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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Hirschfeld

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Hirschfeld
Untertitel:
aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 111–112
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Hirschfeld.


Hirschfeld mit Moritzthal liegt 3½ Stunden nördlich von Freiberg und eine Stunde südlich von Nossen, stand vor der neuen Gerichtsorganisation unter der Obergerichtsbarkeit des Amtes Meissen und hatte seine eigene Erbgerichtsbarkeit, jetzt gehört es zum Gerichtsamte Nossen, Bezirksgericht Meissen, Amtshauptmannschaft Meissen, Regierungsbezirk Dresden.

Hirschfeld mit Moritzthal zählt 90 bewohnte Gebäude mit 133 Familienhaushaltungen und 680 Einwohnern. Bei dem Orte nahe vorbei führt die Chaussee von Freiberg nach Nossen und ein näherer Fussweg dahin durchschneidet das Oberdorf, wo der sogenannte Euler-Bach entspringt, der beim Rittergute nördlich in ein sehr schönes waldiges Thal sich wendet.

Nicht fern davon westlich fliesst die Freiberger Mulde. Bis zu den Holzungen an der letzteren reichen die Dorffluren, welche durch Ober-Eula Deutschenbora, Neukirchen und Reinsberg beraint sind.

Das Rittergut hat freundliche schöne Gebäude. Den Namen hat es wohl von einem Ritter Tiezmann von Hersfeld im Jahre 1267 erhalten, wiewohl schon vorher ein Schloss daselbst gestanden haben soll und dieser von Hersfeld nicht als der eigentliche Erbauer genannt werden kann. Denn schon früher und zwar zu Anfang des zwölften Jahrhunderts während der innerlichen Kriege, welche die kaiserliche und päpstliche Parthei mit einander führten, legten die Edelleute unter dem Anführen einer nothwendigen Schutzwehre fast auf allen Bergen, die ihnen zugehörten, in hiesiger Gegend Schlösser oder Burgen an, und war dies zu derselben Zeit, wo Conrad der Grosse aus dem Hause Wettin als Markgraf von Meissen vom Kaiser Lothar II. im Jahre 1127 ernannt worden war. Diese Grafen von Wettin sind die wahren Stammväter des Chur- und Herzoglichen Hauses Sachsens. Die Besitzer von Hirschfeld waren stets treue Lehnleute und ergebene Ritter ihren Markgrafen, leisteten überall ihre Dienste, deshalb sie sogar zu Markgräflichen Räthen erhoben wurden; denn im Jahre 1274 finden wir Reinhold von Hiersfelde als Markgräflichen Rath auf dem Schlosse zu Hirschfeld. Ueberhaupt wird in den alten Urkunden von dieser Familie gerühmt, dass solche durch alte ritterliche Tugenden glänzte. Dieses Geschlecht erinnert daher recht lebhaft an die Zeit, wo die Chevalerie in ihrer vollsten Blüthe stand und wohlthätig auf die folgenden Geschlechter wirkte.

Manche Verfeinerung des geselligen Tones, manche Delicatesse in der Freundschaft und Liebe, die Heilighaltung des Ehrenwortes selbst unter Jenen, die der moralischen Pflichten spotten und vor Allem die Züge der Menschlichkeit und Grossmuth, welche mitunter die Zerstörungen der Kriegswuth, die Gräuel des Schlachtfeldes mildern, sind die Vermächtnisse jener Zeit. Ja, wenn auch das Ritterthum die Anlagen zur Bosheit, die Selbstsucht nicht ganz vertilgen konnte, so stellte es doch die schönsten Tugenden, Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Ehre als hohe Ziele des pflichtmässigen Bestrebens auf, huldigte jeder Tugend und verabscheute das Laster. Mit den Hauptpflichten des Ritterthums harmonirte so recht die christliche Religion, als Lehrerin der Gerechtigkeit, des Erbarmens. Hierdurch wurde Erhebung ins Gemüth des Ritters gebracht. Mit dem [112] Feuer der Andacht, mit der Begeisterung himmlischer Gefühle übte er seine Menschenpflicht. Der wahre Charakter des Ritterthums war mit einem Worte edel und gross und lässt die Macht und Gewalt, die es überkommen hatte, weniger gefährlich, weniger schädlich dem Allgemeinen erscheinen. Diese ritterlichen Tugenden haben zur Erhaltung, zum Glanze des Geschlechts selbst sehr viel beigetragen, wie ein älterer Geschichtsschreiber sehr richtig bemerkt. Wir finden die Wahrheit dieses Ausspruches eben bestätigt bei dem Geschlechte derer von Hiersfeld. Noch im Jahre 1328 bis 1345 finden wir auf Hirschfeld einen Landgräflichen Hofmarschall Arnold von Hiersfeld.

