2) Ῥέγμα, Stadt der Ἀναρεῖται an der arabischen Küste des Persischen Meerbusens, von Ptolem. VI 7, 14 (var. Ῥέγαμα) als erste Küstenstadt in der Richtung von der Meerenge (von Hormūz, vom Kap Musandam aus) gegen Westen erwähnt, mit den Maßen 88°, 23° 10' (var. 23° 20'). Auf dieselbe Stadt bezieht sich, nur mit geänderter Schreibung, die auf eine gräzisierende, natürlich falsche Etymologie des Namens zurückzugehen scheint, Steph. Byz., welcher Ῥῆγμα, eine Namensform, die noch immer einige Geographen fälschlich nachschreiben, als Stadt und Busen am Persischen Meere anführt und Ῥηγματίτης als dazugehöriges Ethnikon verzeichnet. Über den nächsten von Ptolemaios an dieser Küste gegen Westen fixierten Punkt, die Ἱερὰ Ἡλίου ἄκρα, s. den Art. Hiera Nr. 9 (unrichtig urteilte K. Müller Geogr. Gr. min. I LXXII). Sprenger Die alte Geographie Arabiens 1875, 126 wollte Ῥ. im Ras el-Chaima (Chima) der englischen Admiralitätskarte, 25° 47' nördl. Breite, 55° 58' Länge, auch Ǧulfār genannt (nach Iāḳūt's Muʿǧam Ǧullafār oder Ǧurrafār zu sprechen) wiederfinden und Ǧulfār auch in Ibn Muǧāwir’s Mitteilung eines Itinerars für diese Gegend statt Ẓafār durch Konjektur einsetzen; doch stimmen auch die Distanzangaben dieses Itinerars nicht recht mit den Karten. Wenn T. mit Sprenger, dem auch Glaser Skizze der ... Geographie Arabiens 1890, II 252 beistimmt, beim Ras el-Chaima zu suchen ist, muß man eine starke Unrichtigkeit in den Distanzverhältnissen der Karte des Ptolemaios annehmen, da, wie Sprenger 198 selbst zugibt, T. nach Ptolemaios mehr als 2700 Stadien von der Ostküste entfernt ist, Ras el-Chaima nur 200. Die erwähnten Stellen bei Ptolemaios und Stephanos gelten nun nicht als die einzigen antiken Zeugnisse für die arabische Stadt; denn seit Bochart wird Ῥ. mit Berufung auf die Septuaginta dem im Alten Testament genannten kuschitischen Ra’ma (Ῥέγμα der LXX) gleichgestellt [506]
(ygl. Niebuhr Beschreibung von Arabien 1772, 293. Forster The historical geography of Arabia 1844, I 59–76. Sprenger a. a. O. 126. Kiepert Lehrbuch d. alten Geographie 1878, 188, dazu Atlas antiquus, Index 2012. Glaser a. a. O. II 252, 325). In allerdings sehr bezeichnender Weise wird Ezechiel 27, 20–22 in der Weissagung des Falles von Tyrus darauf hingewiesen, daß dieser Stadt Dedān edles Reitzeug zuführte und die Kaufleute von Seba und Ra'ma ihr feines Gewürz (Spezereien), Edelsteine und Goldwaren verkauften. Der Name von Ra'ma, welcher regelmäßig als örtlichkeit, sei ee Stadt oder Land, aufgefaßt wird, geht so wie die von Šeba und Dedän auf kuschitische Patriarchen zurück: Ra'ma war der (vierte) Sohn des Kusch, des Sohnes des Ham, und hatte Šeba und Dedān zu Söhnen (I. Chron. 1, 9. Gen. X 7). Niebuhr 248, 293 Btellte das biblische Ra'ma mit dem arabischen Rema, der zusammenfassenden Bezeichnung für die Bezirke Ǧebi und Kusma im südlichen Jemen, zusammen und vermutete, daß die Kuschiten überhaupt ,die ganze Küste der Landschaft Jemen, von Hali an bis Zebīd beherrscht haben‘ (292). Durch Bochart und Niebuhr angeregt, hat Forster besonders ausführlich im I. Kap. seines genannten Werkes (I 3–76), überschrieben ,Settlements of Cush‘, mit freilich sehr ungleichwertigen Gründen nachzuweisen versucht, daß sich die kuschitischen Kolonien überhaupt und so auch die des Raʿma und seiner Nachkommen durch übereinstimmende Zeugnisse der Bibel, der griechischen und römischen Schriftsteller und der modernen Geographie in weiter Ausdehnung über Arabien von der Euphratgegend an bis zum Älanitischen Golf namhaft machen lassen. Die ältesten Niederlassungen des Raʿma suchte er im Osten Arabiens, am Persischen Meerbusen. Er begnügte sich aber nicht damit, ein Zeugnis hiefür im biblischen Raʿma (Ῥέγμα der LXX) zu erblicken und diese Stadt im Anschluß an Bochart mit dem Ptolemäischen Ῥ. am Persischen Meere und außerdem mit einem Rumms seiner kartographischen Quelle (Rams unserer Karten), an der Küste zwischen der Mündung des