RE:Ioannes 55
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Johannes Chrysostomos, Kirchenvater | |||
Band IX,2 (1916) S. 1811–1828 | |||
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55) Johannes Chrysostomos ist der am meisten gefeierte unter den griechischen Kirchenvätern und als bibelauslegender Prediger schlechthin maßgebend für die ganze byzantinische Periode geworden. Die in außergewöhnlicher Charakterfestigkeit begründete Tragik seines persönlichen Schicksals wob einen hellen Heiligenschein um sein Haupt, zumal seine asketischen Neigungen ihn ohnehin als Ideal des Bischofs erscheinen ließen, und die an längstvergangene altattische Herrlichkeit mahnende lichte Klarheit seiner Sprache, die einem feinen und unverkünstelten Denken Gestalt gab, machte ihn schnell zum Klassiker einer neuen Periode der griechischen Literatur. Den dem Rhetor Dion von Prusa (s. o. Bd. V S. 848, 28) entlehnten Beinamen des ,Goldmundes’ finden wir seit dem 6. Jhdt. im Morgen- und Abendlande ihm beigelegt (vgl. G. [Krüger Zacharias Rhetor 300, Baur S. Jean Chrys. 58ff.), die Zeitgenossen seines höchsten Ruhmes kannten ihn nur als J. von Konstantinopel. Über sein Leben besitzen wir außer den Angaben seiner eigenen Werke zwei Hauptquellen, neben denen die zahlreichen späten Vitae (vgl Delehaye Bibl. hagiogr. graeca 122ff.) als wertlos erscheinen: des Palladius von Helenopolis (s. d.) διάλογος ἱστορικός (op. Chrys. XIII 1ff. Montfaucon), dessen Herkunft von dem mit J. persönlich befreundeten Verfasser der Historia Lausiaca E. C. Butler sichergestellt hat [1812] (Χρυσοστομικά I 35ff.); hier erhalten wir auch für die wichtigsten Lebensabschnitte des J. eine relative Chronologie durch Angabe der Intervalle. Zweitens bringt Sokrates hist. eccl. VI (den Sozomenos VIII meist ausschreibt) nach kurzer Vorgeschichte eine eingehende Darstellung der Konstantinopeler Ereignisse, dabei die genauen Tages- und Jahresdaten für Bischofsweihe, Verbannung und Tod. Während wir über die Zeit seiner bischöflichen Tätigkeit und sein Lebensende reichliche, wenn auch keineswegs erschöpfende Auskunft erhalten, fließen die Nachrichten über seine antiochenische Wirksamkeit (bei Pallad. dial. 5 p. 16 f. Montf. und Socr. h. eccl. VI 3) mehr wie dürftig. Geboren müßte er nach der Rechnung des Palladius 32 Jahre vor seiner Priesterweihe, also 354 sein; sein früh verstorbener Vater Secundus war magister militum per orientem und J. bezeugt uns selbst de sacerd. II 8 (I 379 c), er habe in frühen Jahren das Bischofsamt ausgeschlagen, um dem Verdacht zu entgehen, daß er es seinem Reichtum und seiner vornehmen Abkunft verdanke; aber für seine spätere geistliche Laufbahn sind diese Dinge schwerlich ohne Bedeutung gewesen. Er sollte Jurist werden und genoß den Unterricht des Libanios; es liegt kein Grund vor, diese Nachricht des Sokrates zu bezweifeln, wenn auch die Anekdote des Sozomonos VIII 2, 2 wertlos und die bei Isidor von Pelusium epist. II 42 erhaltene epist. 1576 (Wolf) des Libanius an einen anderen J. gerichtet ist (P. Maass S.-Ber. Akad. Berl. 1912, 1123. Nägele in Χρυσοστομικά I 101ff.). Ad vid. iun. 2 (I 340 a) redet J. von ,seinem’ σοφιστής, den er einst gehört habe und der πάντων ἀνδρῶν δεισιδαιμονέστερος ἦν. Auch ohne die Notiz des Sokrates würde man hieraus auf den Vorkämpfer des sterbenden Heidentums, Libanios, schließen, zumal J. in de S. Babyla contra Iulianum 18ff. (II 566ff.) diese seine Stellungnahme ausdrücklich bekämpft. Der Schüler ist des Lehrers bald überdrüssig geworden, und hat sich feindlich gegen ihn gestellt (R. Goebel De Ioannis Chrys. et Libanii orationibus quae sunt de seditione Antiochensium, Diss. Göttingen 1910, 10ff. 18f.). Die Trennung fand nach Palladius’ Angabe statt, als J. achtzehnjährig war, also 372, was zu der runden Zahl 20 und ihrer Tendenz bei J. selbst gut paßt: ad vid. iun. I 2 (I 340a): die ) Mutter ἐτῶν μ’ γεγονθῖα, κ’ ἔχει λοιπὸν ἐξ οὗ τὸν πατέρα, der gleich nach des Sohnes Geburt gestorben war, ἀπέβαλε. Er wurde Katechumen, getauft und nach drei Jahren, 375, zum Anagnosten geweiht; dies wird nicht durch den seit Ende 371 verbannten Bischof Meletios geschehen sein, wie Palladius meint, sondern eher durch einen uns sonst unbekannten durchreisenden Bischof Zenon; das behauptet Sokrates. Dann lebte er vier Jahre als Asket im nahen Gebirge bei einem γέρων Σύρος; und zwei weitere Jahre einsam in einer Höhle. Unbefriedigt kehrte er heim und empfing von Meletios, wie Palladius und Sokrates übereinstimmend berichten, die Diakonatsweihe; dies würde also 381 gewesen sein. Aus unserm sonstigen Wissen können wir das Datum bestätigen; der Herbst 378 zurückgekehrte Meletios starb Mitte 381 auf dem im Mai zusammengetretenen Konstantinopeler Konzil [1813] (Rauschen Jahrbücher d. christl. Kirche unter Theodosius 35. 95); die Weihe des J. fand also spätestens im Frühjahr 381 statt. Nach fünfjährigem Diakonat erhielt er Anfang 386 durch Bischof Flavian die Priesterweihe (Rauschen 251). Diesem ersten Lebensabschnitt gehören mit großer Wahrscheinlichkeit fast sämtliche ,Schriften’ des J. an; mit der Priesterweihe beginnt die Periode der ,Reden’.
