger Nahemi gekommen.
Aehren sammelt sie hier, da ich es gestattet, geschäftig
Seit des Morgens Beginn, und gönnt nie Ruhe den Gliedern.
Aber der Mann beschaut’ aufmerksames Blicks die Bedrängte,
Und als Jener ihr winkte, da nahte, verschränket die Arme,
Demuthsvoll sich Ruth, und beugte sich grüßend zur Erde.
Aber Jener begann mit Wohlgefallen im Blicke,
Freundlich und mild die Geberd’ und der Ton: Ich bin vom Geschlechte
Höre denn, meine Tochter! Du sollst nicht weiter mir gehen,
Aehren auf Anderer Feld, der unfreundlichen Fremden, zu lesen.
Halte zu meinen Dirnen dich stets, und lese, wo sie gehn.
Iß auch von meinem Brote zur Essenszeit mit den Schnittern.
Also sprach er zu ihr und tief zum innersten Herzen
Drang ihr des Mannes gastliche Weis’ und freundliche Rede.
Neu ermuthigt schaute sie nun zu der hohen Gestalt auf,
Herr, wie hab’ ich Gnade vor deinen Augen gefunden,
Daß du sogleich erkannt mich, die Arme, die ich doch fremd bin?
Boas aber begann, wie väterlich segnend, die Hand ihr
Sanft auf’s Haupt gelegt: Es ist mir Alles verkündet,
Wie du für sie vertauscht um feindliche Fremde die Heimath.
Solches vergelte dir Israels Gott, auf den du vertraut hast,
Daß es dich nimmer gereue, die Wege des Guten zu wandeln.
Sprach’s und wandte den Schnittern sich zu mit dem ernsten Gebote:
Aehren ihr liegen, und Keiner erkühne sich, sie zu beschämen.
Doch, wie wer in des Traums Trugbild sich in schwerer Gefahr sah,
Dann, aufstöhnend vor Angst, kraftlos, unbeweglich, gefesselt,
Welcher die Band’ auflöst’ und die drohenden Schrecken verscheuchte,
Und dem Erwachten noch lang vor der Stirn und dem sinnenden Geist lebt;
Wenn im Leben sodann ein nie gesehenes Antlitz
Doch als bekannt ihm erscheint, und er endlich des Traumes gedenket,
Also staunete Ruth, der würdigen Züge gedenkend,
Und der edlen Gestalt des freundlich gastlichen Mannes.
War ihr’s doch, als hätte sie längst mit frohem Vertrauen
Ihn gekannt, das Gesicht gesehn und die Rede vernommen,
Um zu beenden die Noth und die fröhliche Hoffnung zu krönen.
Aber auch Ihm erschien Ruth gleich den Gebilden, die lieblich
Er als Jüngling erträumt, in der Mondnacht heiliger Stille,
Und im Ohr erklang wohllautend und süß ihm die Rede.
Also kehrt’ er zurück auf’s Feld zur Stunde des Essens,
Setzte sich hin zu ihr, und reichte mit eigenen Händen,
Voll Sorgfalt auswählend, ihr dar das Beste der Speise.
Schied dann und kam zurück, zu Geduld sie ermahnend und Frohsinn,
Weilete gern bei ihr und trennte nur zögernd von ihr sich.
Als mit kühlendem Thau auf die Fluren der Abend herabsank,
Sprach er: Kehre nun heim, doch morgen kommst du von Neuem,
Und sie kehrte zur Hütte zurück, mit Aehren belastet,
Und verkündete froh der Schwieger des Tages Ereigniß.
Aber Nahemi vernahm’s und blickt’ in freudigem Staunen
Auf die Freudige hin, und heiliger Schauer ergriff sie,
Die, nie wankend in Lieb’ und Vertraun, weissagendes Geistes,
Ihr zukünft’ges Geschick im reinen Gemüthe gelesen,
Denn schon sah sie im Geist des kindlichen Hoffens Erfüllung.
