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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Niedergurig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Moritz Grimmel
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Titel: Niedergurig
Untertitel:
aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 143–144
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854–1861
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung: Beschreibung des Rittergutes Niedergurig
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Niedergurig
Niedergurig


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Niedergurig,


sonst Niedergurke genannt, wend. Delna Hocka (ein niedriger Hügel) an der Spree, welche sich hier in 2 Arme theilt, 11/2 Stunde nördlich von Bautzen an der Strasse nach Muskau gelegen. Der Name scheint anzudeuten, dass es in einer weniger bergigen Gegend liegt als jene südlich von Bautzen ist. Die Fruchtbarkeit der hiesigen Felder und die Güte und Menge der Wiesen geben dem Orte die erste Stelle unter denen der Parochie Malschwitz. Niedergurig gehört ebenfalls zu den Orten, welche in der goldenen Aue liegen, wo die Viehzucht eine vortreffliche ist.

Das herrschaftliche Schloss hat, wie dies die Abbildung besagt, eine angenehme Lage, schöne Umgebungen und einen Lustgarten mit eigenen Gebäuden. Die Gebäude, welche die herrschaftliche Hofröthe bilden, sind ansehnlich.

Zum Gute gehören noch zwei Branntweinbrennereien und eine berühmte Bierbrauerei.

Lubas und Breising gehörten zur Gerichtsbarkeit von Niedergurig.

Die früheren Besitzer von Niedergurig waren die Grafen von Lützelburg, Reder und Lüttichau, von welchen letzteren es an die Gräfin von Schönburg-Forderglauchau überging.

Der jetzige Besitzer ist Graf zur Lippe-Biesterfeld-Weissenfeld, Herr auf Teichniz u. s. w. (vermählt mit einer Gräfin Hohenthal erster Linie,) dessen wir schon bei Teichnitz rühmlich gedacht haben.

Niedergurig liegt im Bereiche der Schlacht von Bautzen und hat deshalb im Jahre 1813 viel Ungemach erlitten.

Durch den Ausgang der Schlacht von Lützen am 2. Mai 1813 sah die verbündete russisch-preussische Armee sich genöthigt, über die Elbe zurückzugehen und ihre Feldherren wählten die durch den Unfall Friedrichs des Grossen berühmte Stellung von Bautzen und Hochkirch, um dort dem Heere Napoleons eine zweite Schlacht zu schlagen.

Die durch die Natur schon feste Position wurde von ihnen durch Verschanzungen und Redouten (200 an Zahl) fast unangreifbar gemacht. Am 20. schon griff Napoleon die Verschanzungen bei Wurschen an, weshalb auch die Franzosen die Ereignisse dieses Tages „das Vorspiel des Kampfes von Wurschen“ nannten. Der Kampf begann am 21. Mai mit Sonnenaufgang: Der Widerstand der Verbündeten war furchtbar: Der Fürst von der Moskwa (Ney) wurde mehre Male zurückgeworfen; auch der Herzog von Dalmatien kam in Verlegenheit. Durch seine Manöver zwang Napoleon den Feind, eine rückgängige Stellung anzunehmen. Der Russen [144] linker Flügel lehnte sich an das berühmte Hochkirch; aber derselbe musste, nachdem der rechte Flügel sich umgangen sah, weil schon Wurschen von Ney und Lauriston besezt war, von dem Corps der Herzoge von Ragusa und Tarent heftig in die Enge getrieben, seine Position auch verlassen und sich nach Görlitz zurückziehen. Die französische Armee ging nun bis über die Katzbach nach Schlesien.

Vor dem Dorfe Niedergurig gegen Abend, in der Spree, sind noch die Ueberbleibsel von einer steinernen Brücke zu sehen, welche im Jahre 1804 vom Wasser zerstört wurde.

Die früheren Besitzer, resp. Besitzerinnen von Niedergurig haben sich um den Ort viele Verdienste erworben und sich die Nachwelt noch zum grössten Danke verpflichtet.

