RE:Gytheion
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Hafenstadt Lakoniens | |||
Band VII,2 (1912) S. 2102–2104 | |||
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Gytheion (Γύθειον Herodian. II 459, 6. I 371, 3 Lentz = Steph. Byz. Diod. XI 84, 6. Lykophr. 98. Polyain. II 9. Polyb. V 19, 6. Skyl. 46. Strab. VIII 363. 343. Xen. hell. I 4, 11. VI 5, 32, das Ethnikon Γυθεάτης Steph. Byz. Inschr. Münzlegende; Gytheum Cic. off. III 49. Liv. nach Weissenborn zu XXXIV 29, 2 überall. Plin. IV 16; Γύθιον Luk. dial. mer. 14, 2. 4. Paus. I 27, 5. III 21, 4–9. 22, 1. 3. 24, 6. VIII 50, 8. Plut. Kleom. 29; Philop. 14. Polyain. II 9. Ptolem. III 14, 32; Gythium Plin. VI 214), Hafenstadt Lakoniens, kam erst zu Bedeutung, als das an offener Sandküste der Eurotasebene gelegene Helos seine Rolle als Seestadt infolge des Anwachsens des Schwemmlandes und des Größerwerdens der Schiffe verloren hatte. Da mußte der Seeverkehr des Eurotasgebietes eine geschützte Landestelle [2103] an der Gebirgsküste seitwärts der sumpfigen Mündungsebene aufsuchen, und zwar kam, nach der Lage der Hauptstadt, dafür nur die Westseite des Lakonischen Golfes in Betracht. So ist an der nordwestlichen Ecke des Golfes an der ersten geeigneten Küstenstelle G. entstanden. Denn hier ist die Landverbindung (jetzt Fahrstraße) nach Sparta durch das Hügelland der Bardunochoria leicht; auch nach Südwesten gelangt man unschwer über eine nur 246 m hohe Einsenkung quer durch den Taygetos zur Westküste bei Oitylos und nach Messenien, in welch letzterer Richtung ein antiker Fahrweg verlief (Philippson Peloponnes 200. 249). Von der Mündungsebene des Eurotas wird G. durch eine Anzahl von Hügelvorsprüngen und kleinen Ebenen getrennt. Am ersten dieser Vorsprünge nördlich der Stadt entspringt eine starke Quelle, die im Altertum durch einen Aquädukt zur Stadt geleitet wurde. So sind die Landwege ins Innere Lakoniens und auch Messeniens günstig; für die Schiffe aber bietet ein im Süden der Stadt vorspringender, 186 m hoher Kalkhügel, Larysion der Alten, und ein vorgelagertes kleines Felseiland, Kranaë, jetzt Marathonisi (Fenchelinsel), leidlichen Schutz vor den Südwinden. Der Hügel Larysion war dem Dionysos geweiht, zu dessen Ehren auf der Höhe im Frühjahr eine geheimnisvolle Feier veranstaltet wurde; oben sind Trümmer eines Kastells vorhanden. Der Abhang gegen das Meer hieß Migonion; hier stand ein Tempel der Aphrodite Migonitis, dessen Stiftung dem Paris zugeschrieben wurde, der auf dem Eiland Kranaë seine Verbindung mit der geraubten Helena vollzogen haben soll. An diesem selben Abhang zieht sich das moderne Hafenstädtchen hinab bis zu der unmittelbar von dem Eilande geschützten Rhede; es ist erst am Anfang des 19. Jhdts. entstanden und hat der Insel den Namen Marathonisi erhalten, der aber jetzt wieder durch den alten Namen G. verdrängt wird. Der malerische, aber enge und schmutzige, von Mücken und Fieber heimgesuchte Ort hat ziemlich regen Verkehr als einziger Hafen für die Eurotasebene (Ausfuhr von Knoppern, Seide u. a.) und zählt (1896) 4061 Einwohner. Ein Damm führt zur Insel hinüber, auf der eine Kapelle, ein Leuchtturm und einige andere Gebäude sich befinden.
