Zum Inhalt springen

RE:Ismenias 1

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Führer der spartanerfeindlichen Partei in Theben
Band IX,2 (1916) S. 21362139
Ismenias (Politiker) in der Wikipedia
Ismenias in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register IX,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|IX,2|2136|2139|Ismenias 1|[[REAutor]]|RE:Ismenias 1}}        

1) I., aus angesehener Familie (vgl. Arrian. anab. II 15, 4), bekannt durch seinen großen Reichtum, Plat. Menex. 90 A (wo trotz Pohlenz Aus Platos Werdezeit 189, 3 durch einen Flüchtigkeitsfehler Πολυχράτους statt des richtigen Τιμοχράτους steht); ebd. Rep. I 9; Plut. praec. g. r. 31; de tranq. an. 13; de cup. div. 8. Den [2137] Grundstock desselben wird trotz Platos tendenziöser Behauptung (Men. a. O.), dem es nur auf den Gegensatz zu Anytos ankommt (mit Unrecht verteidigt von E. Zeller Kl. Schr. I 117ff.), ererbtes Vermögen gebildet haben. Aus seinen privaten Mitteln unterstützte er Thrasybulos’ Expedition gegen die Dreißig in Athen (Iustin. V 9, 8); es ist dies die erste Gelegenheit, bei welcher er in der Geschichte hervortritt und die gleich den politischen Standpunkt, den er einnahm, kräftig markiert. I. ist von da ab der Führer der spartanerfeindlichen Partei in Theben (Hell. Oxy. 12, 1. 13, 1); es ist dabei zweierlei zu betonen, einmal daß er nicht, wie man früher meinte, Demokrat war, was durch Theopomps Hellenika berichtigt wurde, sondern wie seine politischen Gegner Anhänger der damals in Böotien herrschenden oligarchischen Staatsform, und daß der damalige Gegensatz der Parteien in Böotien durch Rücksichten der auswärtigen Politik bestimmt wurde (dazu auch Ed. Meyer Theopomps Hellenika 81ff.); und dann, daß die Beweggründe egoistischer Natur, das Streben, die Staatsleitung in ihre Hand zu bekommen, welche Theopompos I. und seinen Genossen zuschreibt (Hell. Oxy. 12, 1), doch erst in zweiter Linie auf ihre Stellungnahme einwirkten und vielmehr das Fehlschlagen der Hoffnungen, welche die mit Sparta verbündeten Staaten an den Ausgang des peloponnesischen Krieges geknüpft hatten, und das Herrschaftsstreben der Lakedämonier die Ursache für das Entstehen spartanerfeindlicher Parteien unter ihnen war (Busοlt Hermes XLIII 274ff. Ed. Meyer a. O. 83ff., übrigens schon richtig betont von Grote Hist. of Greece IX2 109ff. 111ff.). Die Partei des I. war allmählich immer mächtiger geworden (Hell. Oxy. 12, 2) und wartete auf einen Anlaß, um einen offenen Konflikt mit Sparta herbeizuführen. Ihre darauf abzielenden Bestrebungen wurden durch die Sendung des Rhodiers Timokrates gefördert, der in persischem Auftrag mit den Führern der griechischen Oppositionsparteien in Verbindung trat und die zu Agitationszwecken bestimmte Summe von 50 Talenten unter sie verteilte (Xen. hell. III 5, 1. 2. V 2, 35. Hell. Oxy. 2, 2. 5. 13, 1, vgl. auch 12, 1. Paus. III 9, 8. IV 17, 5. Plut. Artox. 20; Lysand. 27; Ages. 15. Polyaen. I 48, 3, über die Liste der bei diesem Anlaß genannten Politiker, unter welchen sich I. befand, Ed. Meyer a. O. 46). Die Frage, wann die Bereisung Griechenlands durch Timokrates stattfand und ob sein Auftraggeber Tithraustes (so Xenophon, Pausanias) oder Pharnabazos (Hell. Oxy. 2, 5. Polyaen.) war, ist meiner Ansicht nach dahin zu beantworten, daß Timokrates’ Sendung in den Winter 396 auf 395 zu setzen ist (so Ed. Meyer a. O. VIII. 44ff. Cavaignac Rev. ét. gr. XXV 141 und Hist. de l’Antiquité II 259, 1. Zunkel Unters. zur Gesch. der Jahre 395–386 [Dissert. Jena 1911] 8ff.; anders Pareti Studi Italiani di Filol. class. XIX 431ff. 438ff. 443 [Sommer 396], Busolt a. O. 271ff. Underhill Journal Hell. St. XXVIII 281ff. Judeich Rh. Mus. LXVI 106ff., 1. Rühl Rh. Mus. LXVIII 169. 