RE:Eule
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Nachtraubvogel mit klagendem Geschrei, aus der Unterwelt, der Athene heilig | |||
Band VI,1 (1907) S. 1064–1071 | |||
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Eule. Es ist auffällig, aber sicher ein Zufall, daß in den Homerischen Gedichten nur einmal die Zwergohr-E. (σκώψ Od. V 66) erwähnt wird, während bei Hesiod und in den Fragmenten der älteren Dichter von der E. sich keine Spur findet, trotzdem dieser Vogel durch sein wunderliches Aussehen, sein klagendes Geschrei und sein sonderbares Benehmen bei Tage zur Behandlung und Vergleichung geradezu herausfordert. Die spätere wissenschaftliche Zoologie (Arist. hist. an. VIII 3, 39 Aubert-Wimmer, darnach Alexander von Myndos bei Artem. Oneir. III 65) unterscheidet sechs Arten von Nachtraubvögeln: βρύας, νυκτικόραξ oder ὦτος, γλαῦξ, αἰγωλιός, ἐλεός, σκώψ. Aristoteles berichtet im allgemeinen von ihnen, daß sie einander an Gestalt ähnlich und Fleischfresser sind, daß sie einen kurzen Hals und eine breite Zunge haben und einen ausgesprochenen Nachahmungstrieb besitzen (Arist. hist. an. VIII 12, 84). Nach Theophrast ([Arist.] hist. an. IX 34, 122) sind sie bei Tage blind und leben von Mäusen, Eidechsen und größeren Insekten, auf die sie in der Morgen- und Abenddämmerung Jagd machen. Eine genauere Beschreibung der einzelnen Arten fehlt in der wissenschaftlichen Zoologie, doch lassen sich die drei Hauptgruppen, welche die moderne Naturwissenschaft unterscheidet: Ohr-E., Käuze und Schleier-E. nachweisen.
1. Der größte von allen Nachtraubvögeln ist der βρύας (βύας bei Cass. Dio XL 17. 47 u. ö., vgl. Suid. s. v., dagegen βύζα, βύξα bei Ant. Lib. 10 p. 81, 17 M.; βύξω schreie wie ein Uhu, vgl. Cass. Dio LVI 29; βρύας Hundename bei Xenoph. de venat. 7, 5; bubo bubulare von demselben den Uhuruf nachahmenden Stamm, vgl. Vaniček Etym. Wörterb. 178. Isid. orig. XII 7, 39, auch spinturnix nach seinen funkelnden Augen; vgl. [1065] Fest. p. 330). Er ist nicht viel kleiner als der Adler (Arist. hist. an. VIII 3, 39), hat Federbüschel an den Ohren wie der otus (Plin. n. h. XI 137), ist stark befiedert (Isid. XII 7, 39) und nistet in Felsenhöhlen (Isid. a. a. O. Plin. n. h. X 34). Es ist kein Zweifel, daß unser König der Nacht, der Uhu (Bubo maximus) gemeint ist. Ein naher Verwandter ist der ἀσκάλαφος (Arist. hist. an. II 17, 90); nach einer späteren Sage soll der Unterweltsdämon Askalaphos (s. d.), ein Sohn des Acheron oder Styx, von Persephone oder Demeter in diesen Vogel verwandelt worden sein. Das ist vielleicht der Pharaonenuhu (Bubo ascalaphus), der nach Brehm Tierl. V3 188 auch in Griechenland zu Hause ist. Auch der Uhu hat seine Verwandlungssage: in ihn wurde eine der Töchter des Königs Minyas von Orchomenos von Hermes verwandelt zur Strafe dafür, daß sie sich nicht um die Festfeiern des Dionysos gekümmert hatte (Nicander bei Ant. Lib. 10. Aelian. v. h. III 42). Aufgefallen war den Alten beim Uhu die eigentümliche Flugbewegung (Plin. n. h. X 35), ferner, daß sein Nachtleben erst nach Einbruch der Nacht beginnt (Apul. Flor. 13: bubonibus nocturnum [sc. cantum] natura commodavit) und daß er bei Tage regungslos in einer Felsenhöhle sitzt (Isid. XII 7, 39; daher ignavus bubo bei Ovid. met. V 550). Sein Geschrei klang ihnen wie das Seufzen und Stöhnen von Menschen (Apul. a. a. O. Plin. n. h. X 34. Verg. Aen. IV 463 und dazu Servius). Aus auguraler Quelle stammt die Angabe, daß er zuerst mit dem Schwanz aus dem Ei komme (Plin. n. h. X 38). Kein Wunder, daß dieser Vogel wegen seines lichtscheuen Wesens und seiner unheimlichen Stimme bei den Alten ein Gegenstand des Aberglaubens war. Er galt ihnen als Unterweits- und Totenvogel (avis funebris Plin. n. h. X 34. Ovid. Ib. 222. Sil. Ital. Pun. XIII 598, vgl. Robert-Preller Griech. Myth. 828, 4); daher haust er an der Stätte der Toten (Isid. XII 7, 39. Plin. n. h. X 34) und sein Gefieder ist, wie alles, was die Unterweltsgötter angeht, schwarz (nigra avis bei Prop. II 28 b, 38. Ovid. am. III 12, 1). Nicht nur sein Geschrei bei Nacht, sondern auch seinen Flug bei Tage sah man als unheilbringend an: Unglück, Brandschaden, ja selbst den Tod pflegt er zu künden (Plin. n. h. X 34. Ovid. met. V 549 venturi nuntia luctus; am. III 12, 1. Suid. s. βύας. Cass. Dio XL 17. 47. XLII 26. LIV 29. LVI 29). So prophezeit er bei Vergil den Tod der Dido (Aen. IV 462), bei der Hochzeit des Tereus und der Prokne Unglück in der Ehe (Ovid. met. VI 431), bei Ovid (met. XV 791) wird sein Geschrei unter den Vorzeichen von Caesars Ermordung erwähnt. Besonders für Liebende galt es als böses Omen (Ovid. am. I 12, 19. III 12, 1. Prop. II 28 b, 38). Doch glaubte man, daß die unglückliche Vorbedeutung aufgehoben werde, wenn ein anderer glückbringender Vogel neben ihm erscheint, oder wenn er in Scharen auftritt (Serv. Aen. IV 462). Infolgedessen gehört er in der römischen Auguralwissenschaft zu denjenigen Vögeln, deren Geschrei und Flug (oscines-alites) beobachtet wurde (Serv. a. a. O. Isid. a. a. O. Obsequ. 99. Plin. a. a. O. aus auguraler Quelle, d. h. aus Umbricius Melior, vgl. Detlefsen Herm. XXXVI 10ff.). Auf eine augurale Quelle führt die Notiz, daß unter dem [1066] Consulat des Sext. Palpellius Hister und L. Pedanius (43 n. Chr.) ein Uhu in das Kapitol flog und daß deshalb die Stadt durch Zeremonien und Opfer gereinigt werden mußte (vgl. Plin. n. h. X 36). Auch in der Traumdeutung spielt er eine Rolle: sein Erscheinen auf der Seefahrt oder Wanderung bedeutet Sturm oder Überfall durch Wegelagerer (Artemid. on. III 65). Kommt er ins Haus, so steht dem Hause der Untergang bevor (Artemid. a. a. O. Isid. XII 7, 39). Er ist der Vogel der Hexen und Zauberinnen und galt wohl selbst für eine verwandelte Hexe; alte Weiber, die Hexenspuk treiben, vermögen seine Gestalt anzunehmen. So verwandelt sich bei Apul. met. III 21 die Pamphile vor den erstaunten Blicken des lauschenden Lucius in einen Uhu (nach Luk. asin. 12 in einen κόραξ νυκτερινός d. h. in eine Ohr-E.). Damit hängt zusammen, daß dieser Vogel in der ersten Kaiserzeit, in der Magie und Aberglaube aller Arten üppig wucherten, auch in den Arzneischatz Eingang gefunden hat. Es ist unglaublich, wozu die