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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Weissenborn

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Weissenborn
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 111–112
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Weissenborn.


Weissenborn liegt 1¼ Stunde südöstlich von Freiberg, berührt am niedern Ende das rechte Ufer der Mulde, welche es von Berthelsdorf trennt, an der Frauensteiner Strasse und erstreckt sich ⅜ Stunden lang in südöstlicher Richtung an der Süssenbach hinauf, anfangs in einem sehr flachen und auenähnlichen, in der Mitte in einem tiefern Grunde, zuletzt fast auf der freien Höhe von Süssenbach. Seinen Namen hat der Ort – der Sage nach – von einem unfern der Mulde vorhanden gewesenen Brunnen, welchem man Heilkräfte zuschrieb und bei welchem sich bisweilen eine weisse Frau habe sehen lassen.

Die Meereshöhe beträgt an der Mulde gegen 1000, am obern Ende gegen 1450 Pariser Fuss; das Klima ist schon merklich milder, als für das gegenüber auf der Höhe gelegene Berthelsdorf, und nicht nur der Flachs, sondern auch Hafer und Korn gerathen hier recht wohl. Die Gegend ist der Mulde entlang sehr abwechselnd, voll herrlicher Ansichten und überhaupt prächtig; entfernter vom Ufer wird sie eintönig und selbst zu gefälligen Aussichten, welche doch sonst die Höhen der Gegend gewähren, sind die von Weissenborn zu niedrig, denn schwerlich möchte ein Punct des Dorfgebietes über 1500 Fuss Meereshöhe haben.

Das Rittergut, welches viele Menschenalter hindurch, der Dorfchemnitzer Linie des von Hartitzschischen Geschlechts gehört hat, liegt seinen ansehnlichen Gebäuden nach dicht über der Kirche und gewährt von weitem einen guten Anblick, da mehrere Flügel neu und wohlgebaut sind. Das vor 100 Jahren erbaute Schloss war früher von einem Wall umgeben.

Gegen Westen liegt das Schloss eigentlich auf einem Hügel, und hier gewährt es in den Garten sowohl, als in die Gegend eine angenehme Aussicht.

Mit Weissenborn und Pretzschendorf wurde zuerst der Bürgermeister Hartitzsch zu Freiberg 1365 und dann der Bürgermeister Hans Hartitzsch, welcher sein Amt von 1385–1392 verwaltet hat, von den Markgrafen belehnt; Letzterer erhielt zugleich das Rittergut Lichtenberg, sowie vom Burggrafen zu Meissen, als Herrn von Frauenstein, die Lehn über Voigtsdorf und Helbigsdorf. Er war der letzte adliche Bürgermeister zu Freiberg. Vor den Hartitzschen war das Kloster Zelle im Besitze von Weissenborn, oder – nach damaligen Sprachgebrauche – von Wizenborne. Von dem Hartitzschischen Geschlechte acquirirte es der Ober-Hofmarschall und der wirkliche Geheime Rath, Karl Leopold Christoph von Reitzenstein, welcher ein altes baufälliges Gebäude bei dem Schlosse abtragen, auch den Wallgraben ausfüllen und dafür englische Anlagen von ziemlichen Umfange, welche durch die Umgebungen, durch den dabei befindlichen Mühlgraben und Teich doppelte Annehmlichkeiten erhalten, anlegen, das Schloss inwendig, nach Verhältniss der antiken Bauart desselben, prächtig einrichten und einen Altan, von welchem man eine sehr wohlgefällige Aussicht geniesst, bauen lies, überdies auch vor den ebenfalls meist neuen Wirthschaftsgebäuden einen grossen Blumen- und Gemüsegarten nebst Gewächshaus und Gärtnerwohnung, mit vielen Kosten neu angelegt hat. Eine besondere Zierde des Niederdorfes, eine Allee von mächtigen Linden, durch welche sonst ein Communicationsweg führte, ist zum Theil in diesen Garten aufgenommen worden. Das Rittergut ist in dieser Gegend eins der beträchtlichsten, seit 1835 Allodium und es gehört nicht nur die Mühle des Dorfes mit Schneide- und Oelmühle und ein daneben befindlicher grosser Teich mit einer Insel und eine Schmiede, sondern auch das beträchtliche Nebengut Süssenbach mit 1800 Scheffel tragbaren Landes und ebenfalls neu aufgeführten Wirthschaftsgebäuden dazu. Dasselbe liegt 5 Minuten über dem Dorfe Weissenborn an der Frauensteiner Strasse und ist ehedem ein Dorf gewesen, wovon nur noch ein Gasthof, eine Schmiede und ein paar Häuser vorhanden sind. Früher war Süssenbach nach Oberbobritzsch eingepfarrt, auf Verwendung des Oberhofmarschall von Reitzenstein, gehört es jetzt zur Kirche von Weissenborn. Von der Reitzenstein’schen Familie ist Weissenborn an den Grafen von Hohenthal gekommen. Der derzeitige Besitzer ist Graf Karl Julius Leopold von Hohenthal-Püchau, des Grafen und Sächs. Kammerherrn Karl Friedrich Anton Sohn. Dieser Familie haben wir in diesem Album bei der Beschreibung vom Schlosse Lauer ausführlicher gedacht.

Das Rittergut Weissenborn besitzt ausserdem eine bedeutende Feld- und Wiesenflur, starke Schäferei, (deren Gebäude nordöstlich nicht fern liegen), einige Teiche und ansehnliches Holz, besonders längs der Mulde.