Wichtiges schien in Nahemi’s Brust sich lebendig zu regen,
Oft aufstieg zu der Lippen Rand, doch von höherm Gebote,
In die Tiefen der Brust lautlos zurücke gebannt ward.
Doch Ruth kehrte zurück auf’s Feld beim Grauen des Morgens,
Sammelt’ ein wie gestern, und half abwechselnd den Schnittern,
Immer herrlicher ihr erschien an Gemüth und Gestaltung,
Auch vertraulicher stets, und stets liebreicher sich zeigte.
Oftmals weilte sein Blick in sinniger ernster Betrachtung
Auf dem ämsigen Weib, abgleitend, wenn sie empor sah.
Oft auch trat er hinzu, wenn sie matt ausruhte, mit Fragen,
Gut und verständig gestellt, ihr Geist und Gesinnung zu prüfen.
Und sie erkannt’ in ihm den Herrn und den Herrscher, und liebt’ ihn.
Einst am Abend – es war in sicherer Scheuer der Ernte
Rief er gebietend zu sich die zerstreuten Dirnen und Knechte.
Grau die Wolken sich schon, andeutend nahenden Regen.
Laßt uns eilen darum, der Ernte Reste zu bergen,
Darum bleiben wir all’ in der milden Nacht auf dem Feld hier,
Um vor dem Grauen des Tags die fleißigen Hände zu regen.
Sprach’s und die ämsigen Schnitter, so Dirnen als Knaben, bezeigten
Weisem Geheiße des Herrn allsämmtlich frohen Gehorsam.
Und du hast den Fleiß mir bewäht; drum denk’ ich, du bleibest
Auch auf dem Feld allhier und hilfst vor dem Grauen des Morgens.
Drauf antwortete Ruth; Wie du es geboten, gescheh’ es.
Doch mein harret Nahemi daheim und würde sich ängsten,
Kund’ ihr dringend, zur Stadt, und bald dann kehr’ ich zum Felde.
Also eilte sie fort, beflügeltes Schrittes, zur Schwieger,
Meldet’ in eiliger Red’ und fröhlichem Wort’ ihr den Antrag,
Sanft der Scheidenden Arm und sprach die verständigen Worte:
Thue, wie Boas gebeut, und rege die fleißigen Hände,
Denn vor allem erfreut den Mann an dem Weibe des Fleißes
Heiterer Geist und das Walten der stillvorsorgenden Ordnung.
Also wandelte Ruth hinaus in das nächtliche Schweigen.
Wechselnd erhellte den Pfad Mondlich, denn es eilten die Wolken,
Nahendes Sturms Vorboten, dahin an der dunkleren Bläue,
Noch zerrissen, zerstreut, groß, klein und weißlich und schwarzgrau.
Schimmernd hier und dort, und den Rand vom Monde versilbert;
Oft, gleich duftigen Schleiern, umwallten sie ihn, daß er vorschien
Schwach und gedämpft, wie des Auges Glanz aus werdenden Thränen.
Oft auch drängt’ er siegend sich vor aus der dunklen Umschattung,
Bis er, wieder besiegt, von ereilenden Wolken umhüllt ward.
Also wandelte Ruth nun dahin, und mit staunendem Lächeln
Blickte sie um sich herum auf die wechselnden Zaubergestalten –
Und ihr war’s, als gleite sie hin, wie die schwebenden Wolken,
Und das Leben erschien wie ein holder freundlicher Traum ihr.
Aber der treffliche Mann, der ihr wie ein Engel genaht war,
Blickt’ entgegen ihr überall, wohin sie auch blickte,
Von des Himmels Gezelt, von der Flur und aus schauriger Waldnacht,
Und sie kam zum Felde zurück, da lagen die Schnitter
An den Garben umher, von erquickendem Schlafe bewältigt,
Aber der Dirnen Lagerstatt war nirgend zu finden,
Wie sie auch sucht’, auf dem Feld hierhin sich wendend und dorthin.
Doch des Monds Lichtglanz, der verschwebende, zeigte das Antlitz
Boas, gen Morgen gekehrt, in des Schlafes erquickender Ruhe.