Körperteile des Uhu verwandt wurden: die Asche der verbrannten Füße gegen Schlangengift (Plin. n. h. XXIX 81), die Asche der Augen gegen Phrenitis (Plin. n. h. XXX 95) und Kurzsichtigkeit (Plin. n. h. XXIX 127), die Asche des Kopfes gegen Milzleiden (Plin. n. h. XXX 52) und Sehnenknoten (Plin. n. h. XXX 110), das Hirn mit Gänsefett gegen Wunden (Plin. n. h. XXX 118) und Krätze (Plin. n. h. XXX 121), ein Amulet von Katzenkot mit Uhukrallen gegen Quartanfieber (XXVIII 228). Die Eier eines Uhus sollten den Haarwuchs befördern (Plin. n. h. XXIX 82), sein Herz den, der es im Kampfe trägt (Plin. n. h. XXIX 81), tapfer machen, auf die linke Brust einer schlafenden Frauensperson gelegt sie zum Ausplaudern ihrer Geheimnisse bringen; durch das Blut eines jungen Uhu sollte das Haar lockig werden (Plin. n. h. XXIX 82).
2. Ὦτος oder νυκτικόραξ (Arist. hist. an. VIII 12, 84. Isid. XII 7, 41. Artemid. oneir. III 65. IV 56. Hes. s. v.; bei den Römern otus, axio, vgl. Plin. n. h. X 68. XIX 117, vielleicht mit axare, ,schreien‘ zusammenhängend). Er ist kleiner als der Uhu, aber größer als der Steinkauz (γλαῦξ, vgl. Arist. a. a. O., daraus Alexander von Myndos bei Athen. IX 390 f. Plin. n. h. X 68), hat an den Ohren hervorstehende Federn wie der Uhu (Arist. a. a. O. Plin. n. h. XI 137. XIX 117. X 68) und kommt auf dem Herbstzuge mit den Wachteln nach Griechenland (Arist. a. a. O. Plin. n. h. X 68). Das alles paßt auf die Waldohr-E. (asio otus, vgl. Aubert-Wimmer Arist. Tierk. I 113. Brehms Tierleben V3 191ff.). Richtig ist die Beobachtung, daß er einer der possierlichsten Vögel ist, der die wunderlichsten Posituren macht und den größten Nachahmungstrieb besitzt (Arist. a. a. O. Plin. a. a. O. Alexander v. Myndos a. a. O.). Dagegen verdient die von den späteren Zoologen (vgl. Plut. de soll. an. 3 usw.) dem Aristoteles entlehnte Erzählung von der Art seines Fanges keinen Glauben. Sein Geschrei galt gleichfalls als unheilverkündend (νυκτικόραξ κακάγγελος bei Ant. Lib. 15). Nach der Sage war Eumelos, der Sohn des Merops von Kos, in diesen Vogel verwandelt worden (Ant. Lib. a. a. O.). Die Magier empfahlen seine Galle gegen Star (Plin. n. h. XXIX 117). [1067]
3. Σκώψ (von der Wurzel σκεπ zur Bezeichnung des scharfen Blickes, vgl. Curtius Gr. Etym. 168. Tyrannio im Schol. Theocr. I 136; bei den Römern strix, Nebenform striga, bei Petr. 63, 4, nach Walde Lat. Etym. Wörterb. 601 von der Wurzel streig = zischen, schwirren; vgl. Ovid. fast. VI 139. Isid. XII 7, 42; στρίγξ bei Fest. p. 314. Hes. s. στρίγλος). Eine genauere Beschreibung dieser E.-Art verdanken wir dem Alexander von Myndos (Athen. IX 391 b. Aelian. nat. an. XV 28. Schol. Theocr. I 136, vgl. Arist. hist. an. VIII 3, 39); darnach ist er kleiner als der Steinkauz, seine Färbung ist bleigrau mit weißen Flecken auf den Flügeln; außerdem hat er Federbüschel an den Ohren, ist an Gestalt der Turtel- und Waldtaube ähnlich (Aelian. nat. an. XV 28 aus Alexander von Myndos, vgl. M. Wellmann Herm. XXXVI 503). Aubert-Wimmer Arist. Tierk. I 107 hat ihn richtig auf die Zwergohr-E. (Ephialtes scops) gedeutet. Theophrast ([Arist.] IX 28, 104, aus ihm Kallimachos bei Athen. IX 391 c durch Vermittlung des Alexander von Myndos, vgl. Aelian. a. a. O.) unterscheidet zwei Arten: σκῶπες und ἀεισκῶπες, und berichtet, daß diese zu allen Jahreszeiten in Griechenland vorkommen, während jene Zugvögel sind und nur im Herbst ein bis zwei Tage erscheinen (vgl. Brehm V3 201). Sie wurden gejagt, und ihr Fleisch galt, wie noch heutzutage bei den Helgoländern, als willkommenes Gericht (Arist. a. a. O., vgl. Plaut. Pseud. 819, wo die schlechten Köche von den Kollegen verspottet werden, weil sie den Speisen an Stelle der Gewürze Fleisch von Zwerg-Ohr-E. zusetzen). Von allen E.-Arten sind sie die einzige, deren in den Homerischen Gedichten Erwähnung geschieht; der Dichter (Od. V 66) kennt sie als Bewohner der Grotte der Kalypso, auf Erlen und Schwarzpappeln nistend (vgl. Plin. n. h. X 138. Alexander von Myndos bei Athen. a. a. O. Aelian. n. a. XV 28. Schol. Theocr. I 136). Die Art des Fanges wird ebenso beschrieben wie bei der Wald-Ohr-E. (Metrodor bei Athen. IX 391 d. Plut. quaest. conv. VII 5, 5. Aelian. a. a. O. Poll. IV 103). Nach ihnen wurde eine Art des Tanzes benannt (Athen. IX 391 a. XIV 629 f. Poll. IV 103. Hes. s. v.). Sie besitzen wie die Wald-Ohr-E. die Fähigkeit, andere auf eine komische Weise nachzuahmen; von ihnen ist der Ausdruck σκώπτειν auf menschliche Verhältnisse übertragen worden (Athen. a. a. O. Aelian. a. a. O. Kallimachos im Schol. Theocr. I 136). Identisch mit dem σκώψ ist der στύξ (Hes. s. στύξ ... ἢ ὁ σκὼψ τὸ ὄρνεον), von dem es heißt, er schreie des Nachts, weil er von Hunger und Durst gequält werde, und sitze mit gesenktem Kopf und angezogenen Beinen da und künde den Menschen Krieg und Aufruhr (Boio bei Ant. Lib. 21 p. 98, 16 M.). Eine thrakische Sage berichtet, daß die Enkelin des Ares, Polyphonte, eine Verächterin der Aphrodite, in ihn verwandelt worden sei (Ant. Lib. a. a. O.). Der Name läßt darauf schließen, daß auch er als Unterweltsvogel galt (daher strix atra bei Seren. Samm. 1035). In der Tat spielte bei den Römern der strix als Totenvogel eine ähnliche Rolle wie der Uhu (Prop. III 6, 29). Beim Liebeszauber und bei Verhexungen findet er häufig Verwendung; die Zauberin Canidia (Hor. epod. 5, 20) bedient sich seiner in das Blut [1068] einer Kröte getauchten Eier und Federn bei ihrem Zauberwerk (vgl. Prop. III 6, 29. IV 5, 17). Ebenso tut Medea bei der Verjüngung des Aeson Flügel und Fleisch der striges in die zauberkräftige Mischung (Ovid. met. VII 269). Das Volk hielt sie für alte Hexen, welche Vogelgestalt angenommen haben (Plin. n. h. XI 232. Ovid. fast. VI 141. Fest. p. 314. Isid. XI 4, 2. Ovid. am. I 18, 13ff.) und verwandte den Namen als Schimpfwort (Plin. a. a. O.). Daneben galten sie als Gespenstervögel, die kleinen Kindern ihr Blut aussaugen (Ovid. fast. VI 131ff. Petr. 63. Seren. Samm. 1035); man glaubte sogar, daß sie wie Weiber Brüste hätten, mit denen sie kleine Kinder stillen könnten (Plin. a. a. O. Isid. XII 7, 42), weshalb sie im Volksmunde amma, ,Großmütterchen‘, hießen (Isid. XII 7, 42). Vgl. Jakob Grimm Deutsche Myth.1 660.
