Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Trautzschen
Trautzschen liegt in geringer Entfernung von der Strasse zwischen Pegau und Zeitz, eine halbe Stunde von erstgenannter Stadt, in ebener fruchtbarer Gegend, die zwar nicht viel Mannigfaltigkeit darbietet, jedoch in der Richtung nach dem Städtchen Groitzsch reiche von Büschen durchzogene Auen zeigt und von der dreiviertel Stunden entfernten Queisauer Anhöhe eine wirklich überraschend hübsche Aussicht auf die von Wiesen, Feldern und Waldungen durchzogene Landschaft gewährt. Das Dorf Trautzschen enthält ausser dem Rittergute, der Kirche und der Schule sechs Anspännergüter, zweiunddreissig Nachbarwohnungen und vierzehn Häuser mit einer Bewohnerschaft von fast dreihundert Personen. Der Hauptnahrungszweig derselben ist Ackerbau und Viehzucht.
Wie beinahe alle Ortschaften hiesiger Gegend ist auch Trautzschen Slavischen Ursprungs und gehörte im elften Jahrhundert dem gewaltigen Grafen Wieprecht von Groitzsch, dessen feste Burg längst von der Erde verschwunden ist, und nur noch in dem theilweise aufgegrabenen Grundgemäuer ihre einstige Grösse und Festigkeit zeigt. Von seiner Burg auf dem steilen Schlossberge bei Groitzsch beherrschte der mächtige Dynast das Land weit umher, und fast alle Edelleute der Umgebung folgten dem Banner des stolzen Herrn, bis des Kaisers Groll den gefürchteten Mann in mancherlei Händel verwickelte, die seine Macht beschränkten. Als Graf Wieprechts älterer Sohn, auch Wieprecht genannt, gestorben und im Kloster zu Pegau begraben war wandte sich sein jüngerer Bruder auf die Güter der Groitzsche nach der Mark Brandenburg, wo das alte Grafengeschlecht noch jetzt unter dem Namen der Grafen von Rantzau blüht; die Groitzscher Burg aber, unter Rudolph von Habsburg in einen Steinhaufen verwandelt, erhob sie nie wieder aus ihren Trümmern, doch hat man in neuester Zeit eine Nachgrabung auf der Burgstätte vorgenommen und ein unterirdisches Gemach (Kapelle?) freigelegt, wobei eine [85b] Menge interessanter Alterthümer aufgefunden worden sind. Eine geringe Summe würde hinreichen die sämmtlichen Grundmauern der Burg von dem Schutte zu befreien, und noch manches interessante Alterthum dadurch aus dem Schoosse der Erde hervor zu ziehen.
Noch im dreizehnten Jahrhundert haussten auf dem Schlosse zu Trautzschen Edelleute gleiches Namens, Nachkommen des Ritters welchen Wieprecht von Groitzsch einst mit dem Sorbischen Dorfe Trautzschen belehnt hatte. Diese Familie wird einige Male im vierzehnten Jahrhundert erwähnt, wie 1348, wo Johann von Trautzschen Capitaneus der Stadt Naumburg war. Das nahe Schloss Rudelsburg (Rudolphsburg) war den Bürgern Naumburgs schon längst ein Dorn im Auge gewesen, denn nicht nur dass die dasigen Burglehnmänner das Eigenthum der Stadt oft rücksichtslos als das ihrige betrachteten, verübten sie auch gegen fremde Kaufleute mancherlei Unbill. Da beschloss die Bürgerschaft das Raubschloss zu zerstören und in genanntem Jahre zog ein bewaffneter Haufe unter der Anführung Johanns von Trautzschen (Drutzschen) vor die Burg. Werner von Kurtefreund, der Kastellan der Rudelsburg, vertheidigte das ihm anvertraute Schloss als tapferer Mann, konnte aber endlich doch nicht verhüten, dass die Naumburger die Mauer erstürmten und so die Burg eroberten und zerstörten. Unter den gefangenen Burgmännern befand sich auch Werner Kurtefreund.
