Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Glossen
Das Dorf Glossen mit einem schönen Rittergute liegt am linken Ufer des Löbauer Wassers auf einem Hügel den der Bach halb umfliesst. Die Stadt Bautzen ist vier Stunden, Löbau anderthalb Stunden, Reichenbach eben so weit und Weissenberg eine Stunde entfernt, und die ziemlich coupirte Gegend zeigt schon verschiedene anmuthige Landschaften. Mit den Glossener Fluren rainen die von Mauschwitz, Bautitz, Drauschwitz, Grabe und Kleinradmeritz.
Glossen ist der Stammort der alten adligen Familie von Glossen, die bis zum funfzehnten Jahrhundert in der Lausitzischen Geschichte häufig erwähnt wird und deren letzter Zweig Agnes von Glossen 1414 Aebtissin des Klosters Marienthal war. Der Umstand, dass die Tochter des letzten Ritters von Glossen auf Glossen den Schleier nahm und Aebtissin wurde, mag wohl zu der noch jetzt oft gehörten Sage Veranlassung gegeben haben, dass Glossen einst ein Kloster gewesen sei. Geschichtlich wird der Ort zuerst 1228 genannt, wo in einer zwischen Wenzel dem Jüngeren von Böhmen und Bischof Bruno von Meissen vollzogenen Grenzurkunde er unter dem Namen Glusina vorkommt. Im funfzehnten Jahrhundert war Glossen ein Sitz der Herren von Gersdorf nach dem sich eine Linie dieses Geschlechts nannte. So lebte hier um 1431 Hans Wenzel von Gersdorf und 1472 Siegismund von Gersdorf. Hans von Gersdorf besass das Gut um 1505, Christoph von Gersdorf 1550. Michael von Gersdorf auf Glossen ertrank allda im Jahre 1620 in seinem vierzigsten Jahre und ist in der Kirche zu Kittlitz beigesetzt. Ein eben so unglückliches Ende nahm sein Nachfolger, Nikolaus von Gersdorf, der 1643 im vierundzwanzigsten Lebensjahre zu Reichenbach in Folge eines Streites erschossen wurde und ebenfalls in der Kirche zu Kittlitz begraben liegt. Nach ihm besass Glossen Joachim Ernst von Gersdorf der 1672 unverheirathet und erst dreiunddreissig Jahre alt zu Kittlitz seine letzte Ruhestätte fand. Christian[48] Felix von Gersdorf besass ausser Glossen auch Sohland und starb 1694, worauf Glossen an Christian Ludwig von Gersdorf, chursächsischen Rath, gelangte, nachdem dessen älterer Bruder kurz vorher gestorben war. Dieser Besitzer von Glossen starb im Jahre 1720 als Landesältester der Oberlausitz und nach ihm gehörte das Gut dem Stiftsverweser Johann Adolf von Gersdorf bis 1753 und dem Landescommissär Carl Gottlob von Gersdorf auf Techritz, Mauschwitz, Schöps und Gosswitz bis 1768. Noch 1787 besass Glossen der Landesälteste N. von Gersdorf und bis 1822 ein Hauptmann von Gersdorf. Der jetzige Besitzer von Glossen ist Herr F. W. Schmalz.
Was die Schicksale Glossens anlangt so befand sich dasselbe unter den Ortschaften, welche 1431 von den Hussiten gänzlich eingeäschert wurden. Ein starker Heerhaufen derselben hatte 1431 einen Zug gegen Budissin unternommen, die Stadt berannt und hart bedrängt, denn nicht nur dass sie der Stadt von einem Felsen, der Badstube gegenüber, heftig zusetzten stürmten sie auch von dem Eselsberge fast neun Stunden mit aller Wuth die Mauern, wurden indessen blutig zurückgewiesen. Nach langen Mühen sahen die Hussiten ein, dass der wohlvertheidigten mit allen nöthigen Vorräthen versehenen Stadt nicht beizukommen sei, und zogen nunmehr zum Theil gegen Löbau, zum Theil aber gegen Camenz. Der Haufen, welcher auf Löbau marschirte, brannte alle Dörfer nieder, die er auf seinem Wege antraf, hierunter befand sich auch Glossen, wo die wilde Horde den Edelsitz demolirte und sämmtliche Bauernhäuser einäscherte. In Löbau angekommen – die Stadt war nicht im Stande Widerstand zu leisten – schwelgten die Hussiten fünf Tage lang und zogen dann weiter nach Lauban, wo ein neues entsetzliches Blutbad unter den unglücklichen Einwohnern angerichtet wurde, obgleich die Stadt von einem früheren Besuche des hussitischen Gesindels noch fast gänzlich in Asche lag. Eine Folge der verübten Scheusslichkeiten war ein Bündniss der Städte Budissin, Görlitz und Löbau, dem sich eine grosse Anzahl adliger Herren vom Lande, worunter auch Hans Wenzel von Gersdorf, anschlossen.
