11) Iulianus, Bischof von Toletum, der prima sedes des Westgotenreichs vom 29. Januar 680 bis 6. März 690. Geboren in Toledo, hat er dort seine klerikale Laufbahn bis zur letzten Stufe durchgemacht, ein Schüler des Bischofs Eugenius II. um 650; an dem Sturz des Königs Wamba beteiligt, hat er dessen Nachfolger Ervig und Egica in seiner Hand behalten, vier toletanischen Synoden 681–688 präsidiert und trägt für die damals erlassenen grausamen Judengesetze die Verantwortung. Durch eine Vita seines Zeitgenossen und Nachfolgers Felix (Migne P. XCVI 445–452) sind wir besonders über seinen literarischen Nachlaß gut orientiert. Vieles davon, Briefe, Gedichte, Predigten, ist verloren gegangen. Was erhalten ist (a. a. O. 43f., hier der von ihm verfaßte Nachtrag zu Ildefonsus de viris illustribus, die Vita des Ildefonsus, und S. 453–798), erbringt den Beweis, daß die Kultur Spaniens, das noch solch einen Schriftsteller nach Isidorus Hispalensis besitzt, die aller abendländischen Völker, höchstens Britannien ausgenommen, im 7. Jhdt. erheblich übersteigt. Die drei Bücher Prognosticon futuri saeculi und die zwei Bücher Antikeimenon verraten im Titel den Zeitgeschmack, der mit fremdem Putz prahlte; selbständige Gedanken enthalten sie nicht viel. Die meisten Widersprüche in der Heiligen Schrift löst der Verfasser durch Zitate aus älteren Vätern. Aber er weiß doch wenigstens in anständigem Latein klar zu machen, worauf es ihm ankommt. Im Interesse seiner judenfeindlichen Tendenzen schrieb er die drei Bücher de comprobatione aetatis sextae; in Verhandlungen mit Rom um 685 hat er einen merkwürdig stolzen Ton angeschlagen und jede Unterwerfung unter ein päpstliches Urteil über seine Dogmatik abgelehnt. Historisch wertvoll ist seine historia rebellionis Pauli adv. Wambam, durch die wir die Einzelheiten über eine Revolution gegen Wamba in Narbonne 672/3 kennen lernen. Wichtiger als Exzerpte aus Augustins Werken, die I. verbreitete, wäre für uns der Besitz seiner liturgischen Arbeiten; so müssen wir uns mit der Vermutung begnügen, daß sein Anteil an der Gestaltung des ‚mozarabischen‘ Missale hoch einzuschätzen ist. Anderes ist ihm irrig zugeschoben worden, wie ein unendlich breites Fragment eines Nahumkommentars, Migne 705–760: grobe Fälschungen hat man im 16. Jhdt. unter seinem Namen anzubringen versucht. Von Echtem könnte immerhin noch eines oder das andere aus alten Bibliotheken auftauchen. Bald nach seinem Tode überfluten die Araber Spanien; erst im karolingischen Zeitalter finden wir einen spanischen Bischof, Felix von Urgellis, den man von ferne mit I. vergleichen könnte. Vgl. A. Ebert Gesch. der christl.-latein. Literatur I 1874, 570f.