RE:Colonatus
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Pacht | |||
Band IV,1 (1900) S. 483–510 | |||
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Colonatus.
I. Quellen und Litteratur. Wir haben diesen Abschnitt nur deshalb vorausgeschickt, um die späteren Citate verständlich zu machen. Aus diesem Grunde verweilen wir auch nur bei denjenigen Quellen, die, um richtig benutzt zu werden, einer Erläuterung bedürfen. In erster Linie sind hier die classischen Juristen zu nennen. Von den Frohnden, die für die africanische [484] Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung waren und auch in Illyricum vorkommen (Cod. Iust. XI 53 § 1), wissen sie gar nichts, obgleich gerade diese Pflichten der Colonen sehr häufig zu Rechtsstreitigkeiten Grund gaben. Ebensowenig kommen die charakteristischen Eigentümlichkeiten der ägyptischen Pacht, namentlich die Zahlung in Naturalien, aber nicht nach aliquoten Teilen der Ernte, sondern in festen Summen, bei ihnen vor. Diese findet sich von den juristischen Quellen einzig in den Kaiserconstitutionen des Codex Iustinianus (IV 65, 8. 18. 21). Gaius unterscheidet nur den colonus, qui ad pecuniam numeratam conduxit und den colonus partiarius (Dig. XIX 2, 25 § 6), als wenn es ein Drittes gar nicht gäbe, d. h. er kennt nur diejenigen Formen der Pacht, die in Italien verbreitet waren. Wenn alles Besondere derjenigen Provinzen, von denen uns überhaupt Besonderheiten bekannt sind, in den Digesten unberücksichtigt bleibt, so folgt daraus, dass die classischen Juristen, wenn auch vielleicht nicht ganz ausschliesslich, so doch in der Hauptsache nur für die ländlichen Verhältnisse Italiens als Quellen dienen können, was für ihre Benutzung von hoher Wichtigkeit ist.
Über Africa sind wir durch einige Inschriften unterrichtet, unter denen die Lex Manciana die erste Stelle einnimmt. Wir citieren sie mit LM und Hinzufügung der Columnen- und Zeilenzahlen. Sie ist gefunden bei Henschir-Mettisch im Bagradasthale, nicht weit von Tichilla (Testur), herausgegeben von Cagnat Comptes rendus de l’acad. des inscr. sér. IV tom. XXV 146. Toutain Mémoires des savants étrangers présentés à l’acad. des inscr. sér. I tom. XI 1 mit Lichtdrucktafeln. A. Schulten Abb. d. Göttinger Gesellsch. d. Wissensch. N. F. II 3; zuerst vollständig entziffert bei Seeck Ztschr. f. Social- und Wirtschaftsgesch. VI 305; besprochen auch von Cuq Mémoires de l’acad. des inscr. XI 1. Ein gewisser Mancia entwarf sie für sein Gut Villa Magna Variani, das im Volksmunde Mappalia Siga hiess, um, als er einen grossen Teil desselben in Colonenhufen parcellieren liess, auf Grund dieses Privatstatuts seine Pächter zu verpflichten. Dies geschah zwischen 93 und 96, da die LM (II 25) ein Verbot, die Weinpflanzungen zu vermehren, als gültig voraussetzt, das nur in diesen Jahren bestand (Euseb. chron. 2108. Suet. Dom. 7. 14. Stat. silv. IV 3, 11. Philostr. vit. Apoll. VI 42; vit. soph. I 21, 12. Seeck 323). In den letzten Jahren Traians ging das Gut an den Fiscus über, und der Kaiser beauftragte zwei Procuratoren, das alte Statut den neuen Verhältnissen gemäss umzuarbeiten. Sie thaten dies sehr leichtfertig, indem sie fast nichts hinzufügten, sondern nur das Veraltete strichen, und auch dies höchst inconsequent, so dass es an vielen Stellen stehen geblieben ist. In Stein gehauen ist die LM wohl bei Gelegenheit eines Processes, den die Colonen auf Grund derselben gewonnen hatten, um gewissermassen als Siegeszeichen zu dienen, sicher nicht vor dem Ende des 2. Jhdts., wahrscheinlich unter Septimius Severus (Seeck 315). Als Privatstatut übergeht sie alles, was durch das Reichsrecht oder die allgemeinen Gepflogenheiten der Provinz schon geregelt war, und beschäftigt sich nur mit den Bestimmungen, die für dies eine Gut insbesondere [485] gelten sollen (Seeck 336). Trotzdem darf ihr Inhalt als typisch für die Verhältnisse des africanischen Grossgrundbesitzes gelten. Für die kaiserlichen Domänen bestand eine ähnliche Lex Hadriana, deren Entstehungszeit durch ihren Namen gegeben ist. Ein grösseres Fragment, herausgegeben von Schulten Herm. XXIX 204, wird künftig citiert mit LH. Auf Grund dieser Lex strengten die Colonen der Domäne Saltus Burunitanus gegen die kaiserlichen Grosspächter einen Process an, weil diese sie mit Frohnden überbürdeten. Als sie bei dem Procurator, der ihr gesetzlicher Richter war, kein Recht fanden, wandten sie sich mit einer Bittschrift an Commodus und erlangten einen günstigen Bescheid. Zum Andenken daran stifteten auch sie eine Inschrift, künftig citiert mit SB, herausgegeben CIL VIII 10570. 14451. Mommsen Herm. XV 385. Eine ähnliche, sehr verstümmelte Bittschrift vom J. 181, die in Gasr-Mezuar gefunden ist, auch CIL VIII 14428.
Aus Ägypten besitzen wir zahlreiche Pachtcontracte, die meist im Corpus Papyrorum Raineri I 149 (citiert mit CPR) und in den ägyptischen Urkunden aus den königlichen Museen zu Berlin (citiert UBM) veröffentlicht sind. Paul Meyer Philol. LVI 193.
Gothofredus zu Cod. Theod. V 9. Savigny Vermischte Schriften II 51. A. W. Zumpt Rh. Mus. III 1. Huschke Über den Census und die Steuerverfass. d. früheren röm. Kaiserzeit, Berlin 1847. Revillout Revue histor. du droit franç. et étranger II 417. III 209. 343. Rodbertus Jahrb. f. Nationalökonomie u. Statistik II 206. Heisterbergk Die Entstehung des Colonats, Lpz. 1876. Mommsen Herm. XV 385. Fustel de Coulanges Recherches sur quelques problèmes historiques, Paris 1885. G. Bois Du colonat en droit Romain, Paris 1883. Segré Archivio giuridico XLII 467. XLIII 150. XLIV 36. XLVI 261. L. M. Hartmann Arch.-epigr. Mitt. XVII 125; Gesch. Italiens im Mittelalt. I 13. M. Weber Röm. Agrargeschichte, Stuttg. 1891. Seeck Gesch. des Untergangs der antiken Welt I² 377. 402. 578; Ztschr. f. Social u. Wirtschaftsgesch. IV 312. VI 305.
