RE:Fornix
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Tragbogen, -gewölbe | |||
Band VII,1 (1910) S. 8–12 | |||
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Fornix. Das Wort fornix ist trotz der äußerlichen Ähnlichkeit nicht, wie man früher wohl annahm, mit fornus, furnus und fornax stammverwandt, da es nicht wie diese auf die Wurzel *gṷher warm sein, sondern auf die Wurzel *dher halten, stützen zurückzuführen ist (s. Walde Latein. etymolog. Wörterbuch 238f.). Ein eigentümlicher Zufall(?) ist es, daß im Griechischen zwischen den bedeutungsgleichen Worten καμάρα und καμῖνος eine ähnliche Klangverwandtschaft obwaltet, die ebenfalls nicht auf einer Stammverwandtschaft beruht. Es läßt sich aber wohl annehmen, daß in beiden Fällen volksetymologische Vorstellungen an die gewölbte Form des Backofens anknüpfend die Wortbildung bezw. die Aufnahme des Lehnwortes (s. Art. Camara) beeinflußten.
Die dem Worte f. ursprünglich allein zukommende Bedeutung ‚Tragbogen, Traggewölbe‘ hat aber im Laufe der Zeit manche Wandlungen durchgemacht, und es steckt in der Geschichte desselben ein gutes Stück römischer Kulturgeschichte.
Bei der vorwiegend poetischen Natur der uns erhaltenen älteren römischen Literatur ist es erklärlich, daß uns dort nur wenige Beispiele der Verwendung des Wortes f. in seiner Grundbedeutung erhalten sind; aber es bezeugt uns doch eine etwas kühne Metapher bei Ennius (Scaen. 381 Vahl.² bei Varro l. l. V 19: et Ennius item ad cavationem: caeli ingentes fornices) den allgemeinen Gebrauch desselben zur Zeit des beginnenden literarischen Lebens in Rom. Wenn nun Cicero (de orat. III 162) diese Metapher mit den Worten: quamvis sphaeram in scaenam (ut dicitur) attulerit Ennius, tamen in sphaera fornicis similitudo non potest inesse, tadelt, so beweist das offenbar, daß man auch damals unter f. das halbzylindrische sog. Tonnengewölbe und nicht das halbkugelige Kuppelgewölbe, als welches sich der Himmelsraum dem Auge darstellt, verstand. Hierbei ist aber die Tiefe des überwölbten Raumes gleichgültig, da f. sowohl den einfachen Entlastungsbogen in Mauern über Tür- und Fensteröffnungen als auch die überwölbte Decke eines mehr oder minder langgestreckten Raumes (wie Keller, Tordurchgang, Triumphbogen, Brückenjoch und Wasserleitungsbogen) bezeichnet. Wesentlich jedoch, weil aus der Bedeutung der Wurzel des Wortes herrührend, ist der Begriff des Tragens, der in f. enthalten ist. Daher kommt es auch, daß das Kuppelgewölbe, wie überhaupt einfache Überwölbungen beliebiger Räume, nicht durch f. bezeichnet worden ist, da hier das Moment des Tragens wegfällt. Die hierfür gebräuchlichen Ausdrücke sind camera und concameratio, welche z. B. von Vitruv sehr häufig verwendet werden, der dagegen f. und fornicatio nur je einmal gebraucht, bezeichnenderweise aber gerade da, wo das Moment des Tragens entscheidend hervortritt (Vitruv. VI 11, 2f. p. 152, 6–19 Rose).
[9] Bei Cicero (Top. 22) bezeichnet f. die Überwölbung einer Mauerlücke (für Tür oder Fenster) und wird eine durch solche überwölbte Öffnungen durchbrochene Wand im Gegensatz zur undurchbrochenen (solidus paries) Wand paries fornicatus genannt. Ein f., quo pons sustinebatur, am Ausgange des Hafens von Alexandria wird erwähnt Bell. Alex. 19, 4. Von dem Pons Aemilius heißt es bei Livius XL 51, 4: M. Fulvius plura et maioris locavit usus: portum et pilas pontis in Tiberi, quibus pilis fornices post aliquot annos P. Scipio Africanus et L. Mummius censores locaverunt imponendos. Dem Palmholze schreibt Plinius n. h. XVI 223 die Eigenschaft zu, sich bei Belastung nach oben bogenförmig der Last entgegen zu krümmen, indem er schreibt: cetera omnia in inferiora pandantur, palma ex contrario fornicatim.
Poetisch verwendet Vergil das Wort Aen. VI 631 (moenia conspicio atque adverso fornice portas) zur Bezeichnung der überwölbten Öffnung eines Stadttores und Aen. X 805 (alti fornice saxi) zur Bezeichnung einer Felsgrotte.
