Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Kleinzschocher
Kleinzschocher liegt am linken Elsterufer und der Eisenberger Strasse, eine Stunde südlich von Leipzig entfernt. Es gehörte vor der Theilung Sachsens zum Hochstifte Merseburg und zum Amte Lützen. Zu den früheren Gerichtsuntergebenen gehörten auch die Dörfer Plagwitz mit hübschen Landhäusern und Grossmiltitz am Schambert.
Jetzt gehört Kleinzschocher mit seinen 134 bewohnten Gebäuden, seinen 280 Familienhaushaltungen und 1242 Einwohnern zum Gerichtsamte Leipzig II, zum Bezirksgerichte Leipzig, zur Amtshauptmannschaft Borna, zum Regierungsbezirk Leipzig.
Das hiesige Rittergut und Schloss mit sehr grossen Wirthschaftsgebäuden, mit starker Brauerei und Ziegelei und mehreren Steinbrüchen (in hiesiger Gegend lagert nämlich Grauwackenschiefer) gehört vorzüglich wegen seiner schönen herrschaftlichen Gebäude, seines herrlichen Gartens und der grossen Gewächshäuser für exotische Pflanzen zu den schönsten in der ganzen Umgegend. Die ältesten bekannten Besitzer dieses Gutes sind die Herren von Hahn, oder wie sie auch sonst geschrieben wurden, die Herren von Hayn. Von diesen kam es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an die Familie von Dieskau auf Knauthain, welche es über 100 Jahre besass. Nach dem Tode des letzten Gliedes dieser Familie, Karl Heinrich, welcher zugleich ausser Knauthain noch Cospuden besass, wurde es durch dessen Schwager, Herrn Major Gottlob August von Trebra, an den Kreishauptmann Ernst Ludwig Gottlob von Gersdorf auf Zangenberg verkauft, der es noch bei Lebzeiten an den Kaufmann und Fabrikanten zu Colditz, Herrn Gottfried August Kelz, käuflich abtrat. Nach einigen Jahren schon kaufte es von letzterem der Kammerherr und Hauptmann, Herr Carl Wilhelm Ernst von Griesheim auf Oberthau. In seinem Alter zog er sich zurück und verkaufte das Gut an den Kaufmann und Droguisten Schröter und den Gastwirth Hildebrand zu Leipzig. Einige Jahre darauf trat Schröter seinen Antheil an Hildebrand ab und dieser verkaufte kurz vor seinem im Jahre 1812 erfolgten Ableben das Gut an den Kaufmann David Förster sen. in Leipzig, welcher am 8 September 1814 mit Tode abging und das Gut sowie das zu Mockau seinem einzigen Sohne gleichen Namens erblich hinterliess. Dieser Besitzer des Gutes hat zur Verschönerung desselben viel beigetragen.
Als Freund der Natur schuf er das nahe gelegene Hölzchen zu einem öffentlichen Parke um und bekannt ist sein schönes Gewächshaus für Pflanzen aus allen Zonen. Seine Sammlung war bis zum Jahre 1827, wo er viel zu früh für die Seinen und für seine Gerichsuntergebenen starb, unstreitig die gröste und vollständigste, welche sich in Sachsen, wenigstens in den Händen eines Privatmannes, befand. Nach seinem Tode erbte es sein einziger Sohn Johann Gustav Förster, welcher den ganzen Rittergutsgarten in einen freundlichen Park umwandelte. Seit 1848 besitzt das Gut Herr Bernhard Tauchnitz in Leipzig.
Der Name Zschocher lässt sich vielleicht von dem wendischen Namen Choho (tschoho) i. e. cujus mons? ableiten. Da die Wenden ihren Zug durch die Aue nahmen und schon jenseits der Anhöhe, auf welcher Gross- und Kleinschocher erbaut worden ist, deutsche Völker sich niedergelassen hatten, so lässt sich hier leicht ein Kampf zwischen beiden Völkern denken, der dadurch seine Endschaft erreichte, dass den Wenden die Anhöhe zur Bebauung überlassen wurde.
Im Jahre 1021 hat Bischof Ditmarus vom Kaiser Heinrich II. Leipzig mit allen dazu gehörigen Dörfern, Feldern, Wiesen, Wäldern, Mühlen u. s. w. zum Tafelgut erhalten. Im Jahre 1327 ist die wendische Sprache erst in hiesiger Gegend abgeschafft worden.
Kleinzschocher ist übrigens von vielen Drangsalen von jeher heimgesucht worden. Namentlich hat der 30jährige Krieg hier traurige Spuren zurückgelassen. Von den beiden Zschochern und von Lindenau aus hat Tilly Leipzig berannt. Gross- und Kleinzschocher wurde geplündert, zuletzt angezündet und zum grössten Theil in Asche gelegt. Im Jahre 1680 gesellte sich zum Kriegsunglück noch die Pest, wodurch viele Menschen hinweggerafft wurden. Die Trümmer des Wagens, auf welchem die an der Pest Verstorbenen auf den Gottesacker gefahren wurden, liegen [148] noch jetzt auf dem hiesigen Kirchboden. Auch im siebenjährigen Kriege sind die Qualen des Kriegs über den Ort gekommen und die grosse Völkerschlacht vom 16. zum 18. October 1813 hatte auch hier ihre Zeugen.
