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Reichsschuldenordnung

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Gesetzestext
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Titel: Reichsschuldenordnung.
Abkürzung:
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1900, Nr. 11, Seite 129 - 134
Fassung vom: 19. März 1900
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 22. März 1900
Inkrafttreten:
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[129]

(Nr. 2656.) Reichsschuldenordnung. Vom 19. März 1900.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1.

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Die Bereitstellung der außerordentlichen, im Wege des Kredits zu beschaffenden Geldmittel, welche in dem Reichshaushaltsplane zur Bestreitung einmaliger Ausgaben für Zwecke der Reichsverwaltung vorgesehen sind, erfolgt auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung des Reichskanzlers bis zur Höhe der bewilligten Summe in dem zu ihrer Beschaffung erforderlichen Nennbetrage durch Aufnahme einer verzinslichen Anleihe oder durch Ausgabe von Schatzanweisungen. Ueber die Ausführung des die Ermächtigung ertheilenden Gesetzes hat der Reichskanzler dem Reichstage bei dessen nächster Zusammenkunft Rechenschaft abzulegen.
Die Ermächtigung des Reichskanzlers, zur vorübergehenden Verstärkung der ordentlichen Betriebsmittel der Reichs-Hauptkasse nach Bedarf Schatzanweisungen auszugeben, hat gleichfalls durch Gesetz zu erfolgen.

§. 2.

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Die Bestimmung darüber, zu welcher Zeit, durch welche Stelle und in welchen Beträgen Schuldverschreibungen der verzinslichen Anleihe ausgegeben werden sollen, steht, soweit nicht in der im §. 1 Abs. 1 vorgesehenen Ermächtigung ein Anderes vorgeschrieben ist, dem Reichskanzler zu. Das Gleiche gilt von der Bestimmung des Zinssatzes, der Kündigungsbedingungen und des Kurses, zu welchem die Ausgabe erfolgen soll.

§. 3.

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Die Schuldverschreibungen nebst den dazu gehörenden Zinsscheinen und Erneuerungsscheinen werden von der Reichsschuldenverwaltung ausgestellt. [130]

§. 4.

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Die Gültigkeit der Unterzeichnung der auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen, Zinsscheine und Erneuerungsscheine hängt davon ab, daß dieselben vorschriftsmäßig ausgefertigt sind. Der Aufnahme dieser Bestimmung in die Urkunde bedarf es nicht.
Die Ausfertigung erfolgt bei den Schuldverschreibungen durch eigenhändige Unterzeichnung des Vermerkes „Ausgefertigt“ seitens des damit beauftragten Beamten, bei Zinsscheinen und Erneuerungsscheinen durch Aufdruck eines den Reichsadler enthaltenden Trockenstempels.

§. 5.

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Die Tilgung der Anleihe geschieht in der Weise, daß die durch den Haushaltsplan dazu bestimmten Mittel zum Ankauf einer entsprechenden Anzahl von Schuldverschreibungen verwendet werden.
Die durch besondere Gesetze angeordnete Verminderung der Schuld durch Absetzung vom Anleihesoll ist einer Tilgung gleich zu achten.

§. 6.

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Dem Reiche bleibt das Recht vorbehalten, die im Umlaufe befindlichen Schuldverschreibungen insgesammt oder in angemessenen Theilbeträgen zur Einlösung gegen Baarzahlung des Nennbetrags binnen einer gesetzlich festzusetzenden Frist zu kündigen.
Den Inhabern der Schuldverschreibungen steht ein Kündigungsrecht gegen das Reich nicht zu.

§. 7.

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Die Bestimmung darüber, zu welcher Zeit und in welchen Beträgen Schatzanweisungen ausgegeben werden sollen, steht, soweit nicht in den im §. 1 vorgesehenen Ermächtigungen ein Anderes vorgeschrieben ist, dem Reichskanzler zu. Das Gleiche gilt von der Bestimmung des Zinssatzes und der Umlaufszeit; der Fälligkeitstermin ist in den Schatzanweisungen anzugeben.
Innerhalb der Umlaufszeit kann nach Anordnung des Reichskanzlers der Betrag der Schatzanweisungen wiederholt, jedoch nur zur Deckung der in den Verkehr gelangten Schatzanweisungen ausgegeben werden.
Die Umlaufszeit der zur vorübergehenden Verstärkung der ordentlichen Betriebsmittel der Reichs-Hauptkasse bestimmten Schatzanweisungen darf den Zeitraum von sechs Monaten nach dem Ablaufe des betreffenden Rechnungsjahrs nicht überschreiten.
Die Schatzanweisungen werden von der Reichsschuldenverwaltung ausgestellt; auf die Ausfertigung finden die Vorschriften des §. 4 Anwendung. Die Ausgabe der Schatzanweisungen wird durch die Reichskasse bewirkt. [131]

§. 8.

