RE:Condictio
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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durch Ansage festsetzen, Ladung im Fremdenprozess, auch priesterliche | |||
Band IV,1 (1900) S. 847–858 | |||
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Condictio gehört zu condicere = durch Ansage festsetzen; condicere est dicendo denuntiare (Paul. p. 64), condicere est denuntiare prisca lingua (Gai. IV 18). Der Sinn der Vereinbarung liegt in dem condicere nicht, mindestens nicht notwendig, vgl. das priesterliche condicere bei Gell. X 24, 9. Der condictus dies cum hoste (Gell. XVI 4, 4. Plaut. Curcul. 5) kann ein mit dem Fremden wahrzunehmender, muss nicht ein mit ihm vereinbarter Termin sein. C. muss nach den zuletzt angeführten Stellen eine Ladung im Fremdenprocess, nach Gell. X 24, 9 auch eine priesterliche Ladung gewesen sein. Dagegen ist das condicere des pater patratus bei Liv. I 32 keine Ladung, sondern identisch mit dem res repetere, es ist das älteste rem condicere.
I. Zunächst tritt hervor C. als eine Form der legis actio.
1) Das wesentliche Merkmal der legis actio per condictionem soll darin gelegen haben, dass der Kläger dem Beklagten ansagte, er solle am dreissigsten Tage in iure gegenwärtig sein, um die Richterbestellung entgegenzunehmen. Nach der einen [848] Ansicht erfolgte diese Ansage aussergerichtlich zur Einleitung des Processes (Keller Civilpr. n. 242. v. Jhering Geist, d. r. R. II zu 889f. Eisele Die materielle Grundlage der Exceptio 159, 17. Bekker Actionen I 75. Voigt Vadimonium 328f. Eisele Beitr. z. röm. R.-Gesch. 272f.), nach der andern vor dem Magistrat in iure (Zimmern Rechtsgesch. III 120f. Mommsen Krit. Jahrb. XVIII 877f. Bethmann-Hollweg R. Civilpr. I 152. Karlowa Legisactionen 233. Huschke Multa 487. 490f. Baron Condictionen 192f. Wach zu Keller a. a. O. Hartmann-Ubbelohde Ordo Iudiciorum I 460f., 60. Sohm Institutionen⁷ 228). Der letzteren Ansicht ist beizutreten. Neben sachlichen Gründen (s. insbesondere Wach a. a. O.) entscheidet dafür auch die Form bei Gai. IV 18: actor denuntiabat adversario, ut ad iudicem capiendum die trigesimo adesset, welches ohne Angabe eines andern Orts sich auf diejenige Stätte bezieht, wo die Ansage erfolgt; und eben weil es zweifellos ist, dass die Richterbestellung in iure erfolgte (Eisele Beitr. 273), muss man annehmen, dass die obige Ansage auch ihrerseits in iure vor sich ging. Dass die Ansage von beiden Streitteilen erfolgt sei (Rudorff zu Puchta Instit. I § 162 c, s. auch Sohm a. a. O. 228 ,vereinbarten‘), ist mit Gai. a. a. O. unverträglich. Eine gegenseitige Denuntiation der Parteien in iure, am dreissigsten Tage zur Richterbestellung wiederzuerscheinen, findet sich bei der legis actio sacramento; andererseits kann, ja muss man bei der legis actio per c. und bei der legis actio sacramento sich auch einen Antrag an den Magistrat auf Bestellung des Richters, wie bei der legis actio per iudicis postulationem, denken, so dass eine klare Unterscheidung der genannten drei legis actiones fehlt; an einer für diese Unterscheidung vielleicht sehr wichtigen Stelle fehlen 48 Zeilen des Gaius (IV 17). Man kann nur soviel mit Sicherheit sagen, dass bei der legis actio per iudicis postulationem und derjenigen per c. kein sacramentum vorkommt, dass die iudicis arbitrive postulatio bei der nach ihr benannten legis actio in dem Processmechanismus eine bedeutungsvollere Stelle gehabt haben muss, als bei den beiden andern, und dass ebenso die c. bei der legis actio per c. in einer das Ganze charakterisierenden Weise schärfer hervortrat als die Doppel-C. bei der legis actio sacramento.
2) Die legis actio per c. ist nach Gaius eingeführt für persönliche Ansprüche auf ein dari oportere und zwar durch eine Lex Silia unbekannten Alters für solche Ansprüche auf certa pecunia, und durch eine Lex Calpurnia ebenfalls unbekannten Alters für solche Ansprüche auf eine sonstige certa res. Hierunter darf man entsprechend späterer Auffassung der Römer verstehen: die Verschaffung des Eigentums an einer individuellen körperlichen Sache oder an einer bestimmten Quantität vertretbarer Sachen; ob auch die Verschaffung eines ius in re aliena, ist zweifelhaft, weil diese zum Gebiet der c. certae rei auch im Formularprocess nicht überall gerechnet wird. Warum für jene Ansprüche die legis actio per c. eingeführt sei, während die legis actio sacramento und die per iudicis postulationem bereits das ganze Gebiet des dare oportere beherrschten, war nach [849] Gaius (IV 20) sehr bestritten, und es fehlt uns an jedem soliden Anhalt, dieses Problem zu lösen, vgl. im übrigen den Artikel Legis actiones.