171) und sonach von Pharnabazos ausging (Ed. Meyer, Cavaignac, Zunkel). Die Gelegenheit [2138] für Böotien, gegen Sparta loszuschlagen, ergab sich aus der im Sommer 395 entstandenen Verwicklung zwischen den opuntischen Lokrern und Phokis; für den Ursprung dieses Konflikts halte ich mit Ed. Meyer a. O. 85ff. und Busοlt a. O. 277ff. und gegen v. Mess Rh. Mus. LXIV 241ff. Judeich a. O. 106ff., I. Pareti a. O. 454ff. und Walker The Hellenica Oxyrhynchia 126ff. (Rühl a. O. 171. 199ff. nimmt eine Mittelstellung ein) die Erzählung Xenophons hell. III 5, 3ff. für richtiger als diejenige in den Hellenika des Theopomp (Hell. Oxy. 13), während Pausanias’ Darstellung III 9, 9ff. kompiliert, vgl. Busοlt a. O. 278. Ed. Meyer a. O. 89ff. Nach der Schlacht von Haliartos, im Herbste 395 (Ed. Μeyer a. O. 259, nach Zunkel a. O. 22 erst im Frühjahr 394), unternahmen die Böoter im Verein mit den Arkadern unter dem Kommando des I. einen Zug gegen die spartanische Festung Herakleia in Trachis (einziger Bericht bei Diod. XIV 82, 6ff.), deren Einnahme ihnen gelang, worauf sie den von den Spartanern vertriebenen Trachiniern die Stadt zurückgaben (auch Diod. XIV 82, 6ff.); dann brachte I. die Aenianen und Athamanen zum Abfall und zog mit ihnen gegen die Phoker, welchen er bei Naryx eine schwere Niederlage beibrachte. Dazu Sievers Gesch. Griechenlands vom Ende des peloponnesischen Krieges bis zur Schlacht bei Mantinea 66. Grote Hist. of Gr. IX2 126ff. Ed. Meyer Gesch. d. Altert. V 232; Theop. Hell. 118. E. Harrison setzt die Einnahme von Trachis in die Zeit nach der Schlacht von Koroneia und denkt an eine chronologische Verschiebung bei Diodor (Class. Quarterly VII 132). Von da ab hören wir von I. weiter nichts bis zu seinem Untergang. Gewiß wird er noch in der folgenden Zeit eine bedeutende, vielleicht die bedeutendste Rolle in Theben gespielt haben, wenn auch die Stellung seiner Partei durch den Ausgang des böotisch-korinthischen Kriegs und den Königsfrieden erhebliche Schwächung erlitt. Noch im J. 382 behauptete sie aber die Oberhand: nicht bloß bekleidete I. in diesem Jahre das Amt eines Polemarchen (Xen. hell. V 2, 25), sondern Theben war auch in Verhandlungen mit der chalkidisehen Föderation getreten, die auf ein Bündnis zwischen beiden Staaten abzielten (Xen. hell. V 2, 15. 34) – ob es zu dessen formellem Abschluß kam, ist (trotz der neuen Nachricht in dem Brief-Fragment Oxy. Pap. I 36ff., n. XIII) zweifelhaft, vgl. E. v. Stern Gesch. der spartanischen und thebanischen Hegemonie vom Königefrieden bis zur Schlacht bei Mantinea 39, 1. Rühl Rh. Mus. LIV 152ff. – und bei dem Herannahen des Phoibidas war der Beschluß gefaßt worden, daß kein Thebaner bei ihm freiwilligen Dienst nehmen durfte (Xen. hell. V 2, 27); freilich beweist die Tatsache, daß Leontiadas, der Führer der spartanerfreundlichen Partei, in diesem Jahre ebenfalls Polemarch war (Xen. hell. V 2, 25), wie sehr das Übergewicht der Partei des I. bestritten war. Die darauf folgenden Vorgänge, die Besetzung der Kadmeia durch Phoibidas unter verräterischer Mitwirkung des Leontiadas, sind allgemein bekannt; (Xen. hell. V 2, 25ff., knapp Plut. Pelop. 5); damit war I.s Los besiegelt. [2139] Er wurde, während er einer Sitzung des Rates beiwohnte, von Leontiadas verhaftet (dazu Festgaben für Max Büdinger 58ff.) und auf der Kadmeia interniert (Xen. 20. 21); später stellte man ihn vor ein Gericht, das aus Delegierten Spartas und seiner Bundesgenossen zusammengesetzt war, und klagte ihn wegen seiner vor 13 Jahren stattgehabten Verbindung mit den Persern und Entgegennahme persischer Gelder und als Anstifter aller Unruhen in Griechenland an (Xen. a. O. 35ff.). I. wurde trotz seiner Verteidigung zum Tode verurteilt. Als Sitz des außerordentlichen Gerichtes ist trotz Plut. Pelop. 5 mit Xenophon und Plut. de gen. Socr. 1 Theben anzusehen (dazu v. Stern a. O. 39, 2). Vgl. auch Sievers a. O. 157ff. Grote a. O. IX2 273ff. v. Stern 34ff. Ed. Μeyer Gesch. d. Altert. V 297ff.

Literatur: Noch Sievers a. O. 61ff. Grote IX2 111. 126. Cavaignac Hist. de l’Ant. II 281.