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Die für die Verzinsung und Tilgung der Anleihe sowie für die Verzinsung und Einlösung der Schatzanweisungen erforderlichen Beträge müssen der Reichsschuldenverwaltung zur Verfallzeit aus den bereitesten Einkünften des Reichs zur Verfügung gestellt werden.
Welche Theile der Anleihe getilgt werden sollen, bestimmt in Ermangelung besonderer gesetzlicher Vorschriften der Reichskanzler.

§. 9.

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Die Verwaltung der Reichsanleihe verbleibt bis auf Weiteres der Preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden unter der Bezeichnung „Reichsschuldenverwaltung“. Für die Verwaltung sind die Vorschriften des preußischen Gesetzes vom 24. Februar 1850 (Gesetz-Samml. S. 57) maßgebend. Die sich aus §. 6 des genannten Gesetzes ergebende unbedingte Verantwortlichkeit der Reichsschuldenverwaltung erstreckt sich auch darauf, daß eine Umwandlung der Schuldverschreibungen nur auf Grund eines sie anordnenden oder zulassenden Gesetzes und nach Bewilligung der erforderlichen Mittel vorgenommen wird.

§. 10.

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Die obere Leitung steht dem Reichskanzler zu, soweit dies mit der der Reichsschuldenverwaltung beigelegten Unabhängigkeit vereinbar ist.

§. 11.

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Der Präsident und die Mitglieder der Preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden haben zu Protokoll zu erklären, daß sie den von ihnen gemäß §. 9 des preußischen Gesetzes vom 24. Februar 1850 und §. 1 des preußischen Gesetzes vom 29. Januar 1879 (Gesetz-Samml. S. 10) geleisteten Eid auch für die durch bundes- oder reichsgesetzliche Bestimmungen ihnen übertragene Verwaltung der Reichsschulden als maßgebend anerkennen.
Das Protokoll ist dem Bundesrath und dem Reichstage vorzulegen.

§. 12.

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Die Geschäfte der im §. 1 des preußischen Gesetzes vom 24. Februar 1850 bezeichneten Staatsschulden-Kommission werden von einer Reichsschulden-Kommission wahrgenommen.
Die Reichsschulden-Kommission besteht aus sechs Bevollmächtigten oder stellvertretenden Bevollmächtigten zum Bundesrath, und zwar aus dem jedesmaligen Vorsitzenden des Ausschusses für das Rechnungswesen oder einem Stellvertreter des Vorsitzenden und fünf Mitgliedern des Ausschusses, sowie aus sechs Mitgliedern des Reichstags und bis zur Errichtung einer eigenen Rechnungsbehörde für das Reich aus dem Chefpräsidenten der preußischen Ober-Rechnungskammer in seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Chefpräsident des Rechnungshofs [132] für das Deutsche Reich; der Chefpräsident ist für die durch dieses Gesetz ihm vorläufig übertragenen Verpflichtungen besonders zu beeidigen.

§. 13.

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Der Bundesrath wählt jährlich aus den Mitgliedern des Ausschusses für das Rechnungswesen die der Reichsschulden-Kommission hinzutretenden Mitglieder. Die aus dem Reichstage zu entsendenden Mitglieder der Kommission werden von diesem mit Stimmenmehrheit für die Dauer der Legislaturperiode gewählt.
Scheidet vor dem Ablaufe der im Abs. 1 bestimmten Fristen ein Mitglied der Kommission aus dem Bundesrath oder dem Reichstag aus, so endigt damit auch seine Mitgliedschaft in der Kommission.
Die Verpflichtung der nach Abs. 1, 2 ausscheidenden Mitglieder erlischt jedoch erst mit dem Eintritt ihrer Nachfolger in die Kommission.

§. 14.

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Den Vorsitz in der Kommission führt der Vorsitzende des Ausschusses des Bundesraths für das Rechnungswesen oder sein Stellvertreter, im Falle ihrer Verhinderung ein anderes dem Bundesrath angehörendes Mitglied der Kommission.
Die Beschlüsse der Kommission werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
Zu einem Beschluß ist die Anwesenheit von mindestens fünf Mitgliedern erforderlich.

§. 15.

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Die Reichsschulden-Kommission hat dem Bundesrath und dem Reichstage gegenüber dieselben Verpflichtungen, welche der preußischen Staatsschulden-Kommission den beiden Häusern des preußischen Landtags gegenüber obliegen.

§. 16.

