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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Seifersdorf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Seifersdorf
Untertitel:
aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 130–132
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Seifersdorf


liegt eine Stunde von Radeberg und 3 Stunden von Dresden an der Röder. Ueber die Gründung des Ortes wie über den Erbauer des Schlosses ist etwas Näheres nicht anzuführen.

Der erste bekannte Besitzer des Gutes ist Jobst von Haugwitz. Im Jahre 1585 kaufte Theodorich von Grünrad dieses Gut, dessen Familie es bis 1747 besass, wo dieses Geschlecht Hans George von Grünrad ausstarb und das Gut an den Minister Grafen von Brühl überging. Dessen Sohn Heinrich übernahm es 1764 und besass es bis 1774. Durch Erbvergleich kam es dann an dessen jüngeren Bruder Moritz. Nach dessen Tode erbte es der einzige Sohn desselben, Graf Carl von Brühl, der 1838 zu Berlin [131] starb. Dieser Graf Carl von Brühl war ein Ehrenmann und eine hochgebildete Persönlichkeit. Er verwaltete alle seine Aemter mit religiöser Treue und starb als wirklicher Geheimer Rath, General-Intendant der königl. preuss. Museen und Ritter mehrerer hoher Orden.

Dessen Erben wurden die Besitzer des Gutes und der Enkel Moritzens, Herr Johann George Wilhelm Carl Gebhard Graf von Brühl, Ehrenritter des St. Johanniter-Ordens und königl. preuss. Premierlieutenant im 2. Garde-Landw.-Cav.-Regt. in Berlin, ist der beliehene Eigenthümer desselben.

Die alte Ritterburg ist im edlen Geschmack von Moritz und Carl Graf von Brühl, Vater und Sohn, restaurirt worden. Der Schlossgarten ist gross und geschmackvoll und enthält viele schöne Parthien. Man findet hier eine dem Gartendichter Hirschfeld geweihte Vase von Meissner Porzellan; ein pavillonförmiges Vogelhaus; eine Grotte, dem engl. Dichter Young als Denkmal, seinen Kindern gewidmet; eine Büste der Frau von der Recke.

Der Steinberg, in alten Urkunden der Kapellenberg genannt, weil eine Kapelle in den früheren Zeiten darauf stand, gewährt eine herrliche weite Aus- und Umsicht. Deshalb war derselbe im Kriegsjahre 1813 von allen sich nahenden Truppen fleissig besucht. Nach dem Uebergang der Russen über die Elbe, setzte sich hier ein Theil des Heeres fest. Alles war zu fürchten. Die Franzosen gingen bei Uebigau über die Elbe. Das Lager ward aufgehoben und nach wenigen Tagen erfolgte die Schlacht bei Bautzen. Vom März bis zu Ende des Novembers hatte der Ort fast ununterbrochen Einquartierungen, weshalb die Einwohner viel zu ertragen hatten.

Kaum ¼ Stunde vom Dorfe, südlich, zieht sich 1½ Stunde lang, von Liegau nach Grünau, das herrliche Seifersdorfer Thal, durch welches die Röder fliesst. Die natürlichen Schönheiten dieses Thales schienen so lange unbekannt zu sein, bis der Besitzer des Gutes, Graf Moritz von Brühl, in Verbindung mit seiner Gattin durch Verschönerungen und verschiedene Anlagen es bald dahin brachten, dass Fremde hieher gezogen wurden. Unter den Anlagen sind besonders bemerkenswerth: der Tempel der Musen mit Wielands Büste, das Denkmal des deutschen Arminias, der Befreier Deutschlands von Roms Sclavenjoch, Petrarcas Hütte, Lauras Denkmal, die Quelle von Vouclüse, das Denkmal des Herzogs Leopold von Braunschweig, eine Nische mit dem Bildnisse der Herzogin Amalie von Sachsen-Weimar, der hohen Gönnerin Wielands, Ruinen, als Bild der Vergangenheit, ein Tempel zum Andenken guter Menschen, die Kapelle zum guten Moritz, das Denkmal auf den verstorbenen Minister Grafen von Brühl, eine Alpenhütte, die Hütte des Pythagoras, der Tempel der Wohlthätigkeit, die Hütte der Einsamkeit, der Betstuhl eines Eremiten, Lorenzos Hütte und Grab, ein Wiesentempel.

Von Seifersdorf führt ein angenehmer Fahrweg in das Thal hinab, zwischen den mit Buchholz dicht bewachsenen Bergen. Zur Linken dieses Weges ist eine Quelle mit der Ueberschrift: „Vergessenheit der Sorgen.“ Kommt man gerade vom Dresdener Wege in das Thal, so befindet man sich ziemlich in der Mitte desselben; am besten thut man, über die Brücke zu fahren und beim Hohlwege auszusteigen, um die Wanderung zu Fusse anzutreten. Von hieraus gelangt man zuerst zu dem Tempel, welchen vor 60 Jahren die Gräfin von Brühl zum Geburtstage ihres Gemahls hier erbauen liess.