Aus der allgemeinen Bedeutung des tragenden Bogens entwickeln sich nun aber verschiedene spezielle Bedeutungen des Wortes. Wir betrachten zunächst f. in der Bedeutung Triumphbogen. In dieser ist das Wort nur bis zum Beginn der Kaiserzeit, aber wie es scheint bis dahin auch allein im Gebrauch. Im Anfang des 1. nachchristlichen Jhdts. tritt das bis dahin in dieser Bedeutung nicht verwendete Wort arcus völlig an seine Stelle, so daß z. B. Seneca dial. II 1, 3 den von Cicero (Verr. I 19; pro Plancio 17; de orat. II 267) wiederholt als f. Fabianus benannten Triumphbogen auf dem Forum nunmehr als arcus Fabianus erwähnt. Auch andere Triumphbögen, die Livius (XXXIII 27, 3. 4. XXXVII 3, 7) nennt, heißen bei ihm ebenfalls fornices, desgleichen benennt Cicero (Verr. II 2, 154) so den Ehrenbogen, den sich Verres mit seiner Reiterstatue drauf in Syracus hatte errichten lassen; dagegen bezeichnen spätere Schriftsteller und Inschriften dieselben ausnahmslos mit dem Wort arcus (s. d.). Der Grund hierfür liegt darin, daß sich inzwischen dem Wort eine Bedeutung zugesellt hatte, die seine Verwendung in der ursprünglichen Bedeutung im seriösen Stile unmöglich machte. Scheinbare Ausnahmen, wie Orosius V 9, 2, wo es heißt: Gracchus (fugit) per gradus qui sunt super Calpurnium fornicem beruhen auf Übernahme des Wortes aus älteren Quellen (Livius) oder wie bei Sidonius Apollinaris (carm. 23, 319) auf gelehrter Neubildung des Wortes.
Die Bögen, auf denen in meilenlangen Kanälen durch die weite Fläche der Campagna der Stadt Rom aus den Sabiner- und Volskerbergen das Trinkwasser zugeleitet wurde, welche also den rivus trugen, bezeichnete der Römer gleichfalls als fornices, CIL I 1166 (= X 5807). Bei Plin. n. h. XXXI 71 (mox in specus mersa [Marcia aqua] in Tiburtina se aperit novem milibus passuum fornicibus structis perducta) ist der Ausdruck jedoch wohl aus einer älteren Quelle übernommen, denn schon Frontin, der de aquis II 125. 127. 129 das Wort f. in dieser Bedeutung noch aus älteren Gesetzestexten zitiert, verwendet selbst im Zusammenhang des eigenen Textes nur das Wort [10] arcus dafür. Hübners Ergänzung der Inschrift CIL II 3421 forn]ices cola ante aedem ex pequ[nia … ist vermutlich falsch, wahrscheinlicher würde in Hinsicht auf Vitruv. VIII 6, 11 und Plin. n. h. XXXVI 173 eine Ergänzung cisternas dupl]ices cola usw. sein, da der Ausdruck cola auf eine Zisternenanlage mit Klärbassins schließen läßt, wie sie an den angeführten Stellen beschrieben werden.
Wir sahen vorhin, wie mit f. die überwölbte Lücke für Tür oder Fenster in einer Mauer bezeichnet wurde, und aus dieser Bedeutung heraus entwickelt sich dann die Verwendung des Wortes zur Bezeichnung von Tür und Tor überhaupt. So sind bei Livius XXXVI 23, 13 und XLIV 11, 5 mit f. kleine, offenbar durch Überwölbung in der Stadtmauer ausgesparte Pforten bezeichnet, die in dem einen Fall (XLIV 11, 5) offenbar erst nachträglich zum Zwecke der Fortschaffung der aus dem Festungsgraben ausgehobenen Erdmasse in dieselben gebrochen waren und nach Ausführung der Erdarbeiten nur oberflächlich wieder vermauert worden waren. Um ähnliche kleine Schlupfpforten handelt es sich wohl auch in den Inschriften CIL II 1087 (Ilipa) und I 1412 (Assisi). Für die Inschrift von Ilipa wenigstens ist das wohl sicher, da sie portas und fornic[es] nebeneinander nennt. Aber auch in der Inschrift von Assisi wird wohl nur solch eine kleine Pforte, die den Zugang zur Zisterne vermittelte, und kein regelrecht angelegtes Stadt- und Festungstor gemeint sein.
Bei Cicero de harusp. resp. 22 werden die überwölbten Zugänge zu dem Zuschauerraum des Schauplatzes der Megalesien fornices ostiaque genannt. Damit kommen wir zu der Verwendung des Wortes f., durch die dasselbe, wie oben angedeutet, in eine Begriffssphäre gedrängt wurde, welche die weitere Verwendung desselben im ursprünglichen Sinne unmöglich machte. Es ist das die Bedeutung des Kellergewölbes.