II. Im Formularprocess ist nach Gai. IV 5 und Ulp. Dig. XLIV 7, 25 c. der gemeinsame Name für actiones in personam. So deutlich Ulpian (dass die Stelle interpoliert sei, braucht nicht angenommen zu werden, weil auch Gaius a. a. O. Appellantur ... in personam vero actiones, quibus dari fierive oportere intendimus condictiones nicht die c. als eine Unterart der actiones in personam bezeichnet, sondern die actiones in personam mit denjenigen quibus dari fierive oportere intendimus [s. auch IV 2] und somit die c. mit der actio in personam identifiziert). Wlassak (s. Art. Actio Bd. I S. 306ff. 313) nimmt an, dass beide Juristen die actio in personam nur als actio civilis (nicht auch honoraria) verstanden wissen wollen, aber auch so stimmen ihre Definitionen mit dem sonstigen wesentlich engeren Gebrauch des Wortes C. nicht überein. Man muss daher mit Pernice Labeo III 202f. jene Definitionen beiseite lassen und unabhängig davon untersuchen, was c. im Formularprocess ist.
1) Hier sind zunächst die c. certae pecuniae und die c. certae rei (triticaria) ins Auge zu fassen, welche gewiss mit den beiden Fällen der legis actio per c. in einem geschichtlichen Zusammenhange stehen, der aber verdunkelt ist.
a. Ausserhalb der iustinianischen Compilation ist in specieller Verwendung erweislich (für den Fall der irrtümlichen Zahlung einer Nichtschuld): proinde ei condici potest si paret eum dare oportere ac si mutuum accepisset (Gai. III 91); ferner: exstinctae res licet vindicari non possunt, condici tamen furibus et quibusdam aliis possessorium possunt (Gai. II 79), rei condictio auf Grund eines furtum (Paul. II 31, 28) und rei persecutio genere ... condictionis, wiederum auf Grund eines furtum (ebd. 13). Das condicere kann, wenn eine bestimmte Geldsumme gefordert wurde, gemäss Gai. III 91 nur mit der Formel erfolgt sein, welche Gai. IV 41. 50 ergiebt: si paret N. Negidium A. Agerio sestertium decem milia dare oportere, iudex, N. Negidium A. Agerio sest. decem milia condemna, si non paret absolve, also einer Formel, die den Schuldgrund nicht nennt. Diese Formel ist diejenige der actio certae creditae pecuniae (Lex Rubr. c. 21. Gai. IV 171). Die actio certae pecuniae kann freilich nach Cic. pro Rosc. com. 14 nur auf Grund einer Geldleistung des Klägers oder auf Grund von Litteralcontract oder Stipulation angestellt werden; es ist aber anzunehmen, dass ihr Gebiet, eben weil sie keinen Schuldgrund in der Formel nennt, sich im Laufe der Zeit ausdehnen konnte und dahin ausgedehnt hat, dass die Klage aus jedem das certam pecuniam dare oportere civilrechtlich rechtfertigenden Grunde angestellt worden konnte (s. u. S. 850). Die c. certae pecuniae ist mit der actio certae creditae pecuniae identisch (so auch Leonhard im Art. Creditor). Eigentümlich ist der c. certae pecuniae, dass der Beklagte auf Verlangen des Klägers (dies heisst sponsionem facere permittitur Gai. IV 171) eine Strafsponsion auf 1/3 des Streitgegenstandes für den Fall seines Unterliegens eingehen, der Kläger dann aber auch den gleichen Betrag für den umgekehrten [850] Fall auf restipulatio des Beklagten spondieren muss, Gai. IV 13 (Lenel Edict 188). Auch die Eideszuschiebung (in iure) über den Anspruch mit der Zwangswirkung, dass Beklagter schwören, den Eid zurückschieben oder Execution wie aus Urteil leiden muss, ist nach dem Edict nur für die actio certae creditae pecuniae zugelassen, von den Juristen aber auf die c. triticaria und einige verwandte Fälle ausgedehnt (s. Lenel a. a. O. 188f. Demelius Schiedseid und Beweiseid, 1887). Eigentümlich gestaltet sich bei der actio certae pecuniae auch die Folge verweigerter defensio; es tritt sofortige Execution ein (Lex Rubr. c. 21). Dass das Gleiche auch bei confessio certae pecuniae eintritt (ebd.), ist keine Eigentümlichkeit der actio certae pecuniae; denn der Beklagte kann auch bei anderen Klagen certam pecuniam confiteri.
b. Die Klage auf certam rem dare, d. h. Eigentumsverschaffung an einer individuellen Sache oder einer Quantität von vertretbaren Sachen (Gai. Dig. XLIV 1, 74), heisst c. triticaria (Rubr. Dig. XIII 1 de condictione triticaria. Ulp. tit. cit. 1 pr.). Ihr Name ist von dem Musterformular des praetorischen Albums genommen (Stephani Schol. ad Basil. XXIV 8, 7 [Heimb. III 43]). Ihre Formel lautete, wiederum ohne Nennung des Klaggrundes, s. p. N. Negidium A. Agerio tritici Africani optimi modios centum dare oportere, quanti ea res est, tantam pecuniam, iudex, N. Negidium A. Agerio condemna, s. n. p. a. (Gai. IV 4. Gai. Dig. XIII 3, 4. Lenel 190f.). Dass diese Klage in classischer Zeit aus jedem civilrechtlich das dare oportere rechtfertigenden Grunde erhoben werden konnte oder wenigstens nicht auf Fälle der Rückforderung eines ungerechtfertigten Erwerbes beschränkt war, ist schon nach Gai. Dig. XIII 3, 4 wahrscheinlich; denn die merx aliqua quae certo die dari debebat, muss eine terminlich versprochene Ware sein; am nächsten liegt es, eine Stipulation auf Grund Kaufes anzunehmen.
