RE:Euergetes 2
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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In gr. Städten Ehrentitel für Bürger fremder Staaten | |||
Band VI,1 (1907) S. 978–981 | |||
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2) Εὐεργέτης (dor. εὐεργέτας), ein Ehrentitel, mit dem in griechischen Städten Bürger fremder Staaten, besonders auch Fürsten und ganze Gemeinwesen für Verdienste um den Staat ausgezeichnet wurden. Der Titel ‚Wohltäter‘ selbst wird bezeichnet durch εὐεργεσία: Athen IG II 38 (378 v. Chr.). 69 (358 v. Chr.). 111 (345/4 v. Chr.). 144. Demosth. XX 60. Xen. hell. I 1, 26; Trozen IG IV 78 (369 v. Chr.); Kerkyra Plut. Them. 24; Ilion Dittenberger Syll.² 103. (4. Jhdt. v. Chr.); Melita IG XIV 953 (210 v. Chr.). Auch Frauen erhielten den entsprechenden Ehrentitel εὐεργέτις: Lamia, Collitz 1440. Gewöhnlich erscheint der Titel εὐ. verbunden mit πρόξενος; aus der folgenden Übersicht über die Verbreitung dieses Titels ergibt sich, daß sich derselbe vom 5. Jhdt. v. Chr. bis ins 2. Jhdt. n. Chr. findet, während in römischer Zeit derselbe mit anderen Titeln verbunden erscheint. Für Athen bezeugt Herod. VIII 136 das Bestehen dieser Ehrenbezeugung für den Beginn des 5. Jhdts. v. Chr., die Inschriften beweisen die Ausbreitung desselben im Mutterlande und in den Kolonien. Athen: IG I 16 (460 v. Chr.). 45 (421/0). 59 (410). 64 (409–405). 65. II 1 (Ausgang des 5. Jhdts.). 2 b. 9 (394/3). IG XII 1, 977 (394/3). II 21 (377/6). 38 (380). 87. 89. 95. 111. 119. 124. 144. 145. 145 b. 150. Xen. hell. I 1, 26; de vect. III 11. Lys. XIII 72. XX 19. Demosth. XX 60. XXIII 185. Die späteste Erwähnung ist wohl IG II 296 k (3. Jhdt.). Außer Athen: Argos, Denkschr. Akad. Wien XLIV 108 (2. Jhdt. v. Chr.). IG IV 559; Trozen, IG II 458 b. IV 748 (369 v. Chr.). 756; Epidauros, IG IV 917–919. 925 (3. Jhdt. v. Chr.); Tegea, Inschr. v. Olympia 398. Dittenberger Syll.² 476; Alea, Michel Recueil 188 (5. Jhdt. v. Chr.); Lusoi, Österr. Jahresh. IV 68f. nr. 2. 3. 5. 6. 8. 13 (3./2. Jhdt. v. Chr.); Sparta, Xen. hell. VI 1 (4. Jhdt.); Geronthrai, CIG 1334; Gytheion, Arch.-epigr. Mitt. XX 69; Tainaron (κοινὸν τῶν Λακεδαιμονίων) CIG 1335; Aigion, CIG 1542 (276/145 v. Chr.); Megara, IG VII 2. 3. 7. 9. 10–14 (3. Jhdt. v. Chr.); Aigosthenai, ebd. 208. 213. 219 (3. und 2. Jhdt. v. Chr.); Oropos, ebd. 237. 239–242. 246 (270 246 v. Chr.); Tanagra, ebd. 504–536 (222/205 v. Chr.); Plataiai, ebd. 1664–1665; Thespiai, ebd. 1721–1728. 1731 (3. Jhdt. v. Chr.); Thisbe, ebd. 2223–2224; Chorsiai, ebd. 2383. 2385. 2387. 2388; Thebai, ebd. 2407 (174 v. Chr.). 2408; Akraiphia, ebd. [979] 2708; Haliartos, ebd. 2848–2849 (168 v. Chr.); Koroneia, ebd. 2858 (κοινὸν τῶν Βοιωτῶν); Orchomenos, ebd. 3166–3168 (222/205 v. Chr.); Chaironeia, ebd. 3287 (200/150 v. Chr.); Delphi, Dittenberger Syll.² 925 (207/6 v. Chr.). Bull. hell. VI 225 nr. 58; vgl. nr. 50. 51. 