Johanna Margaretha Gräfin von Redern, geborne Gräfin von Reuss legirte ein Capital von 250 Thlr., von dessen Zinsen Almosen vertheilt, Schulgeld bezahlt und Schulbücher gekauft worden. Eine andere milde Stiftung von gleicher Höhe verdankt ihre Entstehung der Gräfin Helena Renate von Lüttichau geb. von Hoym, welche im Jahre 1787 hier verstorben ist.

Niedergurig hat sein eigenes Schulhaus und für dieses wurden diese beiden Stiftungen deshalb auch bestimmt. Die Schule brannte im Jahre 1837 völlig ab, wurde aber im nächsten Jahre wieder aufgebaut und im Jahre 1839 eingeweiht.

Hinter der Schule liegt der Kirchhof, auf welchem die Leichen von Niedergurig, Lubas, Briesing und Kleindubrau beerdigt werden. Bei vorkommenden Begräbnissen muss der Pfarrer zu Malschwiz, (wohin dieser Ort eingepfarrt ist) nebst dem Schulmeister sich nach Niedergurig begeben und hält die Leichenreden oder Predigten, die früher in einem Saale des einen Wirthshauses gehalten wurden, seit dem Wiederaufbau der Schule aber in der Schulstube.

Niedergurig ist ausserdem, wie schon jetzt erwähnt worden ist, mit Plieskowitz, Doberschütz, Jeschütz, Quatiz und Krumförstchen nach Malschwiz eingepfarrt. Die Kirche in Malschwitz ist im Jahre 1724 neu erbaut. Auch hier sind viele milde Stiftungen: Die eine vom Jahre 1763, rührt vom Klostervoigt Hans Carl von Metzrad her und ist für die wendischen Armen bestimmt; eine Andere verdankt ihren Ursprung dem sächs. Conferenzminister Andreas Graf von Riaucour, die in 360 Gulden besteht, wovon die wendischen Unterthanen 320 Gulden erhalten und 40 die katholischen Armen zu Bautzen empfangen sollen.

In Malschwitz soll früher ein Kloster gestanden haben, eine Ueberlieferung, die nicht hinlänglich verbürgt ist.

Im Jahre 1777 fand man in Malschwitz auf einem zum Rittergute gehörigen hochgelegenen Felde beim Ackern einige Urnen von einem heidnischen Begräbnissplatz, eine Eigenthümlichkeit der Oberlausitz; denn nirgends findet man so viele alte slawische Begräbnissplätze und Urnen; ausserdem einige dreissig grosse alte slavische Schanzen, die wohl mit Unrecht Hussiten- oder Schwedenschanzen genannt werden. Letztere ziehen sich quer durch die ganze Provinz bis nach Lauban und bildeten ohne Zweifel eine Verteidigungslinie der Deutschen gegen die Milziner Wenden. Sie sind von Umfang und Höhe sehr verschieden und im Ganzen nach keinem bestimmten Plane angelegt; doch bemerkte man deutlich, dass sie auf Feuergewehr nicht berechnet und meistens durch einen Fluss, Bach, oder Abhang von hinten gedeckt waren.

Bei manchen finden sich eine Menge Gräber als sprechende Spuren grosser Niederlagen. Bei einem derselben fand man vor mehreren Jahren ein sorbenwendisches Grab mit Knochen, nebst einer Art von Streitaxt. Eine solche Schanze ist auch die bei Niedergurig und daher mit Unrecht die Hussiten- oder Schwedenschanze genannt. Niedergurig mit Lubas gehört jetzt zum Gerichtsamt – zum Bezirksgericht – zur Amtshauptmannschaft – zum Regierungsbezirk Bautzen und zählt in seinen 37 bewohnten Gebäuden mit seinen 78 Familienhaushaltungen 410 Bewohner.

In Niedergurig befinden sich ausserdem noch 2 Wirthshäuser, eine Schmiede und eine bedeutende Mühle.

In früheren Zeilen war auch eine grosse Ziegelei hier, welche aber in der Bautzner Schlacht mit zerstört wurde.

M. G.