Reclame überall
[576] Reclame überall. Unter diesem Titel veröffentlicht die „Deutsche Klinik“ in der Nummer vom 27. Juni dieses Jahres eine Warnung vor einem neuen Toilettenmittel, das von einer Münchener Parfümerie- und Seifenfabrik (Korn) in den Handel gebracht wird: Fluid-Ozon.
Nach der Gebrauchsanweisung ist dasselbe ein ganz vorzügliches Mund- und Waschwasser, das bei richtigem Gebrauche alle übeln Gerüche des Mundes nimmt und „ohne alle nachtheiligen Nebenwirkungen dieselbe (die Haut) reinigt, schädliche Ausdünstungen und Absonderungen auf das Vollkommenste zerstört und als natürliches Desinfectionsmittel durch Sauerstoff in der eigenthümlichen Weise des Ozons wirkt.“
In der That ist aber das sogenannte Fluid-Ozon nichts weiter als eine wässerige Lösung von übermangansaurem Natron, mit Spuren von Glaubersalz und Kochsalz verunreinigt, und zwar enthält die Lösung auf 9 Theile Wasser 1 Theil des übermangansauren Salzes. In der Herstellung kostet die Kanne davon höchstens 2 Silbergroschen, wozu der Verkaufspreis in keinem Verhältniß steht.
Dies sowohl als der Umstand, daß diese Anwendung des wirksamen Salzes durchaus nichts Neues ist, indem dasselbe schon längst als ein wesentlicher Bestandtheil der geruchzerstörenden, desinficirenden Mittel benutzt wird, macht das Fluid-Ozon zu einem würdigen Bruder der Revalenta Arabica.
Dadurch, daß der berühmte Chemiker Freiherr Justus von Liebig in München bei dem Fabrikate gern Pathenstelle vertreten und ihm ein Creditiv mit auf den Weg gegeben hat des Inhalts: „daß dasselbe vollkommen unschädlich sei und wegen seiner großen Nützlichkeit und Wirksamkeit für die bezeichneten Zwecke alle Empfehlung verdiene,“ – dadurch wird die Sache in unsern Augen zwar delicater, aber nicht besser. Jeder Chemiker erkennt auf den ersten Blick, mit wem er es bei dem Fluid-Ozon zu thun hat, und es ist, gelind gesagt, die Gefälligkeit gegen einen marktschreierischen Fabrikanten etwas weit getrieben, wenn demselben durch eine gewichtige Empfehlung die Mittel an die Hand gegeben werden, sich ohne Mühe, lediglich auf Kosten des Volksvertrauens zu bereichern.
Unser Publicum ist glücklicherweise noch nicht gewöhnt, die Namen seiner großen Gelehrten im Vereine mit Geldmachern nennen zu hören; es trägt der Wissenschaft noch jene jungfräuliche Pietät entgegen, die Forscher und Laien in gleicher Weise ehrt. Aber diese Unbefangenheit zu erhalten und alles Unkraut im Keime zu ersticken, was sie überwuchern könnte, sehen wir für unsere Pflicht an, und darum ziehen wir hier einen Gegenstand an das Licht, der durch die medicinischen Fachjournale einem nur kleinen und am wenigsten betheiligten Leserkreise sonst bekannt werden dürfte.