Hekebolos, Hekatebolos, Hekatebeletes (Ἑκηβόλος, Ἑκατηβόλος, Ἑκατηβελέτης). 1. Beiwort oder selbständige Bezeichnung des Apollon.
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In den Homerischen Gedichten finden sich nebeneinander ἑκηβόλος als Beiwort (Il. I 14. 21. 373. 438. XVI 513. XXII 302. XXIII 872; hymn. I 177. III 18. 236. IV 151. XXV 2) und selbständig (Il. I 96. 110; hymn. I 45. III 218. 509. 522), ἑκατηβόλος als Beiwort (Il. I 370. V 444. XVI 711. XVII 333; Od. XX 278; hymn. I 134. 140. II 37. 44. 51. 61. 99. III 234) und selbständig (Il. XV 231), ἑκατηβελέτης als Beiwort (Il. I 75) und selbständig (hymn. I 157). Diesem abwechselnden Gebrauch folgt die spätere Poesie; Sammlung der Belegstellen bei Bruchmann Epithet. deor. 23 s. ἑκαβόλος, ἑκαταβόλος (dazu Timoth. Pers. 249), ἑκατηβελέτης (dazu Sueton. Nero 39), ἑκατηβόλος, ἑκηβελέτης, ἑκηβόλος. In Weihinschriften in poetischer Form findet sich ἑκηβόλος IG XII 5, 148 (von Paros) und IGA 408 = IG XII 5, 42 auf einer Bronzestatuette des Apollon von Naxos, die wohl den Bogen in der Linken trug (abgeb. Archaeol. Zeitg. 1879 Taf. 7. Overbeck Gesch. d. Plastik I Fig. 43, 2; Kunstmythol. III 36 Fig. 8. Roscher Myth. Lex. I 452), ferner ἑκατηβόλος CIG 1946 (= Kaibel Epigr. Gr. 799), 5649 d (= Kaibel 801). Zwei gleichlautende Prosa-Weihinschriften aus Epidauros gelten dem Apollon ἑκατηβελέτης IG IV 1014 (= Ἐφημ. ἀρχ. 1883, 147). 1015 (= CIG 1176), doch handelt es sich auch hier wohl um eine allgemeine Bezeichnung, nicht um die Epiklesis eines bestimmten Kultes. Das Beiwort, welches ebenso wie ἀργυρότοξος, κλυτότοξος, τοξοφόρος, τοξότης den Gott als den berühmten Bogenschützen, als ,Ferntreffer‘ kennzeichnet, wird von den Dichtern ohne Unterschied gebraucht, ob es sich um den Apollon von Delos, Delphi, Ilion usw. handelt, auch da, wo von dem Gott der Musik die Rede ist (z. B. Hom. hymn. XXV 2 = Hesiod. Theog. 94; vgl. Margit, frg. 1). An einigen Stellen paßt es zu der speziellen Situation. Dem Apollon H. gelobt Meriones vor dem Bogenschuß eine Hekatombe (Il. XXIII 872), ihn bittet der durch einen Pfeil verwundete Glaukos um Heilung (Il. XVI 513), von ihm erhält Eurytos seinen Bogen (Apoll. Rhod. I 88). Vor allem aber führt Apollon im ersten Buch der Ilias, wo er mit seinen Pfeilen Pest und Tod bringt, überaus häufig die Bezeichnungen ἑκηβόλος, ἑκατηβόλος, ἑκατηβελέτης, ἕκατος (v. 385), ἑκάεργος (v. 147. 474. 479), und ebenso heißt es von dem Todbringer Hom. hymn. IV 151 οὐδ’ εἴ κεν ἑκηβόλος αὐτὸς Ἀπόλλων | τόξον ἀπ’ ἀργυρέου προΐη βέλεα στονόεντα. H. scheint ursprünglich eine euphemistische Bezeichnung des Todesgottes gewesen zu sein. Später hat man, da Apollon als Sonnengott und die Sonnenstrahlen als Geschosse (vgl. ἑκαβόλον βέλος: Timoth. frg. 25 Wilam. bei Macrob. Sat. I 17, 20) aufgefaßt wurden, das Beiwort H. auch als spezielles Beiwort des Sonnengottes Apollon verwendet, vgl. Orph. Argon. 1356; frg. 49, 1. 5 mit der Paraphrase von Ioan. Malal.; Etym. M. s. ἑκηβόλος. Cornut. 32. Bei Orph. frg. 160, 11 heißt es: Ἥλιος, ὃν καλέουσιν Ἀπόλλωνα κλυτότοξον, | Φοῖβον ἑκηβελέτην, μάντιν πάντων ἑκάεργον; wie hier dem Beiwort ἑκάεργος so ist bei Orph. Argon. 1: ὦναξ Πυθῶνος μεδέων ἑκατηβόλε μάντι dem Beiwort ἑκατηβόλος die Deutung beigelegt, daß der Gott mit seinen Orakeln das Fernste
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richtig trifft; vgl. Schol. Soph. Oid. Tyr. 162 und die Μοῦσα ἑκηβόλος bei Ioann. Gaz. Anacreont. 1, 3. Erklärt wird H. gewöhnlich als der ,Ferntreffer‘ (von ἑκάς): Schol. Hom. Il. 114. Eustath. Hom. Il. 28, 15. 52, 12. Hesych. s. ἑκατοβελέτης, ἑκατηβόλος, ἑκηβόλος. Etym. M. s. ἑκατηβελέταο. Cramer Anecd. Oxon. I 154 s. ἑκηβόλος. Apoll. Soph. lex. 65, 14. Preller-Robert Griech. Myth. I 290. Daneben sind in alter und neuer Zeit eine Reihe anderer Erklärungen versucht worden. Simonid. frg. 26 A erklärte Ἕκατος |= ἑκατηβελέτης als den, der mit hundert (ἑκατόν) Pfeilen den delphischen Drachen tötete. Orph. Argon. 1356 erklärt ἑκηβόλος als den Gott, welcher ἧκεν βέλος; vgl. Hom. hymn. IV 151 ἑκηβόλος — προΐη βελέα; ebenso Cramer Anecd. Oxon. I 155 s. ἑκατηβελέταο, Etym. M. S. ἑκατηβελέταο. Goebel Lexilogus zu Homer I 54ff. deutet H. als ,Pfeilsender‘, indem er von ἵημι auf ein Wort ἕκος = Pfeil schließt. Usener Götternamen 333 (vgl. 49) denkt an einen Wortstamm, ,der leuchten bedeutet haben muß‘. Andere suchten einen Zusammenhang mit ἑκών; H. — ,nach seinem Willen treffend‘, vgl. Prellwitz Etym. Wörterb.² 133.
2. Artemis führt das Epitheton ihres Bruders als die ἱοχέαιρα, und zwar ἑκατηβόλος bei Hom. hymn. IX 6, ἑκηβόλος bei Soph. frg. 369 Nauck². Nonn. Dionys. XV 187 und in einer Weihinschrift von Delos in poetischer Form, Bull. hell. 1879, 3 = Anth. Pal. append. I 8 Cougny. Cornut. 32 bringt es mit der Deutung der Artemis als Mondgöttin in Zusammenhang.