c. Nun sagt Ulp. Dig. XII 1, 9 pr.: Certi condictio competit ex omni causa, ex omni obligatione ex qua certum petitur, sive ex certo contractu petitur sive ex incerto: licet enim nobis ex omni contractu certum condicere ... (1) competit haec actio etiam ex legati causa et ex lege Aquilia, sed et ex causa furtiva per hanc actionem condicitur. et si ex senatus consulto agetur, competit haec actio, veluti si is, cui fiduciaria hereditas restituta est, agere volet. Das bedeutet: wenn certum gefordert wird (und zwar rechtmässigerweise), so kommt es für die Zulässigkeit der certi condictio auf den Grund der Verbindlichkeit in keiner Weise an. Versteht Ulpian unter certum nur die certa pecunia und nennt die actio certae pecuniae certi condictio, so kann man annehmen, dass unter dem legatum ein Damnationslegat auf certa pecunia zu verstehen, bei der actio legis Aquiliae an das Abhandenbringen von Geldstücken (Paul Dig. IX 2, 27, 21), bei der c. ex causa furtiva an Gelddiebstahl, bei der Klage des Universalfideicommissars an die Geltendmachung einer Geldforderung des Erblassers gedacht ist. Bei dem Abhandenbringen von Geld die ex lege Aquilia zu fordernde Schadenssumme ohne weiteres mit der Geldsumme [851] zu identificieren, musste man dem Kläger freistellen, und gegen den Leugnenden, gegen welchen der Anspruch ex lege Aquilia und das Damnationslegat auf das Doppelte ging, eine c. certae pecuniae auf das Doppelte der abhanden gebrachten oder vermachten Summe zu formulieren, konnte ebenfalls nicht auf Bedenken stossen. Übrigens kann man mit Lenel (Paling. II 569 n. 4) auch annehmen, dass Ulpian hier unter certum die certa pecunia und die certa res gemeinsam versteht; dann ist die Stelle kein Beleg für die Bezeichnung der actio certae creditae pecuniae als c. certi im besonderen Sinne, sondern nur ein Beleg dafür, dass sie wie die c. triticaria c. hiess, und Ulpian gebraucht c. certi als gemeinsamen Namen für c. certae pecuniae und c. certae rei. Andererseits wird dann die Stelle zum Beleg dafür, dass auch die c. certae rei aus jedem Grunde angestellt werden kann, der das certam rem dari oportere rechtfertigt. Da Ulpian nicht sagt, dass alle seine Beispiele für beide c. brauchbar seien, so zwingt die Auffassung Lenels nicht dazu, eine c. certae rei aus Zerstörung oder Abhandenbringen einer Sache (ausser Geld) abzuleiten, was allerdings bedenklich wäre, trotzdem von der c. furtiva der Weg zu einer solchen c. nicht weit ist. Keine der obigen Auffassungen kommt mit den Anschauungen, die man dem classischen Recht zutrauen darf, in solchen Conflict, dass man die Stelle Ulpians für interpoliert halten müsste.
d. Eine ganz andere Frage ist es, ob in Fällen von Ansprüchen, die materiellrechtlich auf etwas anderes als Geld gerichtet sind, oder zwar auf Geld, aber nicht auf eine bestimmte Summe, der Kläger (auf Gefahr der pluris petitio) den Streitgegenstand selbst abschätzen und mittels c. certae pecuniae klagen konnte. Diese, namentlich von Baron vertretene Auffassung hat sachlich schwere Bedenken gegen sich. Es war von seiten des Klägers gewiss kein praktisches Unternehmen, so vorzugehen, denn er musste, um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, seinen ganzen Anspruch zu verlieren, die Schätzung so niedrig greifen, dass dieselbe auf jeden Fall nicht zu hoch gefunden werden konnte, und stand sich dabei durchschnittlich notwendig schlechter, als wenn er die Schätzung dem Verfahren in iudicio überliess; zudem schnitt er sich die Möglichkeit ab, die omnis causa nach der Listiscontestation (vgl. Paul. Dig. XII 1, 30 pr.) in die Schätzung aufzunehmen; denn da er die Dauer des Processes nicht kannte, fehlte für diese Schätzung der Zeitmassstab. Es ist doch recht fraglich, ob das Eidesrecht der c. certae pecuniae ein Vorteil war, der diesen Nachteil ausglich. Andere Vorteile kommen aber nicht in Frage; denn der der sponsio tertiae partis wird durch die Gefahr der restipulatio aufgewogen, und die Abschneidung von Einreden erzielte der Kläger nicht; denn der Beklagte konnte auch gegen die actio certae pecuniae jede Einrede vorbringen und alle erdenklichen sich durch Insertion der exceptio doli (generalis) sichern. Es erscheint aber auch kaum glaublich, dass der Beklagte ein solches Verfahren dulden musste. Wenn derselbe z. B. auf Grund des materiellen Rechtsverhältnisses dem Kläger eine Sache zu leisten hatte, so war die Behauptung des Klägers, [852] dass er ihm 1000 Sesterzen schuldig sei, materiellrechtlich einfach unwahr, und dachte man daran, dass mangels Leistung den Schuldner eine Geldcondemnation auf 1000 Sesterzen ereilte, so konnte höchstens (auch das wäre noch schief) gesagt werden, er schulde die Sache oder 1000 Sesterzen. Eine Klage schlechthin auf 1000 Sesterzen liess, auch wenn man den sabinianischen Satz omnia iudicia