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RE:Teisias 6

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Begründer der sizilischen Rhetorik
Band V A,1 (1934) S. 139149
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6) Wird allein oder mit Korax (Aulitzky o. Bd. XI S. 1379—1381) als Begründer der sizilischen Rhetorik genannt. Bei Grillius (Commentum in Ciceronis rhetorica ed. Joseph Martin, Paderborn 1927, 19, 19) erscheint er mit Mercurius, Orpheus und Corax, eine Zusammenstellung, die Grillius wohl aus einer griechischen Vorlage hat (Orth Berl. Phil. Woch. XIII 1930, 399). Er ist um 480 v. Chr. geboren (Blass Att. Beredsamkeit I² 20ff.) und soll der Schüler des Korax gewesen sein (nur Hermeias dreht das Verhältnis um: vgl. Spengel Art. script. 33), was in der Anekdote von dem Rechtsstreit wegen Verweigerung des Lehrgeldes zum Ausdruck kommt. Das ist aber eine Wanderfabel, die auch von Protagoras und Euathlos (bzw. Pythodoros) galt (Joh. Geffeken Griech. Lit.-Geseh. I 285, 179) und die nicht auf Aristoteles zurückgeht, sondern sich nicht vor dem 2. Jhdt. n. Chr, findet (H. Rabe Proleg. Syll., Leipzig 1931, praef. Xf. gegen Radermacher Rh. Mus. XLII, 1897, 418f., der die Geschichte auf Timaios zurückführt und als die offizielle stoische Legende bezeichnet. — Vgl. ferner Westermann Gesch, d. gr. Bereds. I 38, 2. Blass 20. Radermacher 413f. Gercke Herm. XXXII, 1897, 854. Christ-Schmid I⁶ 544, 7. Spengel hielt es sogar für möglich, daß in der τέχνη ein solcher Prozeß als μελέτη erörtert wurde und daher die Legende entstanden wäre!). Spätere Mache ist die Angabe des Schol. Iambl. vit. Pyth., Korax und T. seien Schüler des Empedokles gewesen. Nach dem Beispiele seines Lehrers richtete er eine Redeschule ein, zuerst, wie es scheint, in Syrakus, und zwar nach einer politischen Umwälzung, der Vertreibung der Tyrannen (Westermann 37, 5 denkt mehr an den blutdürstigen Thrasibul als den weniger grausamen als unternehmenden Hieron; dagegen Geffcken 315: etwa nach Hierons Tod). In Syrakus schrieb er vielleicht auch Gerichtsreden für andere und war als λογογράφος in diesem Sinn tätig. Dies berichtet Paus. VI 17, 8 (πιθανώτατα τῶν καθ’ αὑτὸν γυναικὶ Συρακουσίᾳ χρημάτων ἔγραψεν ἀμφισβήτησιν), der allerdings seine Nachricht nicht aus der lautersten Quelle zu haben scheint (Blaß a. O.), so daß Kunst o. Bd. XII S. 1029, 47 s. v. λογογράφος wohl mit Recht darauf verzichtet, diese Stelle heranzuziehen als Beleg für die Sitte des Redenschreibens schon bei den sizilischen Vorgängern der attischen Redner. Später hat er in Thurioi unterrichtet (Westermann 88, 4: nach 443), wo Lysias seinen Unterricht genoß (s. u.; Blaß 346f. zweifelt den Aufenthalt in Thurioi an, da Lysias den T. auch später in Athen hätte hören können). Wenn neben T. hier noch ein syrakusanischer Rhetor Nikias genannt wird, beruht das wohl auf Korruptel (Spengel 38. Westermann I 38, 4. Blaß 1² 20ff.) In seinen späteren Jahren scheint er, wie die Sophisten, ein Wanderleben geführt zu haben, vielleicht, wenn eine Erzählung bei Paus. VI 17, 8 glaubwürdig ist, nachdem er aus Syrakus flüchtig geworden war. Denn Pausanias berichtet, daß T. mit Gorgias zusammen als Gesandter der Leontiner 427 v. Chr. nach Athen gekommen sei, um gegen die Syrakusaner Hilfe zu erbitten (Blaß a. O.). Doch ist die Nachricht so unsicher, daß sie zu allerhand Kombinationen geführt hat. Westermann 37 meint, T. habe sich zwar im Gefolge der Gesandtschaft des Gorgias mit nach Athen begeben, jedoch wohl ohne politischen Charakter, nur um als Lehrer der Khetorik sich in der Fremde zu versuchen, und wendet sich 38, 5 gegen die Vermutung von Hardion, T. sei als Gesandter der Syrakusier nach Athen gekommen, um dem Gesandten der Leontiner Gorgias die‚ Wage zu halten, Sicher scheint die Angabe, daß T. der Lehrer des Isokrates gewesen sei (Blaß a. O.). Hiernach müßte er sich um 418 oder später in Athen aufgehalten haben. Die Dauer eines Aufenthaltes hier ist unbestimmt, und auch über Ort und Zeit seines Todes haben wir keine Nachrichten.

