RE:a memoria
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Amt am Hof der röm. Kaiser | |||
Band XV,1 (1931) S. 655–657 | |||
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a memoria. Ein Amt am Hofe der römischen Kaiser führt die Bezeichnung a memoria (vgl. Seeck u. Bd. II A S. 897f.). Es tritt wahrscheinlich erst seit Kaiser Hadrian entgegen; denn die von Lipsius vorgeschlagene Emendation zu Suet. Aug. 79 Iulius Marathus libertus et a memoria (für etiam memoriam eius) stellt, ihre Richtigkeit vorausgesetzt, nach Hirschfeld [656] D. kaiserl. Verwaltungsbeamten 334 einen Anachronismus dar; die Vermutung Mommsens (bei Harnack Kl. Texte IX 112) aber, es sei aus dem Amte a studiis hervorgegangen, ist ebensowenig haltbar (Friedländer Sittengesch. I 109, 5) wie die Peters D. gesch. Literatur I 350, daß es an Stelle des seit Nero nicht nachweisbaren Amtes a manu getreten sei (Hirschfeld 334).
Wann die Verbindung mit dem Kammerdieneramte endgültig gelöst worden ist (vgl. Seeck 897), steht nicht fest; Hirschfeld 335,1 hält folgende Ergänzung der verstümmelten späten Inschrift CIL VI 8621 (Rom) [ex praepos.] s(acri) c(ubiculi) ex mag(istro) memo[riae] für denkbar.
Der Leiter der Kanzlei, die offenbar seit dem Beginn des 3. Jhdts. n. Chr. an Stelle der Einzelperson a m. tritt, führt später die Amtsbezeichnung magister sacrae memoriae und bezieht einen Gehalt von 300 000 Sesterzen (Eumenius pro instaur. schol. c. 11). Hirschfeld 335, 4 glaubt, daß der in der Inschrift CIL VI 8620 (Rom) als v(ir) p(erfectissimus) ex me[mo]rialibus bezeichnete Octavius ein Magister memoriae gewesen sei. Über die Entwicklung der Rangstellung der Magistri memoriae vgl. Seeck 896. Der Ansicht Seecks 898, daß er im Gegensatze zu den Offizialen kein Freigelassener, sondern ein Ritter gewesen sei, widerspricht Herodian. IV 8, 4 τις τῶν ἀπελευθέρων φίλτατος Φῆστος μὲν ὄνομα τῆς δὲ βασιλείου μηήμης προεστώς, wenn man nicht mit Seeck 898 aus dem für einen Freigelassenen ganz ungewöhnlichen Namen den Schluß ziehen will, daß er bereits in den Ritterstand erhoben worden sei, als er die Stellung eines Magister memoriae erlangt habe. Auch der Jurist Paulus wurde unmittelbar nach Bekleidung dieses Postens Praefectus praetorio.
Im Officium memoriae, dessen Mitglieder kurz die Bezeichnung officiales führen (CIL X 1727 = Dess. 1678 Puteoli), spielen neben dem Leiter vor allem die proximi a memoria (CIL VI 8619 Rom, XIII 1800 Lugdunum) eine Rolle, die ihren Namen wahrscheinlich daher führen, daß sie dem Magister memoriae am nächsten standen; sie können, wie das kaiserliche Reskript an einen von ihnen, Ianuarius, (CIL VI 8619) erkennen läßt, bei einem Gehalte von 40 000 Sesterzen kaum als Subalternbeamte betrachtet werden (Hirschfeld 335, 3); so erklärt sich auch, daß der CIL XIII 1800 genannte M. Aurelius Italus (o. Suppl.-Bd. I S. 230 Nr. 152 b) nach Bekleidung dieser Stellung hintereinander mehrere Procuraturen inne hat. Als Subalternbeamte sind ein im Alter von 17 Jahren gestorbener kaiserlicher Freigelassener mit dem sonst unbekannten Amtstitel adlectus a memoria (CIL XIV 4062, Fidenae) und ein officialis vetus (nicht mehr aktiv) a memoria et a diplomatibus (CIL X 1727, Puteoli; vgl. zu dieser Inschrift Seeck u. Bd. II A S. 897) bekannt.
Die Entwicklung der Aufgaben dieses Amtes hat Seeck 897 dargestellt. Daraus, daß in nachdiokletianischer Zeit die Erledigung aller Eingaben durch das scrinium memoriae erfolgt, während die Leiter der übrigen Scrinia mehr eine vorbereitende Tätigkeit als Referenten zu entfalten hatten (daher heißt es von diesen in der [657] Not. dign. occ. XVI 24 preces tractat, von jenen occ. XVII 11 dnotationes dictat et emittit, respondet precibus), erklärt sich, daß es allmählich die anderen im Range übertroffen hat (Hirschfeld 337); daß dies zur Zeit der Niederschrift des kaiserlichen Reskriptes (CIL VI 8619) kaum noch der Fall war, ergibt sich daraus, daß der proximus a memoria Ianuarius nach dem Wortlaute des Reskriptes die Gleichsetzung mit den übrigen proximi erst nach längerer Dienstzeit durch die Gunst des Kaisers erlangt hat (Hirschfeld 338, 5). Mit der Bestimmung, die offiziellen Reden und Briefe der Kaiser zu entwerfen (Hist. aug. Claud. 7) und alle offiziellen Berichte zu redigieren (Hist. aug. Car. 8), vereinigt das scrinium memoriae sämtliche Befugnisse eines Sekretariats; Seeck 898 betont allerdings mit Recht, daß die Stellen bei den Scriptores historiae Augustae, die dieses Amtes Erwähnung tun, der Fälschung dringend verdächtig sind und daher nur mit Vorsicht benützt werden dürfen. Sicherlich haben die nahen persönlichen Beziehungen zum Kaiser mit der Zeit die Bedeutung dieses Scriniums erhöht; so kommt es, daß man die Mitglieder der verschiedenen Scrinia des Kaisers häufig als memoriales bezeichnet (Belegstellen bei Seeck 894), auch wenn sie dem scrinium memoriae nicht angehören.