RE:Tarodunum
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Stadt im freien Germanien | |||
Band IV A,2 (1932) S. 2328–2329 | |||
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Tarodunum, von Ptolem. II 11, 15 Ταρόδουνον als erste Stadt des vierten Klimas im freien Germanien genannt, das heutige Zarten am Eingang des Höllentales im südlichen Schwarzwald im badischen Oberlande zwischen den Quellflüssen der Dreisam, dem Rotbach und dem Wagensteigbach, gelegen.
Der offenbar keltische Name bedeutet in seinem letzten Teil — dem keltischen -dunum — befestigter Platz, Burg. Der erste Teil bezeichnet wahrscheinlich einen Mannesnamen, Holder Altcelt. Sprachsch.; also T. = Burg des Taros. Much Ztschr. f. dtsch. Altert. XLI 127 hält auch einen Fluß oder Bach Taros für möglich, der sich freilich nicht nachweisen läßt.
In T. haben wir den sehr seltenen Fall, daß wir eine nur von Ptolemaios genannte πόλις durch Bodenfunde gesichert nachweisen können. Schon Oken Jenaer Lit.-Ztg. 1815 und nach ihm H. Schreiber Gesch. d. Stadt Freiburg (1857) I 8 erkannten in T. das nach der altgermanischen Lautverschiebung richtig weitergebildete, im Mittelalter Zarduna oder Zartuna genannte, heutige Dorf Zarten. Die von Fabricius und Leonhard 1901 unternommenen Ausgrabungen ergaben dann auch die Gewißheit, daß auf der Hochfläche zwischen Rotbach und Wagensteigbach eine keltische, stark befestigte Stadt von ziemlicher Ausdehnung bestanden hat, umgürtet an den Talrändern von einer aus mächtigen rohen Steinblöcken primitiv erbauten Mauer mit einer Erdanschüttung und einem Graben im Innern, im Osten abgeschlossen durch einen Abschnittswall gleicher Befestigung, dem sog. Heidegraben, in dem das wahrscheinlich von Türmen flankierte Haupttor nachgewiesen wurde. Wesentliche Spuren dieses Ringwalles sind heute noch erhalten, Fabricius Verhand!. d. 46. Philologen-Vers. in Straßburg 1901, 109. Wagner [2329] Fundstätten und Funde im Großherzogt. Baden I 221 mit Plan. Die vorgefundenen Holzkohlen und eisernen Nägel beweisen, daß hier ein murus Gallicus errichtet worden war, ähnlich z. B. dem in Bibracte. Diese gallische Mauer und die spärlichen Scherben aus der jüngeren La-Tène-Zeit bezeugen also eine keltische Gründung, wozu ja auch der keltische Name T. passen würde. Wir haben es also hier mit einer Stadtgründung der Helvetier aus den letzten vorchristlichen Jahrhunderten zu tun, Fabricius Die Besitznahme Badens 13. Diese Helvetier sind, wie der Befund zeigt, nicht allzulange vor Caesars Erscheinen in Gallien durch die Germanen gewaltsam vertrieben worden.
Doch war diese Vertreibung der Helvetier keine gänzliche, es muß ein Rest von ihnen wohnen geblieben sein, der den alten Namen der Ansiedlung den Germanen oder sonstigen Besiedlern der agri decumates vererbte, Fabricius a. O. 31. In der ersten Kaiserzeit blieben diese Gebiete so gut wie verlassen und verödet. Als dann die Römer in der zweiten Hälfte des 1. nachchristl. Jhdts. diese Gebiete besetzten, haben sie auch T. in Besitz genommen und wahrscheinlich dort eine mansio oder mutatio angelegt, wenigstens hat 1928 H. Wirth römische Reste festgestellt, Badische Fundberichte II 57 und 163; Mein Heimatland, Badische Blätter, 16. Jahrg. 1929, 61 und 62; Heimatbl. v. oberen Neckar 1928, 809. Nach brieflichen Mitteilungen H. Wirths lassen die zahlreichen Scherben und die nachgewiesene Hypokaustenheizung auf einen Wirtschaftsbetrieb mit Küche schließen. Wenn diese Station auch nicht an einer römischen Hauptstraße lag, so hatte sie doch einen alten Verkehrsweg Breisach—Zarten—Wagensteigbachtal—Hüfingen zu decken, wovon noch Spuren nachweisbar sind. Diese Straße stellte eine Querverbindung zwischen der römischen Straße längs des Rheins am rechten Rheinufer (Mainz-Augst) und der römischen Straße von Windisch-Rottweil her, Schumacher Siedelungs- und Kulturgesch. d. Rheinl. II 158. Ein Kastell in T. ist natürlich nicht anzunehmen, Fabricius a. O. 66.
Nach 260 n. Chr. eroberten die Alamannen dieses Land, müssen aber die Bewohner von T. zum Teil haben wohnen lassen, weil sich der Name der Ortschaft durch das Mittelalter bis zur Jetztzeit erhalten hat. So haben wir in Zarten eine der ältesten Ortschaften Deutschlands, zugleich auch einen Beweis von der kontinuierlichen Besiedlung eines Ortes von der La-Tène-Zeit bis auf unsre Tage. Ferner bezeugt T. auch die Glaubwürdigkeit des Ptolemaios, daß seine πόλεις in Großgermanien auf sicheren Überlieferungen beruhen, die durch die Bodenfunde bestätigt werden.