Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Tobertitz
Auf einer Hochebene des Voigtlandes liegt das Rittergut Tobertitz mit dem Dorfe gleichen Namens. Letzteres besteht aus 56 Wohngebäuden mit etwa 300 Einwohnern, welche zum Theil Ackerbau treiben, zum Theil aber auf dem Rittergute mit Handarbeit beschäftigt sind, oder durch Weissnähen sich ihren Unterhalt verdienen. Das Rittergut hat nach geschehener Landesvermessung mit Einschluss einiger angekauften Wald - und Wiesengrundstücken 350 Acker Areal, und der nicht ganz undankbare Boden liefert bei sorgfältiger Bearbeitung völlig zufriedenstellende Erndten, sogar von Raps, Rübsen
[16] und Weizen. Zum Rittergute gehören eine treffliche Schäferei und eine Ziegelhütte. Die Gegend von Tobertitz ist nicht unfreundlich, und von der eine halbe Stunde seitwärts sich hinziehenden Sächsisch-Bairischen Eisenbahn fällt der Ort recht angenehm ins Auge. Die Tobertitz zunächst liegenden Städte sind Plauen, Schleiz und Hof; nach Ersterem verkauft das Dorf seine landwirthschaftlichen Produkte.
Was den Ursprung des Dorfes anbelangt, so wurde dasselbe von den Sorben gegründet, und der Name bedeutet soviel wie „ein guter Ort.“ Im Jahre 1209 besassen Tobertitz drei adelige Brüder – wahrscheinlich aus dem Geschlechte der Herren von Oelsnitz – welche dem Kloster Wildenfurth einige Güter zu Tobertitz schenkten, und 1406 empfing das Kloster St. Clara zu Hof den Zehnten von einigen Gütern in Unterkotzau, Tobertitz und Gottwaldsreuth, welche Ritter Conrad von Lüchau, früher dem Kloster der heiligen Clara zu Eger geschenkt hatte, und die der Priester Nikolaus zu Hof jetzt für 120 Gulden zurückkaufte und den Nonnen zu Hof verehrte. Dasselbe Kloster empfing im Jahre 1422 wieder zwei Höfe in Tobertitz sammt dem Zehnten vom Dorfe, nebst einigen Zinsen, und 1503 gehörten zwei Höfe in Tobertitz dem Ordenshause der Deutschherren in Plauen. In der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts wird ein Herr von Oelsnitz als Eigenthümer von Tobertitz genannt, dessen Familie das hiesige Rittergut einige Mal gehörte, und die im Jahre 1780 mit dem Reussischen Oberstlieutenant, Johann Friedrich von Oelsnitz zu Gera ausstarb. 1613 kommt eine Wittwe, Maria von Feilisch als Besitzerin von Tobertitz vor, sowie später ein Herr von Leipziger, von dem das Gut an die Tettaus gelangte. Diese Familie war in frühern Jahrhunderten eine der reichstbegüterten des Voigtlandes, es werden von derselben erwähnt im funfzehnten Jahrhundert der Hauptmann Apel von Tettau auf Kauschwitz, Steinsdorf und Syra, und im sechszehnten Albrecht von Tettau auf Zobes, Christoph von Tettau auf Schillbach, Anshelm von Tettau auf Mechelgrün und Marquard von Tettau auf Ober- und Unterlossa. Von der Familie Tettau kam das Gut an die Herren von Schönfels, ein altes Sächsisches Geschlecht, dessen Stammschloss, die ehrwürdige Veste Altschönfels, zwischen den Städten Reichenbach und Zwickau gelegen, noch immer so fest und stattlich wie vor einem Jahrtausend von ihrer Felsenhöhe herabschaut. Der jetzige Eigenthümer von Tobertitz ist Herr August von Schönfels, der das Gut selbst verwaltet.