Da schlug muthig das Herz der Zagenden. Sichres Vertrauen
Scheuchte die Furcht aus der Brust und der Vorsicht klügelnde Zweifel,
Sie mißkennen konnte nicht Er, den sie sicher erkannte.
Also breitete sie zu des Schlafenden Füßen den Mantel,
Eine Garbe zum Kissen des Haupts, und legte sich leise,
Zu süß labender Ruh hingießend die rosigen Glieder;
Zu den Gestirnen, die hier hell schienen, und dort sich verbargen,
Bis die Gestirn’ und die Wolken, die Flur und die Freud’ und Sorge
Alle zusammt hinschmolzen in purpurnem Dunkel des Schlummers.
Aber bevor Frühroth am Saume des Morgens emporstieg,
Als er ein schlummerndes Weib gestreckt sich zu Füßen erblickte.
Doch er näherte sich, sie laut anrufend: Wer bist du?
Bog demüthig das Haupt und die Knie, und entgegnete: Ruth ist’s,
Boas aber schwieg erst lange verwundert, und führte,
Ihr mit dem Winke verbietend das Wort, sie weg von den Knechten.
Aber sobald sie gelangt aus dem Angesichte der Schläfer,
Sprach er, mild anredend die Zitternde: Scheuche die Furcht jetzt;
Wie du den Jünglingen nie dich genaht mit freierer Sitte,
Wie auch jeder, obwohl liebreizende Jugend ihn anlockt,
Doch vor dem Ernste des Blicks von dir ehrfürchtig zurücktritt,
Und in solchem erprobt sich des Weibes Gesinnung und Würde.
Geh’ itzt weg, dorthin wo hinter Gebüschen die Dirnen
Unter den Palmen ruhn. Bald weck’ ich euch alle zur Arbeit.
Sprach es, und hieß sie gehn, doch ergriff bei der einen der Hände
Sie, bei der anderen dann, und hielt stillschweigend noch immer
Ruth, nein, scheide noch nicht. Hier unter dem Himmel Jehova’s,
In der heiligen Nacht spricht gern sich zum Herzen das Herz aus,
Und es zeigt sich das Herz den herzlichen Worten empfänglich.
Reifend längere Zeit noch schlummerte. Hör’ es und rede
Dann aufrichtig und wahr, wie das innerste Herz dir gebietet.
Blick’ ich auf deine Gestalt und dein fromm lächelndes Antlitz,
Dann erfreut sich mein Aug’ und erfreut sich innig die Seele;
Dann durchdringt Wohllaut mir das Ohr und das tiefste Gemüthe;
Und erwäg’ ich den Sinn der bescheiden verständigen Worte,
Find’ ich im hellen Geist des eigenen Geistes Gedanken;
Denk’ ich dessen, was du gethan an der Schwieger Nahemi,
Froh dann find’ ich Alles in dir, was ein treffliches Weib ziert;
Und mir regt sich der Wunsch, dich mein zu nennen auf ewig.
Sprich denn, würdest du mir auch gern heimfolgen als Hausfrau?
Doch es bannte das Staunen der Lust in der wogenden Brust dir,
Ruth, das erfreuende Wort und Zähren entströmten den Augen.
Aber Boas begann mit inniger Rede von Neuem:
Sprich, nicht zürn’ ich dir ja, ob auch verneinend das Wort sey.
Doch mir entflohen bereits die duftigen Tage des Frühlings;
Ihm nachfolgend entfloh die Schaar holdgaukelnder Scherze,
Und mir wohnet der Ernst im Gemüth und auf männlichem Antlitz.
Aber, wenn auch dein Herz zu mir nicht liebend sich hinneigt,
Freudiger Rede Strom, und sie sprach mit erhobener Stimme:
Nicht mißkenne mein Herz, daß jetzt in tiefer Beschämung
Sich unwürdig fühlend des Glücks, das du herrlich mir darbeutst,
Unaufhaltsam entstürzt den wonnegeblendeten Augen.