An seinen Freund Theodoros, der, des Mönchslebens überdrüssig, zu heiraten gedachte (I 13 p. 22 a. II 3 p. 38 c), richtete J. zwei dringende Warnungen, eine mehr allgemein gehaltene Abhandlung und einen persönlich warmen Brief ad Theodorum lapsum (εἰς Θεόδωρον ἐκπεσόντα t. I p. 1ff. 35ff.). Der Angeredete ist noch nicht 20 Jahre alt (II 4 p. 39 e I 8 p. 13 a), viel älter kann also auch sein Freund J. nicht gewesen sein, so daß die Schriften, was auch ihr Inhalt wahrscheinlich macht, in die Einsiedlerjahre des J. fallen mögen. Der Adressat ist der spätere Bischof von Mopsuestia, den Sokrates VI 3 als Studienfreund und Mönchsgenossen des J. nennt. Die mit mancherlei Reminiszenzen advokatorischer Beredsamkeit und popularphilosophischer Predigt durchsetzten drei Bücher adversus oppugnatores vitae monasticae (πρὸς τοὺς πολεμοῦντας τοῖς ἐπὶ τὸ μονάζειν εἰσάγουσιν I 44) wenden sich gegen die dem Mönchtum oft sogar handgreiflich feindliche Stimmung christlicher Kreise und empfehlen nachdrücklich in Buch III, die Erziehung der Knaben Mönchen anzuvertrauen. Die Schrift ist τῶν βασιλέων ἐν εὐσεβείᾳ ζώντων (I 2 p. 46 a), also nach dem Tode des Arianers Valens † 378, verfaßt; ob man die bescheidene Wendung ἐμοὶ δὲ οὔτε πάρεστί τις λόγων ἰσχύς (I 2 p. 46 d) ernst nehmen und die Zeit vor der Predigttätigkeit 386 dadurch festgelegt sehen darf, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Der Traktat de comparatione regis et monachi (σύγκρισις βασιλικῆς δυναστείας ... πρὸς μοναχόν I 116ff. M.) führt einen bereits adv. oppugn. II berührten ursprünglich stoischen Gemeinplatz aus. In denselben Gedankenkreis und wohl auch in dieselbe Zeit gehören die zwei Bücher de compunctione (περὶ κατανύξεως I 122); dasselbe gilt von der in der Diakonatszeit verfaßten (Socr. VI 3, vgl. Rauschen 570) Trostschrift für einen seelisch schwer leidenden Mönch ad Stagirium a daemone vexatum (πρὸς Σταγείριον δαιμονώντα I 154). Die Trostschrift ad viduam iuniorem (εἰς νεωτέραν χηρεύσασαν I 338) mit ihrer Fortsetzung de non iterando coniugio (περὶ μονανδρίας I 349) ist nach des Valens Tode † 378 (p. 345 b) bei noch drohender Gotengefahr (p. 344 b c), also vor 380/381 geschrieben. In seine Diakonatszeit verlegt Sokrates VI 3 gleichfalls die berühmteste aller Schriften des J., die sechs Bücher de sacerdotio (περὶ ἱερωσύνης I 362; viele Einzelausgaben, die beste von J. A. Nairn, Cambridge 1906; Ausgabe mit Kommentar von C. Seltmann 1887). Die Schrift selbst enthält keine Angaben, welche Handhaben zur Datierung bieten könnten. Hieronymus vir. inl. 129 kennt sie im J. 392. Das Ganze gibt sich als Dialog zwischen J. und einem Bischof Basilius, den man mit dem 381 bezeugten Bischof von Raphaneae identifiziert hat. J. hat den alten Jugendfreund [1814] durch List zur Annahme des Bistums bewogen, sich selbst aber heimlich der gleichen Ehre zu entziehen gewußt, und rechtfertigt sich durch den Hinweis auf die Herrlichkeit des Bischofsamtes, die nun ausführlich dargestellt wird. J. Volk hat Abhängigkeit von Greg. Naz. orat. 2 aufgezeigt und hält die historische Einleitung für schematisch fingiert. (Zeitschr. f. prakt. Theol. XVII 56ff., ebenso S. Colombo im Didaskaleion I 39). Nicht näher datierbar ist der I Cor. 7 behandelnde Traktat de virginitate (περὶ παρθενίας I 268), auf den J. am Ende der hom. 19 in I Cor. (X 168 a) als fertiges βιβλίον verweist, sowie die Schrift de S. Babyla, contra Iulianum (λόγος εἰς τὸν μακάριον Βαβύκαὶ κατὰ Ἰουλιανοῦ καὶ πρὸς Ἕλληνας II 536), welche ,20 Jahre nach Iulian’ (§ 21 p. 573b) geschrieben sein will; das würde genau auf 382 führen, wenn nicht J. nachweislich seine Zahlen stark abzurunden liebte (s. Montfaucon II 530). Die Streitschrift hat besonderes Interesse durch die Auseinandersetzung mit Libanius und die Mitteilungen über den Untergang des Apollonkultus in Daphne bei Antiochia.
Mit der Anfang 386 stattgehabten Priesterweihe beginnt unmittelbar die Predigttätigkeit des J., welche seinen Ruhm begründet und dauernd lebendig erhalten hat; von keinem kirchlichen Schriftsteller besitzen wir auch nur annähernd so viele Predigten. Wohl sämtliche uns erhaltene Homilien des J. beruhen auf Stenogrammen der gesprochenen Rede, nicht auf dem Konzept des Predigers; das berichtet Sokrates VI 4, und das beweist der Wortlaut der Texte selbst. Häufig begegnen Wendungen, die vom Augenblick geboren sind: der Prediger schilt das momentan ausbrechende Beifallsklatschen (hom. 2 de statuis II 25 a; hom. 17 in Mat. VII 232 d M.; hom. 4 in I Cor. X 33 a), die Zurufe (hom. 26, 8 in I Cor. X 239 c), das Lachen (hom. 5 in II Cor. X 472 a) der Zuhörer oder tadelt sie, daß sie dem Anzünden der Lampen mehr Aufmerksamkeit widmen als seinen Worten (sermo 4 in Genes. IV 662 b. c). Einmal findet sich sogar mitten in der Predigt die Notiz .παιδὸς δὲ μικροῦ θλιβέντος ἐν τῷ ὄχλῳ εἶπεν· ἐπιφύεται πάντοτε τῇ ἀκροάσει τοῦ θείου λόγου ταραχή) (Haidacher Zeitschr. f. kath. Theol. XXXI 1907, 159). Auch die häufigen Äußerungen über die kleine oder große Zahl der Kirchenbesucher gehören hierher (hom. 7, 1 c. Anom. I 501 b; hom. 12, 1 c. Anom. I 547 d). Von den Homilien über den Hebräerbrief besagt die Überschrift, daß sie nach dem Tode des J. von dem antiochenischen Presbyter Konstantinos ἀπὸ σημείων d. h. nach dem Stenogramm herausgegeben seien (XII 1). Näheres bei Goebel 4ff. Haidacher in Ztschr. f. kath. Theol. XXXI (1907) 142ff. Wikenhauser im Archiv f. Stenogr. LVIII (1907) 268ff. Wieweit Differenzen der hsl. Überlieferung sich dadurch erklären und ob wir z. B. gelegentlich eine Predigt in verschiedenen Nachschriften erhalten haben, läßt sich zur Zeit noch nicht sicher übersehen. Wären die unten (S. 1816, 46ff. und S. 1822, 17ff.) behandelten Predigten wirklich Stenogrammdubletten, so müßten wir auf die Erkenntnis des Redners J. einfach verzichten; höchstens die Gedankenfolge könnten wir den Nachschriften entnehmen. [1815]
Wir besitzen noch die erste Predigt, die der neugeweihte Presbyter gehalten hat (I 436: οὐ γὰρ δὴ μετὰ τῶν ἱερέων ἑαυτοὺς καταλέγειν τολμήσομεν, ἐπειδὴ μηδὲ θέμις τὰ ἐκτρώματα μετὰ τῶν ἀρτιοτόκων ἀριθμεῖν § 4, 442 e) und in der er dem amtierenden Bischof als dem würdigen Nachfolger seines Vorgängers ein Loblied singt (§ 4, I 442 c); auch daß er bisher noch nie gepredigt habe, spricht er ausdrücklich aus (437 e. 438 a). Da die nächstfolgenden Predigten ihre von Palladius unabhängige absolute Chronologie haben, welche sie für 386 festlegt, so ist die Priesterweihe auf Anfang 386 entsprechend der relativen Chronologie des Palladius gesichert. Der weihende Bischof ist der von J. stets hochverehrte Flavian. Sokrates ist also schlecht unterrichtet, wenn er VI 3, 11 den J. nach dem jedenfalls später (ob 388?) erfolgten Tode des Gegenbischofs Paulinos durch dessen Nachfolger Euagrios geweiht werden läßt. Die folgenden Predigtreihen sind auf ihre Chronologie genauer untersucht von H. Usener Weihnachtsfest² 222ff. 379ff. G. Rauschen Jahrbücher 495ff. E. Schwartz Christl. u. jüd. Ostertafeln (Abh. Gött. Ges. N. F. VIII 6) 169ff. J. begann seine regelmäßige Tätigkeit in der am 16. Febr. beginnenden Fastenzeit des J. 386 mit den 8 sermones in Genesim (IV 645). An sie schließt sich eine vom Herbst 386 bis etwa Februar 387 reichende Serie von 10 dogmatischen Predigten gegen die Reste der Arianer contra Anomocos (I 444). Gegen die Juden, an deren Festen die antiochenischen Christen nur allzugern teilnahmen, hat J. zuerst im Herbst 386 (contra Iudaeos 1 und 2), sodann am 31. Jan. (c. Iud. 3) und im Herbst 387 (c. Iud. 4-8) gepredigt (I 587). Die berühmte Weihnachtspredigt wurde am 25. Dez. 386 gehalten (II 354). In diese Zeit fällt auch der Traktat contra Iudaeos et gentiles (πρός τε Ἰουδαίους καὶ Ἕλληνας ἀπόδειξις ὅτι ἐστὶ θεὸς ὁ Χριστός I 558), der auf Judenreden als bevorstehend hinweist (§ 17 p. 582 b). In die Fastenzeit 387 fallen die 21 sog. ,Säulenhomilien’ (εἰς ἀνδριάντας II 1): das durch neue Steuern gereizte Volk von Antiochia hatte die Standbilder der kaiserlichen Familie zertrümmert und sah nun mit Schrecken der drohenden Bestrafung entgegen. Bischof Flavian war nach Konstantinopel gereist, um Gnade zu erflehen. Da hat J. die ernste Zeit geschickt benutzt, um seiner Gemeinde ins Gewissen zu reden und den Mut der Verzweifelnden zu stärken. Die Reden wirkten als befreiende Tat und reizten den Libanios zu rhetorischer Konkurrenz (or. 19–22). die bei allem Glanze doch papieren blieb: s. R. Goebel De Ioannis Chrys. et Libanii orationibus quae sunt de seditione Antiochensium (Diss. Göttingen 1910). In das J. 386 gehören noch die Predigten auf die hl. Pelagia (8. Okt. II 585) und den hl. Ignatius (17. Okt. II 592), über Phil. 1, 18 de profectu evangelii (III 300), ins Jahr 387 die Epiphaniepredigt (6. Jan. II 367) und die Rede auf den hl. Lukian (7. Jan. II 524), auf den hl. Meletios (II 518), über die Auferstehung II Cor. 5 (II 422), über das Gleichnis Matth. 18, 23ff. (III 1), die 5 sermones de Anna (IV 697), die 3 über David und Saul (IV 748), sowie die Erklärung des 41. Psalms (V 130).