II. Erste Periode, bis auf M. Aurelius.
1. Italien. Das Wort colonus, griechisch γεωργός, bedeutet ursprünglich ganz allgemein den freien Mann, der den Acker selbst bebaut. In diesem Sinne brauchen es Cato agr. 1, 2. Cic. de or. II 287. Ovid. fast. II 646. IV 692 (auch der possessor colonus CIL VI 9274 bedeutet wohl einen Grundbesitzer, der mit eigener Hand sein Land bebaut), und der Begriff der colonia als einer Ansiedlung von Ackerbürgern geht darauf zurück. Hieran knüpft die zweite Bedeutung des Wortes an, die namentlich in der Verbindung coloni coloniae Narbonensis, oder wie sonst der Name der Stadt lauten mag, vorzukommen pflegt; in diesem Sinne bezeichnet es die Bürger einer Colonie im Gegensatze zu den incolae, die zwar auch auf dem Gebiete der Stadt ihren Wohnsitz haben, aber nicht das Bürgerrecht derselben besitzen. Uns soll hier eine dritte Bedeutung beschäftigen, nämlich die des Pächters eines fremden ländlichen Grundbesitzes, der als solcher im Gegensatze zum inquilinus, dem Mieter einer städtischen Wohnung, steht (Dig. XIX 1, 13 § 30. 2, 19. 24 § 2. 25 § 1. [486] 2. XLI 2, 37. XLIII 32,1 § 1). Als nämlich gegen Ende der Republik die Bauernhufen mehr und mehr in den Latifundien verschwanden und die Grossgrundbesitzer ihre Güter nicht selbst bewirtschafteten, sondern höchstens hin und wieder bereisten (Cato agr. 2. 4. Colum. I 1, 18. 2, 1. 3, 3. 4, 8. 7, 6. 8, 20. III 21, 4. XI 3, 1), da heftete sich der Name coloni an diejenigen freien Männer, die jetzt noch in eigener Person dem Ackerbau oblagen, d. h. die Pächter (so zuerst Cic. pro Caec. 94). Bei diesen verallgemeinert er sich in Italien bald so sehr, dass auch solche, die nicht selbst die Bebauung leiten, coloni genannt werden, dafern sie nur Pächter sind. So redet Colum. I 7, 3 von dem urbanus colonus, qui per familiam mavult agrum, quam per se colere, und in einer Inschrift (Notiz. degli scavi 1887, 116) erscheint ein colonus hortorum olitoriorum einer sacralen Genossenschaft, der 25 000 Sesterzen Pacht zahlt, also jedenfalls kein Kleinpächter ist (vgl. Mart. IV 64, 34). In den Digesten fliessen daher auch conductor und colonus ganz ineinander, während man in Africa und wahrscheinlich auch in anderen Provinzen mit jenem Worte den Grosspächter, mit diesem den Kleinpächter bezeichnet und beide scharf von einander sondert. Erst im 4. Jhdt. gehört es dann wieder ganz allgemein zum Begriffe des C., dass man den Acker cultura et sollicitudine propria bebaue (Cod. Theod. XII 1, 33).
Auch in Italien war die Mehrzahl der grossen Güter an Kleinpächter vergeben. Die Sitte, die Latifundien zu parcellieren und ihrer Bebauung zu übertragen, dürfte zuerst durch die Sclavenkriege und die ihnen folgenden Massenhinrichtungen eine grosse Ausdehnung gewonnen haben. Denn da die Mehrzahl der unfreien Arbeiter hingemordet war, musste man nach freien suchen, die möglichst wenig kosteten, und diese fanden sich in den Colonen, die für eigene Rechnung das Land bauten, wohl besser und billiger, als in gemieteten Tagelöhnern. Geschickte Landwirte meinten freilich noch sehr viel später, die Eigenwirtschaft sei viel gewinnbringender, und empfahlen, nur ungesundes oder unfruchtbares Land, höchstens noch solches, das durch seine weite Entfernung die Aufsicht des Herrn erschwere, durch Kleinpächter auszunutzen (Colum. I 7, 4–6). Viele werden ihnen also nur solchen Boden übergeben haben, der ihnen selbst zu schlecht erschien, um daran die teuren Arbeitskräfte ihrer Sclaven zu verschwenden. Trotzdem hatte sich schon im J. 49 v. Chr. die Kleinpacht in Italien so ausgebreitet, dass die Colonen eines einzelnen Grundbesitzers einen ansehnlichen Bestandteil für die Bemannung einer kleinen Flotte liefern konnten (Caes. b. c. I 34, 2. 56, 3). Doch die grosse Menge von Sclaven, die zuerst die gallischen Kriege Caesars (Plut. Caes. 15. App. Gall. 1, 2), dann die illyrischen, raetischen, spanischen und germanischen des Augustus auf den Markt brachten, drängte den C. wieder so sehr zurück, dass er in Varros Büchern vom Landbau kaum mehr eine Rolle spielt (Seeck Gesch. I² 565). Der Frieden, den Augustus geschaffen hatte, bewirkte aber bald, dass die Zufuhr an Arbeitssclaven dem Bedarf nicht mehr genügte, und die Folge war wieder eine Ausbreitung der Kleinpacht. Im [487] 1. Jhdt. wird sie schon sehr oft erwähnt (Horat. epist. I 14, 2. Lucan. Phars. I 170. Senec. epist. 123, 2. Mart. I 17, 3. III 58, 33. VII 31, 9. XI 14. Tac. Germ. 25 und sonst), und im 2. erscheint es geradezu als Ausnahme, dass ein Landgut ohne Colonen ist (Dig. XX 1, 32). Wo es an solchen fehlt – denn passende Leute waren schwer genug zu bekommen (Plin. ep. III 19, 7. VII 30, 3) –, da beschäftigt man oft sogar die Sclaven in der Weise, dass man ihnen eine Parcelle vom Lande ihres Herrn zur freien Bebauung übergiebt und dafür nur eine feste Pacht beansprucht (quasi colonus Dig. XXXIII 7, 12 § 3. 18 § 4. 20 § 1); so sehr ist diese Form der Bodennutzung zur herrschenden geworden.
Die Verpachtung pflegte in der Regel auf 5 Jahre zu erfolgen (Plin. epist. IX 37, 2. Dig. XII 1, 4 § 1. XIX 1, 49. 2, 13 § 11. 24 § 2. 4. XLV 1, 89. XLVII 2, 68 § 5); doch falls keine Kündigung stattfand, dauerte sie auch nach Ablauf der Frist stillschweigend fort (Dig. XIX 2, 14. 13 § 11). Auf Einhaltung derselben verpflichteten sich mitunter beide Teile mit einer Poenalsumme; doch gab Nichterfüllung des Contractes natürlich das Recht, das Verhältnis trotzdem früher zu lösen (Dig. XIX 2, 54 § 1).
Die Form des C. ist in Italien anfangs nur Geldpacht. Columella kennt noch keine andere (I 7, 2), und auch bei den classischen Juristen herrscht sie vor (Dig. V 3, 29. XIX 2, 61. XXXII 91). Daneben haben die Pächter nur Holz und andere Naturalien von geringem Wert als parvae accessiones zu liefern (Colum. a. O.). Da aber die Beschaffung von Barmitteln den Colonen oft Schwierigkeiten bereitete, sahen sich im Anfang des 2. Jhdts. manche Gutsbesitzer veranlasst, zur Teilpacht überzugeben, worin sie vielleicht dem Vorbilde Africas folgten (Plin. epist. IX 37, 3; Naturalleistungen auch erwähnt bei Tac. Germ. 25. Mart. VII 31, 9. XIII 121). Seitdem bestehen in Italien beide Pachtformen neben einander (Dig. XIX 2, 25 § 6. XLVII 2, 26 § 1). Besucht der Herr sein Gut, so pflegen ihm die Pächter kleine Geschenke, wie Honig, Käse, Haselmäuse u. dergl.. als xenia darzubringen (Mart. III 58, 33–40. Philostr. imag. II 26). Frohnden sind ganz unbekannt. Daher gilt auch hier der C. als eine Stellung, die ehrenvoll genug ist, um ihrer auf dem Grabstein Erwähnung zu thun (CIL VI 9273. 9275. 9276. IX 888. 3675. 5659. X 4334), was in keiner Provinz mit Ausnahme von Sardinien (CIL X 7957) vorkommt. Namentlich wer sehr lange dieselbe Pachtung inne gehabt hat, meint mit Grund, sich dessen rühmen zu können (CIL IX 3674. X 1877. 1918). Denn im allgemeinen waren die Colonen ein arg fluctuierendes Völkchen, und der Grundherr betrachtete es als seltenes Glück, wenn er Pächter besass, die schon von ihren Eltern her auf seinem Gute ansässig waren (Colum. I 7, 3). Wirkliche Erbpacht pflegte nur bei städtischem Grundbesitz vorzukommen (Gai. III 145. Cod. Iust. IV 65, 10), und auch hier wohl nur bei Grosspächtern.
