RE:Gabaioi
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Volk in Südarabien | |||
Band VII,1 (1910) S. 411–414 | |||
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Gabaioi (Γαβαῖοι), südarabische Völkerschaft, in dem Berichte des Eratosthenes bei Strab. XVI 768 über den Handelsverkehr in Arabien erwähnt. Dieser alte, kurze, jedoch sehr lehrreiche Bericht, der hier eine von den bisherigen Darstellungen abweichende Deutung erfahren soll, meldet: ,Κατταβανία (vgl. Art. Catabanes) liefert Weihrauch, Χατραμωτῖτις (s. Art. Chatramis) Myrrhe; diese und die anderen ἀρώματα werden an die Kaufleute umgetauscht; diese kommen zu ihnen von Ailana (s. d.) bis Μιναία in 70 Tagen ... Die Γαβαῖοι aber gelangen nach Chatramotitis in 40 Tagen‘. Γαβαῖοι bezeugen alle Hss., mit Ausnahme von E (Vatic. 482), welche γερραῖοι hat, zugleich aber am Rande γρ. σαβ[αῖοι; so zu ergänzen]; F (Vatic. 1329) hat γερραῖοι am Rande (vgl. auch Steph. Byz. s. Χατραμωτῖτις). Mannerts (Geogr. VI 1, 110) und Groskurds Einfall, Σαβαῖοι zu schreiben, war verfehlt (vgl. Sprenger Die alte Geographie Arabiens 166. Glaser Skizze der Geschichte und Geographie Arabiens II 19, 26). Ebensowenig kann aber Γερραῖοι richtig sein, das bereits Casaubonus empfohlen hat und Kramers kritische Ausgabe im Text bietet und nach ihr Forbiger und andere [412] aufgenommen haben (vgl. Gerraei); dagegen spricht nicht nur die Majorität der Hss., sondern auch der Zusammenhang des Eratosthenischen Berichtes. Sprenger hält zwar mit Recht an den G. fest; aber sein Versuch, ihren Sitz festzustellen, ist ebenso mißglückt, wie seine Bestimmung der Lage Minaias und seine aus beiden Voraussetzungen abgeleitete Lokalisierung der G. (S. 166) sowie seine weiteren Folgerungen (S. 167). In Minaia erblickt er nämlich ,Marimatha oder eine benachbarte Stadt‘ seiner Ptolemaioskarte und will sie in Ḳabr Hūd, dem ,Grabe des Propheten Hūd, an der Grenze zwischen Ḥaḍramaut und Mahra‘ wiederfinden (s. auch S. 229). Von Marimatha geht er nun (auf seiner Karte) 40 Tage (angeblich Eratosthenes folgend) zurück und versetzt die Gabaeer ,in die unmittelbare Nähe von Karna‘. Das Zeugnis des Eratosthenes deutet er also aus: ,Von dieser Stelle [Ḳabr Hūd] bis Karna sind 40 Tage, und bis Ailana sind 30 mehr, also 70 Tage‘. ,Was die Namen anbetrifft‘, so nimmt er ,Gamraeer statt Gabiraeer‘ und erkennt ,darin die Bewohner von Gamr ḏī Kinda‘; er betrachtet sie ,als einen Zweig, und zwar den herrschenden der Mināer‘ (167). Dieser Aufbau von Schlüssen ist hinfällig. Denn weder die Identifizierung von Minaia mit Marimatha noch die Verlegung der G. in die Gegend von Karna, also in minäisches Gebiet, ist durch den Namensklang oder durch sonst irgend ein einziges positives Argument gestützt oder auch nur durch ein Anzeichen begründet; gegen beide Aufstellungen sagt vielmehr der Bericht des Eratosthenes selbst ausdrücklich aus, der ganz anders zu erklären ist, als Sprenger wollte. Sprengers Erklärung, ,daß die Kaufleute von Ailana in 70 Tagen bis an die Grenze von Ḥaḍramaut kommen, die Gabaeer (angeblich im Lande der Minäer) in 40 Tagen nach Ḥaḍramaut‘, ist, woferne die Strabonstelle für sich allein betrachtet wird, schon darum ganz unwahrscheinlich, weil der Ausdruck