[1816] Die Predigttätigkeit der folgenden Jahre ist noch nicht in gleichem Maße Gegenstand eindringender Untersuchungen gewesen, so daß sich zur Zeit nur ungefähre Angaben über die Entstehungszeit der meisten Homilien machen lassen. Eine Gruppe, bestehend aus einer Rede gegen heidnische Neujahrsgebräuche (I 697), der eine am 28. Dez. gehaltene Predigt auf Paulus voranging (wohl eine der 7 erhaltenen II 476, deren antiochenischer Ursprung durch hom. 4 p. 492 d feststeht), de Lazaro 1–7 (I 707), in S. Babylam (24. Jan. II 531), in SS. Iuventinum et Maximinum (II 578) und de viduis (III 311) kann ins J. 388 oder 393 fallen (Schwartz Ostertafeln 176, 3. Rauschen Jahrbücher 525; wahrscheinlicher ist 388, s. u. S. 1817, 50).
Insbesondere die großen, ganze biblische Bücher umspannenden Predigtserien haben bisher noch nicht genügende Anhaltspunkte zur Datierung ergeben. Die älteste mag in 67 homiliae in Genesim (IV 1) vorliegen, deren Entstehung sich als Erweiterung der liturgischen Sitte, in der Fastenzeit über die Weltschöpfung zu predigen, einleuchtend begreifen läßt. Die Abfassung in Antiochia bezeugt die Erwähnung der ,alten Kirche’ in der gleichzeitigen hom. 2 de princ. Act. (III 60 a). In dem betreffenden Jahr hat J. zuerst die Homilien nr. 2. 3. 5. 6 über Isaias 6 (VI 106) gehalten, dann begann die Fastenzeit, in welcher hom. 1–32 in Genesim (IV 1–330) gehalten wurde; hom. 30–32 (bis Genes. 12) sind am Montag bis Mittwoch der Karwoche gesprochen. Es folgten dann, wie der Anfang von hom. 33 lehrt, am Gründonnerstag eine Homilie über den Verrat des Judas, am Karfreitag eine Predigt über das Kreuz, am Ostersonntag die erhaltene Hom. contra ebriosos et de resurrectione (II 487); es folgten die vier Homilien in principium Actorum (III 50–96, vgl. hom. 1 § 2 p. 52 c) und die vier hom. de mutatione nominum (II 98–140), in welche sermo 9 in Genesim (IV 678 M.) eingeschoben wurde. Erst dann ging die Reihe der Genesishomilien weiter: hom. 33–67 (IV 331–643). Ein eigentümliches Problem bilden die erhaltenen hom. de proditione Iudae und de cruce et latrone: beide sind in doppelter Fassung vorhanden (prod. Iud. II 376 = 386, cruc. II 403 = 411); der Vergleich des jeweils fast identischen Wortlautes zeigt aber, daß wir keine Stenogrammdubletten vor uns haben, sondern daß die Predigten tatsächlich zweimal gehalten sind; ob in zwei aufeinander folgenden Jahren oder an demselben Tage in zwei verschiedenen Kirchen, steht noch dahin (s. u. S. 1822, 20). Die sachliche Änderung 379 c (Judas Zelotes) gegen 289 d (Judas Jacobi) kann nicht von einem Schreiber stammen; dasselbe lehrt auch die eigene Einleitung zu de Iud. 2 p. 386 a ἐβουλόμην ... τῆς κατὰ τὸν πατριάρχην πάλιν ὑποθέσεως ἅψασθαι, um derentwillen man diese Predigt in die obige Reihe hinter hom. 32 in Gen. zu setzen pflegt. Das ist aber unmöglich, denn 387 e heißt es: τετάρτην ἡμέραν ἔχω (es ist Gründonnerstag!) διαλεγόμενος ὑμῖν περὶ εὐχῆς τῆς ὑπὲρ τῶν ἐχθρῶν; dasselbe bietet auch hom. 1 de Juda p. 377 d. Also hatte J. in dieser Karwoche über das Gebet für die Feinde gepredigt und zwar, wie [1817] die Einleitung zu hom. 2 zeigt, im Anschluß an die Abrahamsgeschichte. Den Keim – aber eben auch nur den Keim – zu dieser Sitte finden wir in unsern Genesishomilien, wo in hom. 30, 5ff. (p. 300 d) eindringlich zum Gebet, aber noch ohne die nähere Bestimmung ,für die Feinde’, ermahnt wird, so daß J. in hom. 31, 1 (304 d) diese Partie als τοὺς περὶ τῆς εὐχῆς λόγους bezeichnet. Aus alledem folgt, daß J. auch in späteren Jahren – mindestens einmal noch – mit der Fastenzeit beginnend die Genesis durchgepredigt hat; diese Predigten werden im großen und ganzen den erhaltenen ähnlich gewesen sein, deshalb sind sie nicht erneut aufgezeichnet worden. Aber dann sind auch schwerlich diese Genesishomilien sofort als Buch erschienen, denn auf bereits veröffentlichte Predigten verweist J. gelegentlich seine Zuhörer (z. B. hom. 7, 2 in I Cor. X 53 a ἐκεὶ παραπέμπομεν τοὺς ἐντυγχάνοντας; com. in Gal. 1 § 9 X 673 e ἐντυχόντες ἐκείνῳ τῷ βιβλίῳ; hom. 88, 4 in Matth. VII 829 c); solche konnte er also nicht wiederholen.
