Roußeau
Monument von unsrer Zeiten Schande!
Ew’ge Schandschrift deiner Mutterlande!
Roußeaus Grab! Gegrüßet seyst du mir.
Fried und Ruh den Trümmern deines Lebens!
Fried und Ruhe fandst du hier.
Kaum ein Grabmal ist ihm überblieben,
Den von Reich zu Reich der Neid getrieben,
Frommer Eifer umgestrudelt hat.
Wem’s gebühr’ ihn pralend Sohn zu grüßen,
Fand im Leben keine Vaterstadt.
Und wer sind sie die den Weisen richten?
Geisterschlaken die zur Tiefe flüchten
Abgesplittert von dem Schöpfungswerke
Gegen Riesen Roußeau kind’sche[1] Zwerge,
Denen nie Prometheus Feuer blies.
Brüken vom Instinkte zum Gedanken,
Wo schon gröbre Lüfte wehn.
In die Kluft der Wesen eingekeilet,
Wo der Affe aus dem Thierreich geilet,
Und die Menschheit anhebt abzustehn.
Standest du am Ufer der Garonne
Meteorisch für Franzosenhirn.
Schwelgerei und Hunger brüten Seuchen,
Tollheit raßt mavortisch in den Reichen
Deine Parze – hat sie gar geträumet?
Hat in Fieberhize sie gereimet
Die dich an der Seine Strand gesäugt?
Ha! schon seh ich unsre Enkel staunen,
Aus Franzosengräbern – Roußeau steigt!
Wann wird doch die alte Wunde narben?
Einst wars finster – und die Weisen starben,
Nun ists lichter, – und der Weise stirbt.
Roußeau leidet – Roußeau fällt durch Christen,
Roußeau – der aus Christen Menschen wirbt.
Ha! mit Jubel die sich feurig gießen
Sey Religion von mir gepriesen,
Welten werden durch dich zu Geschwistern,
Und der Liebe sanfte Odem flistern
Um die Fluren die dein Flug begrüßt.
Aber wehe – Basiliskenpfeile
Deiner Stimme sanfte Melodien
Menschen bluten unter deinem Zahne,
Wenn verderbengeifernde Imane
Zur Erennys dich verziehn.
Seit das Weib den Himmelsohn gebare,
(Kroniker vergeßt es nie)
Hier erfanden schlauere Perille
Ein noch musikalischer Gebrülle,
Mag es Roußeau! mag das Ungeheuer
Vorurtheil, ein thürmendes Gemäuer
Gegen kühne Reformanten stehn,
Nacht und Dummheit boshaft sich versammeln,
Himmelstürmend dir entgegen gehn.
Mag die hundertrachigte Hyäne
Eigennuz die gelben Zackenzähne
Hungerglühend in die Armuth haun,
Thurmumrammelt gegen Jammertöne,
Goldne Schlösser auf Ruinen baun.
Geh du Opfer dieses Trillingsdrachen,
Hüpfe freudig in den Todesnachen,
Geh erzähl dort in der Geister Kraise
Diesen Traum vom Krieg der Frösch’ und Mäuse,
Dieses Lebens Jahrmarktsdudelei.
Nicht für diese Welt warst du – zu bider
Roußeau doch du warst ein Christ.
Mag der Wahnwiz diese Erde gängeln!
Geh du heim zu deinen Brüdern Engeln,
Denen du entlaufen bist.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ WS: Druckfehler in der Vorlage: kind sche.