absolutoria esse (Gai. IV 114) zu Grunde legt, dem Beklagten nur die Möglichkeit, sich durch Zahlung von 1000 Sesterzen, nicht aber die, sich durch Leistung der eigentlich geschuldeten Sache zu befreien. Besonders deutlich tritt diese Beeinträchtigung des Beklagten hervor, wenn die Formel, die man sich durch die c. certae pecuniae ersetzt denkt, eine arbiträre (mit Restitutionsclausel) ist. Ein Kläger aber, der dem Beklagten in seiner intentio einen materiellrechtlich eröffneten Weg zur Befreiung abschneidet, begeht eine pluris petitio causa (Gai. IV 53 d) und wird abgewiesen; das musste also den Kläger in den fraglichen Fällen stets treffen, wenn auch seine Schätzung richtig war. Wenn jene Function der c. certae pecuniae bestanden hätte, müsste es auch möglich gewesen sein, dass bei einer Geldschuld mit festem Erfüllungsort der Gläubiger an anderem Orte mit c. certae pecuniae auftrat, indem er (auf eigene Gefahr) die Ortsdifferenz selbst schätzte. Nach Gai. Dig. XIII 4, 1 hatte er aber für solche Fälle keine Klagemöglichkeit, abgesehen von der actio de eo quod certo loco dari oportet. Unter den Gründen nun, welche man für jene auf Selbstschätzung beruhende c. certae pecuniae zu haben glaubt, scheidet nach dem Vorigen Ulp. Dig. XII 1, 9 aus; denn diese Stelle führt zur Annahme einer solchen Function der c. certae pecuniae nicht. Das Gleiche gilt aber von den sonstigen Stellen, in denen c. in Concurrenz mit anderen Klagen auftritt. Paul. Dig. XIV 3, 17, 4. 5 stellt die c. als Bereicherungsklage neben die actio de in rem verso und lässt vollkommen offen, dass je nach Umständen c. certae pecuniae oder c. triticaria zu wählen ist. Paul. Dig. XII 1, 29, welcher eine c. statt einer actio institoria bewilligt, meint, dass in der Intentio ein directes dominum dare oportere behauptet werden darf, statt der bei der actio institoria gebräuchlichen Stellung der intentio auf den Namen des Vertreters; aber es ist von einer c. certae pecuniae in Fällen, wo nicht schon aus dem Contract certa pecunia geschuldet wird, nicht die Rede; auch bei Paul. Dig. XII 2, 28, 4. Ulp. Dig. XLIV 2, 5 ist das nicht der Fall. Glaubt man in Dig. XII 1, 9 die Anerkennung einer auf Selbstschätzung des Klägers beruhenden c. certae pecuniae finden zu müssen, so muss man die Stelle für interpoliert halten (Lenel Edict 185f. Naber Mnemosyne XIX 182ff. Pernice Ztschr. d. Sav.-Stift. XIII 250f.; Labeo 211f. Girard Nouv. Rev. hist. XIX 416).
e. Trotz der allgemeinen Anwendbarkeit der c. certi und triticaria auf alle Fälle, in denen certa pecunia bezw. certa res geschuldet wird, werden beide bei den classischen Juristen meistens in dem Zusammenhange erwähnt, dass etwas zurückzuleisten ist, was der Beklagte irgendwie unrechtfertig in Händen hat. Auch von demjenigen, [853] was mit der Abrede der Rückleistung gegeben und genommen ist, liess sich sagen, dass seine Vorenthaltung ein unrechtmässiges Haben sei, und man kann sehr wohl mit Pernice Labeo III 220f. annehmen, dass unter diesem Gesichtspunkt bei den classischen Juristen sich die Darlehensklage mit denen wegen ungerechtfertigter Bereicherung zusammenschliesst. Trotzdem muss festgehalten werden, dass die Verpflichtung zur Rückgabe des mit Rückgabeversprechen Empfangenen (creditum in diesem Sinne) der ursprünglichste Fall der c. des Hingegebenen sein muss, und die Entwicklung der sonstigen Rückforderungen von Leistungen auch in ihren ältesten Fällen nicht älter sein kann, als die c. aus dem mutuum. Die c. aus Litteralcontract ist sicher jünger als die Darlehensklage; denn die Klage aus fictiver Zahlung muss jünger sein als die Klage aus realer Zahlung. Wenn auch für die Stipulation Paul. Dig. XII 2, 2 hervorhebt, sie sei ein verbis credere, also für sie eine Anknüpfung an den Begriff des creditum sucht, so ist zu beachten, dass er dies nicht auf die Stipulation beschränkt, sondern für alle obligatorischen Verträge dasselbe sagt (a. a. O.). Das Ganze ist eine nachträgliche Begründung für den vorhandenen Zustand, dass die actio certae creditae pecuniae auch aus solchen obligationsbegründenden Thatbeständen gegeben wurde, bei welchen von anvertrautem Gelde in Wahrheit nicht zu sprechen war. Dass sich geschichtlich die Stipulationsklage erst an die Darlehensklage angelehnt habe, kann man nicht glauben; sie ist vielmehr für älter als diese zu halten, und wie es kam, dass man im Formularprocess eine abstracte Klage auf dari oportere zunächst für Ansprüche aus Stipulation, datum und Litteralcontract (oder ursprünglich noch enger?) einführte, dafür eben fehlt uns die Aufklärung. Im übrigen erklärt sich das Vorwiegen von Erörterungen über die Bereicherungsklagen in der Condictionenlehre dadurch, dass bei ihnen eine Fülle von Erscheinungen vorlag, bei denen beständig zu fragen war, ob condiciert werden könne oder nicht.
