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RE:Dioskurides 5

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Alexandrinischer Epigrammatiker
Band V,1 (1903) S. 11251128
GND: 102359199
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5) Der letzte und vielseitigste der grossen alexandrinischen Epigrammatiker. Seine Zeit bestimmt sich einigermassen durch das Epigramm auf den verstorbenen Komiker Machon (Anth. VII 708), andererseits durch die zahlreichen Nachahmungen des D. bei Antipater von Sidon; er lebte zu Alexandreia (XI 363, vgl. VII 76. 166. IX 568). Von seinen erotischen Epigrammen hat Meleager nur wenige kurze, leichtplaudernde Nachahmungen des Asklepiades erhalten (V 138. 193). Einen volleren Überblick gewährt die kurze Sammlung Anth. V 2–103 (vgl. u.). So zeigt V 52 zwar den Ton des Asklepiades, aber gesteigert und auf einen Stoff des Kallimachos übertragen [1126] (vgl. V 6 ὤμοσε-ωμοσε:ὅρκον-ὅρκος; man beachte die rhetorische Wirkung der kurzen Sätze in der Erzählung D.s). Grössere Fülle und rhetorisches Pathos zeigt V 56 (beachte den streng parallelen Bau der drei ersten Disticha und den harten Umbruch in der aus VII 100, 3. 4 entnommenen Pointe, die durch den Vergleich der Rohre des Midas mit dem des Dichters erweitert und gesteigert wird). Eine Weiterbildung der kurzen Erzählungen des Asklepiades, aber beeinflusst von dem Behagen an unverhülltester Darstellung der Sinnlichkeit bietet V 55 (vgl. L. Apulei Ἁνεχόμενος ex Menandro, Baehrens PLM IV 104), lehrhafte Obscoenität in beabsichtigtem Gegensatz von Form und Inhalt V 54. D. giebt dem erotischen Epigramm eine ähnliche Fortbildung wie Ovid der römischen Elegie; wie Ovid klingt bei ihm oft leichte Selbstironie durch, und wie Ovid. giebt er mehr als einer seiner Vorgänger Einblick in das tägliche Leben und die Vergnügungen der Grossstadt (vgl. die für die Theateraufführungen in Alexandreia wichtigen Gedichte V 138. XI 195). Erhalten sind ferner zwei skoptische Gedichte XII 42 und XI 363, von denen letzteres, in der gewaltigen Entrüstung ganz eigenartig, an manche Gedichte Catulls erinnern kann. In der eigentlichen Aufschrift und den an sie anschliessenden Epigrammarten zeigt D., dass er auch unter dem Einfluss des Leonidas von Tarent steht; aber auch hier verrät sich ein beständiges Streben, die Formen zu erweitern und mannigfaltiger zu machen. Von den mindestens seit Leonidas üblichen Epigrammen auf Dichter der Vorzeit wahren den hergebrachten Ton am strengsten VII 407 und 31 auf Sappho und Anakreon, einfache Loblieder, die zugleich möglichst viel der von jenen besungenen Stoffe erwähnen sollen. Andere Epigramme berühren sich eng mit der gelehrten Litteratur. So ist IX 340 das Gedicht auf die Erfindung der Flöte und der phrygischen Tonart durch Hyagnis ganz aus einem auch in der parischen Marmorchronik benützten Werk über ,Erfindungen‘ (vgl. Marm. Parium v. 19), welches gegen den Peplos des Aristoteles-Theophrast polemisierte (vgl. Reitzenstein Epigramm u. Skolion 166, 6). Mit benützt scheint dieselbe, wegen der Übereinstimmung mit dem Marm. Par. v. 54 und 58, in dem Epigramm auf Thespis VII 410 (vgl. VII 411, 1 Θέσπιδος εὕρεμα τοῦτο. Themistios or. 26 p. 382 Di. προσέχομεν Ἀριστοτέλει ὅτι τὸ μὲν πρῶτον ὁ χορὸς εἰσιὼν ᾖδεν εἰς τοὺς θεούς, Θέσπις δὲ πρόλογόν τε καὶ ῥῆσιν ἐξεῦρεν, Αἰσχύλος δὲ τρίτον ὑποκριτὴν καὶ ὀκριβάντας aus dem Peplos). Als Thema für eine weitere Epigrammreihe giebt D. hier an:οἱ δὲ μεταπράσσουσι νέοι τόδε, doch ist zunächst wohl an dieser Stelle ein Epigramm auf Pratinas von Phlius als Erfinder des Satyrspieles verloren, welches VII 37 und VII 707 vorausgesetzt wird, und erst hierauf folgte VII 411 das auf das Thespisepigramm zurückweisende Gedicht auf Aischylos. Wie sich hier mit der Angabe der Neuerungen das ästhetische Urteil über den Stil verbindet, so bietet VII 37 das Grabgedicht auf Sophokles neben der Angabe, dass er das Satyrspiel zur höchsten Feinheit erhoben hat, unvermittelt das Urteil ,Antigone und Elektra sind die vollkommensten Tragoedien‘. Den [1127] Abschluss giebt VII 707 der Preis des Sositheos, der das Satyrspiel wieder zu archaischer Schlichtheit zurückgebildet hat. Unmittelbar daneben steht in einer Meleagerreihe das Epigramm auf Machon, welches diesem die Zurückbildung der Komoedie zu der archaischen Schlichtheit und zu der Bitterkeit des persönlichen Spottes zuschreibt. Da in dem Thespisepigramm auch die Komoedie erwähnt ist (410, 4 χὡττικὸς ἦν σύκων ἄρριχος ἆθλον ἔτι Marm. Par. 54 ἆθλον ἐτέθη πρῶτον ἰσχάδων ἄρσιχος), dürfen wir annehmen, dass vor Thespis noch Susarion und zwischen den Tragikern die Komiker erwähnt waren, und dass Machon in diesem kleinen Cyclus unmittelbar nach Sositheos - den Schluss bildete. Die Anlehnung an peripatetische Theorien ist ebenso handgreiflich, wie das Bestreben, in strengem Parallelismus für jede Dramengattung die gleiche Bewegung zu schildern; dies ist wohl der Grund, weshalb bei Sophokles hauptsächlich die Satyrspiele betont werden. Die archaisierende Tendenz des Cyclus und der ganzen Zeit hat v. Wilamowitz (Herakles¹ I 137; vgl. jetzt Textgeschichte der griech. Lyriker 63) mit Recht hervorgehoben; ob für Euripides in dem Cyclus wirklich kein Raum war, ist kaum zu entscheiden. Mir scheinen ein oder zwei Gedichte auf Tragiker verloren. In der Form herrscht innerhalb des Cyclus beständiger Wechsel; viele Einzelnheiten bedürften noch besonderer Erklärung.

