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Rudigersdorf in der Masseney

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Textdaten
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Autor: Friedrich Bernhard Störzner
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Titel: Rudigersdorf in der Masseney
Untertitel:
aus: Was die Heimat erzählt. Sagen, geschichtliche Bilder und denkwürdige Begebenheiten aus Sachsen, S. 64–66
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Arwed Strauch
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: SLUB Dresden und Wikimedia Commons
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[64]
26. Rudigersdorf in der Masseney.
Da, wo jetzt die dunklen Waldbäume der sagendurchklungenen Masseney rauschen, stand vor alters im stillen Waldesgrün ein großes, gar stattliches Kirchdorf, das hieß Rudigersdorf oder Rörschdorf und war Filial von Großröhrsdorf. Von diesem Dorfe Rudigersdorf ist aber jetzt nichts mehr zu sehen; denn längst ist es im Kampf und Streit untergegangen. Still ist es geworden an dem Orte, da es gestanden. Die alten Trümmer sind von Moos überzogen worden. Nur wenige Leute kennen noch den Namen dieses im Kriege untergegangenen Dorfes. – Das verwüstete Dorf Rudigersdorf oder Rörschdorf lag längs der Steinbach, eines Bächleins, das die Masseney durchschlängelt. Hier wurden auch seit Ende des 18. Jahrhunderts eine große Anzahl Trümmer aufgefunden. Da fand man in einer Tiefe von ungefähr bis 1 Meter hölzerne und steinerne Türschwellen, kunstgerecht vierseitig bearbeitete Baumstämme, Brandtrümmer von Bau- und Hausgeräten, Klammern, Haken und Türbänder, Nägel, Messer, angebrannte Bretter von Möbeln, Scherben von tönernen Gefäßen. Ferner wurden in dem moorigen und sumpfigen [65] Waldboden

bearbeitete und durchbohrte Bretter, die jedenfalls als ehemaliger Wasserschutz gedient haben mochten, aufgefunden.

Rudigersdorf hatte auch eine Mühle. Dieselbe stand in dem niederen Teile des Ortes oder im sogenannten Niederdorfe. Man erkennt an einer länglichen, metertiefen und -breiten Grube heute noch den Platz, an dem das Wasserrad sich befunden hat. Im Jahre 1770 wurden hier sogar eiserne Mühlenwellenringe, Zapfen, hölzerne Kämme ausgegraben. Diese aufgefundenen Gegenstände beweisen es ganz deutlich, daß hier eine Mühle gestanden haben muß. –

Von dieser Stelle läuft eine lange, muldenförmige Vertiefung krummlinig aus. Dieser Graben, welcher der Mühle zu Rudigersdorf das nötige Wasser zuführte, war der ehemalige Mühlgraben und wird darum heute noch als solcher bezeichnet. An diesem Mühlgraben, der leider zum Teil schon verschüttet worden ist, aufwärts gehend, kommt man an das Wehr, das durch Anspannung der Steinbach entstand. Das durch dieses Wehr angesammelte Wasser reichte bis hinauf über den sogenannten „Siebenweg“. Dieser Weg, welcher das Wehr dammartig durchzog, soll von Meißner Bischöfen angelegt worden sein, die auf ihm nach dem Schlosse Stolpen zogen, wo sie seit dem Jahre 1227 von Zeit zu Zeit ihr Hoflager aufschlugen.

Rudigersdorf muß ein umfangreicher Ort gewesen sein. Die meisten Trümmer hat man von dem Mühlplatze aus aufwärts zu beiden Seiten des Mühlgrabens gefunden. Aber auch von der Mühle abwärts bis an den sogenannten Schäferteich sind Trümmer ausgegraben worden. In der Nähe des erwähnten Wehres scheint das Dorf sehr breit gewesen zu sein, da weit nach rechts und links Überreste gefunden wurden. Hier scheint die Kirche gestanden zu haben. –

Im Hussitenkriege, welcher so namenloses Elend über unser Vaterland brachte, wurde Rudigersdorf zerstört. Es erlebte dasselbe Schicksal, wie so viele andere Orte. Das blühende Kirchdorf sank in Trümmer. Die Bewohner, die, soweit sie nicht niedergemetzelt waren, sich geflüchtet hatten, bauten es [66] nicht wieder auf, und schon nach Jahrzehnten hatte dichter Wald auf der Trümmerstätte Wurzel gefaßt. Jetzt ist sein Andenken fast verweht, und selbst sein rechter Name ist von vielen vergessen.

Doch in stillen Nächten hört der Wanderer, der etwa in später Stunde auf der einsamen Straße mitten durch den Forst dahinzieht, ein seltsames Summen und Läuten. Es sind die Glocken von jenem untergegangenen Dorfe, welche so feierlich und klagend in die tiefe Nacht hinausklingen.