56f.; Aitoler, Bull. hell. V 372 (2. Jhdt. v. Chr.); Lamia, Collitz 1439–1441; Thaumokoi, Michel Rec. 299 (2. Jhdt. v. Chr.); Akarnanen, Michel Rec. 312. 313 (2. Jhdt. v. Chr.); Antikyra, IG IX 1–2 (2. Jhdt. v. Chr.); Stiris, ebd. 33; Daulis, ebd. 62; Elatea, ebd. 100 (3. Jhdt. v. Chr.); Chaleion, ebd. 330 (2. Jhdt. v. Chr.); Stratos, ebd. 444; Anaktorion, ebd. 513–515 (2. Jhdt. v. Chr.); Kerkyra, Thuc. I 136. Plut. Them. 24 (5. Jhdt. v. Chr.). IG IX 685–688; Thessalien: Thetonion, Herm. XXXIV 183f. (5. Jhdt. v. Chr.); Inseln: Euboia: Eretria, Ἐφημ. ἀρχ. 1899, 142, 8 (4. Jhdt. v. Chr.); Delos, Bull. hell. I 279f. Kos, Paton-Hicks 4. 76–80; Thasos, CIG 2161 (3. Jhdt. v. Chr.); Rhodos, IG XII 1, 69 (3. Jhdt. v. Chr.). 48 (82/74 v. Chr.). 99 (2. Jhdt. n. Chr.); Lesbos, XII 2, 12; Eresos, ebd. 527 (3. Jhdt. v. Chr.); Telos, XII 3, 29 (3./2. Jhdt. v. Chr.); Anaphe, ebd. 254 (220 v. Chr.); Thera, ebd. 332. 333 (2. Jhdt. v. Chr.). 497; Paros, IG XII 5, 114 (4. Jhdt. v. Chr.); Keos: Karthaia, ebd. 536; Iulis, ebd. 596. 599; Kreta: Aptera, Bull. hell. III 425, 2 (2. Jhdt. v. Chr.); Itanos, Michel Recueil 444 (3. Jhdt. v. Chr.); Malla, ebd. 448 (2. Jhdt. v. Chr.); Samos, Dittenberger Syll.² 162 (322 v. Chr.); Kleinasien: Chalkedon, Athen. Mitt. XXVII 267, 2; Kios, CIG 3723 (4. Jhdt. v. Chr.); Ilion, Dittenberger Syll.² 103 (4. Jhdt. v. Chr.). 479 (3. Jhdt. v. Chr.). CIG 3596; Lampsakos, Athen. Mitt. VI 103; Zeleia, Athen. Mitt. IX 58, 3 (4. Jhdt. v. Chr.); Erythrai, Le Bas III 39 (394 v. Chr.). 40 (ἐοεργέτην); Kyme, Collitz 312. 313 (röm. Zeit); Bargylia, Le Bas III 87 (3. Jhdt. v. Chr.); Theangela, Class. rev. III 236, 3; Halikarnass, Bull. hell. IV 395, 2. Anc. Gr. inscr. 887; Iasos, Michel Rec. 465 (3. Jhdt. v. Chr.). CIG. 2673. 2675. 2678; Stratonikeia (Karien), Bull. hell. XIV 372 (2. Jhdt. v. Chr.); Tralleis Σύλλογος XV 58, 5; Anisa (Kappadokien), Michel Rec. 546 (1. Jhdt. v. Chr.); Lissa (Lykien), Michel 548 (239 v. Chr.). Im Westen: Akragas, IG XIV 952. 954 (210 v. Chr.); Melita, ebd. 953; Region, ebd. 612 (69 v. Chr.).
In der Römerzeit erscheint der Titel in Verbindung mit anderen Ehrenbezeichnungen, wovon einige Beispiele angeführt werden mögen. In der bilinguen Inschrift von Lilybaeum IG XIV 277 wird es übersetzt mit patronus perpetuus; dann kommt die Verbindung εὐ. καὶ πάτρων oder πάτρων καὶ εὐ. vielfach vor: Olympia, Inschr. v. Ol. 328. 371; Kerkyra, IG IX 722; Tenos, Österr. Jahresh. IV 167; Heraklea Pontica, Arch.-epigr. Mitt. VIII 20 (2. Jhdt. n. Chr.). Häufig findet sich die Verbindung σωτὴρ καὶ εὐ. Olympia, Inschr. v. Ol. 330. 365; Perinthos, Dumont Mél. 63; Karpathos, IG XII 1, 978; Lesbos, ebd. XII 2, 143; Astypalaia, ebd. XII 3, 207. 208; Thera, ebd. 519. In Hieropolis (Kilikien) wird ein εὐεργέτης καὶ κηδεμὼν τοῦ δήμου genannt Denkschr. Akad. Wien XLIV nr. 63, auf Anaphe ein φιλόπατρις καὶ εὐεργέτας καὶ κτίστας τᾶς πατρίδος, IG XII 3, 272 usw. Vielfach findet sich εὐεργέτις z. B. auf Lesbos.