                                                :

Verschieden hiervon, doch ebenfalls in engster Berührung mit der gelehrten Litteratur steht VII 351 die Verteidigung der Töchter des Lykambes gegen Archilochos (aus einem βίος Ἀρχιλόχου etwa in der Art des Chamaileon); für VII 450 die Verteidigung der Philainis besitzen wir in dem Ps.-Epigramm des Aischrion (Athen. VIII 335 c = Anthol. VII 345 ἀδέσποτον οἱ δὲ Σιμωνίδου) wohl das Vorbild.

Einen anderen kleinen Cyclus mögen die Anekdoten von spartanischer Tapferkeit gebildet haben, vgl. VII 430 auf Othryades, 434 auf Demainete, 229 auf Tynnichos. Eine Sammlung derartiger Epigramme von verschiedenen Dichtern, wahrscheinlich ohne Autorenbezeichnung, benützte Ps.-Plutarch apophthegm. Lac. 235 A. 240 F. 241 A (zwei sich entsprechende Gedichte sind durcheinandergekommen; vgl. zu der Stelle H. Stadtmüller Festschrift zu der 350jährigen Jubelfeier des Gymnas. zu Heidelberg 62 Anm.; über derartige Sammlungen vgl. Bd. II S. 1626).

Die Ausgestaltung des Anekdotenepigramms in den Stil der Erzählung zeigt VI 220 das Epigramm auf den Atys. Die Geschichte scheint, wie Geffcken Leonidas v. Tarent 96 erkannt hat, zunächst von Ps.-Simonides VI 217 kurz (unter fühlbarer Einwirkung von Leonidas VI 220) berichtet. D. erweitert sie im einzelnen nach dem Vorbild der Tempel- oder Cultgründungssagen (über Anklänge an Catull 63 vgl. Reitzenstein Epigramm und Skolion 165 Anm.); die letzte Spur der Epigrammform ist dann von seinem Nachahmer Antipater von Sidon (VI 219) verwischt. Ganz ähnlich giebt VII 431 (ἄδηλον οἱ δὲ Σιμωνίδου) eine im Ton des Epigramms gehaltene Verherrlichung des Othryades (vgl. für die Form etwa E. Hoffmann Syll. epigr. graec. 356 = Kaibel Epigr. graec. 768 a), wohl den [1128] Stoff für D.s Gedicht VII 430, dessen dramatisch lebhafte Form das Streben D.s nach Fortbildung des Epigramms besonders zeigt (vgl. hierfür auch XI 195). Dann wird man allerdings auch das Epigramm auf Anakreon VII 31 als Nachahmung des Ps.-Simonides VII 24. 25 fassen dürfen.

In der Metrik ist D. freier wie Kallimachos und ahmt etwa Asklepiades nach; über einzelnes vgl. Geffcken Leonidas v. Tarent 141–144.

Dass die Epigramme D.s sich lange Zeit erhielten, zeigt ihre Benützung in der ziemlich späten Sammlung erotischer Gedichte Anthol. V 2–103 (vgl. R. Weisshäupl Die Grabepigramme der griech. Anthol. 38. 39). Das eine Gedicht dieser Sammlung V 53 ist inhaltlich gleich V 193 aus der Meleagersammlung. Auch in der Form stimmen beide derart überein, dass es mir ausgeschlossen scheint, in dem einen die Vorlage, in dem anderen die Nachahmung sehen zu wollen, und das eine dem D., das andere seinem Vorbild oder Nachfolger zu geben. Die ursprünglichere Fassung bietet V 53, da hier die Einwirkung des Asklepiades, des Vorbildes D.s, noch am fühlbarsten ist (vgl. V 162, 1. 158, 1); V 193 giebt eine Verbesserung. Sie ist entweder von Meleager vorgenommen, oder es gab mehrere Ausgaben dieser Gedichte und Meleager benützt eine spätere.