4. Der bekannteste von allen Nachtraubvögeln ist die γλαῦξ, unser Steinkauz (Surnia noctua, vgl. Aubert-Wimmer a. a. O. 89); die literarische und bildliche Überlieferung beweisen es. Er heißt auch κικκαβή oder κικυμίς (Callim. in Schol. Arist. av. 261; γλαῦξ hängt mit γλαυκός licht, schimmernd, γλαύσσω leuchte, zusammen, vgl. Curtius Gr. Etym. 178; irrtümlich wurde von späteren Grammatikern die χαλκίς, κύμινδις bei Homer Il. XIV 291 mit dem Steinkauz identifiziert, vgl. Schol. Hom. Il. a. a. O. Schol. Arist. av. 261. Suid. s. χαλκίς, γλαῦξ ἵπταται; er ist die noctua der Römer). Nach Aristoteles (hist. an. VIII 3, 39) gehört er zu den krummkralligen Vögeln und gleicht an Gestalt dem Uhu, doch ist er kleiner als dieser (Isid. XII 7, 40) und wieder größer als die Zwerg-Ohr-E. Außerdem soll er eine sehr kleine Milz und eine im unteren Teil weite Speiseröhre haben (Arist. hist. an. II 15, 64. 17, 88, vgl. Plin. n. h. X 39). Er lebt in Feindschaft mit dem Orchilos (Theophr. bei [Arist.] hist. an. IX 1, 11) und natürlich auch mit der Krähe, die vor der E. der heilige Vogel der Athene war (Theophr. bei [Arist.] hist. an. IX 1, 10. Antig. mirab. 57. Aelian. nat. an. III 9. V 48. II 49. Plin. n. h. X 203), weil beide seine Eier fressen. Auf Kreta, der heiligen Insel des Zeus, gab es keine Käuzchen (Antig. mirab. 10. Aelian. nat. an. IV 2. Plin. X 76. Isid. XVII 7, 40). Er nährt sich von Bremsen, Wespen und Hornissen (Plin. n. h. XXIX 92). Aus Theophrast ([Arist.] hist. an. IX 1, 11, vgl. Aes. fab. 105 H.) stammt die richtige Beobachtung, daß bei Tage die kleineren Vögel den Steinkauz umflattern und ihn necken und foppen, durch die possierlichen Verdrehungen seines Kopfes festgehalten (Aelian. nat. an. I 29); daher bedienten sich, wie noch heutzutage in Italien, die Vogelsteller dieses Vogels zum Vogelfang (Arist. a. a. O. Aelian. a. a. O. Auson. Mos. 308ff.), und die zahmen Käuzchen galten schon im Altertum als Hausfreunde (Aelian. nat. an. I 29). Der Fang dieses Vogels begann in Italien im Oktober (Pallad. X 12). Bei ihrer Verteidigung gegen andere Vögel sollen sie sich auf den Rücken werfen, zusammenziehen und mit Schnabel und Krallen zu schützen suchen (Plin. n. h. X 39); dabei soll ihnen der Falke zu Hilfe kommen. Im Winter brüten sie wenige Tage lang (Arist. hist. an. III 16, 109) und geben während dieser Zeit (60 Tage lang nach Nigidius [1069] Figulus, Plin. n. h. X 39) keine Augurien. Wie der Uhu soll er mit dem Schwanze zuerst aus dem Ei kommen (Hylas bei Plin. n. h. X 38). Mit einbrechender Dämmerung läßt er seinen klagenden Ruf ertönen (Apul. Flor. 13. Aes. fab. 105 H.). Κικκαβαῦ klang er den Athenern (Aristoph. av. 261, κικκαβάζειν bei Aristoph. Lys. 761. Phot. lex. 164, 20; κίκυβος, κίκυμος, κικυμώττω bei Hes., cucubare bei den Römern; κουκουβάϊα heißt der Steinkauz jetzt, vgl. Geop. I 2, 6), tutu hörten die Römer heraus (Plaut. Men. 654, vgl. Hes. τυτώ · ἡ γλαῦξ). Nach Nigidius Figulus vermag er neun verschiedene Laute von sich zu geben (Plin. n. h. X 39), eine Bemerkung, die auf Beobachtungen der Augurn zurückgehen wird. Er schützt sein Nest durch das Herz der Fledermaus gegen Ameisen (Dion. ixeut. I 16. Ps.