Die antike Stadt aber lag nördlich vom Larysion in einer kleinen Küstenebene, vom Ufer, wo der künstliche Hafen (Strab. VIII 363) G. zu suchen ist, bis zu den sanften Jungtertiärhügeln reichend, welche sie landwärts umrahmen. Die Reste der Stadt, meist der römischen Zeit entstammend, sind im wesentlichen: einige Trümmer der Akropolis auf dem Hügel nördlich des Baches von Selenitza, ein Theater am Fuß desselben, Ruinen, die als Agora gedeutet werden, Grabkammern, zwei Sarkophage an der Küste, sowie im Meere Gebäudereste (Badeanstalten ?) und Spuren der Stadtmauer (Negris). Im Süden der Stadt ist an einem Felsen eine große rechtwinkelige Nische mit Stufen und einer Inschrift, die auf ein Heiligtum des Zeus Terastios hinweist. [2104] Die ebenfalls im Süden der Stadt angegebene Stätte des Zeus Kappotas, auf der Orestes von seiner Raserei ausgeruht haben sollte, hat man nicht gefunden.
G., eine Periökenstadt, trat in der Geschichte erst hervor, als die Spartaner eine Flotte zu bauen begannen; seitdem war es ihr stark befestigter Kriegshafen, zugleich aber auch der einzige nennenswerte Handelshafen Lakoniens. 455 wurde G. von dem Athener Tolmides verwüstet (Thuk. I 108, 5. Diod. XI 84, 6. Paus. I 27, 5. Busolt III 326, 1). 369 vermochte Epameinondas die Stadt nicht zu erobern (Xen. hell. VI 5, 32. Polyaen. II 9, historisch wertlos, s. Melber Jahrb. f. class. Phil. Suppl. XIV 557f.). 195 wurde sie nach kräftigem Widerstande von T. Quinctius Flamininus eingenommen (Liv. XXXIV 29. Ehrendekret der Bürgerschaft SGDI 4565), 192 trotz Philopoimens Bemühung von Nabis wiedererobert (Liv. XXXV 25–27. Plut. Philop. 14. Paus. VIII 50, 7ff.). Später gehörte sie zu den Eleutherolakonen (Paus. III 21, 7) und war in römischer Zeit eine blühende Stadt. Den M. Agrippa hat sie als Euergetes geehrt (SGDI 4569), den Herodes Attikos als Soter und Ktistes (IG III 668). Unter den Ausfuhrprodukten war auch der in der Nähe gewonnene architektonische Schmuckstein von Krokeai. Purpurfischerei und Färberei wurden in G. betrieben. Man verehrte in der Stadt auch einen Meergott unter dem Namen γέρων (Paus. III 21, 9. Gaedechens Der Meergott Glaukos 190f.). Im Mittelalter sank ihre Bedeutung gegenüber Monemvasia; endlich scheint sie verschwunden zu sein. Über die Neugründung s. o.
Karten: die beste Le Bas Voyage archéol. Itin. pl. 26, am zugänglichsten Curtius Pelop. II Taf. XII. Admiralty Charts 3342. Beschreibung der Ruinen: zusammenfassend Frazer Paus. III 376–378 mit der älteren Literatur, am besten Skias Πρακτικά 1891, 27ff. Negris Att. Mitt. 1904, 342. Geschichte: Weber De Gytheo usw., Diss. Heidelb. 1833, 20ff. Philippson Pelop. 216. 249. Niese Nachr. Gött. Ges. d. Wiss. 1906, 115. Kulte: Wide Lakon. Kulte 398f. Zeus Kappotas: Wide 20f. Usener Rh. Mus. LX 12. Solmsen Rh. Mus. LXII 337. Inschriften: CIG I 1392. IG III 668. SGDI 4562–73. Skias Ἐφ. ἀρχ. 1892, 55f. Ziehen Leges sacrae n. 55f. Münzen: Septimius Severus bis Geta, Legende ΓΥΘΕΑΤΩΝ, Wide Lak. Kulte 398f. Head HN 133. Head-Svoronos Ἱστ. τ. Νομ. I 542; Cat. Brit. Mus. Pelop. 133.