Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Machern
Machern kommt schon zu Ende des zehnten Jahrhunderts unter dem Namen Mucherini, später Macherum, vor, und gehörte dem Erzbischofe Gero von Magdeburg und liegt 4 Stunden von Leipzig, 3 Stunden von Grimma, 2½ Stunden von Eilenburg und 1½ Stunde von Wurzen. Machern hat eine sehr gesunde Lage und wird von der Leipzig-Dresdner Eisenbahn berührt; sonst ging die Leipzig-Dresdner sehr lebhafte Chaussee bei dem Dorfe vorüber, welches 29 grössere Bauergüter und 18 Kleinhäusler, sowie eine Wind- und eine Wassermühle hat und gegen 550 Seelen zählt. Häusler und Mietheinwohner haben einen nährenden Erwerbszweig seit dem Erbau der Leipzig-Dresdner Eisenbahn an der letzteren gefunden.
Die dasige Kirche wurde im Jahre 1343 von dem Merseburger Bischof Heinrich dem Vierten zu einer Pfarrkirche erhoben, während sie bis zu dieser Zeit eine Tochterkirche von Brandis war. Machern gehörte zu den Kirchen, wo die neue Lutherlehre zuerst neuen Fuss fasste, weshalb der Pfarrer Kluge im Jahre 1522 in den Bann gethan wurde. Die Kirche hat einen sehr schönen, hohen Thurm, der im Jahre 1753 ganz neu erbaut worden ist. Als Zierde der Kirche ist nicht unerwähnt zu lassen das von Italienischem Alabaster dem Reichsgrafen Wolf von Lindenau, Besitzer von Machern, Zeititz, Cossen und Eulenfeld, auch Sächsischer Amtshauptmann zu Leipzig und Wurzen von der reichsgräflich von Lindenau’schen Familie gesetzte Monument. Die früheren Besitzer des Gutes Machern sind nämlich seit dem Jahre 1430 bis zum Jahre 1802, mithin 372 Jahre lang ununterbrochen die Herren Grafen von Lindenau gewesen. Wolf von Lindenau, Amtshauptmann von Wurzen und Leipzig, ist am 3. Juni 1710 auf Machern [125] gestorben. Von ihm stammt die neue Orgel in der Kirche. Die auf dem Thurme befindlichen drei Glocken führen folgende Aufschriften:
- Die grosse: Ihesus nassarenus rex judeorum iar anno dom MCCCC.
- Die mittlere: Dise beide glocken hat heinrich vo Lideau lase machen MCCCC.
- Die kleine: Maria. MD.
Das Gut selbst ist in Hinsicht auf seine gute Lage herrlich[WS 1] und im grossartigen Style aufgeführten Gebäuden zu den schönsten, bezüglich seiner Ergiebigkeit der Grundstücke zu den vortheilhaftesten, und in Rücksicht auf seine übrigen Nutzungen zu den besten Gütern in Sachsen zu rechnen. Es hat die herrlichsten Anlagen und in der Nähe des Schlosses einen Park, der zu den Sehenswürdigsten gehört, was man in dieser Art nur finden kann. Ueber 600 Arten ausländische Bäume und Sträucher, über 50 Staudenarten und gegen 200 Treibhauspflanzen zieren denselben. Ebenso merkwürdig ist die daran stossende Ritterburg, ein anschauliches Bild aus den Zeiten der Chevalerie. Hier ist der Platz, wo Jüngling und Jungfrau, eingedenk der alten Tugenden unserer Vorfahren, ihre schönsten Träume träumen dürfen und, wenn sie wollen, zur Wirklichkeit bringen können. Machern war von jeher stark besucht als Vergnügungsort und öfters sah man von Leipzig aus in langen Zügen und Wagenreihen dahin wallfahrten. Auch der König von Preussen Friedrich Wilhelm II. beehrte mit zahlreicher Begleitung Machern im Jahre 1792, wo dasselbe noch die von Lindenau’sche Familie besass, mit einem Besuche und übernachtete daselbst.
