RE:Ius aquae
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Recht, aus einem oder durch ein fremdes Grundstück Wasser zu leiten | |||
Band X,1 (1918) S. 1205–1206 | |||
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Ius aquae ist in einem engeren Sinne die servitus (s. d.) aquae ducendae, d. i. das dingliche Recht an einem fremden Grundstück, aus demselben oder durch dasselbe Wasser zu leiten, Dig. XLIII 20, 1, 22. XXXIX 3, 8. Inst. II 3 pr. Cod. III 34, 3, 10. Die Bezeichnung ,i. aqu.‘ oder bloß ,aqua‘ (s. d.) findet sich allenthalben in dieser engeren Bedeutung von aquaeductus, Dig. VIII 1, 47 und 49. XXXIX 3, 9 pr. und 2. 17 pr. XLIII 20, 1, 9. VIII 3, 25. Cod. III 34. rubr. Cic. pro Caec. 26. Auch das edictum ,de aqua‘ behandelte offenbar nur den aquaeductus, Lenel Ed. p. § 176. Die Wasserleitungsgerechtigkeit gehört zu den servitutes praediorum rusticorum Inst. II 3. Dig. VIII 3, 1 pr. und ist wie die Wegegerechtigkeiten schon dem alten Zivilrecht bekannt. Ob die XII Tafeln sie schon behandelten, kann nicht entschieden werden. Der von Paulus nach Dig. XLIII 8, 5 erwähnte aquaeductus, gegen den die XII Tafeln eine Klage gewährten, braucht nicht auf einer Servitut zu beruhen. Aber es beschäftigen sich schon die Juristen der Republik vielfach mit dieser Servitut, Dig. VIII 3, 15 (Quintus Mucius), eod. 14 (Labeo). XLIII 21, 3, 1 (Servius).
Was den Inhalt der servitus aquaeductus betrifft, so wird unterschieden, ob der Berechtigte das praedium serviens lediglich zur Führung einer Wasserleitung (iter aquae) über dasselbe benutzen oder das Wasser jenes Grundstücks ableiten darf, Dig. XXXIX 3, 8. 17 pr. und § 1. VIII 4, 2. VIII 5, 10, 1. XLIII 20, 1, 5. 6. Inst. II 3, 4. Die Servitut konnte noch weitergehen und darin bestehen, auf dem fremden Grundstück nach einer Wasserquelle suchen und das gefundene Wasser alsdann fortleiten zu dürfen, Dig. VIII 3, 10.
Für die Anlage des aquaeductus wird unterschieden, ob der Berechtigte das Wasser einfach per lapidem stratum bezw. sulco aperto (Dig. VIII 3, 29) leiten darf, was nach Dig. XXXIX 3, 17, 1 nicht ohne ausdrückliche Abrede eintritt, oder per fistulas, was das Übliche war; vgL auch Dig. VIII 3, 15. 5, 13. XVIII 1, 49. Lex Quinctia de aquaeductibus, Bruns Font.⁷ 113 Z. 5 und 23.
Im weiteren Sinne fallen unter i. a. auch die anderen, wohl erst später entstandenen Wassergerechtigkeiten für praedia rustica, die servitus aquaehaustus (Dig. VIII 3, 3, 3, 1, 1. 2, I. 2. Cic. p. Caec. 26, 74), d. i. das dingliche Recht, auf fremdem Grundstück Wasser zu schöpfen, und die servitus pecoris ad aquam adpulsus, das Recht der Viehtränke; s. dazu etwa die bei Windscheid Pandekt. I § 211 Anm. 7 und 8 zitierten Texte. S. ferner die Texte bei Bruns Font. p. 341 nr. 11 (aquaehaustus), nr. 13. 14 und 15 (aquaeductus); ferner Frontinus bei Bruns II 90 nr. 14.
[1206] Zu den iura aquae wäre aus dem Bereich der Urbanalservituten die servitus stillicidii vel fluminis zu zählen, Inst. II 3, 1. 4. Dig. VIII 2, 20, 2ff. Durch Vertrag erhält der Besitzer des herrschenden bebauten Grundstücks hier das Recht der Regentraufe, gemäß dessen der Nachbar den Tropfenfall bezw. das herabströmende Regenwasser jenes Grundstücks aufzunehmen und hindernde Anstalten zu unterlassen hat. Nach Dig. VIII 2, 2 gibt es ein Recht auf stillicidium avertendi in tectum vel aream vicini aut non avertendi. S. auch h. t. l.
Gewähren diese Gerechtigkeiten dem Berechtigten die Befugnis zu einem positiven Eingriff in eine fremde Rechtssphäre, so gibt es auch Wassergerechtigkeiten, die lediglich in einer Verbietungsbefugnis bestehen. Um die gegebene natürliche Wassernutzung eines Grundeigentümers nicht zu schmälern, diente die in Dig. VIII 1, 15 pr. behandelte vertragsmäßige Dienstbarkeit, ius tibi non esse, in fundo tuo aquam quaerere minuendae meae aquae gratia. Der Oberlieger durfte danach das Wasser seines Grundstücks nicht fortschöpfen.
Neben diesen zu ihrer Entstehung eines Vertrags der beiden Parteien voraussetzenden Gerechtigkeiten stehen die sog. Legalservituten, die dem Berechtigten ex lege zustehen. Wasserrechtlich ist schon dem alten Recht die gesetzliche Servitut bekannt, gemäß deren der Grundstückseigentümer dem Nachbarn die Behinderung des natürlichen Wasserablaufs von seinem Grundstück verbieten darf, und zwar mittelst der actio aquae pluviae arcendae. Dig. XXXIX 3, 1, 1. Lenel Ed. p. § 177.
Der Berechtigte genoß neben dem bei den Servitutes (s. d.) allgemein bestehenden Rechtsschutz auch als bloßer Besitzer von Wassergerechtigkeiten den Schutz durch besondere Interdikte, so das interdictum de aqua cottidiana et aestiva Dig. XLIII 20, 1; das i. de rivis, das dem Schutz von Ausbesserungen diente, die zur Ausübung des aquaeductus erforderlich waren Dig. XLIII 21, 1; das interdictum de fonte (de lacu usw.), das entsprechend den aquaehaustus und adpulsus schützte. Dig. XLIII 22, 1 pr. 1. 2.