2) Die c. wegen Unrechtfertigkeit des Habens tritt zunächst auf
a. als c. von etwas Geleistetem; dahin gehört die c. dessen, was geleistet worden ist in der irrtümlichen Annahme, man sei es schuldig, indebitum solutum, Dig. XII 6. Ebenso ist c. begründet, wenn sonst ein juristischer Rechtfertigungsgrund der Leistung (causa) als vorhanden angenommen wird, der nicht besteht (Afric. Dig. XII 7, 4. Ulp. ebd. 1, 2. 3). Dahin gehört es auch, wenn die causa nichtig ist, während doch die um ihretwillen gemachte Leistung dinglich wirksam ist, so bei dotis datio in Bezug auf nichtige Ehe (Hermog. Dig. XXIII 3, 74; ist die Leistung selbst nichtig, so findet nicht condictio rei sondern rei vindicatio statt). Hieran reiht sich die c. dessen, was zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges gegeben ist, wenn dieser Erfolg nicht eingetreten ist, condicitur ob rem datum re non secuta, Cels. Dig. XII 4, 16. Pomp. Dig. XII 6, 52. Paul. Dig. XII 5, 1 pr. Ulp. Dig. XII 4, 1 pr. Es kann aber schon bei den Classikern an beiden Stellen für res auch causa [854] gesetzt werden. Für das ob rem datum sagt Paul. ebd. § 2: quod si turpis causa accipientis fuerit, statt re secuta sagt Ulpian a. a. O. causa secuta. Derselbe Dig. XII 7, 1, 1 ob causam ... causa .. secuta non est, ähnlich Afric. Dig. XII 7, 4. Zum Gebiet der c. in dieser Function gehört namentlich dasjenige der sog. Innominatrealcontracte (z. B. Dig. XII 5, 16); aus diesen Contracten entspringt neben der c., d. h. der Rückforderung des Geleisteten, auch eine Klage auf Erfüllung des von der Gegenseite gegebenen Versprechens. Nach classischem Recht kann die c. durch die Bereitschaft zu solcher Erfüllung abgewehrt werden, und es beruht auf Interpolationen, wenn nach Digestenrecht trotz solcher Bereitschaft der Teil, welcher vorgeleistet hat, beliebig auch zur c. greifen kann (s. z. B. Dig. XII 4, 3, 2; vgl. Manns Das Pönitenzrecht, eine byzant. Compilation, 1879. Gradenwitz Interpolationen 146f. Lenel Ztschr. d. Sav.-Stift. IX 181f. Pernice Labeo III 261f. Gradenwitz Ztschr. d. Sav.-Stift. XIV 121f. Girard Manuel élément. 576f. Bekker Ztschr. d. Sav.-Stift. XIII 117. Karlowa 772). Wenn die res, um derentwillen gegeben wurde, schimpflich für den Empfänger ist, oder wenn es schimpflich ist, zu dieser Handlung (oder Unterlassung) sich erst durch Geld oder Geldeswert bestimmen zu lassen, so findet die c. auch statt, wenn die Handlung vorgenommen (bezw. unterlassen) wurde. Wenn dagegen die Unsittlichkeit auf seiten des Gebers oder auch des Gebers liegt, so findet nicht einmal dann c. statt, wenn die bezweckte Handlung (Unterlassung) ausbleibt (Tit. Dig. XII 5). Auch dann kann condiciert werden, wenn durch die Leistung ein Rechtsverhältnis hervorgerufen werden sollte, dieser Erfolg aber scheitert, z. B. wenn etwas als dos gegeben wird und die Ehe nicht zu stande kommt, das Gegebene also nicht dos werden kann (Ulp. Dig. XXIII 3, 7, 3. 9 pr.), oder wenn Geld zu Darlehen gezahlt wird, der Darlehensvertrag aber wegen Dissenses scheitert (Cels. Dig. XII 1, 32). Ferner, wenn ein juristischer Rechtfertigungsgrund der Leistung zwar anfangs vorhanden war, aber die Leistung ihre juristische Function vollständig erfüllt hat, oder der Rechtfertigungsgrund des Habens in anderer Weise wieder fortgefallen ist (causa finita [Ulp. Dig. XII 7, 1, 2. XIX 1, 11, 6] redit (datum) ad non iustam causam [Ulp. Dig. XII 7, 1, 3]). Deshalb wird condiciert die Arra nach Abwickelung des Geschäfts (Ulp. Dig. XIX 1, 11, 6), das Pfand nach getilgter Schuld (Ulp. Dig. XII 1, 4, 1), der ehemalige Dotalgegenstand (welcher durch einen andern ersetzt ist, Afric. Dig. XXIII 3, 50 pr.), der geleistete Schadensersatz nach Wiederbeischaffung der Sache, wegen deren Verlust er geleistet ist (Ulp. Dig. XII 7, 2).