Tobertitz ist, sammt den Dörfern Rodau, Kornbach, Schönberg und Demeusel, in die Kirche zu Rodau eingepfarrt. Das Gotteshaus scheint in frühester Zeit eine Schlosskapelle gewesen zu sein, da an der den Gottesacker umgebenden Mauer noch Spuren von Vertheidigungsthürmen sichtbar sind. Zu der Zeit, wo den unterjochten Slaven das Christenthum mit dem Schwerte aufgezwungen wurde, mussten die neuen Kirchen zu ihrer Sicherung und zum Schutze ihrer Diener oft mitten in die Burgen hineingebaut werden, und eine solche Kirche war auch die Rodauer. Noch lange nach dem Anbaue der Umgegend durch die Sorben mag die Stelle, wo jetzt Rodau liegt, mit Waldungen überdeckt gewesen, und erst nach und nach durch die Deutschen ausgerottet und urbar gemacht worden sein. Bedeutende, noch jetzt vorhandene Waldstrecken, und die Ruinen eines uralten Gebäudes, von dem behauptet wird, es sei ursprünglich ein Tempel des slavischen Gottes Swantewith gewesen, und später in eine Wallfahrtskapelle verwandelt worden, sprechen dafür. Tief in den ungeheuren Waldungen mögen noch lange nach der Verbreitung des Christenthums die Sorben ihre vom Kreuze verbannten Götterbilder verehrt haben, und uralt ist die Sage von den Holzweibchen, welche vor ihren rohen Verfolgern flüchteten und endlich an einem Stamme mit drei eingeschnittenen Kreuzen Rettung und Sicherheit fanden. Ohne Zweifel waren diese Holzweibchen sorbische Frauen, welche, in den Wäldern versteckt, den alten Heidengötzen huldigten und sich zufällig den Blicken neugieriger Lauscher aussetzten. Uebrigens pflegten die mittelalterlichen Apostel wenn es thunlich war, ihre christlichen Kirchen immer an Plätzen aufzurichten, wo ein slavisches Gottesbild verehrt worden war, einmal um den Bekehrten die Unmacht ihrer Götter zu beweisen, und dann auch weil den Sorben die Stätte ihrer bisherigen Götteranbetung heilig und werth blieb.
Noch im sechszehnten Jahrhundert war die Kirche in Roda ein Filial von Leubnitz und blieb solches auch noch bei der Reformation. Erst im Jahre 1613 wurde die Parochie Leubnitz, welche elf Dorfschaften enthielt, dergestalt getheilt, dass Roda zur Parochialkirche erhoben und die Dörfer Tobertitz, Schönberg, Demeusel und Kornbach dahin gepfarrt wurden. Zur Gründung eines Pastorats brachten die Rittergutsbesitzer und Gemeinden des Sprengels eine Summe von 1200 Gülden zusammen, wofür man zu Rodau von einem Herrn von Ravensteiner ein Bauergut mit zwölf Äckern Feld erkaufte und es dem Pfarrer – Nikolaus Oehler hiess der erste – überliess. Zugleich erhielt der Pastor zu Rodau als Fixum sechszehn Scheffel Roggen von der Leubnitzer Schule, sowie drei Fuder Heu und den sogenannten Kleinhäuschengroschen, neun Gülden Tranksteuer und acht Klaftern Holz, nebst einigen Gefällen von den Rittergütern. Die damaligen Edelleute des Leubnitzer Kirchspiels waren Melchior von Bodenhausen auf Mühldorf und Leubnitz, Maria von Feilitzsch auf Tobertitz, Hildebrand Eichelberg von Trützschler auf Stein und Schneckengrün, Hans Caspar von Dobeneck auf Rodau und Schlegel, Hans von Reibold auf Rössnitz und Kloschwitz und Joachim Daniel Rabe auf Schneckengrün.
Die alte Kirche zu Rodau war zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts so baufällig geworden, dass sie in Trümmern zu stürzen drohte, weshalb nach erfolgter Besichtigung ein Neubau beschlossen wurde. Nach vielen und langwierigen Hindernissen und Schwierigkeiten entstand von 1810 bis 1813 das jetzige Gotteshaus. Bei dem Baue mögen verschiedene Nachlässigkeiten vorgekommen sein, denn der schon fast vollendete Thurm, welcher auf alten Gräbern in die Höhe gemauert war, bekam Risse und musste bis auf den Grund wieder abgebrochen werden, und die Kirche blieb wegen ihrer engen, hohen Mauern und des darauf sitzenden Thurmes eng und dunkel, bis sie 1833 bei einer Restauration durch acht lange Fenster Licht erhielt. – Seit 1839 ist Tobertitz von dem Schulverbande mit Rodau getrennt und besitzt ein eigenes neues Schulgebäude, in dem von einem confirmirten Lehrer etwa 48 Kinder unterrichtet werden.