Zum Inhalt springen

RE:Comitiaci

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Beamte im Occident
Band IV,1 (1900) S. 715716
Bildergalerie im Original
Register IV,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|IV,1|715|716|Comitiaci|[[REAutor]]|RE:Comitiaci}}        

Comitiaci oder Comitiani, eine Art von Beamten, die nur im Occident vorkommen und zuerst im J. 432 nachweisbar sind (CIL V 7530). Ihr Titel vir devotus zeigt, dass sie Subalterne waren (Cassiod. var. II 10. IV 5. VIII 27. De Rossi Inscr. Christ. urb. Romae I 887. Marini Papiri diplomatici 79, 105. 106. 120, 72). Auch fällen sie niemals, wo von ihnen die Rede ist, selbständige Entscheidungen, sondern sie verabfolgen Abschriften von Urkunden und beglaubigen sie (Marini 79, 105. 106), oder führen Befehle mannigfacher Art aus, z. B. Einziehung eines unrechtmässigen Besitzes und Wiedererstattung an den Eigentümer (Cassiod. var. II 10), Beschlagnahme von Gütern, die dem Fiscus verschuldet sind (Cassiod. var. V 6), Beaufsichtigung des Getreidehandels (Cassiod. var. IV 5), Bestrafung von Plünderern (Cassiod. var. VIII 27). Dass sie zu den Officiales gehörten, wird denn auch ausdrücklich gesagt (Cassiod. var. VI 13), doch schreibt ihnen der Ostgothenkönig ein Officium zu, quod nostris iussionibus speciali sollicitudine famulatum est (Cassiod. var. VI 13, 7), und die Befehle an sie gehen alle direct vom Herrscher aus ohne Vermittelung irgend eines höheren Beamten. Demgemäss befindet sich ihr Vorsteher, der princeps cardinalis, am Hofe; aber auch in Rom ist ein Teil der C. stationiert und auch hier steht ein Princeps an ihrer Spitze, der als Stellvertreter (vicarius) jenes princeps cardinalis gilt und künftig in seine Stelle einzurücken berufen ist (Cassiod. var. VII 31). Scheidet einer nach vollendeter Dienstzeit aus dem Corpus der C. aus, so erhält er die comitiva primi ordinis und die Titularwürde eines Magister scrinii nebst den Privilegien, welche diese mit sich bringt (Cassiod. var. VI 13).

Dass die C. Executivbeamte sind, die unmittelbar dem Herrscher unterstehen, duldet keinen Zweifel; um so schwieriger ist die Erklärung ihres Namens, da dieser doch nichts anderes besagen kann, als dass sie Untergebene irgend eines Comes waren. Mommsen meint daher, dies sei der comes et magister officiorum gewesen, der allen kaiserlichen Officia vorstand, und C. stelle demgemäss nur eine jüngere Benennung der Agentes in rebus dar. Nun kommt es zwar vor, dass diese nach ihrem Vorgesetzten benannt werden, aber dann heissen sie immer magisteriani (s. Bd. I S. 776). Dass sie im 5. Jhdt. diesen Namen mit C. vertauschten, wäre allenfalls denkbar, wenn [716] der magister officiorum erst damals den Comestitel erhalten hätte; er führt denselben aber sicher unter Constantius (Cod. Theod. I 9, 1. VIII 5, 8), wahrscheinlich schon seit Constantin dem Grossen (s. oben S. 632f.), und niemals ist bei seinem Amte gerade dieser Titel als der wesentlichste erschienen. Anders ist dies bei den Reichsfeldherrn, den comites et magistri militum; bei diesen kommt es sogar vor, dass sie in officiellen Denkmälern comes schlechthin ohne jeden Zusatz genannt werden (Dessau 790). Ich halte es daher für wahrscheinlicher, dass bei den C. an diese zu denken ist.

Der erste C. erscheint im J. 432, also zu der Zeit, wo Aëtius als Magister militum das Reich beherrschte. Damals musste ein Befehl, den einer seiner Officialen überbrachte, ebenso befolgt werden, als wenn er vom Kaiser selbst komme, konnte also von den Unterthanen als Ausfluss des allerhöchsten Willens betrachtet werden. Nicht anders war es zur Zeit des Ricimer und der andern allmächtigen Reichsfeldherrn, die bis auf Romulus Augustulus das Kaisertum völlig überwuchert hatten. Odoacer galt in viel höherem Grade als Nachfolger jener Reichsfeldherrn, denn der weströmische Kaiser. Es war also nur angemessen, dass er die Officialen seiner Vorgänger, jene C., auch für sich beibehielt und sie so zu Organen des italischen Königtums machte, was sie denn auch unter den gothischen Herrschern geblieben sind. Dies bietet, wie mir scheint, die passendste Erklärung sowohl für den Namen und die Entstehung der C., als auch dafür, dass sie nur im Occident, nicht auch im orientalischen Reichsteil zu finden sind. Dort erscheinen zwar auch Comitiani, doch sind damit, wie allerseits zugegeben ist, nur die Officialen des comes Orientis gemeint (Cod. Theod. VIII 4, 18). Mommsen Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XIV 469.

[Seeck. ]