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Wird der Reichsschuldenverwaltung der Verlust einer Schuldverschreibung oder Schatzanweisung von dem bisherigen Inhaber mit der Behauptung angezeigt, daß die Schuldurkunde vernichtet sei, so hat ihm auf seinen Antrag die Reichsschuldenverwaltung eine neue Schuldverschreibung oder Schatzanweisung zu ertheilen, falls sie die Vernichtung der Urkunde für nachgewiesen erachtet. Die Kosten hat der bisherige Inhaber zu tragen und vorzuschießen.
Ist ein Zinsschein abhanden gekommen oder vernichtet, so ist der im §. 804 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmte Anspruch ausgeschlossen, ohne daß es der Ausschließung in dem Scheine bedarf.
Behauptet der bisherige Inhaber eines Zinsscheins, daß der Schein vernichtet sei, so finden die Vorschriften des Abs. 1 Anwendung. [133]

§. 17.

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Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung einer auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibung oder Schatzanweisung ist dasjenige Amtsgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirke die Reichsschuldenverwaltung ihren Sitz hat.
Durch Anordnung des Reichskanzlers kann die Anwendung der Vorschrift des Abs. 1 für einzelne Theile der Anleihe im voraus ausgeschlossen werden. Ueber die Ausführung einer solchen Anordnung hat der Reichskanzler dem Reichstage, wenn dieser versammelt ist, sofort, anderenfalls bei dessen nächster Zusammenkunft Rechenschaft abzulegen.

§. 18.

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Soll eine Schuldverschreibung oder Schatzanweisung für kraftlos erklärt werden, so muß die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots und des Ausschlußurtheils, unbeschadet der Vorschriften der §§. 1009, 1017 der Civilprozeßordnung, auch durch einmalige Einrückung in eine in Hamburg, eine in Leipzig, eine in Frankfurt a. M. und eine in München erscheinende Zeitung erfolgen; die Bestimmung und die Veröffentlichung dieser Zeitungen im Deutschen Reichsanzeiger sind jährlich durch den Reichskanzler zu veranlassen.

§. 19.

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Die Reichsschuldenverwaltung hat jährlich amtliche Listen der im abgelaufenen Rechnungsjahre für kraftlos erklärten Schuldverschreibungen und Schatzanweisungen durch den Deutschen Reichsanzeiger und die im §. 18 bezeichneten Blätter sowie durch Aushang auf der Börse in Berlin und den Börsen der im §. 18 bezeichneten Orte zu veröffentlichen.
Die Reichsschuldenverwaltung kann noch andere Veröffentlichungen veranlassen.

§. 20.

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Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung in Kraft. Der §. 6 des Gesetzes vom 9. November 1867 (Bundes-Gesetzbl. S. 157) und das Gesetz vom 12. Mai 1873 (Reichs-Gesetzbl. S. 91) sowie der §. 3 des Gesetzes vom 23. Februar 1876 (Reichs-Gesetzbl. S. 24) treten außer Kraft.
Im §. 16 Abs. 2 des Bankgesetzes vom 14. März 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 177) werden die Worte: „welcher zu diesem Zwecke ein vom Kaiser ernanntes Mitglied hinzutritt“ gestrichen.
Die nach Maßgabe des §. 3 des Gesetzes vom 23. Februar 1876 gewählten Mitglieder der Reichsschulden-Kommission sowie das auf Grund des §. 16 des Gesetzes vom 14. März 1875 vom Kaiser ernannte Mitglied werden für die Zeit, für welche sie gewählt oder ernannt sind, vollberechtigte Mitglieder der Kommission. [134]

§. 21.

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Von dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an gelten für die vorher ausgestellten, auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen, Zinsscheine und Schatzanweisungen die Vorschriften der §§. 798 bis 802, 805 und des §. 806 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die Vorschriften der Civilprozeßordnung über das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung einer abhanden gekommenen oder vernichteten Urkunde sowie die Vorschriften der §§. 17 bis 19 dieses Gesetzes.
Den vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgestellten Schuldverschreibungen, Zinsscheinen und Schatzanweisungen stehen diejenigen Schuldverschreibungen, Zinsscheine und Schatzanweisungen gleich, welche nach dieser Zeit auf Grund einer früheren gesetzlichen Ermächtigung ausgegeben werden.

§. 22.

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Ein vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängiges gerichtliches Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung einer der im §. 21 Abs. 1 bezeichneten Schuldverschreibungen und Schatzanweisungen ist nach den bisherigen Gesetzen zu erledigen. Nach diesen Gesetzen bestimmen sich auch die Wirkungen des Verfahrens und der Entscheidung.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin im Schloß, den 19. März 1900.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst zu Hohenlohe.