b. Die Condictionen greifen aber über die Rückforderung dessen, was jemand auf Grund einer Leistung rechtlos in Händen hat, auch auf andere Fälle des rechtlosen Habens hinüber. Weil aber die Klage auf dare oportere, d. h. Eigentumsverschaffung, gerichtet ist, so setzt sie normalerweise voraus, dass nicht ein im Eigentum des Klägers stehendes Object gefordert wird, dass also der Beklagte das Eigentum erworben hat oder statt des aus irgend einem andern Grunde nicht mehr vindicierbaren [855] Objects Ersatz gefordert wird. So erfolgt bei Schenkung unter Ehegatten kein Eigentumserwerb des Beschenkten; hat er das Geschenkte verzehrt, so ist er nicht eigentlich durch die Schenkungsleistung bereichert, sondern diese hat ihm nur die factische Gelegenheit geboten, sich einseitig aus fremdem Vermögen zu bereichern. Die Bereicherung wird condiciert (Ulp. Dig. XXIV 1, 5 § 18. Gai. ebd. 6). Wenn der gutgläubige Besitzer einer fremden Sache sie verzehrt oder veräussert, so kann die ihm dadurch zugegangene Bereicherung condiciert werden. Es ist dazu aber erforderlich, dass die Bereicherung nicht durch die Regressforderung dessen, an welchen die Veräusserung stattgefunden hat, compensiert wird (also muss z. B. der Evictionsregress des Käufers durch den Tod des gekauften Sclaven ausgeschlossen sein, Afric. Dig. XII 1, 23), und dass nicht die Bereicherung durch einen Rückleistungsanspruch dessen ausgeschlossen ist, von dem der Empfänger die Sache erhielt. Ist z. B. fremdes Geld dargeliehen, und hat der Empfänger es gutgläubig verzehrt, so wird er Darlehensschuldner des Gebers (Pomp. Dig. XII 1, 12. Ulp. ebd. 13, 1), und der Eigentümer kann nicht vom Darlehensnehmer, sondern nur vom Geber, als dem Bereicherten, condicieren. Im Falle des furtum wurde von dem oben bemerkten Bedenken abgesehen und die condictio rei trotz des fortdauernden Eigentums des Klägers zugelassen (Gai. IV 4). Das Gleiche gilt nach Gai. II 79 gegenüber einigen andern Besitzern, z. B. demjenigen, der gewaltsam ein fremdes Grundstück besetzt hat (Ulp. Dig. XIII 3, 1, 1. l. 2). Dass man sich in diesen Fällen nicht mit c. possessionis begnügte, hängt mit der Abschätzung des Streitwerts zusammen.
3) Kraft der c. possessionis kann nämlich, ohne Lösung der Eigentumsfrage, ein unrechtfertig an den Gegner gelangter Besitz zurückgefordert werden. Dahin gehört die c. des gewaltsam besessenen Grundstücks durch den verdrängten Besitzer, der nicht Eigentümer ist (Ulp. [Cels.] Dig. XIII 3, 2. Cels. Dig. XLVII 2, 25, 1), die c. des bestohlenen Besitzers einer beweglichen Sache (Cels. Dig. XLVII 2, 25, 1), die c. des Besitzes einer indebite geleisteten fremden Sache (Paul. Dig. XII 1, 15, 1), also z. B. auch des Besitzes der dargeliehenen fremden Geldstücke vor der Consumtion, des Besitzes der unter Ehegatten verschenkten fremden Sache (Ulp. Dig. XXIV 1, 46 in Verbindung mit Gai. ebd. 6). Die c. der vi fluminum importata (Ulp. Dig. XII 1, 4, 2) ist dem Wortlaut nach eine c. rei, hält man sie für eine c. possessionis (Windscheid Pand. II § 161 N. 2), so muss doch bedacht werden, dass sie, von dem Eigentümer angestellt, wie die c. furtiva eine c. rei sein kann und muss. Der praktische Unterschied der c. rei und c. possessionis liegt in der Abschätzung des Streitgegenstandes für die Zwecke der condemnatio; bei der c. rei wird der volle Sachwert, bei der c. possessionis nur der Wert des Besitzes zur Abschätzung gebracht (vgl. Paul Dig. IV 2, 21, 2). Bei der c. der vi fluminum importata hat aber der Eigentümer in der Condemnationssumme den Sachwert, nicht blos den Besitzeswert zu fordern. Ebenso ist die c. der Pfandsache nach getilgter Schuld (Ulp. [856] Dig. XII 1, 4, 1) nicht mit Pernice Labeo III 231 als c. possessionis, sondern als c. rei zu bezeichnen. Wie die Formel der c. possessionis gefasst war, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen. Die Möglichkeit ist nicht abzuweisen, dass die nach dem Vorbild der c. rei unter Streit entwickelte c. possessionis (Dig. XLVII 2, 25, 1 Labeo gegen Celsus) eine Formel nach Analogie der c. triticaria erhalten hat (etwa s. p. N. Negidium A. Agerio fundi possessionem restituere oportere), und es ist nicht gewiss, dass die c. possessionis in das Gebiet der c. incerti gehört. Dig. XLIII 26, 19, 2 ist der Interpolation verdächtig. Ulp. Dig. XIII 1, 12, 2 greift vielleicht deshalb zur c. incerti, weil der bestohlene Pfandgläubiger weder ein Eigentums- noch ein blosses Besitzinteresse geltend macht.