Lar und dem Kap Musandam, zu identifizieren und sie in seinen beiden Karten an der Küste etwa 80 Milien südlich vom Kap Musandam anzusetzen: er suchte noch nach weiteren vermeintlichen Spuren des Patriarchennamens und meinte, solche auch in den ' des Ptolemaios und ebenso in den von Plin. n. h. VI 149 genannten Epimaranitae gefunden zu haben, zwei Völkernamen, von denen der erste nur eine Korruptel, der zweite, für den er (I 64, 75. II 226, sowie in seiner Karte) geradezu Maranitae einsetzte, das arabische ,Anagramm‘ für R(h)amenitae, ,Söhne des Raʿma', sein soll (I 62f.; vgl. Müller a. a. O.). Der unselige Wahn von einem Anagramm, welcher durch naives, durchaus unwissenschaftliches Zusammenraffen ganz unzusammengehöriger Namen der verschiedensten Herkunft in dem Werke Forsters (vgl. II 469 Index) viel Unheil gestiftet hat, bedarf keiner Widerlegung mehr. Weder die ' noch die Epimaranitae haben mit Raʿma, von dem Forster ihren Namen und ihre Herkunft ableiten wollt etwas zu tun; ja
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die letzteren sind gar nicht am Persischen Meerbusen beim Kap Musandam, wo sie Forster auch auf seiner Karte einzeichnete und auch noch Spätere, darunter Sprenger, suchten, sondern in Westarabien anzusetzen und, gegen Sprenger 123, von den ' zu trennen. Die von Müller a. a. O. ausgesprochene Vermutung, daß die Gentes Epimaranitae des Plinius nur einer mißverständlichen Übersetzung von ἐθνη ἐστὶ Μαρανῖται der Quelle ihr Dasein verdanken, ist jedenfalls beachtenswert, aber nicht unumgänglich notwendig; was er I 177 schreibt, ist bereits überholt (vgl. die Art. Anareitai und Epimaranitae). Mißglückt ist auch Forsters (I 75) Versuch, Ἀραμαύα bei Ptolem. VI 7, 27 (angeblich Al-Rama) auf Raʿma zurückzuführen und einen Zusammenhang zwischen den Μαρανῖται bei Strab. XVI 770 und Diod. III 43 und den Nachkommen des Patriarchen zu schaffen (vgl. den Art. Aramava). Auch die Eblithei montes des Plinius (VI 149), welche Forster und andere beim Ras Musandam auslaufen lassen (angeblich identisch mit dem Gebirge von Lima, I 36. 38. 44. II 225), sind ganz anderswo zu suchen, an der Westküste Arabiens, aber wohl nicht so weit nördlich wie Müller a. a. O. und in der VI. Tafel seines Atlas annimmt, südlich von Muëlle (s. den Art. Eblithei; unrichtig urteilt Forster I 346. II 126. 478 über das bei Muëlle anzusetzende Ἵππος ὄρος, das er im Ǧebel Šaich oder Ǧ. Ḥassane sucht; s. den Art. Hippos Nr. 5). Aber auch die weiteren Versuche Forsters, arabische Lokalitäten nicht nur am Persischen Meerbusen, sondern auch im Innern und Süden der Halbinsel mit kuschitischen Patriarchennamen in Verbindung zu bringen (I 63f.), müssen abgewiesen werden, so seine Auseinandersetzung über Dedān und seine Zurückführung des Litus Hamaeum bei Plin. n. h. VI 150 (angeblich der Küste von Maham I 168. II 229) und der Hamiroei (Plin. VI 158) auf Ham, den Vater des Kusch; beiden Namen liegen arabische Wortformen zugrunde und nicht der Name Ham (s. die Art. Hamaeum und Hamiroei). Ebenso verfehlt ist seine Erklärung von Μαράτα bei Ptolem. VI 7, 31 und Μαριμάθα (Ptolem. VI 7, 38), zwei Namensformen, welche wieder durch ein Anagramm aus dem Patriarchennamen entstanden sein sollen, wie letztere übrigens in gleicher Weise auch noch den arabischen Landschaftsnamen Mahra zu Rama in Beziehung setzen soll. Nur in einem Punkte kann das von Forster auf die Spitze getriebene Bestreben, Spuren der Niederlassungen von Kuschiten, besonders des Raʿma in Arabien aufzudecken, Beachtung beanspruchen, in dem Versuche nämlich, die von Strabon genannten Ῥαμανῖται mit Raʿma in einen ethnischen und etymologischen Zusammenhang zu bringen, freilich mit wesentlichen Einschränkungen der Meinung Forsters. Dieser irrt, wenn er die Ῥαβανῖται und die von Ptolmaios erwähnten Ῥαμανῖται (richtig Ἀραβανῖται) für identisch hält (I 68f.), ein für oberflächliche Betrachtung allerdings naheliegender Irrtum, der auch nach