[980] Die Verleihung des Titels εὐεργέτης τῶν …, τῆς πόλεως, τοῦ δήμου erfolgte durch Volksbeschluß; der Geehrte wurde in die Liste der εὐεργέται bezw. πρόξενοι καὶ εὐεργέται aufgezeichnet. Daher die älteste Formel lautet ἀναγράψαι τὸν δεῖνα: Athen, IG I 45. 59. 62 b. II 1. 9. 29. 38. 39. 45. XII 1, 977. Lys. XIII 72. XX 19. Demosth. XX 64; Alea, Michel 188: πρόξενον καὶ εὐεργέταν γράφσαι ἐν Ὀλυνπίαι; Thera IG XII 3, 332: τόςδε ἀνέγραψε ὁ γραμματεὺς προξένος καὶ εὐεργέτας; ebd. 333: oἵδε ἀνεγράφεν ὑπὸ γραμματέων προξένος καὶ εὐεργέτας; Samos, Dittenberger Syll.² 162; Malla, Michel 448; Erythrai, Le Bas 39. 40; Halikarnass, Michel 454; Stratonikeia, Bull. hell. XIV 373. Die gewöhnliche Formel, in Athen regelmäßig seit der Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. ist: εἶναι (εἶμεν, ἦμεν) τὸν δεῖνα πρόξενον καὶ εὐεργέτην; zu beachten wäre IG II 176: εἶναι αὐτὸν ἐν τοῖς εὐεργέταις τοῦ δήμου τοῦ Ἀθηναίων; εἶναι προξενίαν καὶ εὐεργεσίαν Trozen. Endlich findet sich ποιήσασθαι πρ. κ. εὐ. in Itanos auf Kreta, Michel 444, ποιῆσαι Region IG XIV 612; πεποιήκε Gytheion, Arch.-epigr. Mitt. XX 69. In Anisa lesen wir: δεδόχθαι τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι … κατὰ τὴν γεγενημένην ἐν βουλῆι καὶ ἐκκλησίαι χειροτονίαν ὑπάρχειν αὐτὸν εὐεργέτην τοῦ δήμου. Die Stele wird oft erwähnt: Athen, Kios, Bargylia, Halikarnass; eine Liste ist uns erhalten in Epidauros, IG IV 925, die Aufzeichnung von 14 Jahren; daraus ist zu ersehen, daß jährlich in einer bestimmten Versammlung, am 4. des Apellaios, die Verleihung der Ehrentitel erfolgte. Her. VIII 85 erwähnt eine ähnliche Sitte bei den Persern: Φύλακος δὲ εὐεργέτης βασιλέος ἀνεγράφη. In Athen war Bewerbung um die Auszeichnung üblich: [Lys.] XX 19. Xen. de vect. III 11. Die Verleihung erfolgte ursprünglich nur an den Geehrten, später auch an die Nachkommen, daher die Formel: αὐτὸν καὶ ἐκγόνους, so in Athen (einmal αὐτὸν καὶ τοῦς παῖδας), Argos, Trozen, Lusoi (auch γενεάν), Oropos, Aptera, Kos, Kalchedon usw. Was den Inhalt und Wert dieses Ehrentitels betrifft, läßt sich nichts Bestimmtes sagen: Monceaux Les proxénies definiert wohl richtig: die Euergesie ist nur eine Ehrenbezeugung, die Proxenie war ursprünglich ein Amt. Auf das Vorhandensein gesetzlicher Bestimmungen über den Umfang der durch die Verleihung des Titels einem E. ipso iure zukommenden Rechte und Ehren läßt der so häufige Zusatz: ὅσα καὶ τοῖς ἄλλοις oder καθάπερ τοῖς ἄλλοις προξένοις καὶ εὐεργέταις und die Formel κατὰ τὸν νόμον bei den Akarnanen Michel 312 und 313 und in Opus Collitz 1505 schließen. Dittmar De Atheniensium more 117 meint, die Euergesie sei höher geschätzt gewesen als die Proxenie, was nicht richtig ist. Es ist vielmehr die Ansicht B. Keils Hermes XXXIV 184 und Francottes 22 zu billigen: die Euergesie ist ein geringerer Grad, die dritte Klasse, während die Proxenie die zweite, die Politie die erste Klasse bildet. So erklärt sich denn, daß vielfach die Euergesie und Proxenie verliehen, dagegen nur die Aufzeichnung der προξενία angeordnet wird: Athen IG II 89. 