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RE:Curiata lex

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Curiatgesetz
Band IV,2 (1901) S. 18261830
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Curiata lex. Königszeit. Nach vollzogener Wahl des Königs erfolgte die Bestätigung durch die patres (s. den Art. Auctoritas Nr. 2) und die Einholung der C. L., deren Bedeutung viel umstritten ist, seit Sigonius und Grucchius darüber disputierten (die betr. Schriften in Graevius Thes. I 815-1005). Auf Grund einiger Stellen in Ciceros wieder entdeckter Schrift de republica erklärte Niebuhr R. G. I⁵ 190 es nicht für zweifelhaft, dass die auctoritas patrum bei Livius (z. B. I 17, 8: decreverunt ut, cum populus regem iussisset, id sic ratum esset, si patres auctores fierent. I 22, 1: Tullum Hostilium .. regem populus iussit, patres auctores facti, vgl. I 32, 1. 47, 10) und bei Dionysios (II 60: τῶν πατρικίων ἐπικυρωσάντων τὰ δόξαντα τῷ πληθει), die Bestätigung der Patricier, genau das nämliche sei, was Cicero die l. c. de imperio nenne; eine solche habe zuerst Numa veranlasst, Cic. de rep. II 25: Numam .. regem . . patribus auctoribus sibi ipse populus adscivit eumque ad regnandum .. Romam Curibus accivit; qui ut huc venit, quamquam populus curiatis eum comitiis regem esse iusserat, tamen ipse de suo imperio, curiatam legem tulit, vgl. betreffs der folgenden Könige II 31; Tullum Hostilium populus regem comitiis curiatis creavit isque de imperio suo .. populum consuluit curiatim. II 33: rex a populo est Ancus Martius constitutus itemque de imperio suo legem tulit. II 38. Die Niebuhrsche Ansicht hat zunächst viel Zustimmung gefunden, u. a. bei Göttling, Walter (der S. 38 zwar die vollkommene Gleichsetzung beider Acte nicht billigte, doch seien sie in derselben Versammlung und regelmässig gleich hintereinander erteilt), ist von Becker gegen Einwände verteidigt und von Schwegler ausführlichst begründet worden, allerdings später (II² 172) unter einer gewissen Einschränkung. Gegen die Identifizierung wandten sich Huschke, Rubino, Bröcker, Mommsen, Ihne, Soltau, Herzog, Karlowa. [1827] Die Thatsache, dass nach der Wahl Livius nur die auctoritas patrum, Cicero nur die l. c. erwähnt, hat verschiedene Erklärungen gefunden. Nach Mommsen Röm. Forsch. I 248 brauchte Livius des Curienbeschlusses nicht zu gedenken, ,da dieser von Haus aus eine wesentlich formale Bedeutung gehabt‘, ebenso hält Herzog I 62, 3 die Differenz nicht für bedeutsam, da Livius die einzelnen Wahlacte aufführen wolle, Cicero hingegen wegen der in den politischen Kämpfen seiner Zeit öfter umstrittenen l. c. mehr Interesse für diese gehabt habe, während Karlowa I 29, welcher der Nichterwähnung der l. c. bei Livius und Dionysios mehr Gewicht beimisst, zu der freilich bedenklichen Annahme kommt, ,dass dem ältesten Staate der 30 Curien die Scheidung zwischen potestas und imperium unbekannt war‘. Dass die Erteilung der l. c., welche der erwählte König selbst bei den Curien behufs Übertragung des imperium beantragte, damit das Volk sich zu Gehorsam und Heeresfolge öffentlich und feierlichst verpflichtet – Herzog I 114 hebt die Wichtigkeit eines solchergestalt vollzogenen Gelöbnisses in schriftloser Zeit hervor –, ein besonderer von der auctoritas patrum verschiedener Act war, ist ferner notwendig anzunehmen, wenn, wie o. S. 682 bemerkt, die Curiatcomitien auch Plebeier umfassten, sodann weil die Bestätigung der patres nur auctoritas heisst, der Curienbeschluss hingegen als Beschluss der Gemeinde nie anders als lex. Mommsen R. F. I 249. Andere Gründe erörtert eingehend Soltau 112ff. 125ff., der auch Clasons, Peters und Langes vermittelnde Ansichten kritisiert.

