Ritter Peter von Hagenbach
[306] Wir lassen hier auch den poetischen Monolog Peters von Hagenbach, aus der Feder L. Rochholz’s folgen, der uns freilich seinen Helden nicht im strengen Lichte der Geschichte, sondern in aristokratisch-idealer Verklärung vorführt.
„Als stünde hier kein düstrer Zwinger,
So jauchzt die Lerche himmelan;
Ich zeig’ sie dir mit meinem Finger,
Als hingen Ketten mir nicht dran;
Daß ich von dieses Thurmes Brüstung
Vielleicht die Kämpfer in der Rüstung,
Die Hengste sehe auf der Bahn.
„Hab Dank, gestrenger Eisenmeister!
Dank, Sonne, daß du Lebensgeister
Mir in die finstre Seele scheinst!
Dank, alter Rhein, du weitgereister,
Daß du mit deinen regen Fluthen
In meine Heldenthränen weinst!
„O Lenz, wie bist du schön geworden,
Als hätt’ ich dich noch nie geschaut!
Du schlingst um diese Felsenpforten
O Maienzweig! Wenn sie mich morden
Und peinigen, umschlingst du Diesen,
Der in den feuchten Thurmverließen
Beinah schon über Nacht ergraut?
Du schmeichelst noch dem armen Mann!
Geh, lege dich um jene Zinnen,
Wo mich die Gräfin liebgewann!
Dort sitzt sie in verlornem Sinnen;
Wie einst im Hochzeitschmuck der Dame
In der berauschten Burg zu Thann!
„Du aber, Vöglein in dem Riede,
Du schlage fort zur Abendzeit,
Den Bach hinab, wo manche Maid
Ihr schönes Kränzlein hoffnungsmüde
Hinabwirft aus den losen Haaren,
Und ruf’ ihr im Vorüberfahren:
„Ja, weit von hier sind jene Wochen
Voll Frauen- und voll Lautenzier;
Fort sind die Schwüre und gebrochen,
Wie Lanzen einstens beim Turnier;
Und Schlachten selbst und Liebesfahrten
Fort, todt die treuesten Pikarden,
Und ich bin selbst am Ziele hier!
„O Monthlery, du Glanz der Fehden
O siegverkündende Trompeten
Am Kampfestag bei Nourbillon!
Das Eisen selbst ward weichgetreten,
Und mitten in dem Schlachtenwunder
Und Hagenbach bei ihm, sein Sohn.
„Und sein Visier ist nun dies Gitter,
Sein Bügel dieser Eisenstock?
Statt jenes Wappenrocks der Ritter
Er spielt mit Fesseln statt der Cither;
Und dies ist Hagenbach, der gräme,
Der, wenns zum Sterben morgen käme,
Hingeht und legt sein Haupt auf’s Block?
Wie mich dies feige Volk entehrt!
Dies Volk, das, dir um Geld verpfändet,
Längst an den eignen Ketten zehrt,
Hat mich entrittert und geschändet,
Dein goldnes Vließ mir abgerissen
Und auf der Folter mich verkehrt!
„Schaut her da drunten in den Schiffen!
Kennt ihr den Landvogt von Burgund?
Vom niedern, ja vom niedern Bund,
Dies einzige habt ihr begriffen?
– Sie schiffen fort, es spotten Stimmen;
O könnten nicht die Nachen schwimmen,
„Doch sieh! der Fluß wird fast zu enge,
Es reiht sich Kahn an Kahn im Rhein;
Dann drüben eine Menschenmenge,
Dann Reisige dahinten drein –
Die Zahl von Männern und von Rossen?
Was soll sie, die mit Schweiß begossen,
Und was der grelle Fackelschein?
„Bist du’s mit deinen Siegsstandarten,
Und meine wackeren Lombarden,
Erscheint ihr, o so sputet euch!
Hierher zu diesem schlechtbewahrten
Gefängniß! Brecht die morschen Thüren!
Sich nicht, und ruhig hält ihr Zeug?
„Vor ihrem Drängen, ihrem Reiten,
Wird die Almende rings zu schmal.
Sie schließen einen Kreis, sie streiten;
Nun werden sie zum Theiding schreiten,
Denn rings legt sich des Volkes Murren;
Es springt von den beschrotnen Gurren
Manch Reiter klirrend ab zu Thal.
Ein „Tod“ und „Ab!“ zu meinem Ohr;
Ein Wort noch, das der Wind verschlinget –
Drauf recken sie die Hand empor,
Und plötzlich nah’n, mit Eil beschwinget,
Und ziehen unter rothen Mänteln
Acht nakte Schwerter lang hervor.
„Drauf dringt der Kleinste von den Achten
Mit seinem Schwert heraus und zielt;
Das Leben wo, mit dem man spielt?
Gilt mir dies geisterhafte Trachten
Und diese nächtliche Verschwörung?
So fordre keck dies Haupt, Empörung!
„Sie wenden sich, und rasch und dichter
Bewegt sich nun der ganze Zug;
Beim rothen Qualm der vielen Lichter
Erkenn’ ich wohl und ohne Trug
Langbärtig, braun und strenggestaltet,
In schwerer Rüstung, halbveraltet
Wie die, worin einst Erlach schlug;
„Wohin sie nur auf ihren Rossen
Ach Gott! Das sind die Eidgenossen!
Mein letzter Lebenstag ist der!
Sie haben meinen Tod beschlossen!
Da weht das Banner der Lucerner,
Der alte Nimmersatt, der Bär!
„Kommt an, taucht eure weiße Binde,
Den reinen Armschmuck, in mein Blut!
Kommt an, und zeigt es eurem Kinde,
Doch daß nun eure Ehre schwinde,
Daß eure keuschen Freiheitsschlachten
Vorbei, daß euch nun Fürsten pachten,
Dies sagt ihm auch, und kurz und gut!
Und jetzt der Schutz für Siegismund!
Miethtruppen jetzt im welschen Solde,
Und bei Sanct Jacob einst ein Bund,
Den keiner überleben wollte!
Verkauft als schlachtbereite Banden,
Und ehedem Ein Herz, Ein Mund!
„Wo sonst ein Vogt euch schlecht geschienen,
Urphede schwor er und entwich;
Dem Herzog, und ihr tödtet mich?
Sey’s drum, so opfert mich denn ihnen,
Die euch mit blanken Sonnenkronen
Den Mord, auf fremdem Boden, lohnen:
„Führt mich hinab, ich weiß zu sterben,
Und euer Henker zielt genau;
Doch diese That wird euch verderben,
Und euer Schwert durch jeden Gau
Schenkt meine sechszehn Hengste dorten
Und diesen letzten Ritterorden
Dem Kirchlein unsrer Lieben Frau!“