Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Leisnig mit Mildenstein
Nördlich von der Stadt, welche 6 Meilen südöstlich von Leipzig zwischen Döbeln, Kolditz und Grimma gelegen ist, auf einem zu dem Berge, worauf Leissnig erbaut ist, gehörigen steilen und pralligen Felsen erblickt man das in der Abbildung befindliche Schloss Mildenstein, (Muldenstein genannt) welches durch das, aus einigen Häusern vor der Stadt bestehende sogenannte Burglehn, worinnen sonst die Burgvögte wohnten, fast mit der Stadt zusammenhängt, besonders seit dem die Zugbrücken und vormaligen Festungswerke abgetragen worden sind.
Der Schlossberg liegt etwas niedriger als der südliche Theil der Stadt; schon die Sorbenwenden hatten hier ein Schloss erbaut, welches nicht mehr existirt. Das spätere Schloss auf derselben Stelle hat Heinrich I. im Jahre 922 erbaut, welcher Aufseher hierher setzte und solche nach dem Orte benannte. Schon im Jahre 933 half ein Johannes von Leissnigk die Hunnen mit überwinden.
Im Jahre 1053 finden wir zuerst in den Urkunden die Namen des Schlosses erwähnt, auf welchem die gedachte Familie von Lisnik residirte. Doch bald darauf und zwar im Jahre 1085 gehörte Leissnig, Stadt und Schloss, der Familie Wieprechts von Groitzsch, welcher es für treugeleistete Dienste in Italien von Heinrich IV. erhielt. Graf Robodo von Aversberg, Gemahl der Enkelin Wieprechts überliess es für 500 Mark Silbers an Friedrich I. Darauf wurde es im Jahre 1158 zu einem Burggrafenthum erhoben, und die Burggrafen residirten auf dem Schlosse Mildenstein, die nach und nach gleich den Meissnischen und andern Würde und Bezirk erblich machten. Diese Leissniger Burggrafen waren zugleich Herren von Strehla, Penig und besassen auch Güter in Böhmen. Im Jahre 1455 nahm ihnen Friedrich der Sanftmüthige Stadt und Burg Leissnig, weil sie sich, in Verbindung mit andern unruhigen Rittern gegen ihn aufgelehnt hatten. Erst später kamen sie wieder durch Kauf in diese ihre Besitzung. Einer der letztern Burggrafen Eustachius von Leissnig, Domherr zu Magdeburg, Halberstadt, und Naumburg, starb am 3. Oct. 1524 zu Penig, an den Folgen eines Faustschlages, den er das Jahr zuvor, in einem Tumulte zwischen den Katholiken und Lutheranern zu Magdeburg erhalten hatte. Er war ein persönlicher Freund der Kurfürsten von Sachsen und Mainz, besonders aber des Papstes Leo X., der ihn zur Unterdrückung der Reformation in Sachsen brauchen wollte, weshalb er auch im Jahre 1518 eigenhändig an ihn schrieb.
Ihm folgte nach seinem Tode der Burggraf Hugo von Leissnig, mit welchem im Jahre 1538 die Burggrafen ausstarben und Leissnig das Burggrafenthum fiel als eröffnetes Lehn Meissen anheim und wurde den unmittelbaren Landen einverleibt.
Das Schloss wurde von Wilhelm dem Einäugigen fast ganz neu erbaut, aber im Jahre 1592 stürzte ein Theil desselben ein und beschädigte Häuser und Menschen.
Es theilt sich in das Vorder- und Hinter-Schloss und war sonst von Gräben und Wällen umgeben. Auch war es mit einer Zugbrücke versehen, die 1722 in eine steinerne verwandelt wurde.
In der Mitte des Schlosses steht ein sehr grosser, fester, runder Thurm, welcher im Umfang 75 in der Höhe 70 Ellen und eine 9 Ellen dicke Mauer hat. Dieser Thurm, so wie der auf dem Burglehn stehende, mag wohl um ein ziemliches älter sein als das Schloss.
Dieses Schloss war nach der von Wilhelm dem Einäugigen unternommenen neuen Herstellung ein sehr festes Schloss, so dass es im Hussitenkriege nicht eingenommen werden konnte.
