Razzia im Kaukasus
[147] Razzia im Kaukasus. (Mit Illustration S. 136 und 137.) Während im Westen und im Centrum des Kaukasus die Civilisation seit der russischen Besitznahme Riesenschritte gemacht hat, findet man noch heute in den nordöstlichen und östlichen Provinzen Zustände, die an die schlimmsten Zeiten des Mittelalters erinnern. Besonders waren und sind es gegenwärtig noch die Daghestaner und unter diesen wieder die Avaren und Lesghier, welche sich durch Rohheit und Grausamkeit hervorthun.
„Mohammed ist der erste Prophet Allah’s, und Schamyl der zweite!“ so lautete der Schlachtruf dieser fanatischen Scharen, welche das religiöse Prinzip zum Deckmantel genommen hatten, um, von ihrem kaukasischen Ziska geführt, Tod und Verderben über die „Ungläubigen“ zu bringen.
Der letzte russisch-türkische Krieg gab den Banditen wieder einmal die erwünschte Gelegenheit, die Glieder etwas freier zu rühren, und besonders als die russischen Waffen eine Zeit lang im Nachtheil waren und als es hieß, Schamyl’s Sohn befehlige einen Haufen türkischer Freischärler, war in den daghestanschen Provinzen niemand mehr seines Lebens sicher. Gleich als fühlten sich die Barbaren gedrängt, all der durch einige Jahre niedergehaltenen Grausamkeit die Zügel schießen zu lassen, brachen sie in Abtheilungen über die tiefer gelegenen Gehöfte herein, um ihrer lang zurückgehaltenen Raublust in vollster Unbeschränktheit fröhnen zu können. – In unserem Bilde, in welchem die Gestalten und Typen meisterhaft wiedergegeben sind, sehen wir ein solches Häuflein, das wieder einmal einen guten Fang gemacht hat. Waffen, Hausgeräthe, Teppiche, Pferde, Kamele – alles ist ihnen willkommen; das kostbarste aber sind sicherlich die Weiber, die, wenn jung und schön, jede andere Beute aufwiegen. Die Gruppen der grausamen Räuber und ihrer Opfer, die Bergpferde und Kamele, die großartige Alpenscenerie des Kaukasus ringsum: alles dies ist von dem Maler zu einem stimmungs- und ausdrucksvollen Gemälde verwerthet worden.