Werke: Wenn man von der unsicheren Nachricht über für andere verfaßte Gerichtsreden und der unbegründeten Äußerung von Burgess Studies in Class. Philol., Chikago 1902, vol. III Epideictic literature 199, Korax, T. und Gorgias seien Gründer der sizilischen Schule der Geschichtsschreibung ebenso gut wie der Rhetorik gewesen, absieht, bleibt nur die τέχνη des T. (Blaß a. O.). Daß er eine geschrieben hat, ist sicher, unsicher aber, ob das die erste überhaupt war (so R. Volkmann Die Rhet. d. Gr. und Römer² 3) oder ob ihm Korax oder Empedokles hierin vorausgegangen ist.

Der jugendliche Aristoteles (frg. 65 R) machte zwar in seinem Dialog Σοφιστής Empedokles zum ‚Erfinder‘ der Rhetorik, hat diese Aufstellung aber in der Συναγωγὴ τέχνη (frg. 137 R) nicht festgehalten, sondern diese Kunst von Korax und T. abgeleitet (H. Usener Rh. Mus. XXVII, 1873, 434. Schmid-Stählin Gesch. d. gr. Lit. I⁷ 1, 743f., 5. 323, 4). Nun hat zwar Empedokles als Lehrer des Gorgias (Satyros bei Diog. Laert. VII 58. Quint. III 1, 8. H. Diels Berl. Ak. St. 1884, 385ff.) ohne Zweifel die Rhetorik beeinflußt (auch wenn Geffceken 314. 316 von einem Irrweg des Gorgias und der Last des philosophischen Dilettantismus spricht), aber dieser Unterricht erstreckte sich nur auf Physik und Medizin. Statt sich nun die Bildungslaufbahn des Gorgias als einen Übergang von der philosophischen Physik und Medizin zur sophistischen Rhetorik vorzustellen, hat man im Altertum von dem gereiften Gorgias, dem berühmten Rhetor, auf den Lehrer Empedokles zurückgeschlossen und diesen zum Redelehrer gemacht (später auch des Korax und T., s. o.), was er schwerlich gewesen ist (Schmid-Stählin 323). Auch unterscheidet ja Quintilian a. O. ausdrücklich das movisse aliqua circa rhetoricen von den artium scriptores (vgl. noch Radermacher Rh. Mus. LII 412).