Die Einwohner waren in diesen Tagen in den nahen Wald geflüchtet, um den Plünderungen und Gefahren bei den Gefechten zu entgehen, welche zwischen den Giulay’schen und den in Lindenau stehenden Bertrand’schen Truppen hinter dem Dorfe und auf der Weide zwischen Kleinzschocher und Schleussig stattfanden. Sämmtliche Häuser waren in diesen Tagen völlig ausgeräumt und die Bewohner fast um alle ihre Habe gekommen, so dass sie im eigentlichen Sinne des Wortes weiter nichts besassen, als was sie auf dem Leibe trugen.
Auch von unglücklichen Feuersbrünsten ist Kleinzschocher nicht verschont geblieben. Am 26. August 1703 brannten 26 Häuser, die Pfarr- und Schulwohnung, sowie die Stallgebäude und Schäferei des Rittergutes völlig ab. Am 27. November 1842 brannte die Rittergutsbrauerei gänzlich nieder.
Seit den letzten 30 Jahren hat Kleinzschocher an seiner Bevölkerung auffallend zugenommen.
Fast alle Gewerbe, besonders viele Maurer und Zimmerleute und eine nicht geringe Zahl von Gehülfen in Tabaksfabriken und andern Kaufläden Leipzigs, welche sämmtlich ihr Brod hier verdienen, haben sich niedergelassen. Auch gehen von hier aus viele Milchwagen zur Stadt.
Der hiesige Gasthof ist noch nach wie vor ein Belustigungsort für die Einwohner von Zschocher, sowie für Leipzigs Bewohner, die im Sommer an Sonn- und Wochentagen viel hierher wandern.
Die Kirche zu Kleinzschocher ist, nach einem noch stehenden kleinen Theile, auf welchem 1688 der Thurm aufgeführt wurde, zu schliessen, uralt und ehemals wahrscheinlich nur eine Capelle gewesen. Sie ist nach und nach durch mehrfache, zu verschiedenen Zeiten erfolgte Hauptreparaturen zwar erweitert, aber freilich dadurch unregelmässig, in ihrem Innern aber ziemlich dunkel und viel zu klein für die gegenwärtige Anzahl der Parochianen geworden. Im Jahre 1830 wurde das hiesige Pfarrhaus von dem Maurermeister Moser aus Leipzig neuerbaut, sowie im Jahre 1832 im Filialdorf Grossmiltitz ebenfalls ein neues Pfarrhaus entstand, worin zugleich eine Unterstube zum Unterricht für die Schuljugend und im obern Gestock eine Wohnstube für den Lehrer eingeräumt sich befindet, wodurch die frühere Wandelschule aufgehoben worden ist.
Im Jahre 1833 wurde das Pfarrholz bei Plagwitz wegen des schlechten Bestandes und der häufigen Holzdiebereien abgetrieben, der Holzbestand von der Kircheninspection verkauft und durch Rescript des hohen Ministerii des Cultus dem jedesmaligen Pfarrer zu Kleinzschocher nicht allein die Zinsen von dem erlösten Capitale, sondern auch die freie Benutzung des Grund und Bodens zugewiesen.
Im Jahre 1835 wurde ein neuer Gottesacker angelegt und im Jahre 1837 ein zweites Schulhaus für den zweiten Lehrer mit Unterricht- und Wohnstube in der Mitte des Dorfes erbaut.
Im Jahre 1841 wurde hier wie in Grossmiltitz eine Sonntagsschule errichtet und am 31. October 1842 ein Zweigverein der Gustav-Adolph-Stiftung mit 491 Mitgliedern gegründet.
Eingepfarrt in hiesige Kirche sind das Dorf Plagwitz, in dessen Nähe der linke Arm der Elster unter dem Namen Luppe nach Lindenau zugeht, und das Dorf Schleussig auf dem rechten Ufer der Elster mit einem Vasallengute, ein Vergnügungsort für Leipzigs Bewohner.
Das Filial Grossmiltitz, dessen wir oben schon Erwähnung gethan haben, liegt 1¼ Stunde von Kleinzschocher und ist eins der beschwerlichsten Filiale. Der Weg im Frühjahr und Winter ist oft schwer zu passiren. Der Gottesdienst muss in dieser Kirche einen Sonntag um den andern und ausserdem alle Festtage gehalten werden. Im Sommerhalbjahre beginnt er schon früh um 6 Uhr und im Winterhalbjahre Nachmittags ½2 Uhr.
Die Collatur über Kirche und Schule zu Kleinzschocher steht dem jedesmaligen Besitzer des Rittergutes zu. Früher vor der Theilung Sachsens standen Kirche und Schule unter dem Seniorat Lützen; jetzt gehören solche zur Inspection Leipzig.
Grossmiltitz war vor der Reformation ein besonderes Pfarrdorf und wurde erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts Schwesterkirche von Kleinzschocher.