Überhaupt scheint das Menschenmaterial, aus dem sich in Italien die Kleinpächter recrutierten, kein sehr brauchbares gewesen zu sein. In republicanischer Zeit hatte man durch das Auskaufen und Austreiben der Bauern die freie ländliche [488] Bevölkerung fast vernichtet. Als man sie später, da die Sclavenpreise sich steigerten, wieder brauchte, fanden sich nur noch geringe Reste, und man sah sich darauf angewiesen, die Hefe des städtischen Proletariats, soweit es ging, zu Colonen zu machen. Da man Zwangsmittel nicht besass und die schwere Landarbeit dem Städter zuwider war, musste man ihn dadurch anlocken, dass man ihm Pachthufen von bedeutender Grösse bot, wahrscheinlich, wie in Africa (LM IV 39. LH II 2), von je einer Centuria oder 200 Iugera (Röm. Feldmesser I 116). Horaz besass daher auf seinem Gute neben seiner eigenen Wirtschaft, die ein Vilicus leitete, nur fünf Colonenhufen (epist. I 14, 2), und in der Alimentartafel von Veleia bilden die Coloniae ein ansehnliches Zubehör des Fundus (CIL XI 1147, 1. 33. 34. 42. 2, 44. 70. 89. 6, 40). Jedenfalls waren sie meist so umfangreich, dass der Colone sie nicht ganz mit eigener Hand bebauen konnte, sondern Sclaven dazu brauchte (CIL IX 5659. Dig. IX 2, 27 § 9. 11. XIX 2, 30 § 4. Cod. Iust. IV 51, 4), die in der Regel der Grundherr herleihen musste (Plin. epist. III 19, 7. Dig. XIX 2, 54 § 2). Auch das übrige Inventar musste er oft ganz oder teilweise selber stellen (Dig. XIX 2, 3. 19 § 2. XXXIII 7, 24); dies sind die dotes colonorum, die in den Rechtsquellen als Zubehör der Grundstücke genannt werden (Dig. XXXIII 7, 20 § 1. 3. XLVI 1, 52 § 2). Sclaven waren also auch auf den verpachteten Gütern nicht ganz zu entbehren; die Colonen führten nur insofern eine Ersparnis an Arbeitskräften herbei, als sie selbst mit Hand anlegten. Freilich waren sie meist träge und liederlich. Der Herr musste in steter Furcht sein, dass sie durch schlechte Bebauung dem Lande schadeten (Dig. XIX 2, 25 §3. Mart. II 11, 9), namentlich die kostbareren Anlagen, wie Wein- und Baumpflanzungen, ruinierten (Colum. I 7, 6). Er musste den Colonen oft dringend ermahnen oder sogar besondere Wächter anstellen, damit er nur seine eigene Pachthufe ordentlich bestelle (Colum. I 7, 1. Plin. IX 37. 3), und die Unterlassung dieser Pflicht erscheint unter den Gründen, welche die Ausweisung eines Pächters vor Ablauf seiner Frist rechtfertigen (Dig. XIX 2, 54 § 1). Obgleich der Vilicus Sclave war und eigentlich nur den Sclaven zu gebieten hatte, musste ihm doch auch über die Kleinpächter das Aufsichtsrecht eingeräumt werden, schon damit er sie zum Frühaufstehen veranlasse, weshalb auch die Colonen in engster Verbindung mit der familia rustica erscheinen (Colum. XI 1, 14. CIL IX 3675. Mart. IV 66, 11). Denn der Gutshof liegt inmitten der Pachthufen (Hor. ep. I 14, 1). und dort befinden sich Mühle und Bäckerei, um das Korn den Colonen zur Nahrung zu bereiten (Colum. I 6, 21). Der Leichtsinn dieses Völkchens steigerte sich noch, wenn sie in Schulden geraten waren, was sehr oft vorkam; dann lebten sie erst recht flott darauf los, weil sie meinten, nicht mehr für sich, sondern nur noch für ihre Gläubiger zu sparen (Plin. epist. IX 37, 2). Immer wieder bettelten sie, oft aus den frivolsten Gründen, um Pachtnachlässe (Dig. XIX 2, 15 § 5. Colum. I 7, 1. Plin. ep. IX 37, 2; ad Trai. 8, 5); anfangs wurde es üblich, ihnen diese bei Unglücksfällen, wie Missernte oder Beraubung, zu gewähren (Plin. ad Trai. 8, 5. Colum. [489] 17, 1); seit dem 2. Jhdt. besassen sie auch «inen rechtlichen Anspruch darauf (Dig. XIX 2, 15. 25 § 6. 33). Trotzdem blieben sie mit der Pacht sehr oft im Rückstände und verschlechterten ihre Lage noch durch die Zinsen, die sie in solchem Falle zahlen mussten (Dig. XIX 2, 54). Für die Colonen der Domänen wurden diese 367 auf eine Centesima, d. h. jährlich 12%, herab gesetzt, waren also vorher noch höher gewesen (Cod. Theod. X 1, 11). Pfänder und Bürgschaften für richtige Pachtzahlung werden erwähnt (Dig. XIX 2, 13 § 11. 53. 54. XX 1, 21. 6, 14. XLVI 1. 52 § 2. 58. XLVII 2, 86), kamen aber wohl häufiger bei den grossen Conductores, als bei den Kleinpächtern vor. Auch bei diesen gilt als Pfand, was sie von ihrem Eigentum auf ihre Hufe gebracht haben, in erster Linie ihr Inventar (Dig. XX 4, 11 § 2. 6, 14. XLIII 32, 1 § 1. 33, 1 § 1); der Grundherr konnte sich also durch Execution daran schadlos halten, so weit es reichte. In der Regel aber war es nicht viel, und wenn man es ihnen wegnahm, wurde dadurch ihre Wirtschaft geschädigt und ihre Schulden wuchsen später noch mehr an (Plin. epist. III 19, 6). So werden die reliqua colonorum zum regelmässigen Zubehör jedes Grundstücks (CIL XI 1147, 6, 75. Dig. XXVI 7, 46 pr. XXXII 78 § 3. 91. 97. 101. § 1. XXXIII 2, 32 § 7. 7, 20 pr. § 3. 27 pr. § 1. 2. XXXIV 3, 17. L 8, 5. Cod. Theod. X 1, 11). In derjenigen Form, die der C. in Italien angenommen hatte, standen sich also die Grossgrundbesitzer dabei ebenso schlecht, wie ihre Pächter.