Republik. Wie einst die Könige, haben auch die Beamten der Republik sich nach der Wahl an die Gemeinde gewendet, ihnen das imperium formell zu bewilligen. Rubino 373f. fasst imperium hier in streng technischer Bedeutung als hohe obrigkeitliche Gewalt über die Bürger, ebenso Karlowa I 130. S. den Art. Imperium. Der Antrag geht an die Curienversammlung, daher der Name des Gesetzes c. l. – der meist gebrauchte Zusatz de imperio ist nach Mommsen St.-R. I 588 trotz der angegebenen Cicerostellen durchaus kein allgemein notwendiger und bei Aedilen und Quaestoren geradezu unrichtig, vgl. auch Karlowa I 132 –, nur bezüglich der Censoren an die Centurien, Cic. de leg. agr. II 26: maiores de singulis magistratibus bis vos sententiam ferre (über diese mehrfach missverstandene Stelle treffend Rubino 379ff. und Soltau 120) voluerunt: nam cum centuriata lex censoribus ferebatur, cum curiata ceteris patriciis magistratibus, tum iterum de eisdem iudicabatur, ut esset reprehendendi potestas, si populum beneficii sui paeniteret. In jedem Falle war aber die Erledigung desselben nur in Rom möglich. Natürlich konnte der Beamte selbst den Antrag nur stellen, wenn er zuständig war, die Curien zu versammeln, so der Consul (Cic. de leg. agr. II 30. Tac. ann. XI 22), der Dictator (Liv. IX 38, 15); Stellvertretung bei solchen Magistraten war wohl unzulässig. Ebenso war die C. L. erforderlich für die geringeren Magistrate, denen kein imperium, sondern nur eine potestas zukam, Gell. XIII 15, 4 minoribus creatis magistratibus tributis comitiis magistratus, sed iustus (Textänderungen [1828] von Huschke und Lange I 387 sind nicht nötig) curiata datur lege, jedoch für solche Beamte, die kein ius agendi cum populo hatten, mussten höhere den Antrag stellen; so der Consul, wie schon Rubino 393 vermutete, für die Quaestoren, deren das Curiatgesetz nach Tac. ann. XI 22: quaestores regibus etiam tum imperantibus instituti sunt, quod l. c. ostendit a Bruto repetita ausdrücklich gedachte, so der Praetor für die ausserordentliche Commission der Xviri des servilischen Gesetzes, Cic. de lege agr. II 28: iubet ferre legem de his (Xviris agris dandis) curiatam, praetori imperat .. tubet qui primus sit praetor factus eum legem curiatam ferre, si is ferre non possit qui postremus sit.