Sah ich doch demüthig empor zu dir, der du hülfreich
Mir, ein verheißener Engel, erschienst, der Armen, Verlassnen,
Und dir weihte mein Herz mit dem Dank andächtige Liebe.
Aber ehren willst du mich hoch, die ich arm bin und niedrig,
Mich aufhebend zu dir aus der Tiefe der Noth und des Grames.
Also verleihe der Herr zu dem eifrigen Willen die Kraft mir,
Daß mein Leben und Seyn, sich dir hingebend, dein Lohn sey.
Und er zog sie an sich und küßt’ inbrünstig die Stirn ihr.
Und er begann von Neuem sodann: Ich bin vom Geschlechte
Einer nur ist näher denn ich, und welcher das Erbtheil
Aber reichlich gesegnet mit weit hinreichenden Feldern
Hat mich der Herr huldreich, und mit üppig sich mehrenden Heerden.
Doch zu erwerben in dir, holdseeliges Weib, mir das höchste
Erdengut, was opfert’ ich nicht von den anderen Schätzen?
Daß Genüge geschehe der alt-ehrwürdigen Sitte.
Morgen harre nur mein; ich verkünde dir fröhlichen Ausgang.
Also sandt’ er sie hin, die schlafenden Dirnen zur Arbeit
Aufzuwecken; er selbst sofort erweckte die Knechte.
Waltete Ruth mit ämsigem Fleiß und sinnigem Schweigen.
Glücklich ward mit vereinigter Kraft die Ernte geborgen,
Und heim wandelte Ruth mit den Dirnen zur Hütte Nahemi’s.
Hoffnung, strahlendes Licht vor dem Blick kühnstrebender Jugend,
Keck in die feindliche Welt, auf das Meer, ins Gewühle der Schlachten,
Lebend im Künftigen nur, der Gefahr hohnsprechend, der Jüngling;
Dir die schüchterne Braut, die, verlassend die trauliche Heimath,
Weinend, doch froh, ihr ganzes Geschick hingiebt an den Fremden.
Und mit dem Muthe der Brust, mit der Stärke der Glieder erlischt er,
Oder erscheint dem Getäuschten nur wie ein flackerndes Irrlicht,
Bis er neu aufdämmert, und heller und rosiger immer
Strahlt, am Rande der Gruft, das Land jenseits zu erleuchten.
Kam Ruth heim, und erzählte, was heut ihr geschehn und was Ahnung
Längst in Nahemi’s Gemüth ankündigte. Aber sie wagte
Nicht zu fassen, was nun sich deutlich gebildet ihr darbot,
Noch in der Hütt’ ausblieb, da wurde die Sorge zum Worte.
Trautes Kind, so begann sie weich, wohl schmerzt es mich innig
Dir zu stören das süße Vertraun fromm kindlicher Liebe.
Doch nicht gieb dich so völlig dahin schön strahlender Hoffnung,
Wenn du, in finsterer Nacht aufschreckend, dich plötzlich allein siehst.
Ach, wer völlig das Herz anfüllt mit Einer Erwartung,
Einem Ziel nachstrebt, dem füllt sich, wenn es verschwunden,
Niemals wieder zu Frieden und Ruh die verödete Brust aus.
Und ihr Will’ ist ein Rohr, hierhin sich wendend und dorthin,
Und unermeßlicher Raum trennt öfters Wort und Erfüllung.
Also warnte sie, leis andeutend, was sie nicht aussprach.
Doch Ruth sprach, aufschauend mit liebebeseeligten Blicken:
Zeit der Ernte, fürwahr, mir erscheint’s wie ein duftiges Traumbild,
Das mir die trunkenen Sinn’ umgaukele, mir beim Erwachen
Wieder zu schwinden in Nichts; doch bin ich seelig und hoffe.
Denn im Innern der Stirn, hier, wo die geistige Sehkraft
Und, süß träumend, erkenn’ ich, daß dieses Gebilde kein Traum sey.