Im funfzehnten Jahrhundert scheint das Gut der Familie Weissbach gehört zu haben, wenigstens nennt eine Urkunde von 1475 Hansen von Weissbach des alten Junkers auf Trautzschen Sohn. Um das Jahr 1510 wohnte hier Jahn von Ponikau, von dem das Gut an die Herren von Puster gelangte. Zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts besassen Trautzschen zwei Brüder von Puster, deren einer 1609 starb, der andere aber später das Gut an den berüchtigten Geheimrath von Döring, das Orakel Churfürst Johann Georg I. und Gesandten bei dem Abschlusse des für Sachsen so folgeschweren Prager Friedens, verkaufte. Nach Doctor David von Dörings 1638 erfolgtem Tode theilten sich in das väterliche Erbe nicht weniger als zehn Söhne, von denen Trautzschen 1641 Gottfried von Döring in Besitz nahm. Von ihm erbte oder erkaufte das Rittergut um das Jahr 1686 sein Schwiegersohn, der Landkammerrath Minkwitz auf Falkenhain, der es einem Herrn von Dieskau überliess. Noch in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts erlangte Trautzschen die Familie von Apel, welche es bis zur neuesten Zeit besass. Ernst Friedrich Christian Ferdinand Freiherr von Apel war der Letzte seines Hauses auf Trautzschen, jetzt gehört das Gut Herrn G. Müller.
Durch eine im Jahre 1745 ausgebrochene Feuersbrunst welche das Pfarrarchiv und die Kirchenbücher vernichtete sind sehr schätzbare Nachrichten über den Ort und namentlich über die Kirche verloren gegangen. Diese ist ein geräumiges, helles Gebäu, welches durch eine im Jahre 1835 vorgenommene Restauration viel gewonnen hat. Rechts vom Altar stehen zwei in Stein gehauene Figuren, von denen eine dem Andenken der am 26. Mai 1567 verstorbenen Frau Anna von Puster geborenen von Hogenest gewidmet ist. Die beiden grösseren Glocken sind in neuerer Zeit gegossen, die kleine dagegen trägt eine nicht mehr lesbare Inschrift von der nur noch der Name Hans von V (Weissbach?) zu erkennen ist. An Vermögen besitzt die Kirche etwa 3500 Thaler und sechs Acker Feld (früher zehn Acker, wovon vier zu Reparaturzwecken verkauft wurden) die ein vormaliger Trompeter in dem nahen Dorfe Tannewitz unter der Bedingung legirte, dass von dem Pachtquantum die Reparaturen an den geistlichen Gebäuden bestritten werden sollten. Ein von Dagrottisches Legat bestimmt, dass von den Zinsen des Capitals jeder Confirmand ein Gesangbuch erhält, und ein Vermächtniss des Grossvaters des vorletzten Besitzers von Trautzschen, Freiherrn von Apel, beschenkte die Pfarre zu Trautzschen und Costewitz mit tausend Thalern, die Schule zu Costewitz aber mit dreihundertfunfzig Thalern.
Der Kirchhof zu Trautzschen ist zum Theil in Pfarrgarten verwandelt worden, dagegen hat man ausserhalb des Dorfes einen neuen Begräbnissplatz angelegt, allwo sich auch ein herrschaftliches Erbbegräbniss befindet. Eingepfarrt nach Trautzschen ist die Hälfte des kaum tausend Schritte entlegenen Dorfes Tannewitz, die andere Hälfte desselben ist nach Elstertrebnitz eingekircht. – – Noch ist zu bemerken, dass verschiedene Zinsen des Rittergutes Trautzschen in früherer Zeit Naumburgisches Mannslehn waren, so wie auch die Kirche, trotz des Einspruches des Leipziger Consistoriums, bis 1815 unter dem Stifte blieb.