Im 30jährigen Kriege war das Schloss fast 3 ganze Jahre mit schwedischen Truppen besetzt. Späterhin wurde es der Sitz des Justiz- und Rentamtes und ist es geblieben bis auf die neuesten Zeiten.
Die Schicksale des Ortes anlangend, so sind solche mannigfacher Art gewesen.
Auf dem Heereszuge, Kaiser Karl V., nach Mühlberg musste Leissnig die Last der Einquartierung hart empfinden.
Am 20. April 1547 gelaugte der Prinz von Salmonien, General des Kaisers unter dem Oberbefehl des Herzogs von Alba, in Leissnig an. Den folgenden Tag am 21. April zog Kaiser Karl V. persönlich mit dem vom König Ferdinand durch die Stadt und lies jenseits der [194] Mulde, bei den Dörfern Zollschwitz und Görniz, ein Lager aufschlagen, in welchem auch Herzog Moritz und dessen Söhne, Herzog August und Herzog Heinrich mit zu Felde lagen.
Der Kaiser aber und der römische König kamen nebst hohem Gefolge, wobei viele vornehme Spanier waren, in die Stadt zurück, wo sie übernachteten und fast die ganze Stadt inne hatten. Beim Eingange selbst war ein solches Gedränge von Spaniern, Mönchen, Pferden und Mauleseln, dass die beiden Bürgermeister: Ilgen Körbber und Wolf Schönberg und der Rathsverwande Wolf Koppe, nebst dem Stadtschreiber Schmied, dem Kaiser die Schlüssel zu den Thoren nicht übergeben konnten, sondern sie mussten vor dem Zimmer in des Kaisers Quartier warten, bis nach Ankunft des Dolmetzschers der Kaiser aus dem Gemach trat und dann die vorgenannten Personen auf die Knie nieder fielen und nach einer Anrede des Stadtschreibers Schmied, dem Kaiser die Schlüssel zu den Stadtthoren übergaben, welche auch der Dolmetzscher auf des Kaisers Wink annahm. Der Kaiser versprach auch, auf des Stadtschreibers Fürbitte, dass er die Stadt mit ihren Bürgern, Weibern und Kindern zu Gnaden und in Schutz und Schirm auf- und annehmen und vor arme Unterthanen erkennen wolle, dafern sich Johann Friedrich, Herzog zu Sachsen zuvor mit Sr. königl. Majestät vertrage.
Hierauf reichte der Kaiser den 4 vorgenannten Personen die Hand und entliess sie in Gnaden, nachdem er noch zuvor versichert hatte, dass er ein Geschenk von 50 Scheffeln Hafer, welches man ihm anbot von den armen Leuten in Gnaden annehmen wolle.
Ob nun schon innerhalb der Stadt weder Plünderung noch andere Grausamkeiten geübt wurden, ausser, dass die Soldaten 400 Fass Bier theils tranken, theils in die Keller laufen liessen, so soll doch der Kaiser, auf Antrieb der Spanier, beschlossen haben, wegen einiger Misshandlungen der Einwohner an seinen Soldaten, beim Aufbruch die Stadt, sammt den umliegenden Dörfern plündern und in Brand stecken zu lassen. Der Kaiser nahm jedoch den gefassten Entschluss zurück und liess bei seinem Abzuge eine Garde von 10 Trabanten beim Bürgermeister Körbber zurück.
Dazu war die Veranlassung folgende: Einer von den deutschen Offizieren, welche von dem gefassten Entschlusse des Kaisers Kenntniss hatte, erblickte von ohngefär in seinem Quartiere das Bildniss des berühmten Mathematikers Petri Apiani, sonst Bärenwitz genannt, – welcher in Leissnig im Jahre 1493 geboren war – Lehrers des Kaiser Karl V. in der Astronomie.
Als nun der Offizier von seinem Wirth erfuhr, dass dieses das Bild seines (des Wirths) Bruders Bildniss sei und dass Petrus Apianus in diesem Hause geboren, berichtet der Offizier sogleich dem Kaiser, die Mittheilung, die ihm von seinem Wirthe gemacht worden war.
Auf diesen Bericht liess der Kaiser sich dahin vernehmen: „Es sollte ihm leid thun, dass er den vornehmen Petrum Apianum also betrüben und seine Vaterstadt in Unglück hätte setzen sollen.
