133) L. Iunius Pullus war Consul 505 = 249 mit P. Claudius Pulcher (o. Bd. III S. 2857f.). Seinen vollen Namen geben die Fasti Cap.: L. Iunius C. f. L. n. Pullus; das Praenomen wird von Polyb. Cic. Val. Max. Plin. n. h. XV 2. Censorin. de die 17, 10. Zonar. richtig angegeben, von Eutropius und Orosius dagegen falsch: C.; das Cognomen kennen nur die von den Fasti Cap. abhängigen Quellen, Chronogr.: Pullo, Idat. und Chron. Pasch, nach dem Cognomen des andern Consuls verderbt zu Pulchro; auf Flüchtigkeit beruht Brutus bei Censorin. Beide Consuln führten den Krieg gegen die Karthager in Sicilien sehr unglücklich. Claudius ging nach dem Westen der Insel, I. nach dem Osten; jener brach von Lilybaeum, das die Römer belagerten, gegen Drepana auf, um dort die karthagische Flotte zu überraschen, erlitt aber eine vollständige Niederlage; dieser erlitt zur See ebenfalls schwere Verluste. Er ging mit einer großen Transportflotte und einer Anzahl Kriegsschiffen zunächst nach Messana und dann nach Syrakus, wo er weitere Fahrzeuge sammelte, sodaß er 120 Kriegsschiffe und gegen 800 Frachtschiffe hatte. Diese Flotte teilte er und schickte zunächst die Hälfte der Frachtschiffe unter dem Schutz mehrerer Kriegsschiffe und unter dem Befehl seiner Quaestoren um das Vorgebirge Pachynum, die Südspitze Siciliens, nach Lilybaeum, während er selbst in Syrakus blieb und besonders das Eintreffen von Getreidevorräten aus dem Innern der Insel abwartete (Polyb. 1 52, 5–8. Diod. XXIV 1, 7). Die Quaestoren gelangten zwar nicht an ihr Ziel, da ihnen der karthagische Admiral Karthalo den Weg verlegte, aber sie brachten wenigstens ihre Schiffe mit geringen Verlusten bei Phintias in Sicherheit, worauf der Feind weiter östlich Stellung nahm, um ihre Verbindung mit dem Consul zu unterbrechen (Polyb. 53, 7–13; vgl. Diod. a. O. mit einigen genaueren Ortsangaben). Ohne Kenntnis von diesen Vorgängen stach nun auch I. in See und nahm denselben Weg um Kap Pachynum herum und sah sich nun ebenfalls der feindlichen Seemacht gegenüber. Wahrscheinlich gewarnt durch das Schicksal seines Amtsgenossen, wagte er nicht, ihr eine Schlacht zu liefern, konnte aber auch nicht hoffen, ihr zu entfliehen und zog sich an den freilich hafenlosen und klippenreichen Strand im Gebiete von Kamarina zurück. Nun aber zog ein schwerer Südsturm herauf, und während die Karthager, deren Seeleute diese Gefahr rechtzeitig erkannten, mit knapper Not in den Schutz des Vorgebirges gelangten, wurden die beiden Abteilungen der römischen Flotte, die der Quaestoren und die des I. selbst, in ihren ungünstigen Ankerplätzen von dem Unwetter erfasst und vollständig vernichtet (Polyb. 54, 1–8. Diod. 1, 8f.; vgl. Oros. IV 10, 3. Zonar. VIII 15. Meltzer Gesch. d. Karthager II 330ff.). Wie bei Claudius, so gab auch bei I. die römische Überlieferung der Vernachlässigung der Auspicien die Schuld an diesem Unglück (Cic. nat. deor.
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II 7; div. I 29. II 20. 71. Val. Max. I 4, 4 [nur bei Iul. Paris erhalten]. Eutrop. II 26, 1f. Minuc. Felix 7, 4. 26, 2), und wie jener seine Schuld durch Verurteilung büßte, so dieser nach Cic. nat. deor. II 7 und Val. Max. a. O. durch Selbstmord. Dieser letztere Zug ist sicherlich unglaubwürdig, denn auch die römische Tradition erkennt an, daß I. wenigstens die Bemannung der Schiffe rettete (Eutrop.), und tatsächlich hat er nach der Vernichtung der Flotte mit den geretteten Truppen zu Lande noch einen Erfolg errungen, der seine Schuld mindestens verringerte. Es glückte ihm nämlich. den Eryx zu besetzen, sowohl den Tempel auf der Höhe des Berges, wie die tiefer gelegene Stadt, und damit einen festen Stützpunkt im äußersten Westen Siciliens zu gewinnen (Polyb. 55, 5-10. Diod. 1, 10. Zonar.). Allerdings wurde die untere Position den Römern wieder von Karthalo entrissen (Diod. 1, 11. Zonar. vgl. Kromayer Klio IX 461ff. = Antike Schlachtfelder III 1, 26ff.), und dabei geriet nach Zonaras I. selbst in feindliche Gefangenschaft. Ob diese Angabe glaubwürdiger ist als der Selbstmord, scheint fraglich. Sicher ist nur, daß I. nach seinem Consulat nicht mehr erwähnt wird, und daß wohl später über sein Schicksal nichts Zuverlässiges bekannt war. Hirschfeld (Kl. Schr. 776, 1) hat die Vermutung geäußert, daß die bekannte Anekdote von den heiligen Hühnern, die nicht fressen wollten und auf Befehl des Consuls ins Meer geworfen wurden, ursprünglich an den Beinamen Pullus dieses I. geknüpft gewesen und erst später auf seinen bekannteren Amtsgenossen Claudius übertragen worden sei; aber dagegen spricht die Tatsache der Verurteilung des Claudius, und die Anekdote haftet so fest an diesem, daß eher erst daraufhin auch dem I. mit allgemeinen und unbestimmten Wendungen ein ähnlicher Frevel gegen die Götter zur Last gelegt wurde. Vielleicht steckt das Cognomen Pullus sogar in dem Namen des einen Anklägers des Claudius bei Schol. Bob. 337 Or. = 90, 4 Stangl: dies ei dicta est perduellionis a Pullio et Fundanio tr. pl., denn während Fundanius bekannt ist (o. Bd. VII S. 292f.), sind Pullii zwar inschriftlich, aber nicht literarisch nachweisbar, sodaß dieser scheinbare Tribun gewiß irgend einem Versehen seine Entstehung verdankt, wenn nicht dem Consul Pullus, so etwa den vielberufenen pulli der Anekdote. Allerdings bleibt auch hier alles unsicher.