Die 90 Homilien über Matthaeus (t. VII) sind in Antiochia gehalten (hom. 7, 7 p. 116 a) und zwar vor dem 20. Nov. 393; hom. 88, 1 (p. 825 a) erklärt J. nämlich, die Finsternis beim Tode Jesu sei keine Sonnenfinsternis gewesen, denn eine solche ἐν μιᾷ καιροῦ γίνεται ῥοπῇ· καὶ ἴσασιν καὶ οἱ ταύτην τεθεαμένοι· καὶ γὰρ καὶ ἐπὶ τῆς γενεᾶς τῆς ἡμετέρας συνέβη. Am 20. Nov. 5 393 war eine in Kleinasien totale Sonnenfinsternis, die auch in Antiochia etwa 11,4 Zwölftel der Sonnenscheibe betrug und jedermann auffallen mußte; diese hätte bald nach 393 erwähnt werden müssen und dann natürlich mit anderen Worten. Von der hier genannten Finsternis hat J. und die große Mehrzahl seiner Gemeinde nur gehört: am 6. Juni 346 war in Antiochia die letzte totale Sonnenfinsternis gewesen, am 28. Aug. 360 hatte des Konstantius Heer in Persien eine berühmt gewordene Sonnenfinsternis erlebt, am 15. April 386 war eine auf ganz schmalem Streifen bei Konstantinopel und auf Lemnos totalε, in Antiochia aber nur zehn Zwölftel betragende Sonnenfinsternis eingetreten (s. Ginzel Spezieller Kanon d. Finsternisse 1899); jede von diesen kann hier gemeint sein. Die Reden der Jahre 386/387 gegen die Juden, gegen die Anhomöer und ,gegen die Griechen’, wohl contra Iud. et Gentiles und de S. Babyla (388), liegen bereits als βιβλία der Gemeinde vor (hom. 88, 4 p. 829 c). Die Homilien sind an Sonntagen, vielleicht auch dazu an Sonnabenden gehalten (hom. 5, 1 p. 72 a b. 73 a). Auch die 88 im allgemeinen erheblich kürzeren Homilien über das Johannesevangelium (t. VIII) sind in Antiochia entstanden, da sie in der sicher antiochenischen hom. 7, 2 in I Cor. (X 53 a) als vorhanden bezeichnet werden; sie sind in der Morgenfrühe gesprochen (hom. 31, 5 p. 182 c), zweimal wöchentlich (hom. 25, 1 p. 143 b), anscheinend Sonnabends und Sonntags (hom. 11, 1 p. 62 b), wozu der hom. 1, 3 p. 5 b genannte Zwischenraum von fünf Tagen gut stimmt. Möglich ist, daß sich jede dieser Evangelienserien auf den Raum eines Jahres verteilt hat
Die Homilien zu den Paulinischen Briefen sind zum weitaus größten Teil in Antiochia gehalten; [1818] eine genauere chronologische Fixierung ist bisher nicht gelungen. Es liegt nahe anzunehmen, daß sie in der Reihenfolge des Kanons gehalten sind; dann würden sich ungezwungen die Homilien zum Epheserbrief in das letzte Jahr des antiochenischen Aufenthalts 397 und die zum Philipperbrief als naturgemäße Fortsetzung in das erste der Konstantinopeler Tätigkeit ansetzen lassen. Aber zwei Tatsachen stehen der restlosen Durchführung dieses Prinzips im Wege: die Homilien zu Tim. und Tit., die ans Ende der Reihe gehören, sind schon in Antiochia entstanden, und die zur Apostelgeschichte, welche vor dem Römerbrief oder hinter dem Hebräerbrief Platz finden müßten, sind um 400 mitten in die Reihe gelegt worden. Im einzelnen ist folgendes zu sagen: zum Römerbrief haben wir 32 Homilien (IX 425); für Antiochia spricht (trotz Rauschen 527) der Hinweis auf den gemeinsamen ποιμήν hom. 8, 7 p. 508 b. Daß die 44 Homilien zu I Corinther (X 1) in Antiochia gehalten sind, wird hom. 21, 6 p. 188 e geradezu gesagt und für die 30 Homilien zu II Cor. (X 417) gilt indirekt dasselbe, denn hom. 26, 5 p. 625 c schließt Konstantinopel aus. Zum Galaterbrief besitzen wir nur einen ,Kommentar’ (X 657); tatsächlich sind es aber Homilien, denen man nur die Anfangs- und Schlußformeln genommen hat; die antiochenische Herkunft ergibt sich durch den Hinweis auf die vor der gleichen Gemeinde gehaltenen und sicher antiochenischen (s. S. 1816, 41) Predigten de mut. nom. (zu Gal. 1 § 9 p. 673 e πρὸς ὑμᾶς διελεγόμεθα). Die 24 Epheserbriefhomilien (XI 1) verraton ihre antiochenische Entstehung sowohl durch die wenn auch dunkeln Andeutungen über eine Kirchenspaltung (hom. 11, 5f. p. 86ff.), wie sie für Antiochia wohlbekannt ist, als auch durch den Hinweis auf den antiochenischen Heiligen Babylas hom. 9, 2 p. 70 c und vor allem den berühmten Asketen Iulianus (hom. 21, 3 p. 162 d) ἴστε δήπου καὶ ἀκηκόατε, οἳ δὲ καὶ ἐθεωρήσατε τὸν ἄνδρα: Theodoret. hist. eccl. IV 27 bezeugt, daß er tatsächlich einmal Antiochia besucht hat. Übrigens hat der Prediger damals noch keine ἀρχή was er als Bischof nicht hätte von sich sagen können (hom. 11, 5 p. 87 e). In die vorbischöfliche Zeit werden nun aber auch die sechs Homilien zum Titusbrief (XI 729) durch die Art der Darlegungen über die Pflichten eines Bischofs in hom. 1, 4 (p. 734f) verwiesen, zudem liegen die in hom. 3, 2 (p. 746 c) genannten Örtlichkeiten bei Antiochia. Von diesen kann man die 18+10 Homilien über die beiden Timotheusbriefe (XI 547) sowie die drei über den Philemonbrief (XI 772) nicht wohl trennen. Für die Reihe der 15 Homilien zum Philipperbrief (XI 189), der 12 zum Kolosserbrief (XI 322) und der 11+5 zu den beiden Thessalonicherbriefen (XI 425) ist die Konstantinopeler Entstehung jeweils durch die Betonung des Episkopats des Predigers erwiesen: hom. 9, 5 in Phil. (p. 272 d), hom. 3, 4 in Col. (p. 350 b), hom. 8, 4 in I Thess. (p. 484 e), hom. 4, 3 in II Thess. (p. 534 b). Er hat hier in der Hauptstadt augenscheinlich seltener die Muße zu solchen exegetischen Predigten gefunden ἅπαξ ἢ δεύτερον τοῦ μηνὸς ἢ οὐδὲ ἅπαξ (hom. 5, 4 in II Thess. p. 543 b), wie er selbst betont.
[1819] Hom. 7 in Col. ist zeitlich genauer zu bestimmen, da sie (§ 3 p. 374 e) auf den im Sommer 399 stattgehabten Sturz des Eutropios anspielt. In das letzte Jahr der bischöflichen Tätigkeit, also 403/4, werden die 34 Homilien zum Hebräerbrief (XII 1) anzusetzen sein, da sie laut Überschrift μετὰ τὴν κοίμησιν αὐτοῦ auf Grund des Stenogramms herausgegeben wurden.
Die 55 Homilien zur Apostelgeschichte (IX 1) sind im J. 401 entstanden und in Zwischenräumen 1 von drei oder sieben Tagen, d. h. jeweils Sonntags und etwa Mittwochs und Freitags gehalten (hom. 44, 4 p. 335 d ἡμεῖς λοιπὸν τριετίαν ἔχομεν· νύκτα μὲν καὶ ἡμέραν οὐ παρακαλοῦντες, διὰ τριῶν δὲ πολλάκις ἡμερῶν ἢ δι’ ἑπτὰ τοῦτο ποιοῦντες. Er ist Bischof: hom. 9, 6 p. 79c).
Aber auch zu alttestamentlichen Büchern besitzen wir umfangreiche Erklärungen des J., nur freilich nicht in der auch hier ursprünglichen Form der Homilien, sondern – wie beim Galaterbrief – zum fortlaufenden Kommentar zusammengeschweißt. Erhalten sind die Auslegungen von Psalm 4–12. 43-49. 108-117. 119-150 (V 6), und die kirchliche Literatur hat, so weit sie uns faßbar ist, nie mehr besessen. Freilich verweist J. selbst zu Ps. 140, 1 p. 427 d die Zuhörer auf die Erklärung von Ps. 62, die uns verloren ist, aber es war wohl ein zu kühner Schluß Montfaucons, daraus zu folgern, daß J. den ganzen Psalter erklärt habe: das hat Ch. Baur (Χρυσοστομικά 235ff.) mit Recht betont. Auch eine bei Montfaucon herangezogene diesbezügliche Bemerkung des Photios hat sich als Irrtum erwiesen (Lietzmann S.-Ber. Akad. Berl. 1902, 335). Entstanden sind die Kommentare in Antiochia (zu Ps. 110, 4 p. 271 d). Die Lücken reizten zur Ergänzung, und in Montfaucons Ausgabe findet sich ein reicher Anhang (V 541) unechter Psalmenerklärungen mit entrüsteten Vorreden der Herausgeber über die ineptissimi Graeculi, ihre Verfasser. Sodann haben wir einen Kommentar zu Isaias 1–8, 10 (VI 1), dessen Entstehungsverhältnisse völlig dunkel sind: nicht einmal sein Verhältnis zu dem von den Mechitaristen (Venedig 1880, lat. 1887) unter des J. Namen edierten armenischen Kommentar zum ganzen Isaias ist ausreichend untersucht. Der Kommentar zu Daniel (VI 100) und die zahlreichen den Catenen entnommenen Fragmente zu diesem wie zu zahlreichen andern biblischen Büchern, wie sie von Mai, Pitra u. a. ediert und in Mignes Nachdruck bequem zusammengestellt sind, bedürfen noch eingehender Prüfung auf Echtheit und Treue der Überlieferung: ein Muster für die Jobfragmente gibt Haidacher (Χρυσοστομικά 217), für die Fragmente zu den katholischen Briefen derselbe in Ztschr. f. kath. Theologie XXVI (1902) 190.