Auch wurde auf Befehl des Kaisers harte Leibes- und Lebensstrafe angeordnet, dass kein Soldat einen Menschen in der Stadt beleidigen oder das Geringste nehmen solle.
So ward Petrus Apianus, welcher 1541 vom Kaiser in den Adelstand erhoben worden war, der Retter der Stadt. Apianus aber ist im Jahre 1552 in Ingolstadt gestorben.
Nach Johann Friedrichs Gefangennehmung, als Moritz die Chur Sachsen erhielt, hat der Römische König Ferdinand die Stadt Leissnig und Burggrafschaft, und etliche andere Graf- und Herrschaften des Landes, so böhmisch Lehn waren zur Entschädigung der aufgelaufenen Kriegskosten an sich gezogen; wurden aber den 19. Juli 1549 vom Churfürst Moritz, gegen Abtretung des Fürstenthums Sachsens in Schlesien, wieder zum Lande gebracht.
Im 30jährigen Kriege hat Leissnig aber am schrecklichsten gelitten. Denn der Oberst Schönickel, der Oberst Döbitz beehrten die Stadt mit ihrem Besuche und waren nicht allenthalben die freundlichsten Gäste.
Der schwedische Oberst Schlange glaubte seinen Vorgängern nicht nachstehen zu müssen, und verheerte die Stadt durch Feuer und Schwerdt. Auch der schwedische General-Major von Banner, der Oberst Lampe und Graf Kynsky haben in den Jahren 1640, 1644 und 1643 keine Denkmale der Güte und Liebe sich hier errichtet. Der General Königsmark folgte den vorhergenannten, liess das Schloss beschiessen und drang am 9. Aug. 1645 in selbiges ein.
Nach dem westphälischen Frieden suchte die Stadt sich wieder emporzuraffen und blieb bis zum Jahre 1800 von besondern Unglüksfällen frei. Allein mit dem Jahre 1803 brach wieder das Unglück über [195] Leissnig herein. Eine grosse Feuersbrunst verzehrte einen grossen Theil der Stadt mit dem massiven Rathhaus, welches früher mitten auf dem Markte stand.
Bei dem Wiederaufbau der Stadt wurde das Rathhaus nicht wieder an seine alte Stelle gebracht, sondern in die Reihe der Häuser am Markte auf die Stelle des mit abgebrannten Gasthofes zum goldenen Engel gebaut, wodurch der Marktplatz neu gewonnen hat, was deshalb zu wünschen war, weil die bedeutenden hiesigen Getreidemärkte einen grossen Raum verlangen.
Ausser jenem grossen Brandte sind Stadt, Vorstädte und Scheunen öfters auch durch kleine Feuersbrünste heimgesucht worden.
Die Stadt Leissnig besitzt ausser dem beschriebenen Schlosse und dem Rathhause noch 2 erwähnenswerthe Kirchen.
Die eine ist die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Matthiä und die im Jahre 1400 erbaute Nicolaikirche oder Gottesackerkirche.
Der Pfarrsprengel zu Leissnig und die Kirche zu St. Matthiä waren schon zu Ende des 12. Jahrhunderts vorhanden.
Nach einer Urkunde vom Jahre 1192 wurde die Pfarrei von Leisenik mit allen Zubehörungen, Kappellen, Dörfern, Mühlen, Aeckern und Wiesen, Weiden und Bergen, dem damals neugestifteten Kloster Buchau oder Buch zugeeignet. Der Abt von Buchau erbte das Patronatrecht. Noch im 14. und 15. Jahrhundert hatte das Kloster Buch über die Stadt Leissnig und dessen Schloss grosse Gewalt, welche erst in 16. Jahrhundert gebrochen wurde, wo die Stadt mehre Güter und die eigne Jurisdiction sammt Patronatrecht erworben hat.
Eingepfarrt nach Leissnig sind Brösen, Groschwitz mit Rittergut, das Gut Hasenberg, Meinitz, Minkwitz, Neu- und Neuneudörfchen, Röde, Tautendorf, sowie die Liebchens- die Kürsten- und die Schanzenmühle[WS 1].
An der Hauptkirche ist ein Superintendent und 2 Diaconen angestellt, wovon erstere unter Collatur eines hohen Ministeriums des Cultus und öffentlichen Unterrichts stehen, die Stellen der Diaconen und die wirklichen Schullehrerstellen aber von Stadtrathe besetzt werden.