Vitruv spricht II 8, 17 ausführlich von einer Änderung in der Bauweise, die sich in Rom durchsetzte, als infolge der starken Bevölkerungszunahme das Bauterrain teuer wurde und man deshalb von der Errichtung ein- und zweistöckiger Häuser zur Konstruktion mehrstöckiger Gebäude überging. Er führt dann aus, daß diese Änderung der Bauweise zwang, von der Verwendung von Luftziegeln, die er selbst sehr hoch schätzt, aus statischen Gründen abzugehen, weil eine Gesetzesvorschrift stärkere als anderthalbfüßige Mauern nicht gestattete, und man deshalb genötigt war, die Mauern aus Hartsteinmaterial, sei es natürlichem, sei es, was zu seiner Zeit erst allgemeiner in Aufnahme kam, von durch Brennen künstlich erzeugtem (Ziegel) aufzuführen. Itaque, so fährt er dann fort, pilis lapideis structuris testaceis parietibus caementiciis altitudines extructae et contignationibus crebris coaxatae cenaculorum ad summas utilitates perficiunt dispertitiones. Später VI 8, 4 greift er auf das hier Gesagte zurück und fügt noch weitere Angaben über die Art der Anlage dieser Bauten, die er quae pilatim aguntur aedificia nennt, hinzu. Es geht daraus hervor, daß die untersten Geschosse solcher Bauten mit Tonnengewölben, für welche er hier die Bezeichnung fornices verwendet, überwölbt [11] zu werden pflegten. Davon erhielten dann überhaupt solche überwölbten Erdgeschosse allgemein die Benennung f. So tritt uns der Ausdruck bereits in einer Inschrift der Sullanischen Zeit (CIL I 1162 = X 5840) aus Ferentino entgegen, nach welcher A. Hirtius A. f. M. Lollius C. f. ces. fundamenta fornices faciunda coeravere eidemque probavere.
Die feuchten und dumpfen Räumlichkeiten solcher Erdgeschosse dienten vorzugsweise zu gewerblichen Betrieben der Kleinhandwerker und als Wohnstätte für die niedrigsten Schichten der großstädtischen Bevölkerung, auch dienten sie wohl gelegentlich, wie aus Martial VII 61, 8 hervorzugehen scheint, zur Unterbringung öffentlicher Bedürfnisanstalten. So ist es natürlich, daß sich mit dem Worte bald der Begriff des Schmutzes und der Gemeinheit verband. Dazu kam, daß besonders auch das Laster in diesen Höhlen eine Zufluchtstätte suchte und fand, so daß das Wort f. bald die Bedeutung Bordell erhielt. In dieser Bedeutung tritt uns das Wort zuerst bei Horaz epist. I 14, 21 und sat. I 2, 30 entgegen und ist von da ab besonders bei den Dichtern sehr häufig, z. B. Petron. 7. Priap. 13. Iuven. 3, 156. 11, 171. Martial. I 34, 6. X 5, 7. XI 61, 3. In derselben Weise wie stabulum prostibulum und andere gleichbedeutende Ausdrücke wird dann f. auch in der Bedeutung Hure verwendet, z. B. Suet. Caes. 49, wo Curio den Caesar stabulum Nicomedis et Bithynicum fornicem benannt haben soll. Die Sprache der Bibelübersetzung nimmt das Wort f. in der Bedeutung Bordell auf, und von da aus findet es dann Eingang in die Sprache der Kirchenväter, wo es dann mit seinen Ableitungen fornicare, exfornicari, fornicaria, fornicarius, fornicator, fornicatrix, fornicatio in eigentlichem Sinne sowohl wie in übertragenem zur Bezeichnung jeder Art geistlicher Befleckung häufige Verwendung findet. Stellenverzeichnisse dazu bei Rönsch Itala und Vulgata Reg. S. 493. Das Andenken der ursprünglicheren Bedeutungen des Wortes halten die Kommentatoren und die Glossatoren wach, und von da aus findet es dann, wie vorhin erwähnt, bei Gelehrten, wie z. B. Sidonius Apollinaris, vereinzelte Anwendung und später Eingang in die romanischen Sprachen.
Neben dem oben beschriebenen Übergang zur mehrstöckigen Bauweise, nahm man noch zu einer besonderen Art intensiverer Ausnützung des Bauterrains seine Zuflucht, indem man einen Teil der oberen Geschosse der Häuser auf überwölbten Pfeilern über die Gangsteige der Straße vorschob und so für die Fußgänger überdeckte Passagen schuf, wie wir sie ja heute noch in manchen Städten Italiens, Deutschlands und der Schweiz finden. Auch diese Laubengänge, welche die oberen Geschosse trugen, nannte man fornices, und so wird bereits aus dem J. 216 v. Chr. eine solche Bogenstraße als via fornicata quae ad campum erat in Rom von Livius XXII 36, 8 erwähnt. Ob diese Straße identisch war mit einer in der Kaiserzeit wiederholt erwähnten via tecta im Marsfelde, ist nicht mit Bestimmtheit auszumachen, jedoch sehr wahrscheinlich, denn die Umnennung derselben ist begreiflich, da eine anständige Straße in der Kaiserzeit unmöglich noch via fornicata heißen konnte. Bereits Ovid fast. [12] VI 191 nennt eine solche Bogenstraße vor der Porta Capena deshalb via tecta. Der Anblick solcher Straßen muß in Rom zu Ausgang der Republik etwas Gewohntes gewesen sein, denn bei Plinius n. h. XII 22 findet sich der Ausdruck fornicato ambitu bildlich verwendet.