Glossen wurde auch von der berühmten Schlacht bei Hochkirch berührt, indem der rechte Oesterreichische Flügel unter General Brown hier stand. Bei dem Rückzuge der Alliirten litt der Ort entsetzlich und die unglücklichen Einwohner schwebten in unaufhörlicher Lebensgefahr. Ringsum brannten die Dörfer und überall sah man plündernde und wüthende Soldaten, denen man sich nur mit grosser Gefahr nähern durfte, weshalb auch die meisten Bewohner der berührten Dörfer in die Berge und Waldungen flüchteten; dazu erschütterte die Luft ein furchtbarer Kanonendonner und das Pfeifen der Tausende von tödtlichen Geschossen. Neuen Jammer brachten die Tage des August, wo der Rückzug der geschlagenen Französischen Armee wiederum die an der Hauptstrasse gelegenen Ortschaften berührte. – Aber alle Erinnerungen an diese Schreckenszeiten leben nur noch im Munde des Volkes und in den Annalen unseres Vaterlandes, denn ein vierzigjähriger Frieden und der Segen einer sorgsamen väterlichen Regierung haben die Wunden geheilt und die Spuren verwischt, welche einst durch die Furie des Kriegs entstanden. Die verwüsteten Dörfer sind schöner als früher aus der Asche hervorgegangen, die mit Blut und Leichen übersäeten Felder mit üppigen Saaten bedeckt und Glück, Wohlstand und Zufriedenheit leuchten aus Aller Augen. – Möge Gott unserem Sachsenlande fortdauernden Frieden schenken!
Dorf und Rittergut Glossen sind nebst den Ortschaften Grossdehsa, Jauernick, Peschen, Eisenrode, Nechen, Breitendorf, Lauche, Carlsbrunn, die Hälfte von Wohle, Unwürde, Georgewitz, Wendisch Paulsdorf, die Hälfte von Rosenhain, Zoblitz, Bellwitz, Oppeln, Kleinradmeritz, Lautitz, Alt- und Neukunnewitz, Mauschnitz und Hasenberg in die grosse und schöne Kirche zu Kittlitz eingepfarrt. Diesselbe war nach einer noch im Pfarrarchive vorhandenen Bulle des Papstes Innocenz IV. schon im Jahre 1252 vorhanden. Das alte in dem Jahre 1606 und 1607 von den Herren von Gersdorf auf Kittlitz und Lautitz erbaute Gotteshaus musste in der Mitte des vorigen Jahrhunderts wegen gefährlicher Baufälligkeit abgetragen werden und 1769 wurde die neue Kirche bis auf den Thurm glücklich vollendet. Ausser verschiedenen alten interessanten Denkmälern, die man aus der alten Kirche hierher versetzte, ist auch noch der uralte Altar vorhanden, welchem Kenner ein Alter von fünfhundert Jahren zusprechen. Derselbe wird in der Sakristei aufbewahrt und ist mit vergoldeten Figuren von trefflicher Schnitzarbeit und auffallender Farbenschönheit verziert. Nicht weniger bemerkenswerth ist ein Leichenstein aus Granit mit dem Nostizschen Wappen und einer Inschrift die noch Niemand entziffern konnte, weshalb er wohl einem der frühsten Besitzer von Kittlitz oder einem nahen einst Nostizschen Gute gehört haben muss. Den Gottesdienst zu Kittlitz versehen ein Pfarrer und ein Diakonus, von welchen Letzterer mit der eigentlichen und speciellen Seelsorge der Parochianen mit Ausnahme der Herrschaften und des Dorfes Breitendorf, betraut ist.