Dieser Hiersfeld war Hofmarschall Friedrichs II., des Ernsthaften, des Sohnes Friedrichs mit der gebissenen Wange. Den unglücklichen Krieg, welchen Friedrich II. mit dem Könige Johann dem Blinden von Böhmen wegen Zurücksendung seiner Tochter, die Friedrich II. eigentlich als Gemahlin zugedacht war, im Jahre 1345 führte, erlebte der Hofmarschall nicht mehr, welcher als ein treuergebener Diener seines Landgrafen gerühmt wird. Dieser Johann, König von Böhmen, eroberte damals die ganze Oberlausitz, brachte Weimar und andere Oerter des Grafen von Orlamünde an sich, schlug aber die deutsche Königskrone zu Gunsten Karls IV. von Böhmen aus. Der frühere Schöppenstuhl in Leipzig hatte seine Entstehung diesem Johann dem Blinden zu verdanken.

Während der Vormundschaft Friedrichs II., welche bis zum Jahre 1329 dauerte und welche Heinrich Reuss XII. führte, der dafür mit Ziegenrück, Triptis und Auma belehnt wurde, war Arnold von Hiersfeld auf Hirschfeld mit den wichtigsten Geschäften betraut. Die Nachkommen desselben behaupteten sich noch lange im Besitze von Hirschfeld. Erst im Jahre 1547 kam das Gut an die von Mergenthal auf Deutschenbora und Neukirchen. Von dieser Zeit an wechselten öfter von Zeit zu Zeit die Besitzer. Denn im Jahre 1612 finden wir einen Siegmund Röling damit beliehen, von welchem es wieder in den Besitz des Appellationsraths von Thielau überging und zwar im Jahre 1730. In den darauf folgenden Zeiten hat es dann eine Familie Freiberg acquirirt, von welcher es der königl. Preussische Kammerherr Heinrich Friedrich Eduard von Seckendorf erkaufte.

Die dermalige Besitzerin ist aber Frau Hübner.

Die im Orte befindliche Kirche ist ebenfalls sehr alten Ursprungs und eingepfarrt hierher ist Drehfeld, welches eigentlich früher zum Rittergute Reinsberg, jetzt zum Gerichtsamte Nossen gehört.

Hier hat schon lange vor der Reformation eine ausgezeichnete Pfarrkirche bestanden. In den alten Urkunden ist sie als eine solche schon zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts genannt. Ihre Erbauung mag aber so alt sein, wie das Schloss.

Die Collatur über die Kirche steht dem Rittergute zu.

Nicht weit von Hirschfeld, an der alten Strasse von Meissen nach Freiberg, zwischen Wendischbora, Deutschenbora und Mergenthal liegt der bekannte Schaafteich, welcher mit dem Schaafteich bei Glauchau hinsichtlich seiner Grösse nicht concurriren kann.

In Hirschfeld ist ein Gasthof, eine Mühle und eine grosse Ziegelei. Uebrigens gehört auch Hirschfeld zu denjenigen Orten des Meissner Landes, wo ansehnlicher Bergbau getrieben wurde. Leider blieben die Gruben wieder liegen, nachdem im Erzgebirge weit ergiebigere Quellen gefunden worden waren.

Als besondere Merkwürdigkeit von Hirschfeld ist noch hervor zu heben, dass im Jahre 1214 hier ein Erzpriester[1] residirt haben soll.


  1. Die Erzpriester standen früher unter den Archidiakonen, welche dem Bischof ad manus waren, die Archidiakonen wohnten in Meissen und jeder Archidiakon hatte dreizehn Erzpriester unter sich, unter welchen dann die Plebane – unsern Pastoren entsprechend – standen. Die Archidiakonen oder die Pröbste und Dechanten waren die Vorgesetzten der Suffraganstifte des Meissner Bisthums, welches im Jahre 965 oder 968 vom Kaiser Otto I. gestiftet, vom Papst Johann XIII. alsbald aus der Gewalt des Erzbisthums Magdeburg eximirt wurde. Diese Suffraganstifte des Meissner Bisthums, welche zu Bautzen, Wurzen, Freiberg, Stolpen, Ebersdorf, Grünberg und Hain oder Zschilla existirten, waren dem Hochstifte untergeordnet. Der erste vom Kaiser erwählte Bischoff war dessen Hofcaplan Burchard, welcher 972 starb, unter dessen 45 Nachfolgern Viele als ausgezeichnete Gelehrte und als grosse herrliche Charaktere glänzten.
M. G.