RE:Diaktoros
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Beiwort des Hermes | |||
Band V,1 (1903) S. 318–319 | |||
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Diaktoros (Διάκτορος), ein altes Beiwort des Hermes, das bei Homer meist in der Verbindung δ. Ἀργειφόντης (z. B. Il. II 103 u. ö.; Od. I 84 u. ö.) vorkommt, gelegentlich aber auch in anderem Zusammenhang, nämlich Od. VIII 335. XII 390. XV 319. Hom. hymn. III 392. IV 147. XVIII 12. Ebenso findet es sich in der späteren Poesie sowohl neben Ἀργειφόντης, wie in anderer Verbindung, vgl. die Belege bei Bruchmann Epitheta deorum 105.
Welche Bedeutung D. ursprünglich hatte, geht aus dem Zusammenhang, in dem es bei Homer vorkommt, nicht hervor. Dagegen scheinen die späteren Dichter, soweit sie nicht einfach feststehende homerische Wendungen wiederholen, unter δ. den ,Boten‘ des Zeus verstanden zu haben. So wird Anth. Pal. XIII 2 Hermes als Ζηνὸς διάκτορε angerufen; Iris wird bei Nonn. Dionys. XXXI 107 Ζηνὸς δ. genannt; Zeus sendet bei Nonn. Dionys. XXX 250 die Athena mit einer Botschaft als δ.; Anth. Pal. VII 161 ist der Adler Διὸς Κρονίδαο δ., und in ähnlichem Sinne nennt Kallimachos frg. 164 Schn. die Eule die δ. der Pallas.
Von den mannigfachen etymologischen Erklärungsversuchen der Alten, die sich bunt durcheinandergebracht finden bei Cornut. 16. Etym. M. Suid. Hesych. Schol. Hom. Il. II 103. Schol. Hom. Od. I 84. Eustath. comm. in Hom. 182, 8. 1393, 23. 1809, 33ff. Schol. Arist. Plut. 1154. Schol. Hesiod. op. 84. Etym. Gud. 143, 39 Sturz. Orion. Theb. Etym. 45, 6. 50, 1 Sturz u. a., verdienen Erwähnung 1. die Gleichsetzung mit διάκονος ,Diener‘. Wie Aischyl. Prom. 940f. den Hermes als ,Läufer‘ und ,Diener‘ des Zeus (Διὸς τρόχιν - διάκονον) bezeichnet, so hat man auch in neuerer Zeit die beiden Worte δ. und διάκονος von einem Stamme - α κ - von διάκω = διώκω, ὠκύς abgeleitet und als ,schnellen Boten‘, ,Läufer‘, ,Beschleuniger‘, ,Beförderer‘ erklärt vgl. Buttmann Lexil. I 217ff. Goebel [319] Lexilog. zu Hom. I 96. II 155; 2. die Ableitung von διάγειν: hierbei dachten einige der oben citierten alten Erklärer speciell an Hermes Psychopompοs (διάγειν τὰς ψυχάς), und auch Lucian. Char. 1 scheint dieser Ansicht zu sein, indem er seinen Charon den Hermes als σύμπλους καὶ ξυνδιάκτορος begrüssen lässt. Andere dachten mit noch geringerer Berechtigung an Hermes als Gott der Beredsamkeit (διάγειν τοὺς λόγους oder τὰ νοήματα u. s. w.). Die meisten aber hatten die Eigenschaft des Hermes als Götterboten im Auge und leiteten δ. von διάγειν τὰς ἀγγελίας her; vgl. Buttmann a. a. O. Welcker Griech. Götterl. I 346. Gerhard Griech. Myth. § 275, 2. Preller-Robert Griech. Myth. I 393. 407. 415. In neuerer Zeit hat man die gleiche Ableitung von διάγειν mehrfach auch dahin geändert, dass man die Beziehungen zu Zeus und dem Botendienst leugnete und lediglich an das Führen und Geleiten der Menschen dachte, so dass Hermes D. im Sinne von ἡγεμόνιος und ὅδιος – beides sind bekanntlich auch Epikleseis des Hermes – der ,Wegweiser‘, der ,Geleitende‘, der ,Geleitsherr der Menschen‘ wäre, vgl. Döderlein Hom. Gloss. I 41. Nitzsch Erklärende Anm. zu Hom. Od. I p. 22ff. und Ameis zu Hom. Od. I 84. Gilbert Griech. Götterl. 217. Keinen Wert haben die sonstigen etymologischen Erklärungen der Alten wie 1. δ. = διάτορος, τρανός, σαφής; vgl. dazu auch Lucian. Pseudomant. 33, wo δ. in diesem Sinne auf Pythagoras angewandt ist; 2. διάκτωρ = διατάκτωρ, vgl. Hesych. διάκτορσι· ἡγεμόσι, βασιλεῦσι; 3. δ. = διακόρος, Eustath. Hom. 1809, 33 mit der Notiz von Buttmann Lexilog. I 217, 1. Und auch neuere Versuche, das Beiwort je nach der Ansicht über den Grundzug des Hermes als Gott des Sonnenlichtes (Mehlis Grundidee des Hermes 25ff. von der Wurzel δικ, djak, dja; vgl. Ebel in Kuhns Ztschr. V 188), der Wolken, des Windes (Roscher Hermes der Windgott 98; Mythol. Lex. I 2385f.) u. s. w. direct aus der jeweils vermuteten Naturbedeutung des Gottes heraus zu erklären, sind nicht überzeugend und fallen von selbst dahin für jeden, der jene specielle Naturbedeutung nicht anerkennt. Ähnlich wie bei dem zumeist mit D. verbundenen Beiwort Argeiphontes wird man zugestehen, dass eine befriedigende Erklärung bisher noch nicht gefunden ist, und nur eines dürfte sicher sein: wenn das Beiwort schon bei Homer als altüberkommenes verwendet ist, so muss es auf eine selbständige göttliche Eigenschaft zurückgehen und kann nicht durch ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem andern Gott, also nicht als Diener oder Bote des Zeus, erklärt werden.