2. Africa. Hier waren die Latifundien noch ausgedehnter als in Italien. Unter Nero besassen sechs Römer das halbe Areal der Proconsularprovinz (Plin. h. n. XVIII 35), und nicht selten waren Privatgrundstücke grösser als die Territorien der Städte (Frontin. de contr. agr. 53) und bildeten unter dem Namen saltus abgesonderte Bezirke, die keinem Stadtgebiet zugeteilt waren (A. Schulten Die römischen Grundherrschaften, Weimar 1896). Dass diese grossen Güter von ihren Eigentümern selbst oder durch Vilici aus dem Sclavenstande als deren Vertreter ausgebeutet wurden, zieht die LM zwar als Möglichkeit in Betracht; in der Regel aber scheint man sie an Grosspächter vergeben zu haben, die dem Grundherrn eine Pauschsumme zahlten und dafür alle Einkünfte, mochten sie nun aus der unmittelbaren Bewirtschaftung des Landes oder aus den Leistungen der Colonen fliessen, für sich einzogen. Jedenfalls war dies so auf den Domänen, wo die kaiserlichen Procuratoren nur Aufsicht und Gerichtsbarkeit übten (SB II 5. 11. III 6. 26. IV 10), wahrscheinlich auch die jährlichen Pachtzahlungen von den Grosspächtern erhoben, aber die Ausbeutung des Landes ganz in den Händen der letzteren lag. Daher wird in Africa im Gegensatze zu Italien ganz scharf zwischen conductor und colonus unterschieden. Jener bildet den Mittelsmann zwischen Grundherrn und Kleinpächter, an den er auch direct die Pachthufe vergeben kann (LM IV 21; vgl. Dig. XIX 2, 53. Hyg. de cond. agr. 116, 22), so dass dieser zum Afterpächter wird. Die fünfjährige Pachtperiode ist auch hier üblich (LH III 16. LM IV 38; vgl. LM II 21. 26. III 7. 11. LH II 13. III 10). Doch erscheint die Geldpacht [490] nur als Ausnahme, vielleicht nur in der Provincia Tripolitana (Cod. Iust. XI 48, 5). Regel ist die Teilpacht, und zwar wird von den meisten Früchten ein Drittel des Bruttoertrages gezinst, der von dem Getreide schon ausgedroschen, von dem Wein schon gepresst einzuliefern ist (LM I 24–27. II 16. 29. III 9. 12. LH III 3). Dazu sind Frohnden zu leisten, die aber nicht auf die einzelne Pachthufe, sondern nach Köpfen verteilt sind (LM IV 25). Ihr Umfang ist in den einzelnen Grundstücken verschieden. Im Saltus Burunitanus sind es je zwei Tage jährlich für Bestellung des Ackers, Behacken der Frucht und Ernte, im ganzen also sechs (SB III 11. 26. IV 6), auf einer anderen Domäne das Doppelte (CIL VIII 14428, 12), auf Villa Magna zwei Tage für die Bestellung des Ackers und je zwei für jede Ernte jeder Fruchtart (LM IV 26. 27). Dazu kommen hier und da auch Gespanndienste (SB III 9) und die Verpflichtung zum Ziegelstreichen (CIL VIII 14428, 8) und zum Aufführen von öffentlichen Bauten, namentlich Befestigungen, die wegen der Maureneinfälle nötig waren (CIL VIII 8426. 8701. 8777). Ausserdem muss auf Villa Magna je einen Tag der Wächterdienst über die Ernteerträge der übrigen Colonen übernommen werden (LM IV 29). Diese Verpflichtung scheint übrigens nicht obligatorisch gewesen zu sein; dem Herrn war es noch lieber, wenn er die Aufsicht seinen eigenen Sclaven übertragen konnte (LM IV 35), wie dies Plinius auf seinen italischen Gütern that (epist. IX 37, 3). Auf dem Gute des Mancia liegen die persönlichen Dienste nicht allen Kleinpächtern ob, sondern nur den coloni inquilini eius fundi (LM IV 22. 27), d. h. denjenigen, welche auf dem Grundstücke selbst wohnen (LM I 5. IV 23. 32). Es giebt daneben auch andere, die ihre Pachtung bestellen, indem sie ausserhalb wohnen, jedenfalls auf ihrer eigenen, freien Bauernhufe, dem octonarius ager (LM II 8), so benannt, weil er jährlich 8 Modii vom Iugerum an den Fiscus zu steuern hat (Seeck Ztschr. VI 347).
So ist die Villa Magna umgeben von unabhängigem Bauernlande, und dass sich dieses in Africa in viel weiterem Umfange erhalten hatte, als in Italien, scheint für die Entwicklung des C. von entscheidender Bedeutung gewesen zu sein. Denn mit ihrem gesunden Kinderreichtum (Seeck Gesch. I² 347) und ihrer Freude an der ländlichen Arbeit gewährten diese Bauern noch ein reichliches und tüchtiges Menschenmaterial, um das Schwinden der Sclaven zu ersetzen. Freilich scheint auch dieses in Africa minder drückend gewesen zu sein, als in Italien, da Mancia sich erst gegen Ende des 1. Jhdts. veranlasst sah, von der Eigenwirtschaft teilweise zum C. überzugehen. Die zahlreichen Maurenkriege dieser Zeit, deren Gefangene auf den benachbarten Märkten die Sclavenpreise drücken mussten, scheinen für die africanischen Grundbesitzer günstigere Verhältnisse geschaffen zu haben. Auch sie begannen damit, dasjenige Land, das sie selbst nicht benutzten, den umwohnenden Bauern zur Bebauung zu überlassen. Wer auf dem wüsten Boden ihres Grundstücks Feigen- oder Weinpflanzungen anlegte, sollte sie fünf Jahre, wer Ölhaine, zehn Jahre pachtfrei benützen können (LM II 20 – III 12), dann das übliche Drittel zahlen. Wer Sandboden [491] durch Aussaat von Wicken urbar machte, sollte nur ein Sechstel des Ertrages zinsen (LM III 12–17; vgl. LH III 9). Aus dem neugewonnenen Lande sollte der Pächter nur ausgewiesen werden, falls er es zwei Jahre wieder brach liegen liess, und auch dann konnte er sein Recht daran behaupten, wenn er für das dritte Jahr die Wiederbebauung versprach und ausführte (LM IV 10–22). Das Recht auf den fünfjährigen bezw. zehnjährigen pachtfreien Genuss des urbar gemachten Landes konnte er, falls er vor Ablauf der Frist starb, sogar auf seine Söhne übertragen, aber nur wenn er diesen zugleich sein ganzes Vermögen ungeteilt vermachte (LM IV 2–9). So suchte der Grundherr der Zersplitterung des Bauerngutes vorzubeugen, um seine Pächter leistungsfähig zu erhalten. Indem die Bauern die Gelegenheit benutzten, ihre Wirtschaft zu erweitern, bildeten sich innerhalb des grossen Gutes unregelmässig verteilte kleine Pachthufen, die ihre Entstehung der eigenen Arbeit der Pächter verdankten und wohl in der Regel in der Familie vererbt wurden. Als der Sclavenmangel sich dann fühlbarer machte, wurde wahrscheinlich denselben Bauern noch anderes Land verpachtet, das schon vorher bebaut war, und so die Eigenwirtschaft entlastet. Aber gegen Ende des 1. Jhdts. reicht diese Aushülfe nicht mehr; Mancia lässt daher um 95 n. Chr. einen Teil seines Gutes parcellieren, um mit einem Schlage darauf eine grössere Anzahl Pächter anzusiedeln (LM I 6. Seeek Ztschr. VI 325), die meist aus entfernteren Gegenden als Einwanderer herbeigelockt werden (CIL VIII 14428, 6. Arnob. I 12). So entstehen die coloni inquilini eius fundi, die keinen auswärtigen Grundbesitz mehr ihr eigen nennen und für ihren Unterhalt ganz ausschliesslich auf den Ertrag ihrer Pachtung angewiesen sind. Sie bieten nicht mehr dieselben Garantien für richtige Zahlung, wie die besitzlichen Bauernpächter der früheren Zeit; da es meist arme Teufel sind, muss der Grundherr für die Mehrzahl die Wirtschaftsgebäude errichten (LM I 20. Seeck Ztschr. VI 344), wahrscheinlich auch das Inventar herleihen. Dafür lassen sie es sich gefallen, dass in die Pachtbedingungen auch Frohnden aufgenommen werden, wodurch auf dem Reste des Gutes, der nicht aufgeteilt wird, die Eigenwirtschaft noch möglich bleibt. Freilich verlangen sie als Entgelt, dass ihnen ein sehr auskömmliches Dasein gewährleistet wird. Jede einzelne Hufe umfasst eine Centuria oder 200 Morgen (LH II 2. LM IV 39. Hyg. de cond. agr. 116. 22; vgl. Seeck 331), ist also sehr gross und kann durch Anbau der Subseciva (LM I 6) und anderer wüster Flächen noch vergrössert werden. Ohne Sclaven kommen also die africanischen Colonen ebensowenig aus, wie die italischen. Doch sichern sie durch ihre Frohnden wenigstens in den schweren Zeiten der Feldbestellung und der Ernte dem Grundherrn einen solchen Zuwachs von Arbeitskräften, dass er seine Sclavenschaft, wenn auch nicht abschaffen (LM IV 35), so doch wesentlich beschränken kann.
