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RE:Gellius 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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römischer Ritter, Genosse des Clodius zur Zeit Ciceros
Band VII,1 (1910) S. 991992
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1) Gellius. Einen G. als Genossen des Clodius erwähnt Cicero im J. 697 = 57 nur kurz und zusammen mit anderen seiner berüchtigten Spießgesellen (har. resp. 59; ad Att. IV 3, 2; vgl. Sest. 112). Genauer kennen gelernt hat er ihn erst gelegentlich des Prozesses des P. Sestius Anfang 698 = 56 und hat damals ähnlich wie von P. Vatinius, nur kürzer, so auch von G. ein vollständiges, mit den schwärzesten Farben gemaltes Lebensbild entworfen (Sest. 110–112, vgl. Schol. Bob. z. d. St. p. 303f. Or. [der an L. Gellius Nr. 8 denkt]; Vat 4). Demnach war G. Stiefsohn des L. Marcins Philippus, Consuls von 663 = 91, und Stiefbruder des gleichnamigen im Jahre des Prozesses 698 = 56 selbst im Amt befindlichen Consuls; er hatte nicht die politische Laufbahn eingeschlagen, sondern war im Ritterstand geblieben und heiratete sogar eine Frau freigelassenen Standes (libertinam duxit uxorem, vielleicht nur Tochter eines Freigelassenen). Als junger Mann hatte er sein väterliches Vermögen verschwendet, später aber ergab er sich der griechischen Philosophie und führte ein zwischen geistigen und materiellen Genüssen geteiltes Leben. Aber an der Spitze von Sodalicien übte er doch auch bei Abstimmungen der Volksversammlung einen [992] bedeutenden Einfluß aus und verwendete ihn zu Gunsten unruhiger Neuerer, wie namentlich des P. Clodius. Man hat aus der Anspielung Sest. 110: ut plebicola videretur, und wohl auch Vat. 4: Gellius nutricula seditionum omnium, auf Beziehungen dieses G. zu L. Gellius Poplicola Nr. 18 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit geschlossen; über seine Verwandten sagt Cicero Sest. 111 auch noch, daß niemand von ihnen mit ihm Umgang habe, und daß der Sohn seiner Schwester ihn nicht einmal zum Vormund seiner Kinder eingesetzt habe, woraus sich auch wieder ergibt, daß G. jedenfalls ein älterer Mann war. Es ist dann der weitere Schluß gezogen worden, daß G. der ältere der beiden von Catull angegriffenen Männer dieses Namens gewesen sei, der patruus des andern (c. 74. 80. 88, 3. 89, 3), vielleicht auch der in c. 116 angeredete, und die Vergleichung einer Anspielung wie Cic. Sest. 111: in quo tamen est me ultus, cum illo ore inimicos est meos saviatus, mit Catull. 74, 5. 80, 1ff. scheint sehr dafür zu sprechen. Da nun der jüngere G. wahrscheinlich Nr. 18 ist, müßte dieser ältere der Bruder von Nr. 17 gewesen sein, falls nicht patruus bei Catull, ebenso wie mater statt noverca, ungenauer Ausdruck für einen ,Vetter des Vaters‘ sein könnte. Jedenfalls paßt dazu das Spiel mit dem Beinamen Poplicola bei Cicero, da dieser Beiname außer bei Nr. 17 und 18 nicht nachweisbar ist; ebenso passen die Beziehungen zu Clodius und seinem Kreise. Was aber noch nicht bemerkt zu sein scheint, ist der Umstand, daß das von Cicero entworfene Bild des G. nach Abzug der handgreiflichen Übertreibungen genau dem entspricht, das Nep. Att. 10, 2–5, nur mit lichten Farben, von Q. Gellius Canus Nr. 15 entwirft, dem Freunde, Gesinnungs- und Lebensgenossen des Atticus: Ritterstand, Alter, Zurückgezogenheit vom öffentlichen Leben bei starkem Einfluß hinter den Kulissen, Philhellenismus, epikureische Lebensführung sind die gemeinsamen Züge. Die Proskription des Q. Gellius Canus könnte am leichtesten durch seine Verwandtschaft mit Nr. 18 erklärt werden. Daß er in Ciceros Briefen an Atticus nur in der letzten Zeit beiläufig erscheint, wäre ebenfalls am leichtesten verständlich, wenn nicht nur die Beziehung des Canus zu Atticus im Alter immer fester geworden wäre (Nep.), sondern wenn vorher zwischen den beiden nahen Freunden des Atticus, G. und Cicero, eine Spannung bestanden hätte. Es ist also sehr möglich, daß alle diese Nachrichten auf einen einzigen Q. Gellius Poplicola Canus gehen.