Am 26. Februar 398 (Socr. VI 2, 11. Das Synaxarium Constantinopolitanum ed. Delehaye gibt freilich den 15. Dezember an) wurde J. zum Bischof der Kaiserstadt Konstantinopel geweiht: Palladios (c. 5 p. 17d) behauptet, der praepositus sacri cubiculi Eutropios habe ihn für diese kirchenpolitisch wichtigste Stelle empfohlen. Er erwies sich bald als scharfer und rücksichtsloser Kämpfer gegen kirchliche Unsitten: nach Palladios c. 5 p. 18 d hielt er kurz nach Antritt seines Amtes eine Predigt gegen das Syneisaktentum, [1820] d. h. die aus urchristlicher Zeit beibehaltene, aber höchst bedenkliche Übung des Zusammenlebens eines Mönchs und einer Nonne in ‚geistlicher Ehe‘: daraus werden die zwei Bücher de subintroductis (I 228) hervorgegangen sein, die Socrates VI 8,10 fälschlich in die Diakonatszeit des J. verlegt; übrigens verurteilt er bereits in den antiochenischen Matthaeushomilien (hom. 17 p. 224a) das Syneisaktentum, so daß auch diese Zeit für die Entstehung der Streitschrift offen bleiben muß. Sonst haben wir aus der ersten Amtszeit des Bischofs J. keine sicheren Denkmäler erhalten. Um die Wende der J. 398/9 setzt eine Reihe von 12 Predigten ein, die – wie die Säulenhomilien – jeweils in der Überschrift die Gelegenheit nennen, bei der sie gehalten sind: Montfaucon hat 11 von ihnen zuerst ediert (XII 323): hinter hom. 6 gehört die schon VI 272 gedruckte Osterpredigt gegen den Besuch von Schauspielen, die am 10. April 399 gehalten ist: J. betont in ihr, daß er nun rund ein Jahr Bischof sei (§ 4 p. 276 e). Die erste Predigt dieser Serie verweist auf ein vor 30 Tagen stattgehabtes Erdbeben: es ist offenbar das von Claudian in Eutrop. II 24ff. erwähnte, welches dem Konsulatsjahr des Eutrop (399) als böses Vorzeichen voranging. Hier beobachten wir den J. bei dem Versuch, den Ton eines byzantinischen Hofpredigers zu treffen: die Kaiserin Eudoxia beteiligte sich an einer mitternächtigen Reliquienprozession, und mit tönendem Klang aber magerem Inhalt erschallt dafür ihr Lob aus dem Munde des Bischofs (hom. 2 p. 330). Auf diese Homilien mag sich die Notiz einer anonymen Vita (ed. Savile VIII 318) beziehen, auf die Haidacher (Ztschr. f. kath. Theologie XXXI 1907, 142, 1) hingewiesen hat: τότε δὴ τότε δέκα πρὸς τοῖς ὀκτὼ λόγους ἀναγράψασθαι λέγεται διὰ μέσης ὁδοῦ λιτανεύοντος τοὺς ἐπ’ αὐτῷ τούτῳ παρηκολουθηκότας ὀξυτάτους γραφεῖς). Noch lachte dem J. die Hofgunst, weil er höfisch redete: das hat nicht lange gedauert. Mit Eutropios brach er zuerst, dem Mann des üppigsten Luxus, dem eifrigen Förderer der verhaßten Schauspiele, der sich gar herausnahm, das Asylrecht der Kirche durch Erlasse zu kürzen. Da traf diesen mitten in dem für einen Eunuchen unerhörten Glanz der Konsulatswürde das Verhängnis. Der Gotenaufstand des Gainas und der Haß der Eudoxia stürzten ihn (vgl. den Art. Arkadios) o. Bd. II S. 1145f.), und der Feind des Asylrechtes flüchtete vor der kaiserlichen Rache angsterfüllt an den Altar der Kirche. J. hat ihm Schutz gewährt und zu dem in Scharen herbeigeströmten Volke eine Predigt über das Thema EccL 1, 1 ματαιότης ματαιοτήτων gehalten, die auch heute noch den Leser gewaltig packt (III 381): ein kleiner Geist hätte so nicht reden dürfen, dem mächtigen und rücksichtslos seinen Weg gehenden Bischof der Reichshauptstadt stand es wohl an. Doch Eutropios traute dem Frieden der Kirche nicht, verließ das Asyl und wurde verhaftet. Auch darüber hat J. gepredigt (de capto Eutropio III 386) und anknüpfend die Kirche, ihre Güter und Ideale verherrlicht, so langatmig und sprunghaft, daß die Echtheit der Predigt bezweifelt worden ist. Während der Unruhen, die den Sturz des Aurelianus und Saturninus begleiteten (s. o. Bd. II S. 1147f.), ist J. eifrig als Vermittler tätig [1821] gewesen, und die Sorge des Volkes nach dem Abzug des Gotenheeres unter Gainas Mitte 400 (ebd. 1149) suchte er ,nach langem Schweigen’ durch eine Predigt (III 405) zu vertreiben. Übrigens wußte er sich mit den Goten gut zu stellen, sorgte für orthodoxe Predigt in gotischer Sprache (Theodoret. hist. eccl. 30; vgl. die achte hom. ined. Cpolit. XII 371 d), und brachte den Gainas von der Forderung ab, ihm eine hauptstädtische Kirche zum sog. ,arianischen’ Gottesdienst zu überlassen (Socr. VI 5, 8. Sozom. VIII 4, 7ff. Theodoret. V 32. Synes. de prov. 114c ff.): auch als diplomatischer Unterhändler bei Gainas ist er tätig gewesen (Theodoret bei Phot. bibl. 273 p. 507, 25 B.).
Inzwischen hatten sich die Feinde des J. gemehrt: außer den zahlreichen vornehmen Laien und reichen Damen, die sich durch den rücksichtslosen Tadel ihrer Unsitten gekränkt fühlten, fanden sich auch im Klerus nicht wenige Gegner: auswärtige Bischöfe, die am Hofe weilten, waren ihm besonders gefährlich: so Akakios von Beroia (s. o. B. I S. 1141 Nr. 6) und namentlich Severianos von Gabala (s. d.), der sich großer Beliebtheit bei der Kaiserin erfreute (zum folgenden vgl. auch den Art. Eudoxia o. Bd. VI S. 918ff.). Dazu kam die naturgemäße Feindschaft des alexandrinischen Patriarchen Theophilos, der übrigens seinerzeit vergeblich versucht hatte, statt des J. eine seiner Kreaturen auf den Konstantinopeler Bischofsthron zu bringen (Socr. VI 2, 5. Sozom. VIII 2, 17). Der Kampf brach offen aus, als eine Schar von Mönchen in Konstantinopel Zuflucht suchte, welche Theophilos aus Ägypten verjagt hatte, weil sie sich nicht eben so schnell wie er selbst von der Ketzerhaftigkeit des Origenes (s. d. und o. Bd. VIII S. 1579) hatten überzeugen können. Zwar gelang es J., den nach der Hauptstadt geeilten alten Ketzerrichter Epiphanios (s. o. Bd. VI S. 193 Nr. 3) loszuwerden, ehe seine oft bewährte Taktlosigkeit Unheil anrichten konnte, aber als Theophilos erschien und als erklärter Günstling der Eudoxia in einem kaiserlichen Palaste Wohnung nahm (Socr. VI 15, 12), konnte sein Schicksal bereits als entschieden gelten. Längst waren die Tage vorüber, da ihm die Sonne der Hofgunst lächelte: manches Wort des eifrigen Sittenpredigers hatte bei Hofe Mißfallen erweckt (vgl. Marcus Diaconus vit. Porphyrii Gaz. 37 p.33,19 ed. Bonn.). Wenn er hom. ad Philipp. 15, 5 (XI 317 d) die These, daß kein Privathaus so viel Jammer in sich berge wie der Kaiserpalast, mit einer unheimlichen Kenntnis der höfischen Skandalchronik nicht gar so ferner Zeit bewies, so konnte er dafür schwerlich auf allerhöchsten Beifall rechnen. Und nun gerade in dieser kritischen Zeit hielt er eine temperamentvolle Predigt gegen die Weiber, die man allgemein – und vielleicht nicht mit Unrecht – auf die Kaiserin gemünzt sein ließ (Socr. VI 15, 2). So kam es, daß Theophilos, statt sich zu verantworten, der Richter des J. wurde. Ἐν προαστείῳ Χαλκηδόνος, ᾧ ἐπώνυμον Δρῦς (Socr. VI 15, 14) versammelte sich unter dem Vorsitz des ägyptischen Papstes eine Synode, deren Akten uns Phot. bibl. c. 59 p. 17 B. (XIII 280ff.) im Auszug erhalten hat. Neunundzwanzig Anklagepunkte waren da gegen J. zusammengestellt, darunter so gewichtige wie nr. 5, daß er [1822] Kleriker als ehrlos und bestechlich gescholten, wie nr. 6, daß er den hl. Epiphanios einen verrückten Narren genannt habe. Von Origenismus oder sonstiger Dogmatik ist vorsichtigerweise nicht die Rede. J. weigerte sich, vor den parteiischen Richtern zu erscheinen: so verurteilten sie ihn in contumaciam zur Absetzung, und der Kaiser bestätigte den Spruch. Wir haben eine stürmische Predigt des J. aus diesen kritischen Tagen erhalten (III 415); eine mitüberlieferte Zwischenbemerkung (p. 418 a) bürgt dafür, daß sie auf die Nachschrift eines Hörers zurückgeht: darin ist von der Unüberwindlichkeit der Kirche und dem Todesmut des Predigers, aber auch von Isebel und Herodias und von ränkespinnenden reichen Damen die Rede. Die zum Teil wörtlich, zum Teil im Thema mit ihr übereinstimmende zweite Predigt (III 421) bedarf noch genauerer Prüfung: für ihre Echtheit scheint p. 422 e (vgl. 424 a) zu sprechen, vielleicht war sie am gleichen Tag vor einer andern Zuhörerschaft gehalten: einfache Stenogrammdublette (s.o. Bd. VI S. 921, 50) kann sie schwerlich sein. J. ging in die Verbannung, war aber eben bis Prainetos (sw. Drepanon) gekommen, als er auch schon zurückgerufen wurde. Einen Tag nach seinem Weggang war im Palast ein nicht näher bezeichnetes Unglück passiert (ἀωρίας γενομένης hom. post red. II 4 p. 429 d συνέβη θραῦσίν τινα γενέσθαι ἐν τῷ κοιτῶνι Pallad. 