Forster noch in neuester Zeit begangen wurde (vgl. die Art. Ῥαβανῖται und Ῥαμανῖται, aus deren Vergleich [508] sich auch die Berichtigung der Irrtümer bei Ritter Erdk. XII 277 ergibt); die Arabaniten haben mit Raʿma nichts gemeinsam, nicht einmal den Namen. Auch die Behauptung, daß der Name der Ramanitai in dem Stadtnamen Aram (Al Ramah) noch erhalten sei (I 70), ist abzuweisen. Doch zeigt Strabons Angabe über die Lage der Ramanitai und die von ihm mitgeteilte Nachricht, daß zwei Tagereisen von ihrer Hauptstadt Μαρσυαβεί entfernt das ,Gewürzland‘ lag, im Verein mit der Namensform eine nicht leicht aus bloßem Zufall erklärliche Ähnlichkeit mit der Ezechielstelle, namentlich der Erwähnung der feinen Gewürze, welche die Kaufleute von Šeba und Raʿma in Tyrus absetzten. Weniger plausibel ist Forsters Zusammenstellung von Šeba mit Μαρσυαβεί, der Sabäerhauptstadt, welche er, sowie bereits Niebuhr 268, mit Sabe bei Ptolem. VI 7, 38 und mit Sabbia der Niebuhrschen Karte von Jemen identifizierte (vgl. den Art. Saba), wie denn überhaupt Niebuhrs Tendenz, kuschitische Niederlassungen im Ǧebāl, der Berggegend von Jemen, aus Ortsbezeichnungen zu ermitteln, für ihn vorbildlich gewesen ist. Noch weniger Wahrscheinlichkeit hat die Zurückführung der jemenischen Beni Ḥūsi und des Bait el-Ḥūsi auf Kusch (vgl. Niebuhr 292f. Forster I 73) und die gleiche bereits von Niebuhr empfohlene Ableitung des Namens der Stadt Kusma, westlich vom Wādī Rama im Ǧebāl, endlich die Heranziehung der Beni Kais in der Tehāma zur Kuschitensippe.
Wenn nun nach Forster und anderen unter den angeführten Einschränkungen die Ramanitai mit den Raʿma der biblischen Völkertafel zusammengestellt werden dürfen, eine Ansicht, die sich von den Späteren auch Dillmann angeeignet hat, so muß – und das ist eine weitere nötige Einschränkung der Aufstellungen Forsters – die übliche Ansicht, daß Ῥ. mit dem biblischen Raʿma zu identifizieren, dieses also gleichfalls am Persergolf zu suchen sei (vgl. besonders Glaser II 81. 115. 253. 369. 376. 387. 391f.), fallen gelassen werden, ebenso natürlich Sprengers (126) Identifikation der Raʿma mit den Macae bei Mela III 8. Es ist wahrscheinlich, daß die Ramanitai in früherer Zeit einen nördlicheren Wohnsitz gehabt haben als zur Zeit Strabons. Doch wenn auch zwischen ihnen und den Raʿma kein Zusammenhang bestünde, wäre es nicht wahrscheinlich, daß an der Bibelstelle, welche Šeba und Raʿma zwischen nordarabischen und mesopotamischen Völkerschaften und Örtlichkeiten anführt, eine unverhältnismäßig weit von Tyrus entfernte, am Persischen Meer, in der Nähe des Ras Musandam gelegene Stadt unter den Völkern genannt sein sollte, welche mit Tyrus in Handelsverbindungen standen. Hiezu kommt als beachtenswerte Tatsache, daß ein Ragmat in minäischen Inschriften als Örtlichkeit im Norden des alten Minäerreiches nachweisbar ist, wie auch Dadān (vgl. Dedān der Bibel) in minäischen Inschriften erscheint; in diesem minäischen Ragmat (oder Regmat) in Nordwestarabien ist wohl das biblische Raʿma und die alte Heimat der Ramanitai zu suchen. Was endlich die Frage nach der Lokalisierung von Ῥ. betrifft, das also von Raʿma topographisch zu trennen ist, auch wenn [509]
es dem Namen nach etymologisch mit ihm verwandt sein sollte, so ist Sprengers Zusammenstellung mit Ras el-Chaima ganz unwahrscheinlich. Als beste Lösung der Frage erscheint die bereits von Blau ZDMG XXII 666 vorgeschlagene Gleichung mit Rigäm, einmal wegen der Namensform, dann wegen der durch den arabischen Geographen Tabari I 205 Kos. bezeugten Tatsache, daß Riǧām ,noch im 7. Jhdt. als Grenze zwischen Oman und Bahrain genannt wird‘; nur Blaus Erklärung des Namens der ,Nareitai‘ als ,Anwohner des Flusses (Lar)‘ ist, weil sie auf der unrichtigen Lesart Ναρεῖται beruht, abzulehnen. Dann fällt aber auch der letzte Halt für die Annahme einer auch nur etymologischen Verwandtschaft zwischen Ῥ. und seinem biblischen Homonym; vgl. den Nachtrag.