Zum Inhalt springen

RE:Polygonon

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Pflanzenart, Knöterich (Vogel-, Wiesen-, Winden-), Flohkraut, Wasserpfeffer
Band XXI,2 (1952) S. 16411642
Knöteriche in der Wikipedia
GND: 1094886882
Knöteriche in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register XXI,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|XXI,2|1641|1642|Polygonon|[[REAutor]]|RE:Polygonon}}        

Polygonon, Knöterich, Gattung Polygonum L.

Folgende Arten lassen sich mit Sicherheit in der antiken Literatur nachweisen, wobei gleich vorausgeschickt sei, daß 1 und 2 oft (ganz deutlich z. B. Plin. n. h. XXVII 113) miteinander verwechselt wurden.

1. Vogelknöterich. Polygonum aviculare L., griech. meist πολύγονον (Geop. XVII 5, 1 πολύγονος, II 5, 4 πολύγονος πλατύφυλλος), bei Botanikern auch zum Unterschied von Equisetum pallidum Bory (θῆλυ) πολύγονον ἄῤῥεν, später πολυγόνατον genannt, d. h. das Kraut mit den vielen Knoten, nicht das überall wachsende Kraut, wie Scrib. Larg. 46 meint. Die Römer gebrauchen die griechischen Ausdrücke (Scrib. Larg. polygonium) oder sanguinaria und herba sanguinalis. Es ist ein Allerweltskraut (Hippiatr. Cant. X 16), das zuerst bei Nicand. ther. 901 begegnet. Genaue Charakteristik bei Diosk. m. m. IV 4: ,Πολύγονον ἄῤῥεν, von anderen, καρκίνωθρον, τευθαλλίς, κλῆμα, μυρτοπέταλον und πολύκαρπον [doch vgl. nr. 3] genannt [RV haben noch κυνοχάλκη, Ἡρακλεία, ἀσφάλτιον, χιλιόφυλλον, κορνοπόδιον, ἀριθέα, πηδάλιον, die Ägypter θεφίν oder στεμφίν, die Propheten γόνος Ἥρωος oder ὄνυξ μυός, die Römer seminalis ⟨nicht in der Literatur nachzuweisen; die herba seminalis bei Augustin. conf. XIII 17 ist einfach „Kraut"⟩, scorpinaca ⟨z. B. [Apul.] herb. 19⟩ oder Proserpinaca ⟨ebd. und Plin. n. h. XXVI 23⟩, die Afrikaner chulumlum. [Apul.] herb. 19 hat statt des bei Dioskurides von Wellmann hergestellten κορνοπόδιον ⟨Überlieferung κυοπόδιονquinopodion, woraus L₁ coenopodion gemacht hat; herabia statt Ἡρακλεία in der Ausgabe von Ackermann ist Druckfehler. Ferner noch sanguinaria (s. Z. 18), das auch bei Plin. n. h. XXXII 113 steht, der noch θαλαττιάς hat. Cels. II 33 herbe sanguinalis. Bei [Apuleius] weiter statumaria und mixrevivium, bei Hippiatr. Cant. X 16 δρῶσα, ist ein Kraut mit zahlreichen zarten, saftigen, vielknotigen Stengeln, die wie die Zahnwurz auf der Erde kriechen, rautenähnlichen Blättern, die jedoch länglicher und weicher sind. An jedem Blatt sitzt eine Frucht (weshalb die Pflanze männlich genannt wird) [wenn Plin. n. h. XXVII 113 als Grund dafür die dichtstehende Dolde angibt, kann er nur nr. 2 meinen]. Die Blüte ist weiß oder purpurn.‘ Soweit paßt die Beschreibung auf Polygonum aviculare; der weitere Bericht des Dioskurides geht auf