Sähest du Ihn wie ich, wie er froh ist in ewiger Ruhe,
Wie er dem Eichbaum gleicht, deß Stamm den brausenden Stürmen
Stark, unbeweglich trotzt, indeß er mit grünenden Aesten
Und süß kos’t im bewegten Laub mit der säuselnden Mailuft,
Wahrlich, es schwänden auch dir, wie mir, die Sorg’ und der Zweifel.
Also redeten sie in sinnigen Wechselgesprächen,
Schwankend Nahemi, doch Ruth unverändert immer dieselbe.
Alle zum Thor hinrief, ging Boas auch zur Versammlung.
Setzte sich ihm zur Seite hin, und Boas berief dann
Zehn der Aeltesten noch des Volkes und sprach zu ihnen:
Vom Moabitischen Land ist wieder gekommen Nahemi,
Welcher der Mann dortselbst mit den beiden Söhnen gestorben.
Aber verlassen haben sie hier an Aeckern ein Erbtheil,
Welches nach Israels Sitte der Erben Nächster erstehn soll.
Wohl, so sprich vor den Bürgern hier und den Aelt’sten des Volkes,
Willst du Eli Meléchs Erbtheil von der Wittwe dir kaufen?
Wohl beerben will ich’s! antwortete drauf der Gefragte,
Boas aber sprach: Weß Tags du den Acker gekauft hast,
Mahlons, welcher am letzten verstarb, denn so ist die Sitte,
Daß auf das Erbtheil auch ein Name dem Todten erweckt sey.
Aber der Erbe, der nicht die rosige Fremde beachtet,
Denkend des falschen Götterdiensts im verachteten Moab,
Kaufe nun du’s, ich trete dir gern und vom Herzen mein Recht ab.
Und in Israel war von Alters her die Gewohnheit,
Daß der Erb’, entsagend dem Erbtheil, dessen zum Zeichen
Also that nun der Mann und sprach: So magst du es kaufen.
Boas aber sprach zu den Aeltesten und zu dem Volke:
Seyd mir Zeugen deß, daß ich alles habe gekaufet,
Was war Eli Meléchs und alles, was Chilions und Mahlons,
Einen Namen erwecken mög’ auf sein Erbe dem Todten,
Und sein Nam’ hinfort aus dem Thore des Orts nicht vertilgt sey,
Sprach es, und hoch ihn verehrend, begann laut jubelnd das Volk nun:
Deß sind Zeugen wir Alle. Das Weib, das du in dein Haus führst,
Haben Israels Haus, und es wachse sehr in Ephrata
Und hoch werd’ es hinfort in Bethlehem Juda gepriesen.
Boas aber ging froheiliges Schrittes zur Hütte,
Wo in seinem Geleit eintrat die Freud’ und der Segen.
Doch mit Zähren der Lust, und nicht des Wortes ermangelnd,
Dankte Nahemi dem Herrscher des Alls und segnete Beide.
Boas führte nun heim, ernst heiter, die blühende Hausfrau,
Die nothwendig und leicht, wie der Saame die goldene Frucht treibt,
Auch die Treu’ erzeugt, die Geduld und die waltende Sorgfalt,
Heiteren Sinn, Liebreiz und was dem Manne zum Heil ist.
Froh auch vergaß Nahemi des Grams bei dem Glücke der Tochter.
Daß dem Gatten Ruth ein Söhnlein gebar, und Nahemi
Küßt’ inbrünstig das liebliche Kind, und mit ahnender Freude
Legte sie’s auf den Schooß, und sprach: So will ich dich pflegen,
Sorglich und treu bei Tag und Nacht, mein Süßes, mein Liebes.
Segn’ auch dein zukünft’ges Geschlecht, und erheb’ es zu Ehren,
Ewiglich bleib’ und immerdar sein herrliches Erbtheil
Sich in Leben und Tod hingiebt, denn sie ist das Höchste.
Herrlicher ward es erfüllt, als je es ihr Busen geahnet,
Denn aus solchem Geschlecht entsproßte David, entsproßt’ auch
Er, der göttliche Mensch, der menschliche Gott, der herabkam
Zu erlösen die Welt, und aus Liebe dem Kreuzestode