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RE:Exodium

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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selbständiges Nachspiel bei griechischen Theateraufführungen
Band VI,2 (1909) S. 16861689
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Exodium (Ἐξόδιον, substantiviertes Neutrum des Adjektivs von ἔξοδος, heißt bei griechischen Aufführungen ein μέλος ὃ ἐξιόντες ᾖδον (Pollux IV 108); Aelius Dionysius (bei Eustath. zur Il. II 360 p. 239, 20) gibt nach Beispielen je eines kitharodischen, komischen und rhapsodischen ἐξόδιον den bekannten Euripideischen Schluß πολλαὶ μορφαὶ τῶν δαιμονίων κτλ. (z. B. Bakch. 1388ff.) als Beleg eines tragischen ἐξόδιον. Damit stelle man zusammen, daß von der grausigen Parodie auf den Schluß der Bakchen (1169ff., die man am Partherhof mit dem Kopf des Crassus spielt, Plutarch (Crassus 33) sagt: εἰς τοιοῦτό φασιν ἐξόδιον τὴν Κράσσου στρατηγίαν ὥσπερ τραγῳδίαν τελευτῆσαι (vgl. auch Hesych. s. νῦν δὲ θεοὶ μάκαρες und Suid. ἐξόδιοι νόμοι· αὐλήματα δι’ ὡν ἐξῄεσαν οἰ χοροὶ καὶ οἱ αὐληταί mit Zitat von Kratin. frg. 276 K.). Plutarch verwendet das Wort ganz ähnlich auch Alex. 75. wo er von Erdichtungen über das Ende Alexanders sagt: ταῦτά τινες ᾤοντο δεῖν γράφειν ὥσπερ δράματος μεγάλου τραγικὸν ἐξόδιον καὶ περιπαθὲς πλάσαντες. Dagegen muß man Pelop. 34, wo er τὴν Διονυσίου τφὴν οἷον τραγῳδίας μεγάλης τῆς τυραννίδος ἐξόδιον θεατρικόν nennt, wohl eher die römische Auffassung in Betracht ziehen, wonach E. eine Art selbständiges Nachspiel ist.

Es läßt sich nicht mit absoluter Sicherheit angeben, seit wann e. diesen Sinn bei den Römern hat. Man deutet ganz allgemein schon den ältesten römischen Beleg des Wortes so, Lucil. 1264 principio exitus dignus exodiumque sequetur. Aber zwingend ist das nicht; man kann hier ebensogut einfach den ,Schluß’ verstehen wie in den drei Varrostellen, die Nonius p. 27 (exodium est finis, a graecis tractum) erhalten hat: Men. 99 Socrates cum ... iam bibisset κώνειον, in exodio vitae; 174 vitae cursum ut cognoscere possem et quae servitutis et libertatis ab origine ad exodium adductae ⟨series⟩ (suppl. Bücheler); [1687] 520 quod coeperas modo in via narrare ut ad exodium ducas – ja die Bedeutung ,Nachspiel’ ist in den letzten Fällen unverständlich. So hat auch Verrius Flaccus e. mit exitum erklärt (Paul. 80; vgl. Placid. Corp. gloss. V 7, 6 = 44, 18 ad exodium [exodum Hs.]: ad finem vel terminum, benützt in der Vorrede zur Anthologia latina, Poet. lat. min. IV 341 Bähr., vgl. Löwe Glossae nom. p. 71. 84).

Ganz sicher steht die Bedeutung ,gesondertes szenisches Nachspiel nach einer andern dramatischen Aufführung’ für e. in der Kaiserzeit. Die klarste Nachricht ist die des Scholiasten zu Iuven. III 175 tandemque redit ad pulpita notum exodium, cum personae pallentis hiatum in gremio matris formidat rusticus infans] exodiarius apud veteres in fine ludorum intrabat, qui ridiculus foret, ut quicquid lacrimarum atque tristitiae, quae exissent ex tragicis affectibus, huiusque (huiusce ?) spectaculi risus detergeret. Also ein heiteres Nachspiel nach einer Tragödie. Die heitere, bisweilen jedenfalls recht anstößige Natur des E. bezeugt auch eine Reihe von Glossen (Placid. Corp. gloss. V 67; ebd. IV 71. V 454. 634 u. ö.; vgl. VI 415). Daß der Inhalt aus dem Mythos genommen wurde (oder wenigstens genommen werden konnte), steht fest durch Sueton. Domit. 10 (occidit et Helvidium filium, quasi scaenico exodio sub persona Paridis et Oenones divortium suum cum uxore taxasset) und Iuvenal VI 711 Urbicus exodio risum movet Atellanae gestibus Autonoes.

Gerade die letzte Stelle hat nun in Verbindung mit der Wendung Atellanicum e. bei Suet. Tib. 45 und dem unglückseligen Theaterkapitel bei Livius (VII 2) zu einer Identifikation geführt, der man heute, aber auch schon in der älteren Literatur allenthalben begegnet: exodium = Atellane. Die beiden Begriffe sollen sich wohl nicht völlig decken, nicht jedes e. eine Atellane, nicht jede Atellane ein e. gewesen sein; man läßt z. B. auch Mimen als E. zu (so z.B. Reich Mimus 569. 607f. u. ö.). Aber man glaubt bei Iuven. VI 71 interpretieren zu müssen ,in dem E., das in einer Atellane besteht’, und deutet ebenso Suet. Tib. 45 und die exodia conserta fabellis potissimum Atellanis bei Livius. S. z. B. (außer Reich) Munk De fabulis Atellanis, Leipz. 1840, 26f. u. ö. O. Jahn Herm. II 227. Rausch Über das Verhältnis von E. und Atellane. Jahresber. des Staatsgymn. im 9. Bezirk, Wien 1878. 391 Friedländer in Marquardt-Wissowa St.-V, III 549; Sittengesch. II6 436. 1. Leo Hermes XXIV 78. Teuffel-Schwabe5 7. Marx o. Bd. II S. 1917, 29ff. (Dieterichs Ausdruck Pulcinella 98, 3 läßt mehrere Auffassungen zu).