Eine Frist, binnen welcher die L. c. eingeholt werden musste, war nicht festgesetzt; zunächst geschah es wohl unmittelbar nach dem Amtsantritt, Liv. III 27, 1. IV 14, 1, später nach Verlegung dieses Termins auf den 1. Januar, am 1. März oder bald darnach (Bedenken äussert Herzog I 587). Gewöhnlich wartete man den nächsten dies comitialis ab, Liv. XXII 35, 4; das trinundinum war nicht zu beobachten. Mommsen St.-R. I 610 will aus Dio XXXIX 19: οὐκ εἴα (Κλώδιος) τὸν φρατριακὸν νόμον ἑςενεχθῆναι· πρὶν γὰρ ἐκεῖνον τεθῆναι, οὔτ’ ἄλλο τι τῶν σπουδαίων ἐν τῷ κοινῷ πραχθῆναι οὔτε δίκην οὐδεμίαν ἐσαχθῆναι ἐξῆν schliessen, dass in späterer Zeit für alle Beamte zugleich die Übertragung stattfand. Daraus geht ferner hervor, dass es sich von selbst verbot, allzu lange zu warten, denn wichtige Functionen konnten erst nach Erteilung der L. c. vollzogen werden, namentlich die militärischen, Cic. de leg. agr. II 30: consuli, si legem curiatam non habet, attingere rem militarem non licet. Liv. V 52, 15: comitia curiata, quae rem militarem continent – die wenigen Male, wo in Notfällen (vgl. Mommsens Erörterung St.-R. I 612) ein militärisches Commando ohne Curiatgesetz ausgeübt wird, so von C. Flaminius 537 = 217 Liv. XXI 63, von C. Lentulus und M. Marcellus 705 = 49 Dio XLI 43, bestätigen nur die Regel – ebenso war Iurisdiction vorher unzulässig, Liv. IV 14, 1. Cic. de leg. agr. II 28. Wurde denselben Beamten das Imperium prorogiert, so erfolgte seit 539/40 = 215/214 keine neue L. c. Fest. p. 351: [Transit imperium nec denuo l]ex curiata fertur, quod (Hs. quo) Hanni[bal in vicinitate] Romae cum esset nec ex praesidi[is tuto decedi posset], Q. Fabius Maximus Verru[cossus M. Claudius Ma]rcellus cos. facere in[stituerunt], vgl. Mommsens Ergänzung, Forsch. II 412; St.-R. I 613. Fabius besass dasselbe als Consul des J. 539 = 215. Marcellus als Inhaber der proconsularischen Gewalt; der obwaltenden militärischen Schwierigkeiten halber hielten sich beide Anfang des J. 540 = 214 für berechtigt, keine neue C. L. zu beantragen, denn wie Mommsen Forsch. II 413; Rechtsfrage zwischen Caesar und dem Senat 27 ausführt, das Imperium war der Zeit nach nicht absolut begrenzt, sondern dauerte, bis der Nachfolger eintraf, mithin ihnen nicht entzogen. Herzog I 679 setzt einen Senatsbeschluss als notwendig voraus und ergänzt die Festusstelle dementsprechend. Vermutlich ist im letzten Jahrhundert der Republik, seit das Verbot, zwei patricische [1829] Jahresämter unmittelbar nach einander zu bekleiden, nicht mehr beachtet ward, ebenso verfahren. Dass die C. L. Königen und Beamten jemals verweigert worden wäre, ist nicht bezeugt; dass aber überhaupt kein solcher Fall vorgekommen sei, soll deshalb nicht behauptet sein. Wenn auch Cicero de lege agr. II 26 (s. o.) der Gemeinde eine reprehendendi potestas in diesen Comitien zuschreibt, so bedeutet das keineswegs die Ungültigkeitserklärung der Wahl. Mommsen St.-R. I 613. Soltau 119. Karlowa I 84. Schon Rubino 386 warnte davor, aus diesem Ausdruck die strengsten Folgerungen abzuleiten. Dass Schwierigkeiten bei Erledigung der L. c. sich aus ungünstigen Auspicien ergeben konnten, ist selbstredend, Liv. IX 38, 15: ei l. c. de imperio ferenti triste omen diem diffidit. Dio XLII 21. Lange III 430. Die tribunicische Intercession hat, wie Cic. de leg. agr. II 30: consulibus l. c. ferentibus a tribunis plebis saepe est intercessum hervorhebt (vgl. Dio XXXIX 19), nicht selten Verzögerung bewirkt. Nach Genehmigung der C. L. wurde der Beamte erst magistratus optima lege, optimo iure, Cic. Phil. XI 12; de leg. agr. II 29, vgl. Messalla bei Gellius XIII 15, 4 magistratus .. iustus curiata datur lege. Liv. XXII 1, 5. Cic. de leg. III 6: iusta imperia.

