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RE:Hegias 7

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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attischer Bildhauer 1. Jh. n. Chr.
Band VII,2 (1912) S. 26202621
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7) Hegias, attischer Bildhauer des 1. Jhts. n. Chr., arbeitete nach Ausweis der an dem stützenden Baumstamm angebrachten Signatur gemeinsam mit Philathenaios eine Statue des Kaisers Claudius als Iupiter, die mit anderen Kaiserstatuen im Metroon von Olympia aufgestellt war. Sie ist bis auf die vorgestreckte rechte Hand, die Finger der am Szepter erhobnen Linken, die Nase und den Kopf des Adlers im wesentlichen vollständig erhalten: Olympia, Ergebnisse III Taf. 60f. 1, S. 244f. (Treu). Die Figur ist eine freie Kopie im Typus der Kolossalstatue aus Lanuvium in der Rotunde des Vatikans, Bernoulli Röm. Ikonographie II 1 Taf. 17. Treu findet sie besser als diese und folgert daraus gar eine allgemeine Überlegenheit der attischen Bildhauer dieser Zeit über die römischen. Damit wird dem H. und seinem Genossen eine Bedeutung zugeschrieben, die ihnen keineswegs zukommt; denn das Zentrum des lebendigen Hellenismus war damals Rom, während in Athen Klassizismus und althellenistische Koine vorherrschten. Ein Vergleich der olympischen und der römischen Statue zeigt, daß H. und Philathenaios es fertig gebracht haben, alles Charakteristische ihres Vorbildes in Form, Bewegung und Ausdruck zu verwischen. Ihr Claudius steht in leichter Pose gen Himmel blickend da, von Kopf bis Fuß durchflossen von dem Rhythmos, den das 4. Jhdt. auf Polykletiscber Grundlage ausgebildet und der Hellenismus theatralisch gefärbt hat. Der Kopf ist in Anlehnung an den Augustustypus soweit idealisiert, daß man ihn eben noch erkennt; nur auf ikonographischem Wege ist eine Spur des glänzenden Porträtstils der claudischen Zeit in die Stirnbildung eingedrungen. Das Gewand ist nach berühmten Mustern am Spielbein wie naß angeklebt, als ob es ein leichtes Frauengewand und nicht ein wollener Männermantel wäre; auch der Kontrast scharfer Grate und welliger Kanten erinnert stark an die Nikebalustrade. All das ist mit äußerst flotter Mache hingeworfen. Bei der römischen Statue sind die Formen, der Kolossalgröße entsprechend, einfacher und architektonischer behandelt; das Gewand ähnelt mehr der Toga als koketten Frauenkleidern. Der Kopf ist nicht erhoben und durch kleine Verschiebungen in Rumpf und Beinen ist der Rhythmos des Motivs gebrochen. Das Gesicht ist in gleitendem Ineinanderübergehen der Formen auf die Wiedergabe des optischen Eindrucks, nicht auf tektonischen Aufbau angelegt; die Porträtzüge mit dem dumpfen Bleidruck, der auf Stirn und Augen lastet, sind von äußerster Ausdruckkraft. Obwohl oder vielleicht grade weil der Körper nicht nach frühhellenistischer Art porträthaft gebildet ist, läßt sich kaum eine großzügigere Parodie der Majestät denken als dieser gutmütige, täppische und eitle Mensch mit der Bürgerkrone und in der heroischen Nacktheit hellenistischer Könige. Nur eine originale Porträtstatue des kleinasiatischen Hellenismus, der ,Zenon‘ vom Kapitol, ist diesem Claudius überlegen; aber auch bei ihm drängt sich der Gedanke an Velasquez auf. H. und Philathenaios haben also ein großartiges Vorbild durch und durch banalisiert; es ist für ihr Verfahren [2621] symbolisch, daß sie den Eichenkranz durch einen Lorbeerzweig ersetzt haben. – Das Gewandmotiv gehört der ersten Kaiserzeit an; es findet sich wohl zuerst bei dem Orestes in der Gruppe des Menelaos, Schülers des Stephanos, und kommt auch bei Göttern vor, z. B. bei der guten frührömischen Kleinbronze des Poseidon, Babelon-Blanchet, Bronces de la biblioth. nat. 29 nr. 62, bei dem schlechten Iuppiter ebd. 9 nr. 16, bei dem Zeus auf den augusteischen Münzen von Aizanoi in Phrygien, Overbeck, Griech. Kunstmythologie II Münztafel II 24; weiteres s. Harmatios. Was der Kaiser in der Rechten hielt, fragt sich; für und wider Blitz, Schale, Weltkugel oder Victoria spricht ungefähr gleich viel. Löwy Inschr. griech. Bildh. nr. 332. Olympia, Ergebnisse V nr. 642. Treu a. a. O. Helbig Führer durch d. Samml. in Rom² 200 nr. 312. – Die Vermutung v. Six Röm. Mitt. VI 282, daß die bei Plin. n. h. XXXIV 78 genannten Dioskuren vor dem Tempel des Iuppiter tonans in Rom nicht von dem Lehrer des Pheidias, sondern von unserem H. herrührten, ist umso unwahrscheinlicher, als auch das Kultbild des Tempels eine alte Statue des Leochares war.

[Pfuhl. ]