-Nepual. ed. Gemoll Striegau 1884, 42), umgekehrt vertreibt der römische Bauer mit dem Herzen des Steinkauzes Ameisen aus seinem Garten (Pall. I 35). In der animalischen Medizin wurde sein Hirn gegen Kopfschmerz und Schwindel verwandt (Plin. n. h. XXIX 113. Lapidaires grecs ed. Ruelle II 2, 276), gegen Angina (Plin. n. h. XXX 33), zur Beförderung der Milchsekretion beim Weibe (Zop. bei Orib. II 596), sein Hirn oder seine Leber gegen Anschwellung der Ohrspeicheldrüsen (Plin. n. h. XXIX 143), seine Leber gegen Ohrenschmerzen (Lapid. gr. II 2, 276), zur Beförderung der Milchsekretion (ebd.), seine Eier gegen Trunksucht (Plin. n. h. XXX 145. Philostr. vit. Apoll. III 40; imag. II 17, 8), das Ei des männlichen Steinkauzes zur Färbung der Haare (Lapid. gr. a. a. O.), eine Abkochung des ganzen Vogels gegen Fallsucht zur Zeit des abnehmenden Mondes genommen (ebd.). Wie der Adler, so soll auch der Steinkauz, mit ausgebreiteten Flügeln am Scheunentor befestigt, Blitz und Hagelschlag abhalten, ein Aberglaube, der noch heutzutage in Deutschland allgemein verbreitet ist (Colum. X 348. Pallad. I 35).
Einen bedeutenden Platz nimmt der Steinkauz in der Sage ein. Er ist der heilige Vogel der Athene, der kriegerischen Tochter des Zeus (Arist. av. 1106. Antiph. frg. 175 K. Demon in Schol. Arist. av. 301. Porphyr. de abst. III 5. Aelian. hist. an. X 37. Schol. Arist. equit. 1093. Schol. Il. X 274. Anton. Lib. 15 usw.). Was ihn zum Liebling der Athene machte, war der unheimlich funkelnde Glanz seiner großen Augen, in denen ,der pechschwarze Kern unheimlich glüht‘ (Anton. Lib. 15, vgl. Lapid. gr. ed. Ruelle II 1, 13). Es sind die Augen der kriegerischen Göttin, die nach ihnen γλαυκῶπις benannt wurde. In den Verwandlungssagen waren es Nyktimene, die nach ihrer Schande in den heiligen Vogel der jungfräulichen Athene verwandelt wurde (Serv. Georg. I 403. Ovid. met. II 588ff. Hyg. fab. 204. Stat. Theb. III 507), oder eine von den Töchtern des Königs Minyas von Orchomenos (Nicander bei Ant. Lib. 10) oder Meropis, eine der Töchter des Eumelos von Kos (Boio bei Ant. Lib. 15). Der Flug des Vogels galt als glückverheißend, während sein klagendes Geschrei und sein Sitzen Unheil brachte (daher das Sprichwort γλαῦξ ἵπταται Paroem. gr. II 348. Bekker Anecd. gr. I 232. Schol. Arist. equit. 