Gordios (bei Herodot. Γορδίης), ein besonders unter den phrygischen Herrschern, abwechselnd mit Midas, verkommender Name. Über dessen Träger vgl. A. v. Gutschmid Kl. Schriften III 456ff.
1) Gordios (I.), der mythische Gründer des phrygischen Staates. Die Gründungslegende wird in zwei Varianten erzählt. Nach Iustin. XI 7, 5ff. ackerte der Landmann G. auf dem Felde, als ihn Vögel aller Arten zu umfliegen begannen; um sich dieses Zeichen auslegen zu lassen, machte er sich nach der nächsten Stadt auf, an deren Tor er einer schönen Jungfrau aus dem Wahrsagergeschlecht begegnete; sie deutete ihm das Zeichen auf künftige Herrschaft und bot sich ihm als Frau an. Bald nach der Hochzeit brach unter den Phrygern ein Bürgerzwist aus, und auf die Frage an das Orakel erhielten sie die Weisung, das Königtum einzuführen und denjenigen zum König zu wählen, der ihnen bei ihrer Rückkehr zuerst nach dem Zeustempel fahrend begegnen würde. Dies war G., der, zum König erhoben, als Andenken an den Ursprung seiner Herrschaft den Wagen, auf dem er gefahren war, dem Tempel
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weihte. Ihm folgte in der Herrschaft sein Sohn Midas. Dagegen lautet Arrians Bericht (anab. II 3ff.) dahin, daß sich auf G.s Gespann beim Ackern ein einzelner Adler niederließ und bis zum Abend blieb. Die Seher, welche G. befragen wollte, heißen bei ihm Telmisseer, und die Jungfrau gibt ihm den Rat, an dem Platze des Wunders dem Zeus zu opfern und hilft ihm dabei. Aus der Ehe mit ihr entspringt Midas; erst nach dessen Heranwachsen bricht der Zwist unter den Phrygern aus und das Orakel verheißt ihnen, daß ein Wagen den König bringen werde, welcher der Uneinigkeit ein Ende mache. Es war dies Midas, der mit den Eltern auf einem Wagen in die Volksversammlung fuhr; er wurde zum König gewählt, schlichtete den Zwist und weihte den Wagen zum Dank für die Sendung des Adlers dem Zeus. Beide Berichte scheinen zunächst aus Aristobulos zu stammen (A. Körte 13, 72); zu Arrian stimmt Aelian. de nat. an. XIII 1 und wohl auch Plut. Alex. 18. Curtius III 1, 14 scheint der andern Version zu folgen. G. wird der Gründer der nach ihm benannten Stadt (noch Strab. XII 568. Steph. Byz. s. Γορδίειον). Im Gegensatz zu v. Gutschmid, welcher die G.-Sage für weniger authentisch erklärte (a. O. 459), haben Rühl (Ztschr. f. österr. Gymn. XXXIII 1882, 811ff.) und A. Körte (Gordion, V. Erg.-Heft d. Arch. Jahrb. 12ff.) gezeigt, daß die Erzählung bei Iustinus klarer und ursprünglicher ist, wenn auch einzelne Züge bei Arrian. wie der Adler des Zeus und vielleicht auch die Benennung des Sehergeschlechtes als Τελμίσσεῖς der originalen Fassung näher zu kommen scheinen (A. Körte a. O. 14 sieht in der Ehe des ersten Phrygerkönigs mit einer Telmissenserin den sagenhaften Ausdruck für eine Versöhnung der eingewanderten Phryger mit dem einheimischen Priesteradel). Auch die weiteren, mit seiner Grundansicht zusammenhängenden Folgerungen v. Gutschmids, daß nicht G., sondern Midas der erste phrygische König war und die jungfräuliche Seherin mit der Kybele zu identifizieren sei, erscheinen als unzulässig. Über den von G. geweihten Wagen und die künstliche Verknotung des Jochs vgl. Arrian. II 3, 6ff. Plut. Alex. 18, dazu W. Reichel Homer. Waffen2 130. A. Körte (a. O. 16) glaubt mit Recht, daß er zuerst für Zeus bestimmt war und erst später auf G. übertragen wurde. Wie überhaupt der mythische Midas mit dem thrakischen Waldgott Midas vermischt wurde, so erscheint auch bei Herodot. VIII 138 G. als Vater des thrakischen Midas.