Der Inhalt der C. L. ist dem Wortlaute nach nicht bekannt. Mag dieselbe zu Anfang der Republik, wie Herzog I 138 will, mit besonderer Wichtigkeit behandelt sein, um sich bei der Verfassungsänderung ,des Einverständnisses der Altbürgerschaft zu versichern‘, in den weiteren Jahrhunderten ist sie immer mehr zur Formalität geworden, namentlich bei den niedern Beamten. Das zeigt sich auch äusserlich, indem nicht mehr die Curien selbst sich zu dem Acte versammeln, sondern als deren Vertreter 30 Lictoren, wie denn überhaupt curiata comitia tantum auspiciorum causa remanserunt, Cic. de leg. agr. II 27. 31 (s. o. S. 686). In der Zeit nach Sulla haben die Consuln, so lange sie in der Stadt amtierten, die L. c. gar nicht mehr nachgesucht.

Überdies wurde, um den geflissentlich bereiteten Schwierigkeiten während der Parteistreitigkeiten in der sinkenden Republik wirksam zu begegnen, von der L. c. dispensiert, so dass der Beamte auch ohne deren formelle Erteilung Inhaber des Imperium war. Cic. de leg. agr. II 29: si ea (L. c.) lata non erit, tum ii decemviri, inquit, eodem iure sint quo qui optima lege .. . quid attinet tertio capite legem c. ferre iubere cum quarto permittas, ut sine lege c. idem iuris habeant, quod haberent, si optima lege a populo essent creati? Ob aber Sulla eine solche allgemeine Bestimmung für das proconsularische und propraetorische Imperium getroffen, steht dahin; vgl. Mommsens Erörterung St.-R. I 614 über die Machinationen des Appius Claudius im J. 700 = 54, Cic. ad fam. I 9, 25; ad Q. fr. III 2. 3; ad Att. IV 16, 12. Lange III 345. Karlowa I 132. Unbedingt nötig blieb die C. L. stets für die Praetoren behufs Iurisdiction (Dio XXXIX 19) und für die Beamten, welche die Centuriatcomitien versammeln wollten; daher konnten die Pompeianer, die so schnell die Stadt verlassen hatten, ohne dass die Consuln für sich und die Statthalter die C. L. beantragten, in Thessalonike [1830] keine Wahlen abhalten, trotzdem alle übrigen massgebenden Factoren vorhanden waren, Dio XLI 43 und die näheren Ausführungen Rubinos 370ff. Lange III 410. 424. In der Kaiserzeit sind keine Spuren dieser C. L. noch erkennbar; andere Curiatgesetze in Geschlechtsangelegenheiten oben S. 685.

Litteratur: C. F. Schulze Von den Volksversammlungen der Römer 287ff. Göttling Gesch. der röm. Verf. 261ff. 309. Peter Epochen 14. Walter Gesch. des röm. Rechts I³ 38. 99. 169. Becker Handb. II I, 316. Schwegler R. G. II² 159ff. 171. Huschke Verf. des Servius Tullius 403ff. Rubino Untersuchungen I 360ff. Bröcker Alt-röm. Verf. 64–100. Lange R. Alt. I³ 285. 300ff. 404. 407. 459. II 64. III² 164. 345. 410. 424. 430. Mommsen Röm. Forsch. I 247ff. II 407ff.; St.-R. I³ 609–614. 631. II 38. 876. Clason Krit. Erörterungen 61-68. Ihne Rh. Mus. XXVIII 356. Soltau Altröm. Volksvers. 109–119. 125. 156. 179. Herzog R. St.-V. I 61. 111. 113. 138. 583. 586. 677–680. 1060–1062. Karlowa R. R.-G. I 29. 84. 129ff. W. Allen Transactions of the Americ. Philol. Assoc. XIX. Ad. Nissen Beiträge zum röm. Staatsrecht § 4f.