9 p. 80 d: Seeck hat an den Tod der Prinzessin Flacilla gedacht, s. o. Bd. VI S. 922), und dies offenbare Himmelszeichen hatte zusammen mit drohenden Anzeichen einer empörten Stimmung des Volkes (hom. II post red. 5 p. 431 a b. Socr. VI 16, 1. Soz. VIII 18, 4) die Kaiserin umgestimmt. Theophilos und seine Freunde hatten die Stadt eiligst verlassen, um sich vor der Volkswut zu retten. J. verlangte Wiedereinsetzung durch eine Synode (Socr. VI 16, 7), aber das Volk forderte seinen Hirten sofort. So betrat er denn die Kirche der Apostel (p. 425 b) und gab seiner Freude in einer kurzen jubelnden Predigt Ausdruck (hom. I post reditum III 424). Die Teilnahme des Volkes übertraf alles Erwarten und ließ sogar das Interesse für das gleichzeitige Pferderennen schwinden (p. 425 a). Eine zweite längere Predigt, die sich wiederum vielfach mit der ersten berührt, und die dem Sozom. VIII 18, 8 bekannt ist, mag am nächsten Tage gehalten sein; jedenfalls ist der Prediger am Tage vorher bereits in der Hauptstadt eingetroffen (4 p. 430 b). Bezeichnenderweise läßt er es sich – offenbar auf höheren Wunsch – angelegen sein, die Loyalität der Gemeinde und die freundliche Gesinnung der Kaiserin zu feiern. Doch die günstige Stimmung des Hofes hielt nicht lange vor. In der Nähe der Sophienkirche war eine silberne Statue der Eudoxia aufgestellt worden, was zu lärmenden Volksfesten Anlaß gab: J. tadelte das in seinen Predigten – und der Zorn der Kaiserin erwachte aufs neue (Socr. VI 18). Sokrates VI 18, 5 weiß von einer weiteren Predigt, die mit einem Hinweis auf Herodias und das wiederum bedrohte Haupt des Johannes begann, zu erzählen (πάλιν Ἡρωδιὰς μαίνεται, πάλιν ταράσσεται, πάλιν ὀρχεῖται, πάλιν ἐπὶ πίνακι τὴν κεφαλὴν Ἰωάννου ζητεῖ λαβεῖν). Sie ist uns erhalten (VIII app. 1) und handelt erst von bösen, dann von guten Weibern im allgemeinen [1823] im Anschluß an das verlesene Evangelium von der Enthauptung des Täufers (Matth. 14, 1–13). Die griechischen Lektionarien (vgl. Gregory Textkritik I 348) legen diesen Text auf den Dienstag der 7. Woche nach Pfingsten: das ergäbe den 7. Juli 403, wenn, was recht unsicher ist, diese byzantinischen Lesevorschriften schon 403 galten. Man hat die Echtheit der Predigt mit Unrecht bezweifelt, da sie doch Sokrates schon bezeugt. Anastasius Sinaita quaest. 59 1 (Migne gr. 89, 631) zitiert im 7. Jhdt. fast den ganzen ersten Teil (οὐδὲν τοίνυν ἐφάμιλλον θηρίον p. 2 a Montf. bis δοθήσεται p. 3 d) als εἰς τὴν Ἡρωδιάδα, d. h. er kennt auch die Einleitung der Predigt und nennt als ihren Verfasser den Chrysostomus (vgl. quaest. 14 p. 463 Migne), und er schließt sofort ein anderes Chrysostomuszitat an τοῦ αὐτοῦ εὶς τὸ πᾶς ὁ ἐμβλέψας ... expl. αἰσχύνθητι καὶ αἰσχυνθεὶς μετανόησον. Diese beiden Zitate in derselben Textform und Verbindung, aber ohne die Überschriften, so daß sie als ein Stück erscheinen, sind auch irgendwie aus Anastasius unter die dem Ephraem Syrus fälschlich zugeschriebenen Schriften (opera graeca III 70 ed. Assemani, s. o. Bd. VI S. 18, 33) geraten, woraus natürlich kein Argument gegen die Echtheit oder Originalität der Herodiaspredigt erwächst (gegen o. Bd. VI S. 924, 24; F. Ludwig J. Chr. in s. Verhältnis zum byzant. Hof 115ff.). Diese Predigt also zeigte durch ihre unmißverständliche Anspielung auf Herodias und Isebel, wessen sich J. von Seiten der Kaiserin nunmehr versah. Auch mehrten sich die kirchlichen Gegner bald wieder und erklärten, J. habe ohne regelrechte Revision seines Prozesses seine bischöfliche Tätigkeit wieder aufgenommen und dadurch laut Canon 4 von Antiochia ohne weiteres endgültig sein Amt verscherzt. Man wußte den Kaiser wieder gegen J. einzunehmen, und Weihnachten 403 forderte dieser von J., er möge sich von den Anklagen reinigen. Bis Ostern 404 zogen sich die Verhandlungen hin. J. wurde die Kirche verboten; da hielten seine Presbyter die Taufe zur Osternacht (16./17. April) in den Konstantinsthermen: die Versammlung wurde durch Soldaten auseinandergesprengt (Pallad. p. 33. 34. Socr. VI 18, 14). Endlich, als Pfingsten vorüber war, Palladius sagt fünf Tage später (p. 35 d), also am 9. Juni, Sokrates (VI 18, 18) nennt den 20. Juni 404, mußte J. auf kaiserlichen Befehl den bischöflichen Palast und die Hauptstadt verlassen. Noch einmal betrat er die Sophienkirche, dann verschwand er ohne Aufsehen durch eine Hintertür (Pallad. p. 36 c). Wunderbarerweise aber loderte plötzlich eine Flamme empor, zerstörte einen Teil der Kirche, und sprang sogar auf das dem Kaiserpalast benachbarte sogenannte Senatsgebäude über: so berichtet Palladius (p. 36 ef.): Sokrates bezeichnet ganz nüchtern die ,Johanniten’ als die Brandstifter (VI 18, 17; vgl. die Anklage bei Pallad. p. 10f.); man sah, wozu die Getreuen des gemißhandelten Bischofs entschlossen waren, und der Praefectus urbi Optatus griff nachdrücklich ein (Socr. VI 18, 19. Pallad. p. 38). Doch kamen neue Himmelszeichen: am 30. Septbr. ein furchtbarer Hagelschlag, und vier Tage später der Tod der Eudoxia (Socr. VI 19, 6). Das scheint zu einer Art Amnestie geführt zu haben, die aber ohne durchgreifende Wirkung blieb (Synesius epist. 66 [1824] p. 206 d). Der an Stelle des J. sofort eingesetzte Bischof Arsakios starb schon am 11. November des nächsten Jahres (Socr. VI 20,1. Pallad. p. 38 a), aber sein Nachfolger Attikos führte den Kampf gegen die hartnäckig separiert bleibenden Johanniten mit allem Nachdruck weiter. Inzwischen hatte der Gegensatz nämlich auch auf die auswärtige Politik übergegriffen. Ehe er Konstantinopel verließ, hatte J. an Innozenz von Rom, Venerius von Mailand und Chromatius von Aquileia ein auch bei Palladius (p. 5) erhaltenes Protestschreiben gesandt (XII 515) und um ihr Einschreiten gebeten: eine Deputation von vier Bischöfen traf mit dem Schreiben in Rom ein, kurz nachdem auch von Theophilos Mitteilung über die Absetzung des J. dort eingelaufen war (Pallad. p. 4 c). Innozenz ergriff die Gelegenheit, über die beiden Päpste des Orients zu richten, nicht ungern. Er erkannte das Urteil nicht an und forderte eine allgemeine, aus Morgen- und Abendländern zusammengesetzte Synode (Pallad. p. 9f), und betonte nach Einsicht in die Akten der Eichensynode diese Forderung gegenüber Theophilos nochmals in einem zweiten Schreiben (erhalten bei Pallad. p. 10 c). Zwei in gleichem Sinne gehaltene Briefe an J. und an Klerus und Volk von Konstantinopel sind durch Sozomenos (VIII 26) überliefert. Inzwischen wurden in Rom die Verordnungen gegen die ,Johanniten’ bekannt, auch trafen Verbannte als unabweisbare Zeugen der Ereignisse ein. Es gelang, den Kaiser Honorius für die römischen Wünsche zu gewinnen. Er schrieb einen vorwurfsvollen, für die Johanniten eifrig Partei nehmenden Brief an Arkadius: die sog. ,Collectio Avellana’ (s. Kirchenrechtliche Sammlungen) hat ihn uns erhalten (Epist. imperat. pontif. ed. Guenther nr. 38. bei Constant Epist. pont. nr. 8, auch bei Chrys. III 524). Einige Zeit später schlug er Thessalonich als Ort des Konzils vor, entsprechend dem Wunsche einer zur Beratung dieser Angelegenheit zusammengetretenen italienischen Synode (Pallad. p. 12 b d). Die Gesandtschaft, welche die amtlichen Schreiben überbrachte und bereits den Atticus als Bischof vorfand, kam nur mit Schwierigkeiten bis Konstantinopel: dort wurde sie eingesperrt, übel behandelt und schließlich, als sie sich auch der Bestechung unzugänglich erwies, wieder abgeschoben. Nach vier Monaten kamen die Boten unverrichteter Dinge wieder in Rom an. Palladios, der selbst dabei war, berichtet dies (p. 13f.) und erzählt dann noch ausführlich von den sonstigen Maßregelungen der Johanniten (c. 20 p. 76ff.).