Im Jahre 1802 kaufte es die Freifrau Anna von Wylich, geborne Gräfin zu Stollberg-Wernigerode, und im Jahre 1806 kam es in die Hände des jetzigen Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn Wilhelm Schnetger, Kauf- und Handelsherrn zu Leipzig, der es heutigen Tages sammt dem Vorwerke Zeititz besitzt, welches letztere nach Lhulitz[VL 1] eingepfarrt ist, und in einer holzreichen, hügeligen Gegend, die sich bis zur Leipzig-Dresdner Eisenbahn erstreckt, liegt. Es ist ziemlich fruchtbar und hat ein Braunkohlenlager. Das Rittergut oder Vorwerk Zeititz war früher mit Machern ein Besitzthum und gehörte drei Jahrhunderte hindurch der gräflichen Familie von Lindenau.
Seit dem Jahre 1825 liess Herr Schnetger grösstentheils auf seine eigene Rechnung nicht nur einen ganz neuen Altar und eine neue Kanzel erbauen, sondern auch das Innere der ganzen Kirche zu Machern pflastern ausweissen und anstreichen, so dass dadurch solche ein weit herrlicheres Ansehen erhielt.
Im Jahre 1832 machte der Gutsbesitzer, Herr Schnetger, ein neues Geschenk, welches in einem kostbaren Altargemälde bestand, den Heiland im Garten am Oelberge in der Leidensnacht im Gebete darstellend. Die Pfarr- und Schulgebäude liegen ziemlich in der Mitte des Dorfes, ganz in der Nähe der Kirche.
Die Parochie Machern stand sonst unter der Ephorie Eilenburg. Bei der grossen Theilung Sachsens im Jahre 1815, wo Eilenburg an Preussen kam, wurde sie dem Ephoralamt Leipzig, kurze Zeit darauf der Ephorie Grimma, und nach Aufhebung des Stifts-Consistoriums zu Wurzen der Superintendur Wurzen, wohin sie noch gehört, zugetheilt.
In früherer Zeit war der Verkehr zwischen Machern und Wurzen sehr erschwert, da bekanntlich auf der Chaussee von Leipzig nach Wurzen keine Brücke über die Mulde führte. Der Bau einer solchen Brücke wurde erst im Jahre 1831 begonnen und im Jahre 1838 beendet. Die Brücke selbst ist in dreifacher Abtheilung der Hauptstrombrücke, Landbrücke und Mühlgrabenbrücke mit dazwischen aufgeführten, hohen und festen Dämmen hergestellt. Diese Brücken mit den dazu gehörigen Dämmen hergestellt. Diese Brücken mit den dazu gehörigen Dämmen haben vom Gasthof zum Kreuz in Wurzen bis zum Dorfe Bennewitz eine Ausdehnung von einer Viertelstunde, und auf diese Weise ist der Verkehr und die Passage auch bei dem höchsten Wasserstande nicht mehr gehemmt.
Wenige Jahre nach Vollendung dieser Brücke begann der Bau der zweiten Muldenbrücke oberhalb der ersten in einer Entfernung von 600 Schritten. Diese Brücke dient blos zur Ueberfahrt für die Dampfwagen der Leipzig-Dresdner Eisenbahn, und darf sonst vom Publikum nicht benutzt werden.
Ob Machern selbst durch den Bau der Eisenbahn gewonnen oder verloren hat, dürfte schwer zu beantworten sein. Der Verkehr in Machern selbst Jahr aus Jahr ein durch die vielbelebte Leipzig-Dresdner Chaussee war früher ein grosser; durch die Eisenbahn werden aber in den schönern Monaten des Jahres dem Orte mehr Reisende zugeführt wie früher, und so wird sich wohl Gewinn und Verlust ziemlich ausgleichen.
Anmerkungen der Vorlage
- ↑ handschriftliche Korrektur: Leulitz
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: herrl c