ἔρχονται πρὸς αὐτούς dann nur auf Χατραμωτῖτις eingeengt würde und Kattabanien aus der Angabe über den Verkehr der Kaufleute ganz ausgeschlossen wäre. Das wäre aber durch nichts begründet und auch an sich, mit Rücksicht auf den Strabontext, höchst unwahrscheinlich; αὐτούς bezieht sich vielmehr naturgemäß auf die Bewohner beider soeben genannten Länder, Κατταβανία und Χατραμωτῖτις, und nicht nur auf letztere mit Ausschluß der ersteren. Aber Sprengers πρῶτον ψεῦδος bestand darin, daß er diese Stelle Strabons aus ihrem Zusammenhange herausriß und nur für sich betrachtete – er beginnt geradezu mit ihr seine Darstellung S. 166. Es war ihm entgangen, daß die hier im Zusammenhange mit Kattabania und Chatramotitis genannte Minaia nicht von den Minäern zu trennen ist, welche kurz vorher, an einer höchst denkwürdigen Stelle (s. darüber Arabia Bd. II S. 348; vgl. Art. Eudaimon Arabia), die eben Sprenger (S. 166) gar nicht berücksichtigte, als das erste der vier bedeutendsten Völker (τὰ μέγιστα τέτταρα ἔθνη) genannt werden, der Μειναῖοι (mit Κάρνα, ihrer größten Stadt), der Σαβαῖοι (mit der Hauptstadt Μαριάβα), der Κατταβανεῖς (mit der königlichen Residenz Τάμνα) und der Χατραμωτῖται (mit der Hauptstadt Σάβατα = Sabwat). So sicher [413] nun Minaia mit den Minäern zusammenhängt, so sicher ist es, daß diese Minäer nicht nach jenem Punkte von oder bei Ḥaḍramaut hinweisen, nach welchem Sprenger Minaia verlegt hat. Wo aber diese Lokalität zu suchen ist, lehrt schon der Gedankengang des Eratosthenischen Berichtes: ,Die Kaufleute kommen zu ihnen (den Kattabanen und Chatramotiten) von Ailana bis Minaia in 70 Tagen ... Die Gabäer aber gelangen nach Chatramotitis in 40 Tagen‘. Dieser Bericht ergibt nur dann einen einwandfreien Sinn, wenn sowohl Minaia als auch die Gabäer im Lande der Kattabanen gesucht oder die Gabäer wenigstens als nächste Nachbarn der Kattabanen gedacht werden. Dann sagt Eratosthenes nichts anderes, als daß die Kaufleute von Ailana nach Minaia (in Kattabanien) in 70 Tagen gelangen, die Gabäer dagegen von Kattabanien (oder aus dessen Nachbarschaft) nach Chatramotitis in 40 Tagen.
Das stimmt durchaus zu den tatsächlichen Distanzverhältnissen; denn die Entfernung von Ailana und Kattabanien entspricht vollauf den 70 Tagereisen der Eratosthenischen Angabe; und daß von letzterem Lande (oder seinem Nachbargebiete) bis nach Ḥaḍramaut 40 Tage als Wegmaß angegeben werden und nicht etwas weniger, erklärt sich nicht nur daraus, daß 40 als runde Zahl gemeint ist, sondern wird auch mit der Vorstellung von Chatramotitis zusammenhängen, welche der Eratosthenischen Berechnung zugrunde lag. Wenn Glaser Skizze II 26 schreibt: ,Gleichviel, ob man Sabäer oder Gabäer liest, in beiden Fällen stimmt die Distanz so ziemlich, wenn man nicht das eigentliche Ḥaḍramaut, sondern die damals teilweise dazugehörige Weihrauchregion ins Auge faßt, an welche Strabon und Eratosthenes sicher gedacht haben‘, so sind entschieden die Sabäer von dieser Berechnung abzuziehen, da wir an Σαβαῖοι hier gar nicht zu denken haben (vgl. Glaser II 19) und nicht einmal dann an sie zu denken hätten, wenn ,die Lage, 40 Tage von Chatramotitis‘ (nach Sprenger 166) nicht dagegen spräche. Daß die Erwähnung beider Distanzen (70 und 