1093. Hes. s. v. Suid. s. v.; ,da hat eine Eule gesessen‘ heißt das Sprichwort bei uns, vgl. Köhler Das Tierleben im [1070] Sprichwort 43). Die griechischen Komiker (Menander frg. 534 K.) spotten darüber, daß die Menschen in Furcht und Schrecken geraten, wenn ein Käuzchen schreit. Vor der Schlacht bei Salamis soll ein Steinkauz von rechts auf die athenische Flotte zugeflogen sein und sich in der Takelage des Schiffes des Themistokles niedergelassen haben (Plut. vit. Them. 12. Paroem. gr. II 345. Bekker Anecd. I 232. Schol. Arist. vesp. 1086. Hes. s. v.). Als Agathokles 310 gegen die Karthager kämpfte, soll er vor der Schlacht seinen Truppen durch Loslassen von γλαῦκες Mut gemacht haben (Diod. XX 11, vgl. Imhoof-Blumer Die Flügelgestalten der Athene und Nike auf Münzen Taf. I 2); aus dem Erscheinen eines Steinkauzes hatte der Seher Polyeidos geschlossen, daß er den verschwundenen Glaukos finden werde (Aelian. nat. an. IV 2). Den Tod bedeutete es, daß sich dem Pyrrhos, als er nachts auf dem Wege nach Argos war, ein Steinkauz auf den Spieß setzte und nicht davonflog (Aelian. nat. an. X 37; vgl. Bd. II S. 1994). Durch Verweisung auf die ungünstige Vorbedeutung dieses Vogels erklärten es spätere Grammatiker, daß Athene dem Diomedes und Odysseus, als sie auf Kundschaft auszogen (Il. X 274), den Reiher, den heiligen Vogel des Poseidon, und nicht das Käuzchen als Zeichen des Gelingens schickte (Alexander von Myndos bei Aelian. a. a. O. Schol. Il. X 274; vgl. M. Wellmann Herm. XXVI 529). Der Steinkauz wurde auch sonst vielfach als prophetischer Vogel betrachtet. Als Wetterprophet kündet er Sturm, wenn er bei heiterem Wetter schreit, Sonnenschein, wenn sein Geschrei im Regen ertönt (Aelian. nat. an. VII 7. Plin. n. h. XVIII 362; vgl. Arat. Phaen. 999); schreit er nach Sonnenuntergang, so bedeutet es Regen (Serv. Georg. I 403), schreit er beständig bei Nacht, Trockenheit (Geop. I 2, 3). Als Weissagevogel spielte er in der Auguralkunde eine Rolle (Fest. p. 197 aus Ap. Claudius Pulcher; vgl. Prop. III 3, 69. Verg. Georg. I 403), desgleichen in der Traumdeutung (Artem. oneir. III 65. IV 56). In Athen genoß er als Lieblingsvogel der Stadtgöttin große Verehrung, nicht zum mindesten auch wegen seiner geistigen Fähigkeiten; galt er doch in der Tierfabel für den klügsten von allen Vögeln (Aesop. fab. 105. 200 H.; die E. als Symbol der Wissenschaft vermag ich nicht nachzuweisen, doch liegt diese Vorstellung bei dem Vogel der Athene nahe). Auf der Burg trieben so zahllose Steinkäuze bei Nacht ihr Wesen, daß durch ihr Geschrei die Nachtruhe der Frauen gestört wurde (Aristoph. Lys. 761. Schol. Aristoph. av. 261; daher das bekannte Sprichwort γλαῦκ' Ἀθήναζε Aristoph. av. 301. Paroem. gr. II 345. I 59. Hes. Suid. s. v.). Der Steinkauz fehlte natürlich auch an der Athena Parthenos des Pheidias nicht; es ist eine wahrscheinliche Vermutung, daß er auf dem einen von den aufgerichteten Backenschilden am Helm der Göttin gebildet war (Kieseritzky Athen. Mitt. VIII 291ff. 304. Studniczka Arch. Ztg. 1884, 162f.). Das Bild der Athena ἀρχηγέτις trug einen Steinkauz auf der linken Hand (Schol. Arist. av. 515. Müller-Wieseler II 219. Stephani C. R. 1867, 153. Schöne Gr. Rel. nr. 87. 