Kommt also Empedokles als Verfasser der ersten τέχνη nicht in Frage, so bleibt dieses Verdienst entweder Korax oder T. Wer von ihnen die τέχνη verfaßt hat oder ob sie alle beide eine besondere τέχνη geschrieben haben (so Westermann 38) oder schließlich beide zusammen eine einzige (wie man aus Aristoteles bei Cic. Brut. 46 artem et praecepta … Coracem et Tisiam conscripsisse geschlossen hat), ist mit unseren Mitteln nicht mehr zu entscheiden. Aristoteles redete sehr allgemein; rhet. II 24 p. 1402 a 17 spricht er kurz von Κόρακος τέχνη, während er soph. el. 33 p. 183 b 31 bei der Besprechung der ἀρχαί der Rhetorik T. nennt, den auch Piat. Phaidr. 267a summarisch (spezieller 273a) anführt und Cic. de inv. II 2, 6 den inventor der Redekunst nennt (Geffcken 285, 179. Aulitzky o. Bd. XI S. 1379ff.). Neuerdings sind zwei, freilich auch nicht zu beweisende, Annahmen aufgestellt werden, T. habe entweder Korax’ mündlich erteilte Lehren schriftlich aufgezeichnet (Susemihl Die genet. Entw. d. plat. Philos. I 1855 Zusatz zu S. 262, 20. Usener Rh. Mus, XXVIII 434. Blaß a. 0. Navarre Étude sur la rhét. gr. avant Aristote, Paris 1900, 14. P. Hamberger Die rednerische Disposition in der alten τέχνη ῥητορική, Diss. Erlangen, Paderborn 1914, 12) oder dessen Buch neu bearbeitet (Spengel Art. script. p. 29 von Ko rax: scriptam reliquit. Tolkiehn Wochenschr. f. klass. Phil. 1915, 898. G. Lehnert Berl. phil. Woch. 1916, 738). Ich möchte mich ebenfalls für die erstere der beiden Möglichkeiten entscheiden, da die Gestalt des Korax tatsächlich etwas Verschwommenes hat im Vergleich zu der des T. und erst in der Tradition der späteren Rhetorenschule bestimmter gestaltet wurde (vgl. Usener a. O. Noch bei Mart. Cap. 3 p. 453, 2ff. H. ist T. die Hauptperson und Korax wird nur durch den corax oris aurati in eius virgae culmine angedeutet. Auch in den Proleg. in Hermog. Spengel Art. script. p. 27 wird dem T. das διδάσκειν καὶ πλατύνειν τὴν ῥητορικήν zugeschrieben, dem Korax nur das διδάσκειν; vgl, Navarre 13, 1. — T. steht übrigens, wenn auch öfter nach, so doch manchmal an erster Stelle vor Korax: z. B. Quintil. II 17, 7 circa Tisian et Coraca. Himer. or. XXVI p. 97, 36 Dübner: … ἀμφὶ Τισίαν καὶ Κόρακα. Proleg. in Hermog. bei Spengel Art. script. 34: οἱ περὶ Τισίαν καὶ Κόρακα bei der Definition πειθοῦς δημιουργός). Abzulehnen ist die Ansicht von K. Roberts (Class. Rev. XVII 18–21; ebenso Drerup [Ἡρώδου] Περὶ πολιτείας 1908, 70), als hätten wir im Pap. Oxyr. III 410 ein Fragment dieser Korax-Teisias-τέχνη erhalten. Die Zitate, z. B. schon aus Soph. p. 28, 58, weisen auf viel späteres Wissen (Gefficken 285, 179. Schwankend noch Lehnert Berl. phil. Woch. 1916, 737 und Aulitzky o. Bd. XI S. 1381), Eher könnten Wendland Anax. 39, 3 und Hamberger 20 recht haben, die diesen Papyrus mit der τέχνη des Theodektes in Verbindung bringen.

Anlage der τέχνη: Diese erste τέχνη mag noch ein Bau von geringem Ausmaße gewesen sein (Geffcken 315. Gercke Berm. XXX 358). Sie bestand wahrscheinlich aus zwei Teilen, einem theoretischen, der ziemlich kurz war (P. Wendland Anaxim. 30ff.) und nach einer allgemeinen Vorbemerkung über das εἰκός (Gereke 357) die εὕρεσις mit der τάξις verquickte dergestalt, daß der Stoff an Hand der Unterteile der Rede behandelt wurde (Hamberger 2), und zweitens den Beispielen, die in den ältesten τέχναι den weitesten Raum einnahmen.

Lehre: […]