Die Superintendur ist ein grosses feststehendes Gebäude in altem Klosterstil. Das Diaconat ist auf die Stadtmauer erbaut, aus welcher man eine romantische Aussicht in das herrliche Muldenthal nach Kloster Buch hin hat ganz so, wie in der Superintendur.
Von ihren Ursprunge weis man so viel dass es eine Terminey der Brüder zu Oschatz war. Jobst Marschalk, der wegen eines Todschlages von seinem Gute Döschitz von dem Herzog Georg zu Sachsen vertrieben worden war, hat sie den Barfüsser-Mönchen zu Oschatz abgekauft. Nach dem er sie einige Jahre besessen hatte und keinen Geschoss darauf bezahlen wollte, verkaufte er selbige. Florian von Könneritz kaufte nun das Haus 1547 und liess es seinem Weibe in Lehen geben. Nachher wurde es zur Diaconats-Wohnung erkauft und im Jahre 1656 neu erbaut.
Die jetzige Bürgerschule ist ein in den Jahren 1820 und 1821 von Grundaus neu erbautes Gebäude, auf dessen Platze früher die Knabenschule und die Kirchen vorstanden. An der Schule sind 7 Lehrer angestellt, welche 4 Knaben und 3 Mädchenclassen unterrichten.
Die Zahl der Schulkinder beträgt über 800. Für Kirche und Schule und Universität sind in Leissnig mehre wohlthätige Stiftungen vorhanden, worunter die Wagner’sche und die Hoffmann’sche nennenswerth ist; letztere bezieht sich auf 12 Freistellen am Convicte in Leipzig für Leissniger und Freiberger Kinder, die Theologie studiren. Die Grafen von Vitzthum und Eckstädt haben von diesen Convictstellen 4 zu besetzen, die übrigen werden vom Stadtrathe zu Freiberg vergeben.
Von der Quell’schen Familie, deren Stammvater Gottlob Leonhard war, ist durch ein Legat für arme Schulkinder in der Maasse gesorgt, das viele derselben den Schulunterricht unentgeldlich geniessen können.
Leissnig hat eine vortreffliche Lage und ist rücksichtlich seines guten Kornbaues als die Meissner Schmelzgruben bekannt, wie Melanchthon Leissnig zu nennen pflegt.
Oestlich, südlich und westlich ist die Stadt von einer äusserst üppigen Obstpflege, nicht nur in Gärten, sondern auch auf den Communplätzen gleichsam wie von einem grossen Baumgarten umgeben, und die Aussicht auf das nahe Muldenthal ist eine sehr romantische zu nennen.
Die schönste Fernsicht bietet sich dem Auge auf dem Schlossberge, auf dem sognannten Kessel, auf dem Dreihügelberge, wo vor Heinrich I. Zeiten die Sorbenwenden eine Burg erbaut gehabt haben sollen, welche aber schon 933 geschleift worden ist. Jedem Fremden ist aber noch der Besuch des sogenannten Mirus’schen Garten zu empfehlen. Wenn man in diesem Garten durch das Gartenhaus auf den Balkon hinaus tritt, breitet sich dem Auge des Beschauers das schönste Panorama dar. [196] Ausser den gewöhnlichen städtischen Nahrungszweigen, unter welchen die Tuchmanufactur die bedeutendste ist, sonst auch Kammsetzerei welche jedoch durch die Maschinenspinnerei so gut als verschwunden ist, wird hier natürlich auch Ackerbau getrieben. In der Nähe befinden sich auch mehre Schaafwollspinnmaschinen, wozu auch in der neuern Zeit Tuch-Appreturen, nach niederländischer Art eingerichtet, gekommen sind.
Aus den böhmischen Wäldern auf der Mulde anher, aus den Obergebirgswäldern von der Zschopau werden viele Breter geflösst, was für die Stadt ebenfalls einen guten Nahrungszweig gewährt.
Leissnig hat jetzt 585 bewohnte Gebäude mit 5506 Einwohnern welche unter dem Gerichtsamte Leissnig stehen, dessen vorgesetzte Behörden das Bezirksgericht Rochliz, die Amtshauptmannschaft Döbeln, und die Kreisdirection Leipzig bilden.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Schanzenmüthe