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RE:Lichas 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Herold d. Herakles
Band XIII,1 (1926) S. 210211
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Lichas. 1) Herold des Herakles in der Sage von Deianeira und Iole. Daß die Figur vor Sophokles bekannt war, ergibt außer der Erwähnung bei Aischylos das 15. Gedicht des Bakchylides, das zwar nicht den L. selbst, aber die von ihm der Deianeira gebrachte Botschaft nennt. Ausführlich erzählt davon Sophokles in den Trachinierinnen, von denen die späteren Erwähnungen des L. ziemlich alle ausgehen. Er ist dort Herold des Herakles (v. 189. 227. 620. 757) und nennt Deianeira seine Herrin (v. 407. 472); daß sie ihn v. 531 ξένος nennt, erklärt man damit, daß ‚er aus der Fremde kam und bei ihr freundliche Aufnahme fand; es ist eine Auszeichnung für ihn, daß er Gastfreund heißt‘ (Radermacher z. St.). Die Meinung Zielinskis (Philol. LV 511), er sei der Deianeira unbekannt und ein erst kürzlich von Herakles geworbener Söldner, ist irrig; s. Dopheide De Soph. arte dramat. (Münster 1910) 9 und T. v. Wilamowitz Phil. Unters. XXII 136. Im Auftrage seines Herrn geleitet er nach der Eroberung von Oichalia die Iole nach Trachis und bringt von dort als Geschenk der Deianeira das Nessosgewand dem am Kenaion opfernden Herakles (s. o. Bd. IV S. 2379. IX S. 1847. Suppl. III S. 958. 1082). Als dieser die Wirkung des Gewandes spürt, ergreift er den L. und schleudert ihn auf einen vom Meer umspülten Felsen, so daß er seinen Tod findet (Soph. 772ff.). Diese Erzählung kennt schon Aischylos (frg. 30) Εὐβοΐδα καμπὴν ἀμφὶ Κηναίου Διὸς ἀκτήν, κατ’ αὐτὸν τύμβον ἀθλίου Λίχα, vgl. den unbekannten Dichter bei Et. M. 417, 3 ᾇχι Λίχα μέγα σᾶμα. Die Figur des L. wird also aus der gemeinsamen epischen Quelle der genannten drei Dichter stammen, die sehr wohl (trotz Robert Heldensage 569) die Οἰχαλίας ἅλωσις gewesen sein kann (o. Bd. VIII s. 2151).

[211] Die Lokalisierung von L.s Tode beruht auf dem Namen der Lichades genannten Inselgruppe, die vor dem nordwestlichen Vorgebirge von Euboia, Kenaion, liegt (s. o. S. 210); daß sie nach L. hießen, sagt ausdrücklich Strab. IX 426. Die Möglichkeit, daß die menschenähnliche Gestalt einer dieser Klippen den Anlaß dazu bot, ist nicht abzuweisen (s. u. Ovid); doch habe ich nichts darüber ermitteln können (z. B. nicht bei W. Vischer Erinnerung. a. Griechenl. 660); wahrscheinlicher ist, daß der aus älterer Überlieferung stammende Name L. nachträglich mit den Lichades in Verbindung gebracht wurde. Die Etymologie hilft wie gewöhnlich nicht viel; die Hesychglossen λιχάδες· ὄστρεα πάντα· οἱ δὲ λίθοι καὶ ψῆφοι καὶ κογχύλια und λιχάς· ἀπότομος dienen im besten Falle zur Erklärung des Inselnamens (‚Muschelinseln‘ Robert 595), den Radermacher Einl. zu Soph. Trach.⁷ 13 nicht einleuchtend als ‚züngelnde d. h. wie Zungen ins Meer hineinragende Inseln‘ deutet. L. ist ein spartanischer Name (s. Nr. 2. 3); daß der von Hesych s. λιχάξαι· ῥῖψαι, βάλαι Κρῆτες berichtete Sprachgebrauch zur Entstehung des Mythos beigetragen habe (Robert), ist möglich.

Die übrige Überlieferung hat kaum irgendwelchen Wert. Schol. Soph. Tr. 757 macht L. zum σύντροφος des Hyllos, Schol. Apoll. Rhod. I 1212 zu seinem Paidagogen (als Sohn des Hyllos und der Iole Schol. Lykophr. 804); darin mit Radermacher 13 einen alten Zug zu sehen kann ich mich nicht entschließen. Auch die Umwandlung der Erzählung zu einer Metamorphose ist ein jüngerer Zug: nach Ovid met. IX 219 erstarrt der von Herakles geschleuderte L. in der Luft zu einem Felsen. In der Kunst erscheint L. nicht oft; auf einer rf. Vase schönen Stiles des Brit. Mus. (Catal. III E. 494 Tf. 16, früher Arch. Ztg. III Tf. 35, 2) neben Herakles und Philoktet beim Opfer auf Chryse (hier als Knabe, durch ΛΙ . . . bezeichnet, s. dazu Murray S. 300); auf einer rf. Vase schönen Stils beim Opfer auf dem Kenaiou (Stephani Compt. rend. 1869 Tf. 4. 1. 1876 Tf. 5, 1; vgl. Myth. Lex. I 2235), und vielleicht auf einer nolanischen Vase, wie er dem Herakles das Gewand überreicht (Brit. Mus. Catal. III E 370. Myth. Lex. I 2236). Alle anderen Erwähnungen sind von Sophokles (oder Ovid) abhängig. – Vgl. Gruppe Griech. Myth. 489f. Schirmer Myth. Lex. II 2043. Robert Gr. Heldensage 569. 595.