4) Die c. incerti ist bezeugt im Falle der Klage auf Aufhebung einer sine causa eingegangenen Obligation (Iul. Dig. XII 7, 3. XXXIX 5, 2, 3; vgl. XLIV 4, 7. XXIII 3, 46. Paul. [Pomp.] Dig. XIX 1, 5, 1. XLVI 2, 12; bei Ulp. Dig. XII 7, 1 pr. Tryph. Dig. XXIII 3, 76 fehlt der Zusatz incerti; hieher gehört auch Ulp. [Pomp.] Dig. IV 4, 16, 2; einige dieser Stellen werden freilich der Interpolation verdächtigt [Pernice Labeo III 203, 5. 206, 1], allein meines Erachtens mit Unrecht; insbes. in Dig. IV 4, 16 verschwindet der formale Verdachtsgrund, wenn man, was der Sinn fordert, einschiebt adicit non obesse quod). Ferner kommt c. incerti vor als Klage auf Errichtung einer Servitut, welche der Veräusserer eines Grundstücks bei der Übereignung sich vorzubehalten berechtigt war, wenn dieser Vorbehalt irrtümlich unterblieben ist (eine Art c. indebiti, Pomp. Dig. XII 6, 22, 1. Marcian. Dig. VIII 2, 35. Paul. Dig. XIX 1, 8 pr.). Danach hat die c. incerti als Klage auf Errichtung der Stipulation, von deren Eingehung die Übereignung der verbrauchbaren Niessbrauchsobjecte hätte abhängig gemacht werden dürfen, wie sie Ulp. Dig. III 5, 5, 1 für zulässig erklärt, doch wohl kaum etwas gegen sich, und es ist unberechtigt, die c. incerti hier für interpoliert zu halten (Pernice 203, 5); s. auch Ulp. Dig. VII 9, 7 pr., die freilich ebenfalls (Pernice a. a. O.) als interpoliert angefochten wird. Wenn andere Stellen sich in ähnlichen oder gleichen Fällen ohne solche c. behelfen (s. Pernice a. a. O.), so kann dies sehr wohl auf Meinungsverschiedenheit der römischen Juristen beruhen. Bei Iul. Dig. XXX 60 (vgl. 58. 59) und Marcian. Dig. XII 6, 40, 1 erscheint c. incerti als Klage auf Erstattung von Auslagen, welche der Erbe auf einen Fideicommissgegenstand gemacht hat, und die er bei Leistung des Fideicommisses hätte fordern können; da es sich hier um Geldleistung handelt, so kann die Klage als c. incerti nur deswegen qualificiert sein, weil die Kosten der Abschätzung bedürfen (Pap. Dig. XXX 58) (zugleich also ein Beleg gegen die c. certae pecuniae auf Grund von Selbstschätzung). Noch weiter als Pernice gehen in der Annahme von Interpolationen Trampedach und H. H. Pflüger, von denen der erstere die c. incerti dem Worte nach, der letztere auch der Sache nach aus dem classischen Rechte ganz wegdeducieren will, beides meines Erachtens erfolglos. Die c. incerti ist eine Klage auf Erstattung ungerechtfertigter [857] Bereicherung, und zwar für solche Fälle, in denen wegen des Leistungsgegenstandes die c. certae pecuniae oder c. triticaria nicht anwendbar war. Zu beachten ist dabei freilich, dass die Klage auf Errichtung einer Servitut und selbst auf Bestellung des nur praetorischen Rechts am ager vectigalis in anderen Stellen zum Gebiet der c. certae rei gerechnet wird (z. B. Ulp. XIII 3, 1 pr.). Die Formel der c. incerti muss eine unbestimmte intentio (quicquid dare facere oportet) gehabt haben; es ist aber weiter wahrscheinlich, dass die für diese intentio unerlässliche Aufklärung nicht in einer Angabe des Rechtsverhältnisses bestand, aus welchem geklagt wurde (denn es ist wahrscheinlich, dass die c. incerti ebenso wie die beiden andern abstract war), sondern vielmehr in einer näheren Angabe des Klageziels (s. darüber Lenel Edictum perpetuum 121f.). Von einer Ausdehnung der c. possessionis und der c. incerti über den Bereich der Rückforderung von etwas unrechtmässig Erlangtem hinaus verlautet nichts.
5) Die römischen Juristen weisen bei den Condictionen im Sinne der Rückforderung des zu Unrecht Erlangten oder Besessenen oft auf das bonum et aequum als die Grundlage hin, und formulieren dabei als allgemeines Princip der aequitas, des ius gentium oder naturae, dass niemand mit dem Schaden eines andern sich bereichern dürfe, eine unrechtfertig erlangte Bereicherung zurückgegeben werden müsse (Cels. Dig. XII 1, 32. Pomp. Dig. XII 6, 14. L 17, 206. Pap. Dig. XII 6, 66. Marcian. Dig. XXV 2, 25. Ulp. Dig. II 15, 8, 22. XV 1, 3, 12). Indessen kann man nur mit grosser Vorsicht aus solchen allgemeinen Sätzen auf die Zulässigkeit einer c. in Fällen schliessen, für welche sich kein besonderes Zeugnis und keine Verwandtschaft mit einem bezeugten Falle von c. findet.