Nach dem Umfange ihrer Pachthufen hätte die Lage der Colonen eine recht gute sein können, wenn nicht die Grosspächter der Güter, namentlich der kaiserlichen Domänen, unter dem Drucke des Arbeitermangels immer danach gestrebt hätten, [492] ihre Frohnforderungen über das vorgeschrieben Mass auszudehnen. Beschwerden bei den Procuratoren halfen wenig, weil diese mit den Conductores oft befreundet oder gar von ihnen bestochen waren. Nicht nur unterliessen sie die Untersuchung, sondern sie zwangen sogar die Colonen durch Prügelstrafen, den unberechtigten Zumutungen der Grosspächter genug zu thun, und bedienten sich gegen sie militärischer Hülfe (SB II 1–15). Diese Übergriffe führten zu zahlreichen Processen, die zwar in einzelnen Fällen Abhülfe schafften (Seeck 319), aber die Bedrückungen der Mächtigen im grossen und ganzen doch wenig gehemmt haben werden. So blieben die Colonen trotz ihrer grossen Pachtungen arme Teufel, wie sie sich selbst nennen, homines rustici et tenues manuum nostrarum operis victum tolerantes (SB III 18).
Und auch in Africa schritt die Abnahme der Bevölkerung weiter fort und beschränkte sich nicht nur auf die Sclaven. Die Lex Manciana trifft nur über die Urbarmachung wüsten Landes Bestimmungen; die Lex Hadriana fügt ihm auch solchen Boden hinzu, der früher bebaut gewesen war, aber seit mindestens 10 Jahren brach gelegen hatte (II 13). Für die Bebauung beider Bodenklassen werden ganz dieselben Rechte gewährt, und diese sind höhere als in der Lex Manciana. Namentlich wird die Vererblichkeit dieser Pachtungen schon ohne jede Bedingung gesetzlich festgelegt (LH II 9; vgl. Seeck 357). In J. 193 gestattet dann Kaiser Pertinax schon in allen Provinzen unbebautes Land durch Bebauung nicht nur zur erblichen Pachthufe, sondern zum vollen Eigentum zu machen, das sogar 10 Jahre steuerfrei sein soll (Herod. II 4, 6). So schnell war die Entvölkerung fortgeschritten, dass Grund und Boden fast keinen Wert mehr hatten.
3. Ägypten. Dies ist die einzige Provinz des Römerreicbes, in der die Bevölkerungsziffer nicht zurückging, ja vielleicht sogar, wenn auch sehr langsam, im Steigen war (Seeck Geschichte I² 347). Infolge dessen sinkt auch hier die Grundrente nicht, sondern die Pachten werden höher. Unter den Ptolemaeern begegnet uns die Entrichtung eines Fünftels vom Ertrage (CPR I S. 173), unter Kaiser Tiberius ein Drittel, wie in Africa (UBM 197, 12), im 4. Jhdt. die Hälfte (UBM 586, 12. CPR 42, 17. 44, 3). Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass der Verpächter regelmässig die Steuern zu tragen hat (UBM 39. 538. 586. 644. 661. CPR 31. 35. 36. 37. 40-42. 44. 45; Ausnahmen UBM 227); da diese ein Fünftel ausmachte (Oros. I 8, 9), blieb ihm also auch bei Halbpacht kein volles Drittel übrig. Dagegen fiel gewöhnlich das Saatkorn dem Pächter zur Last (UBM 39. 586), auch wenn der Grundbesitzer es herlieh (CPR 31. 35. 42. UBM 586). Überhaupt war die Lage des Pächters hier eine recht ungünstige; denn da die Dichtigkeit der Landbevölkerung die Nachfrage nach Pachtungen über das Angebot hinaus steigerte, konnte der Grundbesitzer seine Bedingungen nach Belieben hinaufschrauben. So sind denn hier die Hufen regelmässig so klein, dass sie ohne Beihülfe von Sclaven nur durch die eigene Arbeit des Colonen bewirtschaftet werden konnten, ja meist wird dieser mehrere Pachtungen haben antreten müssen, wenn er nur leben wollte. [493] Denn oft wird nur eine Arure verpachtet, die wenig grösser war als ein römisches Iugerum (UBM 227. 526. CPR 36), und bei Weizenland kommen grössere Hufen als von 22 Aruren (UBM 644. CPR 42. Nicole Papyrus de Genève 13) in den Pachturkunden gar nicht vor. Ein öffentliches Grundstück von 93 Aruren ist unter 19 Kleinpächter verteilt, deren Hufen zwischen 1½ und 9 Aruren schwanken (CPR 33). Auch die Zeitdauer pflegt eine sehr kurze zu sein, gewöhnlich nur ein Jahr (UBM: 237. 586. 603. CPR 32. 35–37. 40. 41. 45) oder drei Jahre (UBM 39. 227. 407. 487. 538. 633. 644. CPR 34); Verträge auf längere Zeit kommen höchst selten vor (CPR 31. 38. 39). Die fünfjährige Dauer, die in Italien und Africa üblich ist, kennt Ägypten nicht; auch findet sich niemals die Bestimmung, dass nach Ablauf des Termins die Pacht stillschweigend als erneuert gelten solle, falls keine Kündigung erfolgte. Da der Grundherr sicher war, immer neue Pächter zu finden, und oft sogar den Preis hinaufschrauben konnte, wollte er sich eben nicht auf lange Zeit binden. Teilpacht kommt nur im ersten Anfang der Kaiserzeit und dann wieder nach Diocletian vor (UBM 197. 586. CPR 42. 44). In der Zwischenzeit wälzt der Grundeigentümer alle Gefahren, die aus der Unsicherheit der Ernte hervorgehen, auf den Colonen ab und bedingt sich selbst eine feste Summe aus. Denn auch die Vergünstigung, die in Italien und Africa üblich war, dass Verluste durch unvorhergesehenes Unglück einen Pachtnachlass herbeiführen, ist in Ägypten nicht nachweislich, ja sehr oft wird in den Contracten ausgemacht, die Pacht müsse ἀκίνδυνα παντὸς κινδύνου καὶ ἀνυπόλογα παντὸς ὑπολόγου gezahlt werden (CPR 35. 36. 37. 40. 41. 45. UBM 644). Nur einmal findet sich die Clause!, wenn die Nilüberschwemmung das Land nicht benetze, müsse die Hälfte der Pachtsumme erlassen werden, und dies auch nur bei einem öffentlichen, nicht bei einem Privatgrundstück (CPR 39). Für richtige Zahlung verpfändet der Colone oft sein ganzes Vermögen (CPR 35. 37. 40. 41) oder er stellt Bürgen (UBM 526), oder es thun sich auch zwei Pächter zusammen und leisten sich gegenseitig Bürgschaft ἀλληλεγγύη, UBM 85 I 12. 217 I 11. 538. 591. 603. CPR 32. 42). Bei Pachtung von Weideland (CPR 40) oder Baumpflanzung (CPR 45. UBM 591) besteht die Leistung in barem Gelde oder auch in einer Verbindung von Geld und Naturalien (UBM 603. 604. CPR 39), bei Weizenboden regelmässig in Naturalien, aber wie schon gesagt, nicht in aliquoten Teilen, sondern in festen Summen von Artaben (à 3½ Modii = 36½ Liter). Diese schwanken zwischen zwei Artaben auf jede Arure (UBM 349. CPR 32) und 7¼ Artaben (UBM 538); der Durchschnitt dürfte etwa 4 Artaben ausmachen. Ein regelmässiges Steigen zeigt sich übrigens in diesen Zahlen nicht, sondern sie scheinen durch sehr wechselnde Conjuncturen von Angebot und Nachfrage bedingt zu sein. Was sie säen sollen, ist den Pächtern meist contractlich vorgeschrieben; dass sie sich in dieser Beziehung freie Hand vorbehalten, erscheint nur als Ausnahme (CPR 42). Auch die Clausel, dass die Arbeit ordentlich und zu rechter Zeit gemacht werde, fehlt nicht (UBM 39. 