J. selbst war nach Kukusos an der kappodokisch-armenischen Grenze (in der Nähe des heutigen Albistan) verbannt worden, und hat dort über zwei Jahre zugebracht (Pallad. p. 38 e): einer seiner Vorgänger, Paulos, war an denselben Ort geschickt und dort 352 erdrosselt worden (Socr. II 26, 6). Von den Beschwerlichkeiten der Reise und der trotz aller Widerwärtigkeiten und Krankheitsanfälle unbeugsamen Frömmigkeit des Verbannten gibt die jetzt einsetzende Sammlung von 242 Briefen (III 527) ein lebendiges Zeugnis: vor allem seiner durch langjährige kirchliche Arbeit bewährten Freundin Olympias schüttet er offen sein Herz aus. Ihr ist auch die Trostschrift quod nemo laeditur nisi a se ipso (ὅτι [1825] τὸν ἑαυτὸν μὴ ἀδικοῦντα οὐδεὶς παραβλάψαι δύναται III 444, vgl. epist 4, 4 p. 576 c) gewidmet, der sich der verwandte Traktat ad cos qui scandalizati sunt ob adversitates (πρὸς τοὺς σκανδαλισθέντας ἐπὶ ταῖς δυσημερίαις ταῖς γενομέναις III 465, vgl. § 15 p. 502 c) wie ein zweites Buch angliedert. Zahlreiche Briefe mahnen und stärken seine Anhänger im Kampf oder danken für treuen Beistand: auch an Innozenz von Rom ist Anfang 407 noch ein Brief mit der Bitte um weiterhin andauernde Unterstützung abgegangen (III 521). So war er trotz der Entfernung den hauptstädtischen Machthabern noch zu nahe, und es wurde Befehl gegeben, ihn an die Ostküste des Schwarzen Meeres nach Pityus zu bringen. In Komana Pontica, dem heutigen Tokad, erlag er am 14. September 407 (ao Socr. VI 21, l) den Strapazen der Reise. Das Datum wird durch das Synaxarium Constantinopolitanum (ed. Delehaye Acta Sanctorum, Propyl. Nov.) bestätigt, welches zum 14. September notiert, man habe die Gedächtnisfeier des hl. J. Chr. auf den 13. November verlegt, weil es am 14. September mit Kreuzeserhöhung zusammengefallen sei. Innozenz von Rom hielt dem J. die Treue und stärkte damit das Ansehn des römischen Stuhles außerordentlich. Er verweigerte allen Gegnern des J. standhaft die Kirchengemeinschaft, und erzwang dadurch schließlich den Frieden. Zuerst entschloß sich Alexander von Antiochia, die Johanniten anzuerkennen und den Namen des J. bei der Messe zu nennen (vgl. Innoc. epist. 23, 1. Theodoret hist. V 35, 5), und erhielt dadurch die Anerkennung Roms; ihm folgte Akakios von Beroia (s. o. Bd. I S. 1141 Nr. 6. Innoc. epist. 21). Am längsten sträubte sich naturgemäß Attikos von Konstantinopel (Innoc. epist. 22, s. o. Bd. II S. 2240 Nr. 16), bis auch er endlich nachgab (Theodoret V 34, 12). Ein Gedächtnisfest des J. wurde in der Hauptstadt zuerst am 14. September 428 gefeiert (Marcellin. Chron. z. J. = Chron. min. ed. Mommsen II 77): also ist es von Nestorios (s. d.) eingeführt, der in diesem Jahre sein Amt antrat. Aber auch der Hof suchte öffentlich das dem J. angetane Unrecht zu sühnen. Theodosios II. ließ auf Anraten des Bischofs Proklos die Gebeine des Heiligen aus Komana nach Konstantinopel überführen und sie am 27. Januar 438 in der Apostelkirche beisetzen; das erst brachte die starren ,Johanniten’ endgültig zum Wiederanschluß an die Kirche (Socr. VII 45). Das Konstantinopeler Synaxar (p. 425 Delehaye) bestätigt das Tagesdatum, gibt aber, schwerlich mit Recht, 33 Jahre nach dem Tode, also 440 als Jahr an.