6) Die bunte Fülle der verschiedenen Gründe einer Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung haben die römischen Juristen in verschiedener Weise zu ordnen gesucht, sind aber dabei immer nur auf diejenigen Fälle eingegangen, in denen eine Leistung (ein datum oder promissum) zurückgefordert wird (vgl. Pomp. Dig. XII 6, 52. Paul. Dig. XII 5, 1. XII 6, 65. Ulp. Dig. XII 7, 1). Technische Namen einzelner c. nach dem Rückforderungsgrunde sind den classischen Juristen fremd. Erst die iustinianischen Compilatoren haben zum Zwecke der (übrigens sehr unvollkommen geglückten) Ordnung der verschiedenen Condictionsfälle in Titel der Digesten und des Codex Überschriften aufgestellt, welche den einzelnen Gruppen von Condictionsfällen technische Namen nach dem Grunde anweisen. Die Anordnung der entsprechenden Partie der Digesten erklärt sich so: das praetorische Edict hatte eine allgemeine Rubrik de rebus creditis, deren erster Titel war: si certum petetur, und zwar a) certa pecunia, b) certa res. Zu dem Paragraphen über die c. certae pecuniae gehörten im Edict auch dessen Sätze über das Eidesrecht (Lenel 188f.). Auf die Rubrik si certum petetur folgte: de eo, quod certo loco dari oportet, dann de pecunia constituta. Die Compilatoren beginnen mit einem Titel (XII 1) de rebus creditis si certum petetur et de condictione, handelnd vom Darlehen, [858] aber auch von anderen Fällen der c., und zwar ganz vorwiegend von der c. certae pecuniae. Daran schliesst sich das Eidesrecht (XII 2. 3); hierauf die Bereicherungscondictionen (XII 4ff.). Ganz am Schlusse steht der Titel de c. triticaria (XIII 3). Die Grundidee der Compilatoren ist danach gewesen, zu handeln 1) von der c. certae pecuniae, 2) von der c. triticaria, die genauere Lehre von den Gründen der c. aber im Zusammenhange der Lehre von der c. certae pecuniae zu geben, so dass sie bei der c. triticaria nicht wiederholt zu werden brauchte; die Lehre von den Condictionsgründen zwang sie aber, vielfältig schon Stellen zu benutzen, welche zum Gebiet der c. triticaria gehören. Die c. incerti ist ex professo in den Digesten überhaupt nicht behandelt (ihre Stellung im praetorischen Edict ist ungewiss, s. Lenel 121f.). Nach der c. triticaria folgt wie im Edict so auch in den Digesten die actio de eo quod certo loco dari oportet (XIII 4) und die pecunia constituta (XIII 5). Die einzelnen Bereicherungsklagen unterscheiden die Compilatoren so: XII 4 de condictione causa (Abl.) data (Acc.) causa non secuta (classisch konnte nur gesagt werden condicuntur causa [= ob causam] data causa non secuta), XII 5 de condictione ob turpem vel iniustam causam, XII 6 de condictione indebiti (scil. soluti), XII 7 de condictione sine causa (scil. dati vel promissi), XIII 1 de c. furtiva (die Classiker sagen condictio rei furtivae [Ulp. Dig. XIII 1, 7, 2], condicitur ex causa furtiva [Ulp. ebd. 8, 1], c. ex causa furtiva [Ulp. ebd. 9]); dann haben die Compilatoren noch einen Titel XIII 2 hinzugefügt, den sie de c. ex lege überschrieben, und in welchem nur eine Stelle (Paul.) untergebracht ist, die besagt, wenn eine neue lex eine Obligation einführe und nicht bestimme, mit welcher Klage sie zu verfolgen sei, dann ex lege agendum est. Welchen Zusammenhang dies bei Paulus gehabt hat, ist unbekannt. Dass für die c. certae pecuniae oder triticaria auch ein neues Gesetz, das ein dare oportere rechtfertigt, zur Grundlage genommen werden konnte, ist zweifellos, aber den technischen Begriff einer c. ex lege haben erst die Compilatoren erfunden. Im Codex vgl. die etwas abweichende Ordnung und Rubricierung IV 1. 2. 5–9.
Litteratur. Bekker Die Aktionen I 93f. 303f. Baron Abhandlungen aus dem röm. Civilprocess I. Die Condictionen (1881). Pernice Labeo III 1 (1892), 202f. Girard Nouvelle Revue histor. XIX 408ff. Bolze Zur Lehre v. d. Kondiktionen insonderheit v. d. c. sine causa, Archiv f. d. civilist. Praxis LXXVIII 422f., s. auch LXXIX 183f. Kindel Die Natur der Sach- und Haftklage, insbesondere der Kondiktion, Archiv f. bürgerliches Recht VII 236f. Trampedach Ztschr. d. Sav.-Stift. XVII 97f. Pflüger ebd. XVIII 75f. (beide letztere speciell über c. incerti). Keller Civilproc. §§ 18. 88. Bethmann-Hollweg Civilpr. II 261f. Lenel Edictum perpetuum 121f. 184f. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 761f. Savigny System V 107f. 503f. Brinz Pandekten II § 300–305. Dernburg Pand. II § 138–143. Windscheid Pand. II § 421–429, weitere Speciallitteratur besonders bei dem Letztgenannten.