Die Kirche von Seifersdorf haben die Herren von Grünrad sammt hohem Thurm im Jahre 1604 und 1605 erbaut. Um den gut erhaltenen und noch jetzt geschmackvoll verzierten Altar stehen in einiger Entfernung an der Mauer vier Herren von Grünrad in Lebensgrösse und in völliger Rüstung als Ritter in guter Stellung da; der Ahnherr knieet, als Ritter gekleidet, am Altare vor dem Kreuze. Zu beiden Seiten desselben stehen zwei grosse Gemälde, von einem Schüler Lucas Kranach’s auf Gyps gemalt. Auf dem einen Gemälde stehen die damals lebenden Männer der Grünradschen Familie, auf der andern Seite die Frauen. Das Gemälde hat deshalb grossen Werth, weil die damals lebenden Glieder der Familie die Augsburgische Confession unter sich niederschrieben und Treue gelobten. Ueber dem Altare befindet sich noch die Grablegung Christi von demselben Maler. In neueren Zeiten kam noch ein treffliches Gemälde von einem jungen Künstler Treger, der in Rom starb, hinzu, der es dem damaligen Besitzer, Grafen Carl von Brühl, aus Dankbarkeit schenkte, und dieser verehrte es der Kirche.

Es stellt den Evangelisten Matthäus vor.

Im Jahre 1832 wurde ein grosser Theil von Seifersdorf ein Raub der Flammen. Kirche, Pfarre und Schule blieben stehen. Die noch stehende Pfarrwohnung ward 1698 erbaut. Sie ist bequem und gut unterhalten. Das Einkommen der Stelle ist ein mittelmässiges, zur Stelle [132] selbst gehört weder ein Filial noch eine eingepfarrte Ortschaft; denn das im Hussitenkriege zerstörte Dorf Diensdorf ist nicht wieder aufgebaut worden.

Die Schule ist im Jahre 1839 von Grund aus neu erbaut. Zum Aufbau der Schule erhielt die Gemeinde 900 Rthl. aus dem Kirchenvermögen, welches an die 10000 Rthl. beträgt. Es ist ein grosses festes Gebäude mit einer hellen Schulstube. Die Zahl der Schüler beträgt 150.

Auf dem Gute Seifersdorf ruht die Collatur der geistlichen Stellen hier und zu Ottendorf, so wie mit dem Stadtrechte zu Radeberg alternirend des Diaconats in dieser Stadt wegen der Filialkirche zu Schönborn.

Vor der neuen Gerichtsorganisation gehörten nämlich schriftsässig Ottendorf und Schönborn zum Rittergute Seifersdorf. Ersterer Ort liegt 3 Stunden von Dresden an der Strasse nach Königsbrück, 1¾ Stunden nordöstlich von Radeberg, 2 Stunden von Radeburg und 1½ Stunden südwestlich von Königsbrück. An seiner nördlichen Längenseite wird der Ort von dem Dorfe Okrylla lediglich durch die kleine Röder geschieden, welche über Lichtenberg im Gerichtsbezirke Radeberg entspringt und den grossen Ottendorfer Teich bewässert. Der Ottendorfer Teich, zu Seifersdorf gehörig, gehört unter die grössten der Gegend, hat bei regelmässiger Gestalt doch gegen ⅜ Stunden im Umfange und enthält zwischen 35 und 40 Acker Flächenraum. Der letztere Ort Schönborn ist im Jahre 1840 zum Theil abgebrannt und neu erbaut.

Dieses Schönborn gehörte in den frühesten Zeiten zu dem Radeberger Kirchen-Verbande und ist nur zu Zeiten von einem Capellan aus Radeberg in einer Capelle Messe gelesen worden. Später hat sich Schönborn selbst eine Kirche gebaut und sich vom Radeberger Verbande losgetrennt.

Der Roden hier und in Seifersdorf giebt aus Mangel an Düngungsmitteln nur mittelmässige Ernten. Die Gegend ist arm an Stroh, die Kalkbrüche sind weit entfernt und die Waldstreue wird immer seltener. Die Einwohner gehören daher nicht zu den reichen Leuten und nähren sich theils vom Ackerbau, theils von der Leinweberei.

Seifersdorf, Ottendorf und Schönborn gehören jetzt zum Gerichtsamt Radeberg, zum Bezirksgericht – zur Amtshauptmannschaft – zum Regierungsbezirk Dresden.

Seifersdorf zählt mit seinen 2 Mühlen und 2 Gasthöfen 101 bewohnte Gebäude mit 109 Familienhaushaltungen und 658 Einwohnern.

M. G.