227. 237. 526. 538. 586. 633. 644. 661. CPR 31. 38. [494] 45). Der Zahlungstermin ist meist im Monat Payni (Juni), d. h. unmittelbar nach der Ernte (UBM 538. 633. 644. 661. CPR 31. 35–38); doch kommen vereinzelt auch andere Monate vor (CPR 39–41), wie in Ägypten überhaupt alle Pachtbestimmungen dem freien Vertrage überlassen bleiben. Dass es auch hier nicht an den bekannten reliqua colonorum fehlte, beweisen zwei Quittungen, die erst im J. 314 für den Ertrag des J. 310/11 ausgestellt sind. Da in ihnen von demselben Grundherrn auf 5 Aruren 12½ Artaben Weizen, auf 22 Aruren nur 5 Artaben quittiert werden, so handelt es sich jedenfalls nicht um die volle Pacht, sondern um Rückstände derselben (UBM 411. Nicole Papyrus de Geneve 13). Einen Unterschied zwischen der γῆ κατοικική und dem sonstigen Grundbesitz in Bezug auf die Pachtbedingungen, wie ihn P. Meyer Philol. LVI 203 beobachtet haben will, habe ich in den Urkunden nicht finden können.
4. Griechenland. Hier erscheint bei den attischen Ölwäldern die Teilpacht zu einem Drittel des Ertrages, wie in Africa (CIA III 38, 2); doch scheint daneben auch Geldpacht vorzukommen. Denn in dem Decret von Thisbe ist davon die Rede, dass jemand ein gepachtetes Ödland soweit urbar macht, dass die angelegten Pflanzungen dem Betrage der fünfjährigen Pacht an Wert entsprechen, was die Teilpacht jedenfalls ausschliesst, freilich nicht die Zahlung in festen Massen von Naturalien (Dittenberger Index Schol. Halens. 1891/92 p. IX). Dieselbe Stelle führt auch auf die fünfjährige Dauer des Vertrages, wie sie in Italien und Africa üblich war. In Thisbe ist der Bürger der Stadt berechtigt, wüstliegendes öffentliches Land zu bepflanzen, und darf es dann gegen eine vorher ausbedungene Summe in Erbpacht behalten. In Bezug auf die gewöhnlichen Pachtbestimmungen scheinen sich also Africa und Griechenland sehr nahe zu stehen; desto grösser ist der Unterschied in den thatsächlichen Verhältnissen des ländlichen Grundbesitzes. Denn in dieser Provinz war die Entvölkerung früher und in weiterem Umfang eingetreten, als in irgend einem andern Teile des Reiches. Hier gab es Latifundienbesitzer, die sich gefreut hätten, wenn jemand ihr Land ohne jede Pacht hätte bebauen wollen, weil infolge des Menschenmangels zwei Drittel des Ackerbodens wüst lagen (Dio Chrys. VII 1 34), und wenn der Fiscus ein Grundstück in Besitz nahm, machte er oft nur die darauf befindlichen Herden zu Geld und liess das Land unbenutzt liegen (Dio Chrys. VII 12). Ohne Zweifel war man also im Gegensatze zu Ägypten immer bereit, den Pächtern sehr günstige Bedingungen zu bieten, und die Rente der Grundbesitzer war äusserst niedrig.
Über den Zustand der Colonen in den andern Provinzen scheint es an Quellen zu fehlen.
III. Zweite Periode von Marc Aurel bis auf Diocletian. In allen Provinzen mit einziger Ausnahme Ägyptens hatte im Laufe des 2. Jhdts. die Entvölkerung stetig zugenommen und die ländlichen Arbeitskräfte waren immer spärlicher geworden. Dieser Process erreichte seinen Höhepunkt durch die grosse Pest, die im Anfang von Marcus Regierung im Orient auftrat, sich dann über das ganze Reich verbreitete und [495] seine Bevölkerung eine Reihe von Jahren hindurch furchtbar decimierte. Marcus musste den schrecklichen Verlust zu ersetzen suchen und benutzte dazu die Barbaren, die im Marcomannenkriege zu Hunderttausenden teils durch Kriegsgefangenschaft, teils durch freiwillige Unterwerfung in seine Hände gefallen waren. Hätte er sie zu Sclaven gemacht, so wären sie bald ebenso hingestorben, wie ihre Vorgänger; auch hätte er die Wehrkraft des Reiches nicht aus ihnen verstärken können, da jeder Sclave vom Heerdienst ausgeschlossen war. Er siedelte sie daher auf den wüstliegenden Äckern als Kleinpächter an, die zwar dem Rechte gegenüber als ingenui galten, aber doch nicht die volle persönliche Freiheit besassen. Denn ohne Zwang wäre es kaum möglich gewesen, diese Halbnomaden, die des Ackerbaus noch sehr ungewohnt waren, dauernd auf ihrer Pachtung festzuhalten.
Als Vorbild diente ihm dabei das germanische Rechtsinstitut der Liten. Bei den Germanen galt es des freien Mannes noch für unwürdig, ausser Krieg und Jagd irgend eine Arbeit zu thun. Als sie durch die Zunahme der Bevölkerung, die ihre Ernährung immer mehr erschwerte, gezwungen waren, in ausgedehnterem Masse Ackerbau zu treiben, benutzten sie dazu die Sclaven, die sie durch ihre steten Kämpfe erwarben. Aber auch die Aufsicht über deren Arbeiten wäre eine zu grosse Mühe gewesen. So wurde ihnen denn die selbständige Bestellung des Landes, das der Herr zur Verfügung hatte, übertragen und nur bestimmte Lieferungen von Korn, Vieh oder selbstgewebten Wollenstoffen von ihnen verlangt, so dass sie beinahe die Stellung von Kleinpächtern einnahmen (Tac. Germ. 25). Persönliche Dienste wurden von ihnen fast gar nicht in Anspruch genommen. Allerdings besass der Herr die unbeschränkte Gewalt über sie und konnte sie nach Belieben misshandeln, töten oder verkaufen. Doch dies hörte auf, wenn er ihnen eine partielle Freilassung gewährte, indem er sie zu Liten machte. Damit erlangte der Sclave alle wesentlichen Rechte des freien Mannes. Er durfte mit Erlaubnis des Patrons eine gültige Ehe schliessen, deren Nachkommen dem Stande des Vaters folgten. Schädigte ihn ein Dritter, so konnte er den Fehdegang beschreiten; wurde er erschlagen, so übte seine Familie Blutrache oder liess sie sich durch ein Wergeld abkaufen. Er konnte Vermögen erwerben und Verträge schliessen. selbst mit seinem früheren Herrn. Doch blieb er an die Scholle geheftet und musste seinen Ackerzins nach wie vor erlegen, bis er sich die Vollfreiheit aus seinen Ersparnissen erkaufte oder sie durch die Gnade seines Patrons geschenkt erhielt. In diesem Falle wurde ihm auch die Freizügigkeit zu teil und alle übrigen Rechte, soweit sie nicht durch die Zugehörigkeit zu einer Sippe bedingt waren. Neben diese Form der Freilassung trat dann bald auch die Sitte, ganze unterworfene Völkerschaften ohne die Durchgangsstufe der Sclaverei zu Liten zu machen. Die Sieger verteilten die Besiegten unter sich und liessen sich durch ihre Landarbeit mit ernähren. Brunner Deutsche Rechtsgeschichte I 99. 102. Seeck Geschichte I² 391.
