RE:Contractus
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Vertragsschluss bei klagbaren Verträgen | |||
Band IV,1 (1900) S. 1161–1163 | |||
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Contractus bezeichnet den Vertragsschluss und seine Folgen, jedoch nur bei den nach altrömischem Civilrecht verpflichtenden klagbaren Verträgen im Gegensatze zu den pacta, die entweder keine Verpflichtungen erzeugen, sondern nur solche ändern oder aufheben, oder doch nicht nach älterem Civilrechte, sondern nach praetorischem oder kaiserlichem Rechte klagbare Verbindlichkeiten nach sich ziehen, s. Pactum. Die contractus zerfielen nach Beseitigung des alten Formalgeschäftes des nexum (s. d.) nach römischer Einteilung in 4 Classen, nach der Art ihres Abschlusses re verbis litteris consensu, Gai. III 89. Inst. III 13, 2. Ein consensus war bei allen Contractabschlüssen nötig, Consensualcontracte waren daher nicht alle, die consensu entstanden, sondern die nudo consensu herstellbaren, d. h. die zur Entstehung nur des consensus (s. d. und Obligatio) bedurften. Es waren dies Kauf, Miete, Gesellschaftsvertrag und Auftragsübernahme, s. Emptio, Conductio, Societas, Mandatum. Über den Vertragschluss litteris s. Acceptilatio und Tabulae. Der verbis abgeschlossene Vertrag war die stipulatio, s. d. In den Verpflichtungen, die re entstanden, sah man nicht blos solche, die durch Hingabe einer körperlichen Sache begründet wurden, sondern res bedeutet hier so viel wie die thatsächliche Leistung (vgl. hierzu die bei Puchta-Krüger Institutionen10 349 a Angeführten). Eine Hingabe der körperlichen Sache gehörte allerdings zu den vier benannten Realcontracten: mutuum, depositum, commodatum, [1162] pignus, s. d. Daneben gab es aber auch unbenannte Realcontracte, contractus innominati, die seit Labeo als klagbar angesehen wurden und mit einer actio praescriptis verbis vor Gericht verfolgbar waren, Dig. II 14, 7, 2. XIX 5, 2. Lenel Edictum perpetuum 238; Ztschr. der Savigny-Stiftung IX 181. Gradenwitz Interpolationen in den Pandekten 1887, 122ff. Pernice Ztschr. d. Savigny-Stiftung IX 248ff.; Labeo III 88ff. Sie erschienen in vier Gruppen: do ut des, do ut facias, facio ut des, facio ut facias, Dig. XIX 5, 5 pr. Dare heisst hierbei die Gewährung eines dinglichen Rechtes, nicht die blosse Hingabe einer Sache zum Besitze oder zur Inhabung, Dig. XLV 1, 75, 10. L 16, 175. 189. Innominati heissen diese contractus, weil sie nomen suum non habent, Dig. XIX 4, 1, 2, und weil bei ihnen appellationes nullae iure civili proditae sunt, d. h. in den Quellen des ius civile, Dig. XIX 5, 3 (vgl. hierüber Leonhard Institutionen 395). Diese Verträge waren darum Realcontracte, weil keine Partei die Erfüllung auf Grund des blossen consensus verlangen konnte, sondern nur unter der Voraussetzung, dass die andere Partei die ihr gebührende Leistung angenommen hatte. In solchem Falle konnte sogar die geschehene Vorleistung bis zur erfolgten Gegenleistung zurückgenommen werden (ius paenitendi). Die Stellen, in denen dies anerkannt ist (Dig. XII 4, 3, 1. 2. 5 pr. § 1), gelten neuerdings für interpoliert (Gradenwitz Interpolationen in den Pandekten 146ff. Dernburg Pand.⁵ II 20 § 7, 16), es ist aber nicht wahrscheinlich und entspricht dem Entwicklungsgange des römischen Rechtes nicht, dass dieses ius paenitendi erst später aufkam. Es scheint vielmehr auf einer Unvollkommenheit der contractus innominati beruht zu haben, die an ihnen aus der alten Zeit ihrer Klaglosigkeit haften geblieben war (vgl. auch Bernhöft Kauf, Miete und verwandte Verträge 1889, 64), der dieses ius paenitendi daraus erklärt, dass es sich bei den contractus innominati nicht, wie bei den Consensualcontracten, um häufige Geschäfte des täglichen Lebens handelte, sondern um seltenere Gelegenheitsgeschäfte, für die ein vollkräftiger Rechtsschutz nicht nötig schien.
Die Römer stellen neben die obligationes ex contractu die obligationes quae quasi ex contractu nascuntur, d. h. Schuldverhältnisse, die zwar nicht auf Verträgen beruhen, aber nach ihrem Inhalte gewissen Vertragspflichten ähnlich sind, z. B. die Ansprüche aus der unbeauftragten Geschäftsführung (negotiorum gestio) als Seitenstück der obligationes ex mandato und die Haftung aus dem Miteigentume als Seitenstück des Gesellschaftsvertrags, Inst. III 27 pr. 3. Unrömisch und unlogisch ist der Begriff des Quasicontracts für die Thatbestände, auf denen solche Verpflichtungen beruhen. Diese Schuldverhältnisse sind nicht in der Entstehung, sondern nur in ihrem Inhalte den Verträgen ähnlich, quasi ex contractu nascuntur, nicht aber ex quasi-contractu nascuntur (Eisele Jahrb. f. Dogmatik XXV 449). Gai. III 88 erwähnt in seiner Einteilung diese Classe übrigens nicht.
Litteratur vgl. Puchta-Krüger Institutionen10 II 348ff. §§ 271ff. Leonhard Institutionen 314. 386ff., besonders 394ff. Schlossmann Der [1163] Vertrag 1876. Pernice Labeo I 403ff. Voigt Röm. Rechtsg. I 572ff. und insbesondere über die lex contractus Pernice Labeo III 19ff. und Danz Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, Jena 1897, 10ff.