RE:Eteokles 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Figur d. gr. Sage | |||
Band VI,1 (1907) S. 707–708 | |||
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Eteokles. 1) Ἐτεοκλῆς aus Ἐτεϝοκλῆς (vgl. die etruskische Form Etevukle), βίη Ἐτεοκληείη Hom. Il. IV 386, Nebenform Eteoklos Ἐτέοκλος, vgl. Usener Sintflutsagen 53f., wo viele Parallelen gesammelt. Bei diesem Namen scheint jedoch die Form Eteoklos (s. d.) ausschließlich für den Genossen der Sieben gegen Theben gebraucht zu sein zur Differenzierung vom Thebaner E. Ursprünglich dürften beide identisch sein wie auch der Orchomenier. Es wandert dieser Heroennamen, wie so viele, von Nordwest nach Südost.
1. Eteokles, König von Orchomenos, ist Sohn der Euippe (Tochter des Leukon, Enkelin des Athamas) und des Flußgottes Kephisos, wie nach Paus. IX 34, 9 bei Dichtern zu finden, weshalb auch einige Dichter ihn Κηφισιάδης nennten, nach andern aber gezeugt vom ersten König von Orchomenos, Andreus, dem Sohn des Peneios. Nachkommenschaft des E. wird nicht verzeichnet. Aber sein Name lebte fort im Namen der einen Phyle seines Landes, während die andere nach seinem Flusse und Vater Κηφισιάς hieß. Ferner gilt er als Stifter des Kultes der drei Charitinnen, mit denen er also wohl selbst verehrt wurde. Paus. IX 34. 35. Strab. IX 414. Schol. Pind. Ol. XIV 1, das zur Notiz, daß E., des Kephissos Sohn, zuerst den Charitinnen geopfert, Hesiod (Rzach2 frg. 39 vgl. frg. 38) zitiert. Demnach dürften wohl ,einige Dichter‘, die Pausanias anführt, mit Hesiod identisch sein.
2. Der Oidipussohn, der im Kampf um die Herrschaft Thebens seinen Bruder Polyneikes tötet und von ihm getötet wird. Sein Kult in Theben ist nicht bezeugt, auch sein Grab nicht, vgl. Paus. IX 25, 2. Auch nicht der Kult der Charitinnen für Theben, doch wahrscheinlich, s. o. Bd. III S. 2154.
Desto fester hat ihn die Heldensage als den König und Verteidiger Thebens im Kampfe gegen die Sieben gehalten. Als Gegner und Bruder gab sie ihm den Polyneikes, der in seinem Namen den Zweck seiner Existenz trägt, offenbar eine Ausgeburt der Phantasie ohne religiöses Fundament. Sie sind Söhne des Oidipus, entweder mit seiner eigenen Mutter Iokaste (Epikaste, s. d.) erzeugt oder nach deren Tode mit Euryganeia (s. d.), so das Epos Oidipodee und Schol. Euripid. Phoen. 63. Pherekydes FHG I 58.
Die Veranlassung des Bruderzwistes ist von [708] den Dichtern mannigfach ausgestaltet worden, und teils ist Polyneikes – das doch wohl das Ursprüngliche – teils E. – besonders von Euripides Phoen. 499ff. und Sophokles O. C. 1295 – als der Schuldige hingestellt, bald dieser bald jener der Ältere. Daß der Fluch ihres Vaters Oidipus sie in den Kampf getrieben habe, ist seit dem 5. Jhdt. allgemeine Überlieferung und war schon in dem allerdings der spätesten Zeit heroischer Epik angehörigen Epos Thebais erzählt, das sie den Oidipus der Herrschaft berauben ließ: frg. 2 und 3 Kinkel, vgl. Welcker Epischer Zyklus II 334. Bethe Theban. Heldenlieder 102ff. Hesiod. op. 163 scheint den Fluch nicht zu kennen, auch für das in Boiotien entstandene Epos Oidipodeia ist er nicht nachweisbar, wohl aber der gegenseitige Brudermord im Beisein ihrer Mutter Euryganeia: Paus. IX 5, 11. Bethe Theb. Heldenlieder 25. Erst im 5. Jhdt. ist die Wendung nachweisbar, daß die Brüder als Sprossen blutschänderischer Ehe untergehen müssen.
Die älteste erhaltene Darstellung des Bruderzwistes ist die Tragödie des Aischylos von 467 Ἑπτὰ ἐπὶ Θήβας, in der E. als edler Fürst und selbstloser Vaterlandsverteidiger mit der ganzen Sympathie des Dichters geschildert ist. Denselben Vorwurf hat Euripides in den Φοίνισσαι von 411/09 behandelt mit Parteinahme für Polyneikes gegen den als herrschsüchtig gezeichneten E. und versucht, den Bruderzwist auch psychologisch zu begründen. Bei ihm haben, wie in der Thebais, die Brüder gemeinsam den blinden Oidipus aus der Herrschaft verdrängt und eingeschlossen (68ff.). Um seinem Fluche zu entgehen, verabreden sie, abwechselnd solle der eine herrschen, der andere außer Landes gehen. Polyneikes als der Jüngere verläßt Theben auf ein Jahr, doch dem Zurückgekehrten weigert E. die Herrschaft und stößt ihn hinaus. Nach Schol. Euripid. Phoen. 71 hatte die gewaltsame Entfernung des Polyneikes Pherekydes (frg. 49) erzählt, Hellanikos (frg. 12) dagegen, daß die Brüder die Erbschaft geteilt, E. habe die Herrschaft, Polyneikes die der Ahnmutter Harmonia von Göttern geschenkten Chiton und Halsband gewählt. Vgl. Apollod. bibl. III § 57. 68ff. Wg. Hyg. fab. 68. Stat. Theb. bes. I 137. VIII 353, der die mythographische Tradition teils voraussetzt, teils wild durcheinandermischt. Der Kampfplatz der beiden Brüder wurde nach Paus. IX 25, 2 vor dem Neistischen Tore gezeigt und war durch Säule und Schild gekennzeichnet. Als Sohn und Nachfolger des E. wird Laodamas genannt, Apoll. bibl. III 7, 3. Paus. I 39, 2. IX 5, 6f. 9. 2, vgl. Herodot. V 61. Bildliche Darstellungen des Brudermordes auf dem Kypseloskasten (Paus. V 19, 1), gesammelt in Overbecks Her. Gallerie 135ff., Tonfiguren aus Telamon gedeutet auf E. und Polyneikes im Museo archeologico zu Florenz, Not. d. scavi 1892. Häufig auf etruskischen Aschenkisten, s. Brunn-Körte Urne Etrusche II.