Diese Art der Halbfreiheit entlehnte Marcus den von ihm besiegten Germanen. Die Kleinpächter, [496] welche nach Litenrecht im Reiche angesiedelt wurden, erscheinen in Gallien sogar unter ihrem germanischen Namen, der nur durch eine naheliegende Volksetymologie in laeti verstümmelt ist (Eumen. paneg. V 21. Ammian. XX 8, 13. XXI 13, 16); in den anderen Provinzen bezeichnete man sie als inquilini. So hatte man früher diejenigen Colonen genannt, die neben ihrer Pachtung keinen eigenen Grundbesitz hatten und daher auf dem Gute des Verpächters wohnten (Seeck Ztschr. VI 360). Dieses Kennzeichen passte auch auf die angesiedelten Barbaren, auf welche jetzt der Name der inquilini beschränkt wurde. In diesem Sinne erscheint er zuerst in einem Rescript der Kaiser Marcus und Commodus (Dig. XXX 112), die 177–180 gemeinsam regierten, und zwar zeigt der Inhalt desselben, dass das Institut damals ein ganz neues gewesen sein muss (Seeck Geschichte I² 582). Daraus darf man mit Sicherheit schliessen, dass es den Ansiedlungen, die sich an den Marcomannenkrieg anschlossen (Dio LXXI 11, 4. 21. Hist. Aug. Marc. 22, 2. 24, 3), seine Entstehung verdankt.
Diese Inquilinen sind persönlich freie Leute, deren familienrechtliche Stellung die volle gesetzliche Anerkennung findet, denn sie können Tutoren sein (Dig. XXVII 1, 17 § 7). Doch andererseits stehen sie im persönlichen Eigentum des Grundherrn, auf dessen Gütern sie angesiedelt sind; denn dieser ist verpflichtet, sie beim Census als Vermögensobjecte anzugeben (Dig. L 15, 4 § 8, wo der Zusatz vel colonum iustinianische Interpolation ist, Seeck Geschichte I² 579), und kann sie testamentarisch vermachen, aber nicht ohne die praedia, quibus adhaerent (Dig. XXX 112). Sie sind also an die Scholle gefesselt und gehen mit ihr von einem Grundbesitzer auf den andern über. Mit den freien Colonen leben sie in engster Gemeinschaft und nehmen unter ihnen eine durchaus geachtete Stellung ein; denn in Africa erscheint als deren gewählter jährlicher Vorstand (magister) ein Mann, dessen Vater den germanischen Namen Odilo führte, der also jedenfalls ein solcher Inquiline war (LM I 30). Unter Claudius Gothicus soll keine Gegend des Reiches ohne barbarische Ansiedler geblieben sein (Hist. Aug. Claud. 9, 5). Nachweisen lassen sich solche in vordiocletianischer Zeit in Italien (Hist. Aug. Marc. 22, 2. Dio LXXI 11, 4), Sicilien (Hist. Aug. Gall. 4, 9; vgl. Seeck Geschichte I² 581), Britannien (Zosim. 168,3), Gallien (Eumen. paneg. V 21; vgl. Seeck Geschichte I² 584), Germanien, Pannonien, Moesien, Dakien (Dio LXXI 11, 4. LXXII 3, 3), Thrakien (Zosim. I 71. 1. Hist. Aug. Prob. 18, 1), Phrygien (Herod. VI 4, 6), Africa (LM I 30; vgl. Arnob. I 12), vielleicht auch in Ägypten, wenn man die ἀλλόφυλοι, die in Urkunden des 3. und 4. Jhdts. vorkommen, als Ansiedler dieser Art deuten darf (UBM 34 ΙΙ 8. 11. 411, 2. 419, 2. Nicole Papyrus de Genève 13, 2). Später werden sie noch häufiger und verbreiteter (Seeck Geschichte I² 584).
Dies ist alles, was wir aus Quellen vorconstantinischer Zeit über den Inquilinat wissen. Da aber der spätere C. in der Hauptsache nach jenem Muster ausgestaltet zu sein scheint, werden wir dasjenige, was von ihm überliefert ist, meist auch auf diesen früheren Inquilinat übertragen [497] dürfen. Einstweilen aber unterscheiden sich noch Colonen und Inquilinen in der Art, dass jene Kleinpächter sind, die zu den Grundherrn in einem jederzeit löslichen Vertragsverhältnis stehen, diese nicht Sclaven, aber doch Eigentum des Grundherrn, an die Scholle gefesselt, aber nur zur Leistung eines Pachtzinses verpflichtet (Seeck Ztschr. VI 360). Ob Frohnden damit verbunden waren, wird sich nach der Übung der einzelnen Provinzen gerichtet haben. Nach Constantin wurde der Unterschied dieser beiden Pächterclassen zu einem rein historischen. Er erhält sich teilweise in den Namen (Cod. Iust. XI 48, 13. Cod. Theod. V 10. XII 19, 1. 2), wird aber auch hier nicht ganz streng eingehalten (Cod. Theod. V 4, 3), denn praktisch ist er ganz bedeutungslos geworden. Wo dagegen vor Constantin die Colonen schon in der gleichen Abhängigkeit, wie die Inquilinen, auftreten, lässt sich dies immer als spätere Interpolation erweisen (Paul. sent. III 6, 48. Dig. L 15, 4 § 8. Cod. 2 Iust. VIII 51, 1. Cod. Hermog. 16; vgl. Segré Arch. giuridico XLVI 267. Seeck Geschichte I² 579). Die älteste Quelle, die sie unzweideutig als Hörige erkennen lässt, stammt aus dem J. 332 (Cod. Theod. V 9, 1); denn auch in einem früheren Gesetze Constantins (Cod. Theod. IX 21, 2 § 4) werden die Colonen zwar erwähnt, aber nicht in einer Weise, welche die Annahme, sie seien damals noch freie Leute gewesen, irgendwie ausschlösse.