40 Tage) mit dem Zollzwang zusammenhänge, wie Glaser II 27 unter Hinweis auf Plin. n. h. XII 63 glaubt (,aller Weihrauch mußte nach Sabota gebracht werden und ebenso mußte man dann nach Kattabanien oder der Gabanitis reisen‘), ist immerhin eine annehmbare Möglichkeit. Daß zu Eratosthenes Zeit eine Stadt (oder überhaupt Örtlichkeit) Minaia nicht mehr im damaligen Bereiche der Minäer erscheint, sondern in Kattabanien (oder an seiner Grenze), ist, nebst andern Umständen, nur ein weiterer Beweis dafür, daß in dieser Gegend vorher Verschiebungen stattgefunden haben, daß speziell die Minäer zu jener Zeit, für welche der Eratosthenische Bericht gilt, auf das nördlich von Kattabanien gelegene Gebiet eingeschränkt waren. Wenn man daher auch Glaser (II 21) zugeben kann, ,daß zu Eratosthenes Zeit die Minäer schon längst aus ihrem alten Stammsitz verdrängt waren‘, und wenn man auch seinem Zweifel an der Richtigkeit der Sprengerschen Hypothese über Minaia beistimmen muß, so ist doch nicht zu leugnen, daß seine Bestimmung des fraglichen Ortes, derzufolge ,Minaia als identisch mit Mahra oder als identisch mit Ḥaḍramaut und Kattabanien‘ aufzufassen [414] sei und Minaia dann ,vielleicht speziell die Bezeichnung des Ḥabašalandes in Mahra oder die allgemeine Benennung der Bewohner aller dieser Länder‘ wäre (II 26), entschieden viel zu weit ist.
Unsere Annahme, daß die G. in Kattabanien (oder unmittelbar an seiner Grenze) zu suchen sind, stimmt nicht nur zu der natürlichen Erklärung der Eratosthenischen Nachricht, sondern auch zu den Tatsachen der arabischen Geographie. Wir glauben, auch dem Namensklange folgend, die G. in der Gegend von Dumnat Ğaba´ (im Süden des Bereiches der Ḳaṭabān) wiederzufinden. Nach Hamdānī 100, 6 ist Ğaba´ einer der ,Zweige des Stammes al-Kalā', welche Ḥimjariten sind‘ (vgl. Hamd. 99, 17); ,nach ihm hat Ğaba´ (der Hauptort) der Ma'āfir seinen Namen‘; vgl. Hamd. 54, 21 über ,Ğaba´ die Stadt der Ma'āfir‘ und die Hauptstelle über Ğaba´ (in der Nähe des späteren Ta'izz) bei Hamd. 99, 6–21 (und dazu Sprenger 311f.).
So erscheinen die G. von zwei Seiten her, durch die Eratosthenische Darstellung und durch die arabischen Zeugnisse, als Volksstamm in Kattabanien oder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft gesichert. Eine weitere Bestätigung wird durch Plinius Nachricht über die Gebbanitae (n. h. VI 153, nach Iuba) erbracht, welche Sprenger (282) mit Unrecht, allerdings in Konsequenz seines irrigen Prinzips, von Ğaba´ getrennt hat (s. Gebbanitae). Damit wird natürlich auch Sprengers Annahme, daß Karna als Sitz der G. zu betrachten sei, ebenso haltlos wie ihre Voraussetzung, seine Lokalisierung Minaias, und seine weitere, auch aus lautlichen Gründen nicht eben plausible Hypothese über die ġamräer, endlich seine (s. S. 167) Heranziehung der ,gabiräischen Myrrhe‘ bei Diosc. I 78 und der ἀβειρμιναία genannten Tropfenmyrrhe des Peripl. m. Er. 24. Wichtiger noch als die Verifizierung der G. ist für die Geschichte der Minäer das Ergebnis, daß durch ein altes Zeugnis, das des Eratosthenes, ein vormaliger Minäersitz im Reiche der Kattabanen oder an seiner Grenze unverdächtig sicher gestellt erscheint, für eine Zeit, zu welcher das Land bereits in anderen Händen war.