J. ist gerade für modernes Empfinden wohl die erfreulichste Persönlichkeit unter allen griechischen Kirchenvätern. In der strengen Zucht der antiochenischen Schule gebildet, ist er ein mit Recht als vorbildlich anerkannter Bibelexeget geworden, der jeglicher Allegorie feind den Wortsinn zu ermitteln bestrebt ist, der die Paulusbriefe durch lebendiges Hineindenken in die Lage des Verfassers zu begreifen weiß, und der die Gleichnisse Jesu mit ungekünstelter Treffsicherheit zu enträtseln versteht Aber der wahre Gemeindeprediger zeigt sich dann in der praktischen Anwendung auf die Bedürfnisse gerade seiner Zuhörer. Freilich ist die Kunst der Verknüpfung zwischen [1826] dem ,exegetischen’ und ,moralischen’ Teil mit sehr verschiedenartigem Geschick gehandhabt, aber immer weiß er ins volle Menschenleben hineinzugreifen und oft gewaltige Wirkungen zu erzielen. So sind seine Predigten eine Fundgrube kulturgeschichtlicher Nachrichten geworden: schon Montfaucon (XIII 190ff.) hat einen schwachen Anfang zu ihrer Verwertung in dieser Richtung gemacht; mehr findet sich bei Peter Erasm. Muller Comm. hist. de genio, moribus et luxu aevi Theodosiani (1797) und J. M. Vance Beitr. z. byz. Kulturgesch. aus den Schriften des J. Chr. (Jena Diss. 1907). Über die rhetorische Form fehlt es an einer die Probleme spätantiker Rhetorik voll erfassenden grundlegenden Untersuchung: ein Anfang bei S. Colombo II dialogo περὶ ἱερωσύνης e la retorica (Didaskaleion I 1912, 173ff.). A. Naegele Chr. und die klassischen Studien in Byz. Ztschr. XIII (1904) 92ff. L. Ackermann Die Beredsamkeit des hl. J. Chr. (Würzburg Diss. 1889). Ebensowenig gibt es eine genügende Biographie des J. Grundlegend ist Tillemont Mémoires pour servir à l’histoire ecclésiastique Bd. XI (Paris 1706) und daneben Montfaucon in seiner Ausgabe Bd. XIII 91ff. Alle Späteren erzählen mehr als daß sie untersuchen: A. Neander Der hl. J. Chr. 2 Bde.³ 1848. E. Martin St. J. Chr. 3 Bde. 1860. A. Puech St. J. Chr.5 1905. Noch immer harrt, trotz der anschwellenden Chrysostomusliteratur, das riesige Erbe des großen Mannes der wissenschaftlichen Verwertung. Es gilt zunächst die Überlieferungsverhältnisse aufzuhellen und einen Überblick über die Fülle der griechischen Hss. zu gewinnen. Die Frage nach der Einwirkung der stenographischen Fixierung auf die uns erhaltene Form bedarf der Klärung. Ferner ist der Wert der alten Übersetzungen abzuschätzen. Besondere Beachtung verdienen da, wie gewöhnlich, die syrischen Zeugen. Wrights Catologue of the syriac mss. Brit. Mus. nennt als nr. 582–596 (vgl. auch Lagarde Ankündigung einer neuen Ausg. d. griech. Übers d. Alten Test. 51) eine Reihe von Hss., die fast alle im 6. Jhdt. geschrieben sind und die Homilien zum Matthäus- und Johannesevangelium, sowie den Briefen an die Korinther, Epheser, Philipper, Kolosser, Thessalonicher, Titus und Philemon enthalten. Die Codices nr. 597–602 liefern einzelne Predigten und Schriften, z. B. c. Anomoeos 1–5, ad Stagirium. Alte lateinische Übersetzungen haben wir u. a. für eine Reihe von Matthäushomilien (VII 1–129) und die 7 Lobreden auf Paulus (II 476), gefertigt um 415 von Anianus von Celeda (s. o. Bd. I S. 2194 Nr. 2) sowie für die Homilien zum Hebräerbrief (XII 1) von Mutianus im Auftrag Cassiodors (vgl. Inst. I 8) hergestellt. Weiteres bei G. Mercati Studi e Testi V 137, Bardenhewer Gesch. d. altkirchl. Litt. III 333ff. und Baur. Die Chronologie der einzelnen Schriften wird sich bei eindringendem Studium noch genauer festlegen lassen: insbesondere wird die Verteilung einzelner Predigten und Predigtreihen auf das Kirchenjahr unter Berücksichtigung des Perikopensystems versucht werden müssen. Dafür ist jetzt [1827] Entscheidung, und in den Massen der sicher unechten Homilien, die am Ende jedes einzelnen Bandes bei Montfaucon aufgehäuft sind, ist manch wertvolles Stück erhalten. So geht unter des Chrysostomos Namen z. B. eine Homilie de non anathematizandis des Bischofs Flavian (I 691, vgl. Ed. Schwartz Christl. u. jüd. Ostertafeln 175. Cavallera Schisme d’Antioche 15. 277), eine andere stammt von Nestorios (Loofs Nestoriana 230, vgl. auch Batiffol Revue biblique IX 1900, 329ff.), drei weitere von Amphilochios von Ikonium (s. o. Bd. I S. 1937 Nr. 3. K. Holl Amphilochius 59, Texte bei Montfaucon X 798. 834. Holl 91), zahlreiche von des J. erbittertem Feind Severian von Gabala (VI 436. XII 402. Haidacher Ztschr. f. kath. Theol. XXXII 1908, 410). Eine alte Liste echter Homilien, der sog. Catalogus Augustanus, enthält 102 Nummern: Text bei Migne Gr. 64, 141 und bei Lagarde Ankündigung usw. 54. Stark der Unechtheit verdächtig ist die Synopsis scripturae sacrae (VI 314), über die weiteres E. Klostermann Analekta zur Septuaginta 75ff. beibringt. Ein höchst interessantes, aber dem J. völlig fremdes Werk ist das lateinische sog. Opus imperfectum in Matthaeum (VI app. s. den Art.). Über die Liturgie des J. Chr. (Text XII 776. C. A. Swainson Greek Liturgies 101ff. Brightman Liturgies Eastern and Western I 527ff. A. Baumstark Konstant. Meßliturgie, Kleine Texte 35.; R. Engdahl Beitr. z. Kenntnis d. byz. Liturgie = Neue Stud. z. Gesch. d. Theol. u. Kirche, hrsg. von Bonwetsch und Seeberg V) s. den Art. Liturgien. Das Sammelwerk Χρυσοστομικά Studi e ricerche intorno a S. Giovanni Crisostomo 1908 behandelt in Teil II und III in zahlreichen Aufsätzen die Liturgie des J. Chr.; Teil I enthält andere beachtenswerte Chrysostomosstudien. Die Echtheit der von Montfaucon verworfenen Schrift De educandis liberis (ed. Combefis 1656) erwies Haidacher Des hl. J. Chr. Büchlein über Hoffart und Kindererziehung 1907.
Die erste noch heute brauchbare Ausgabe der Werke des J. Chr. lieferte unter Benutzung englischer Handschriften H. Savile (Eton 1612, 8 Bde. fol.). Sie wurde an Vollständigkeit, aber nicht durchweg an Güte des Textes, übertroffen durch die auf französische Codices gestützte Ausgabe Montfaucons (Paris 1718–1738, 13 Bde. Fol.), die auch eine lateinische Übersetzung und 5 reichhaltige Register beigab. Nach ihr pflegt zitiert zu werden (so auch in diesem Artikel), da alle späteren ,Ausgaben’ mehr oder minder gebesserte Nachdrucke der Montfauconischen sind; solche erschienen Venedig 1734–1741 (seitengetreu), 1755, 1780 (in Quart); ferner zu Paris 1834-1839 (13 Bde. qu.), 1865-1873 (mit franz. Übers.) 19 Bde. qu. Auch Migne P. G. 47–64 gibt wesentlich Montfaucons Ausgabe samt dem inzwischen hinzugekommenen Material. Neue Textausgaben mit kritischem Apparat veranstaltete Fr. Field von den Matthäushomilien (Cambridge 1839, 3 Bde., nachgedruckt bei Migne P. G. 57–58) und den Homilien zu den Paulinischen Briefen (ebd. 1845–1862, 7 Bde.). J. A. Nairn von de sacerdotio (Cambridge 1906). Opera selecta edierte Fr. Dübner (Paris 1861).
Immer noch wertvoll ist die Übersicht von [1828] Fabricius-Harles Bibliotheca graeca VIII 454ff. Eine umfangreiche Bibliographie gibt Chr. Baur S. J., Chr. et ses oeuvres dans l’histoire littéraire (Louvain 1907, Receuil des travaux publiés par les membres des conférences d’histoire et de Philologie, fasc. 18). An Einzeluntersuchungen seien hier noch genannt: J. Paulson Symbolae ad Chr. patrem (Lunds Univ. Årsskrift XXV 1888. XXVI 1889 über Hss.). Haidacher Ztschr. f. kath. Theol. XXX (1906) 572ff. XXXI (1907) 141ff. 349ff. Neuausgaben von Homilien, sowie zahlreiche andere Aufsätze Haidachers in derselben Zeitschrift 1894–1910. P. Vogt Byz. Ztschr. XIV (1905) 498 verteidigt die Echtheit der zwei Homilien περὶ προσευχῆς (II 778). J. Cozza-Luzi Nova patrum bibl. X (1905) 171ff. Neuausgabe von περὶ ὑπομονῆς (IX 806). A. Papadopulos-Kerameus Varia sacra graeca (1909) 154ff. Ausgabe von 3 Homilien πρὸς τοὺς μέλλοντας φωτίζεσθαι. A. Jülicher in der Festschrift der Universität Marburg für die Philologenversamml. 1913, 59ff. über die unechte, wegen ihrer Abendmahlslehre heiß umstrittene epistula ad Caesarium (III 742). Übersetzung ausgewählter Werke des J. in der ,Bibl. der Kirchenväter’ (Kempten 1869ff. 10 Bde.), der Genesishomilien von Max Herzog zu Sachsen (Paderborn 1913), der Matthäushomilien von F. Knors (Regensburg 1857), neu bearb. von Max zu Sachsen (ebd. 1910f.). Weiteres bei O. Bardenhewer Gesch. der altkirchl. Literat. III (1912) 324ff. und O. Stählin in Christs Gesch. der griech. Lit.5 II 2 (1912) 1217ff. O. Seeck Untergang d. antik. Welt V 335ff.