[112] Das Rittergut erhält jährlich 12 Gulden Wasserzins von der Freiberger Muldeflösse. Dies schreibt sich noch aus jener Zeit her, wo der Hauptholzrechen hier war, d. i. bis zum Jahre 1569. Diesen Wasserzins übernahm 1624 der Churf. Johann Georg I. sammt der Flösse vom Freiberger Rathe, dann fiel er für immer der Regierung zu Last. Bemerkenswerth ist von Weissenborn, dass auf dem Dorfgebiet an verschiedenen Stellen ehemals Bergbau getrieben wurde. Jetzt werden zwar noch 2 Gruben gebaut, aber sie können nicht sehr ergiebig sein, weil nur sehr wenige Bergleute darinnen arbeiten und kostspielige, vielleicht fördernde Baue unterbleiben müssen.

Im siebenjährigen Kriege hatte Weissenborn unsäglich zu leiden und eben so im letzten Kriege von den Jahren 1811–1813.

In der Nacht des 26. Juli 1786 ereignete sich hier ein schauderhafter Raubmord. Christian Gottlieb Hirschbach, herrschaftlicher Schafmeister und seine Ehefrau, wurden während eines furchtbaren Gewitters von dem Schäfer zu Wegefahrt, Johann Christoph Weinhold ihres baaren Geldes beraubt und mit einer Axt auf die unmenschlichste Art erschlagen und zerhackt. Der Mörder war früher in Diensten bei Hirschbach’s gewesen, hatte auch dieselben zu Gevattern gebeten; aber doch konnte dieser Bösewicht, welcher wusste, dass Hirschbach’s Geld hatten, seinen Mordgedanken nicht widerstehen. Hirschbach’s Ehefrau erkannte ihn bei dem Leuchten des Blitzes und rief: „Ach, Gevatter, Du wirst uns doch das nicht thun?“ Allein der Grausame ging nicht in sich. Ein Donnerschlag soll ihm sogleich auf dem Rückwege das Gewissen gerührt haben: Er wurde durch seine eigenen Kinder verrathten und bei Wegefahrt hingerichtet.

Ein stattlicher Leichenstein auf dem gemeinschaftlichen Grabe der braven Hirschbach’schen Eheleute verkündigt die schreckliche That.

Die Kirche steht in der Mitte des Niederdorfes. Die Nachrichten über dieselbe fehlen. Vielleicht sind solche im Jahre 1715, wo das hier befindliche Erbgericht mit dem Gerichtsarchiv ein Raub der Flammen wurde, mit verbrannt.

Die Kirche enthält übrigens viele steinerne Epitaphien der von Hartitzschischen Familienglieder, auch hängen in derselben noch 3 alte Trauerfahnen mit Inschriften und Wappen, zum Andenken an mehre Kirchenpatrone von Hartitzsch, zum Theil aus dem 16. Jahrhundert.

Ein an der Decke befindliches Bild enthält eine Darstellung der Dreieinigkeit und der Hölle. Dieses Bild hätte ein Mal beinahe den Untergang der Kirche herbeigeführt. Weil nämlich auf demselben, in der Hölle der Papst und ein Cardinal, an ihrer Kopfbedeckung kenntlich, zu erblicken sind, so wollten im Jahre 1630 kaiserliche Soldaten die Kirche in Brand stecken und hatten schon alle Vorbereitungen dazu getroffen. Die Gemahlin eines Obersten, welche im herrschaftlichen Betstübchen in Wochen lag, erfuhr und vereitelte den gefährlichen Anschlag.

Am 14. und 15. October 1762 wurde das Dorf von den Oesterreichern, welche glaubten, es wären Preussen darinnen‚ mit brennenden Bomben beschossen, wodurch die Wirthschaftsgebäude des Ritterguts eingeäschert und die etwa 20 Ellen davon abstehende Kirche sehr beschädigt wurde, welche aber durch einen günstigen Wind vom Feuer verschont blieb.

Eine herrliche Zierde erhielt diese Kirche in der neuem Zeit durch zwei wohlgelungene, in vergoldete Rahmen gefasste Copieen, der im Sessionszimmer des vormaligen Oberconsistoriums zu Dresden befindlichen Cranach’schen Brustbilder Luther’s und Melanchthon’s, welche der Oberhofmarschall von Reitzenstein hat fertigen lassen.

Luther ist von Vogel von Vogelstein gemalt. Nur ist diesen herrlichen Gemälden ein besserer Standpunct zu wünschen, als den solche einnehmen.

Der erste evangelische Pfarrer zu Weissenborn war Bernhardt aus Döhlen. Dieser und seine zwei Nachfolger, Horn und Aegidius Karstorf, sollen von dem damaligen Bischof zu Meissen vertrieben worden sein.

Weissenborn mit Süssenbach hat 83 bewohnte Gebäude, 130 Familienhaushaltungen und 700 Einwohner. Der Ort gehört jetzt zum Gerichtsamt und zum Bezirksgericht Freiberg, zur Amtshauptmannschaft Freiberg, zum Regierungsbezirk Dresden.

Die Einwohner leben meist von Viehzucht, wozu sie eine ansehnliche Flur besitzen. Doch giebt es auch Handwerker, viel Tagelöhner, einige Bergleute hier, und das weibliche Geschlecht spinnt nicht allein den in Menge gewonnenen Flachs, sondern klöppelt auch zum Theil. Im Ganzen ist der Ort wohlhabend und gut gebaut, und dies erhöht noch die Schönheit der Ansicht, welche ihm, von den Berthelsdorfer Höhen betrachtet, seine Lage und das Rittergut ohnedem geben würden. Das Dorfgebiet grenzt südlich mit Lichtenberg, östlich mit Oberbobritzsch, nördlich mit Hilbersdorf, westlich an die Mulde. Das Gebirge nordöstlich vom Dorfe wird der Rammelsberg genannt. Ueber die Mulde führt hier eine sehr schöne Brücke.

M. G.