Was für die Gleichsetzung zu sprechen scheint, ist ja klar genug: 1. die Atellane diente als Nachspiel nach der Tragödie, Cic. ep. IX 16. Marx a. a. O. Dieterich 97 u. ö.; 2. sie war zum Teil entschieden mythologische Travestie, Marx 1920, 38ff. Dieterich bes. 100ff.; 3. von Novius gab es eine Atellane mit dem Titel Exodium (Ribbeck Com.³ 312). Es ist auch zuzugeben, daß es uns nie möglich sein wird, Atellane Exodium Mimus scharf gegeneinander abzugrenzen. Und doch habe ich Bedenken gegen die Identifikation, die zu meiner Freude auch von Leo kürzlich [1688] (Herm. XXXIX 68) entgegen seiner eigenen früheren Ansicht scharf hervorgehohen worden sind. Der Ausgangspunkt dieser Bedenken ist das Liviuskapitel. Hier heißt es § 11 nach der allgemein angenommenen Lesart: iuventus histrionibus fabellarum actu relicto ipsa inter se more antiquo ridicula intexta versibus iactitare coepit quae (? unde A, quae unde C) exodia (exodiaque exordia A) postea appellata consertaque fabellis potissimum Atellanis sunt (auf diese Stelle geht die Glosse exodia intexta ridicula Corp. gloss. V 568, 38 zurück, was Götz entgangen ist). Ich kann hier nur verstehen, wie Leo interpretiert hat: die Bürgersöhne überlassen die fabulae den Schauspielern und kehren ihrerseits zu den alten Scherzspielen zurück, die später den Namen exodia bekommen und meist hinter den Atellanen aufgeführt werden, d. h. die exodia waren improvisierte Nachspiele hinter ausgearbeiteten Stücken, und zwar waren diese ausgearbeiteten Stücke, denen Exodien folgten, meistens (potissimum) Atellanen, das E. hinter der Tragödie der seltenere Fall. Das Richtige ist (wenn auch etwas schwankend) nicht nur bei Casaubonus (De satyrica Gr. poesi, ed. Rambach, Halle 1774, 183) schon zu lesen, sondern z. B. auch bei Schober De Atellanarum exodiis. Breslau 1830, 20f. Zell Ferienschriften II 137f. Bähr Röm. Lit.-Gesch. I⁴ 178ff. Zu dieser Interpretation scheint mir nun auch Iuvenal VI 71 vortrefflich zu passen, denn ich meine, wer nicht in der hergebrachten Meinung befangen ist, wird unter e. Atellanae sich nicht ein in einer Atellane bestehendes E. denken, sondern ein zu einer Atellane gehörendes; sprachlich ist das erstere vielleicht nicht ganz unmöglich, aber gewiß das andere weitaus vorzuziehen. Die Auffassung, die sich hiernach für e. Atellanae durchaus empfiehlt, ist auch für Atellanicum e. vollkommen möglich; oder ist ein nauticum celeuma z. B. nicht so viel wie ein celeuma nautae oder nautarum ?

Irgend etwas weiteres zu behaupten ist bei der Dürftigkeit unserer Überlieferung mißlich; nur auf dreierlei wage ich noch hinzuweisen. Die Exodien können nicht immer nur extemporiert worden sein; das scheint durch Suet. Domit. 10 insofern erwiesen, als Helvidius ja wohl der Dichter des dort erwähnten E. gewesen sein muß. Zweitens: bei Iuvenal VI 71f. möchte man bei der Betonung der gestus Autonoes am liebsten an einen Pantomimus denken; ob der Ausdruck e. aber wirklich so allgemein war, auch dergleichen in sich zu fassen? Ich weiß nicht, ob man als einen Beweis anzusehen geneigt sein wird, was Scaliger zu Manilius V 145 angemerkt hat; er meint nämlich, daß Firmic. math. VI fol. LXXIX col. 4 ed. princ. cum effeminati corporis mollitie cinaedos efficient et qui veterum fabularum exitus in scaenis saepe saliantes imitentur folgende Worte eines griechischen Originals wiedergebe: τοὺς τὰ μύθων ἐξόδια ὑποκρινομένους ἀπεργάζονται. Endlich: die Atellane des Novius mit dem Titel e. ist entweder wirklich ein Ausnahmefall der Identität von Atellane und E. gewesen, oder die Handlung hatte irgendwie mit einem E. zu tun. Ich sehe jedenfalls in dieser Benennung nur einen Beweis mehr gegen die landläufige Ansicht; denn wenn viele Atellanen E. waren, wie [1689] wäre dann gerade nur diese eine zu dem Namen e. gekommen?

Wer in Exodien auftrat, hieß exodiarius. Dies Wort kennen wir außer durch das oben zitierte Iuvenalscholion und die Glossen (Corp. gloss. IV 234. V 454) noch aus Ammian. XXVIII 4, 33 und die beiden Inschriften CIL II 65 (nach Vermutung von Hübner) und VI 9797 = Buecheler Carm. epigr. 29; in letzterer erklärt sich ein vortrefflicher Ballspieler bereit, sich exodiarius seines Patronus nennen zu lassen, d. h. also wohl: seine Leistung erscheint als eine Travestie von der des patronus.