2. Wiesenknöterich, Blut- oder Nat. terwurz (Polygonum bistorta L.). ,Die Wirkung ist stopfend und kältend. Der getrunkene Saft hilft gegen Blutspeien [vgl. Aretaios VI 2, 10], Durchfall, Cholera nostras und Harnzwang; denn er ist harntreibend. Mit Wein vermischt wendet man ihn bei Tierbissen [vgl. Philum. XV 11] und periodisch auftretenden Leiden 1 Stunde vor dem Anfall an. Als Beigabe stillt er Rotfluß der Frauen [vgl. Soran. gyn. III 41], und ist eingeträufelt gut gegen Eiterausfluß bei Mittelohrentzündung. Mit Wein und Honig zusammengekocht nimmt man ihn bei Genitaliengeschwülsten. Die Blätter werden bei ἔγκαυσις στομάχου [scheint nach der Definition bei Scrib. Larg. 105 [1642] Polydipsie bei Diabetes zu sein], Blutspucken, fressenden Geschwüren, Rose, Entzündungen, Geschwülsten und frischen Wunden aufgelegt.‘ Vgl. Gal. XII 104 K. Aëtios v. Amida I 327. Gegen Kopfschmerzen Scrib. Larg. 2. Schafen, die das Kraut fressen, bläht sich der Bauch auf, und sie spucken übelriechenden Schaum, Colum. VII 5. Hippiatr. Cant. X 16 ist P., in ein gesäubertes und parfümiertes Hundechorion ein- und der Stute angebunden, ein geburtförderndes Mittel. Vgl. Geop. XVII 5, 5.

3. Flohkraut, P. persicaria L., πολύκαρπον oder κραταίγονον [nach Hesych. ist κραταίγονος eine Pflanze, μεθ’ ἧς πλέκουσιν]. Die erste Bezeichnung trägt es bei Hippokr. VIII 134 L. und Gal. XIX 132 K, die zweite bei Ps.-Theophr. h. pl. IX 18, 6 und sonst. Es hat nach Dioskur. m. m. III 124 Blätter, die denen des Weizens ähneln, Sprosse in größerer Zahl von einer Wurzel ausgehend und geknotet, eine hirsenkornähnliche Frucht. Es wächst in schattigen Hecken. Ist sehr herb. Manche sagen, die Frucht erzeuge Knabengeburten, wenn die Frau nach der Menstruation 40 Tage lang vor dem Coitus nüchtern dreimal täglich 11/2 g in 1/10l Wasser trinke, der Mann tue das gleiche und gehe dann zur Frau‘. Vgl. Plin. n. h. XXVII 62. Gal. XII 44 K.

4. Windenknöterich, P. convolvulus L., κληματίς ἑτέρα mit den Synonymen φιλεταίριον, δαφνοειδές, πολυγονοειδές, clematis alia bei Plin. n. h. XXIV 141, mit lorbeerähnlichen Blättern, lang und dünn, wurde gegen Schlangen (besonders Brillen-) mit Essig eingenommen. Κληματίς und κληματῖτις werden häufig durcheinandergeworfen: so gibt Paul. Aeg. VII 3 sub κληματῖτις die Synonyme δαφνοειδές, μυρσινοειδές, πολυγονοειδές an und behauptet, diese Pflanze habe lorbeerblattähnliche Blätter, beschreibt aber sonst unter diesem Namen Vinca minor L.; sub κληματῖτις ἑτέρα hat er dasselbe wie Diosk. m. m. IV 180 unter κληματίς, beschreibt jedoch Clematis cirrhosa L.

5. Wasserpfeffer. P. hydroniper L., ὑδροπέπερι Diosk. m. m. II 161: ,Er wächst hauptsächlich an stehenden Gewässern und versumpften Flußläufen, hat einen knotigen Stengel mit Tüten ringsherum, Blätter denen der Wasserminze ähnlich, aber größer, glänzender und saftiger, im Geschmack brennend scharf wie Pfeffer, dessen Würze ihm aber fehlt. Die Frucht sitzt auf kleinen Zweiglein und sprießt seitlich der Blätter hervor, gemeinschaftlich, traubenförmig, ebenfalls scharf schmeckend. Die Wurzel ist klein, unbrauchbar. Die mit der Frucht aufgelegten Blätter vermögen Geschwülste und chronische Verhärtungen zu heilen und blutunterlaufene Stellen zu säubern. Getrocknet und zerstoßen mischt man sie als Pfeffersurrogat an Salzspeisen und Vorgerichte.‘ Vgl. Gal. XII 147 K.