124; Kios, CIG 3723 u. ö.; daher war die Euergesie in die Proxenie eingeschlossen, was Dittmar 116 mit Unrecht bestreitet. Schon die gewöhnliche Reihenfolge [981] προξ. κ. εὐεργ. läßt die εὐεργεσία nicht höher erscheinen; nur in wenigen Fällen erscheint die umgekehrte Folge, so in Erythrai, Le Bas III 39. 40; Malla, Michel 448. Es wurde oben gesagt, die Auszeichnung sei an Bürger fremder Staaten verliehen worden; unrichtig sagt Monceaux 58, Nicolai zu Lyk. Leokr. § 51 und Gebauer zu Lys. XIII 72, dieser Titel sei an Bürger und Ausländer verliehen worden; richtig Szanto Bürgerr. 15, Keil und besonders Francotte: Qui dit proxène et évergéte dit étranger. Wir sehen daher auch in den Inschriften die Heimat des Geehrten angegeben; einige Beispiele mögen angeführt werden, um die Beziehungen einzelner Städte mit Ausländern erkennen zu lassen; Alexander von Makedonien wird πρόξενος καὶ εὐ. der Athener genannt, Her. VIII 136. IG I 45 betrifft einen Bürger aus Alea und einen aus Phlius; 64 einen Salaminier aus Kypros; I 65 und II 87 einen Bürger aus Herakleia; II 145 einen Phaseliten u. a. In Epidauros wird ein Lampsakener und ein Kyprier, in Megara ein Halikarnassier, in Oropos ein Rhodier und Halikarnassier, in Thespiai ein Alexandrier, Kanopier und ein Tarentiner, in Argos ein Seleukier, in Theben ein Karthager, in Andros ein Babylonier usw. mit dem Ehrentitel ausgezeichnet; Themisthokles war εὐ. der Korkyräer. Von Interesse ist die Verleihung des Titels an ganze Städte: so heißt es IG XII 1, 977 (394/3 v. Chr.): Ἀγήσαρχον Καρπάθιον καὶ τὸς παῖδας καὶ τὸ Ἐτεοκαρπαθίων κοινὸν γράψαι εὐεργέτας Ἀθηναίων; Dittenberger Syll.² 925 aus Delphi εἶμεν Μεσσανίους εὐεργέτας τοῦ ἱεροῦ καὶ τᾶς πόλιος. Ob für die Plataeer die Bezeichnung εὐεργέται als Ehrentitel von Seite der übrigen Griechen erfolgt war, läßt sich nicht bestimmen, vgl. Thukyd. III 47f.
Wie die Vereine sonstige staatliche Einrichtungen nachahmten, so verliehen sie auch den Ehrentitel εὐ.; aus dem 1. Jhdt. v. Chr. kennen wir einen Beschluß der dionysischen Künstler in Elis, der einen Messenier, τὸν αὐτῶν πρόξενον καὶ εὐεργέτην ehrt: Inschr. v. Ol. 405. Εὐεργέται der dionysischen Künstler nennt die Inschrift aus Teos CIG 3069, der μύσται in Teos Le Bas III 106.
Εὐ. als Eigenname wird von Strabon XV 724 und Diod. XVII 81 angeführt und erscheint als Beiname der Fürsten und Könige.
Literatur: Monceaux Les proxénies Grecques (1886) 55f. Dittmar De Atheniensium more exteros coronis publice ornandi 113f. B. Keil Herm. XXXIV 184. H. Francotte De la condition des étrangers dans les cités grecques proxénes, évergétes, météques, isotèles, et étrangers résidants. Louvain 1903, 22f.