137). Auf der Akropolis von Athen gab es zahlreiche E.-Bilder (Ross Arch. Aufs. I 205. 207). Als Attribut der Athene [1071] ist die E. häufig auf Gemmen, Münzen und Vasen: sie sitzt entweder auf der Hand oder zu Füßen der Göttin oder neben ihr auf einem Cippus (Imhoof-Blumer und O. Keller Tier- und Pflanzenbilder auf Münzen und Gemmen S. 31ff. Taf. V 17–20. XX 61. Jahn Münch. Vasens. nr. 369. 645. Furtwängler Vasens. Berlin Register s. v.; Meisterwerke 143ff. Gerhard Vasenb. Taf. 128 u. ö.); Athene auf einem von E. gezogenen Wagen, Müller-Wieseler II 241, Athene auf einem Widder, in der Rechten das Käuzchen, in der Linken den Speer, Imhoof-Blumer a. a. O. Taf. XVIII 52. Müller-Wieseler II 225, das Käuzchen zu Häupten der Athene im Kampf mit dem Giganten Enkelados, Müller-Wieseler II 229. Als Symbole, auf denen das Käuzchen sitzt, begegnen panathenaeische Preisamphoren (Müller-Wieseler II 1136. I 269. Imhoof-Blumer XX 61; vgl. Arist. av. 358), Ähre (Imhoof-Blumer Taf. V 16), Blitz, Schiffsprora, Stierschädel, Säulenkapitell usw. (vgl. Imhoof-Blumer a. a. O.). Der Steinkauz als Münzzeichen Athens findet sich seit dem 6. Jhdt. auf Silber-, Gold- und später auch auf Kupfermünzen, und zwar auf dem Revers mit der Legende ΑΘΕ, während die Vorderseite den Athenakopf im Helm zeigt; man nannte die Münzen wegen der Darstellung γλαῦκες (Schol. Arist. av. 301. Plut. Lys. 16. Arist. av. 1106; Ritt. 1093 mit Schol.).
Über die E. im Sprichwort vgl. Köhler Das Tierleben im Sprichwort 42ff.
5. Ἐλεός, αἰγωλιός. Beide werden von Aristoteles (hist. an. VIII 3, 39; vgl. Artem. oneir. III 65. Suid. s. ἐλεός) zusammen mit der Zwerg-Ohr-E. erwähnt. Der ἐλεός ist größer als ein Huhn, der αἰγωλιός ihm ähnlich, beide nisten in Felsen und Höhlen und machen auf den Eichelhäher (κίττα) Jagd. Der ἐλεός lebt mit der Krex, dem heiligen Vogel der Athene (Porph. de abst. III 5) in Feindschaft (Arist. IX 1, 16), der αἰγωλιός, der bisweilen vier Junge hat (Arist. VI 6, 38), mit dem κάλαρις ([Arist.] IX 1, 13). Der αἰγωλιός hat seine Verwandlungssage: nach Ant. Lib. 19 (aus Boio) wurde ein Kreter dieses Namens, der es gewagt hatte, in die heilige Bienenhöhle auf Kreta einzudringen, von Zeus in ihn verwandelt. Der ἐλεός ist vielleicht mit der ulula identisch, die Plinius n. h. X 34 zu den lichtscheuen Nachtraubvögeln rechnet. Ihr Geschrei, das klagend klingt, ist gegen Abend zu hören (Apul. flor. 13). Der ἐλεός ist nach Aubert-Wimmer Tierk. d. Arist. I 91 die Schleier-E. (Strix flammea), der αἰγωλιός der Waldkauz (Strix aluco).