IV. Dritte Periode seit Diocletian. Die Angleichung jener zwei ähnlichen, aber rechtlich doch scharf geschiedenen Classen wurde durch die Steuergesetzgebung Diocletians zwar noch nicht herbeigeführt, wohl aber vorbereitet. Die Annona, die als Naturalsteuer nur vom ländlichen Grundbesitz und der Landbevölkerung erhoben wurde, verteilte er derart nach bestimmten Werteinheiten, dass von jeder derselben der gleiche Betrag zu erlegen war. Als Normalmass jener Einheiten diente die Arbeitskraft des männlichen Ackerbauers, ganz gleich ob dieser freier Kleingrundbesitzer, Colone, Inquiline oder Sclave war. Diesem Caput wurden sowohl je zwei Weiber, als auch eine bestimmte Anzahl Viehhäupter, eine bestimmte Anzahl Ölbäume oder Iugera bebauten Landes, die je nach der Art von dessen Bestellung und der Güte des Bodens grösser oder kleiner war, an Steuerwert gleichgesetzt. Durch den Census, der alle fünf Jahre stattfand, wurde die Gesamtzahl solcher Einheiten für jedes Stadtgebiet festgestellt, und die Decurionen hatten dann die betreffende Summe von Naturalien von den einzelnen Grundbesitzern beizutreiben und an den Fiscus abzuführen. Sie waren dafür haftbar, dass das Eingelieferte den Ergebnissen des Census entsprach, und falls innerhalb des Lustrums durch den Tod der Landarbeiter oder die Verödung der Grundstücke die Zahl der Steuerobjecte abnahm, mussten sie den Ausfall aus eigener Tasche decken (s. Capitatio). In einer Zeit, in der die Bevölkerung stetig zurückging und dadurch immer weitere Strecken fruchtbaren Bodens unbebaut blieben, war dies eine sehr schwere Last, und sie erhöhte sich noch dadurch, dass der Steuerdruck viele Colonen veranlasste, ihre Pachtungen aufzugeben und entweder in die Städte zu ziehen oder andere Güter aufzusuchen, wo sie günstigere Bedingungen [498] für sich zu finden meinten (Lact. de mort. pers. 7, 3). Licinius, der für das niedere Landvolk Vorliebe hegte (Vict. epit. 41, 9) und die höheren Stände desto schwerer drückte, scheute sich nicht, die Decurionen alle Folgen dieser Zustände tragen zu lassen. Die verschwundenen oder toten Colonen besteuerte er nicht nur während der laufenden Schatzungsperiode, sondern liess sie teilweise auch noch in die neuen Censusregister eintragen (Euseb. vit. Const. I 55). Dagegen suchte Constantin dem leidenden Decurionenstande zu helfen und fesselte zu diesem Zwecke im J. 332 die Colonen an ihre Scholle.
Die Grundlage der Steuererhebung bildeten nämlich die einzelnen Landgüter. Jedem derselben war nach dem Ergebnis der letzten Schätzung eine bestimmte Menge jener Werteinheiten zugeschrieben, die, wie schon gesagt, teils aus Menschen oder Vieh, teils aus Ackermassen bestanden (CIL X 407. Seeck Ztschr. IV 303). In steuertechnischem Sinne bildeten also die ländlichen Arbeitskräfte ein Zubehör des Gutes (Cod. Theod. V 3, 1. XI 1, 26. 14). Sollten die Decurionen ihren Verpflichtungen ohne gar zu schwere Einbussen gerecht werden, so musste man dafür sorgen, dass jedes Grundstück seinen Steuerwert, auch soweit er durch die Bewohner des Landes repräsentiert wurde, möglichst unverändert bewahre. Daher verordnete Constantin am 30. October 332 (Cod. Theod. V 9, 1), dass kein Colone das Recht haben solle, seine Pachtung im Stich zu lassen. Wolle er sich der Landarbeit durch die Flucht entziehen, so solle er, obgleich er ein freier Mann sei, doch gleich dem servus fugitivus in Fesseln geschmiedet und so zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden. Wer ihn bei sich aufnehme, müsse ihn nicht nur dem Grundherrn zurückgeben, sondern auch für den Zeitraum, wo er den Flüchtling bei sich gehabt habe, dessen Steuer bezahlen (vgl. Cod. Theod. X 12, 2 § 3). Dieses Gesetz Constantins ist die vielbesprochene lex a maioribus constituta, deren Theodosius der Grosse (Cod. Iust. XI 51) erwähnt. Die zuletzt genannte Bestimmung derselben zeigt, dass die Fesselung der freien Colonen an die Scholle, wodurch sie den Inquilinen angenähert und endlich gleichgestellt wurden, von den Bedürfnissen der Steuererhebung ausgeht. Dasselbe ergiebt sich aus der Ausbildung, die der Begriff des adscripticius – ein Wort. das zuerst unter Valentinian und Valens vorzukommen scheint (Cod. Iust. XI 48, 6), denn in dem Rescript des Alexander Severus Cod. Iust. VIII 51, 1 ist es zweifellos interpoliert – im Lauf des folgenden Jahrhunderts erfährt.
Adscripticius (Cod. Iust. I 3, 36. 4, 24. II 4, 43. III 38, 11. XI 48, 6. 21. 23. 24. 69, 1) ist, wie die griechische Übersetzung durch ἐναπόγραφος (Cod. Iust. XI 48, 19. Nov. Iust. 22, 17. 162, 2. 3) beweist, hergeleitet von der adscriptio censualis (Cod. Theod. XIII 4, 4; vgl. 11, 13. XI 16, 14. 20, 6. 22, 5. 28, 12); adscripti coloni (Cod. Theod. X 20, 17) ist daher gleichbedeutend mit coloni censiti oder agricolae censiti (Titelüberschriften von Cod. Iust. XI 48. 50) oder tributarii (Cod.-Theod. X 12, 2 § 2. XI 7, 2. Amm. XIX 11, 6. Apoll. Sid. ep. V 19, 2. Cod. Iust. XI 48, 12). Das Wort bezeichnet also in erster [499] Linie nicht, wie man gemeint hat, die glebae adscripti, sondern die censibus adscripti (Cod. Theod. V 3, 1. 4, 3. VII 1, 3. XI 3, 2. Nov. Theod. VII 4, 2. Cod. Iust. XI 48, 18. 50, 2), was praktisch allerdings auf dasselbe hinausläuft. Denn da nur die ländliche Bevölkerung dem Census unterliegt (Sozom. V 4. Cod. Iust. XI 55, 1. Euseb. vit. Const. I 55; vgl. Iulian. or. II 92 A) und die Schatzungslisten nach den Grundstücken geführt werden, so ist jeder, der in sie eingetragen wird, auch einem bestimmten Gute zugeschrieben, das er nach jenem Gesetze Constantins nicht dauernd verlassen darf. Die flüchtigen Colonen bezeichnet man daher geradezu als solche, qui relictis censibus aufugerunt (Cod. Theod. XIII 10, 7); census steht also hier für das Grundstück, welchem man in der Censusliste zugeschrieben ist. Doch ist die Bindung an die Scholle nicht etwa so zu verstehen, dass der Colone immer seine besondere Pachthufe behalten müsse; vielmehr kann er innerhalb desselben Gutes beliebig aus einem Teil in den andern versetzt werden (Cod. Iust. I 48, 7 § 1). Es kommt eben nicht darauf an, dass er stets dasselbe Land bebaut, sondern nur darauf, dass er demjenigen Capitel der Censusliste, in das er einmal eingetragen ist, nicht entfremdet wird. Gehören mehrere Güter dem gleichen Eigentümer, so darf er sogar einen Teil der Colonen von dem einen auf das andere übertragen; denn die Verwirrung der Censusliste, welche dadurch herbeigeführt wird, kommt praktisch nicht in Betracht, da der Decurione die Steuern der Colonen ja durch Vermittlung des Grundherrn eintreibt (Cod. Theod. XI 1, 14), also der gleiche Mann für die gleiche Summe von Steuereinheiten haftbar bleibt, wenn sie auch jetzt in anderer Weise über die einzelnen Güter verteilt sind. Gehen diese aber durch Erbschaft, Verkauf oder Schenkung in verschiedene Hände über, so ist ein neuer Wechsel ihrer Colonen oder auch nur ein Rückgängigmachen des früheren nicht mehr gestattet (Cod. Iust. XI 48, 13 § 1. Nov. Val. 34, 18). Wer ein ganzes Gut verkauft oder verschenkt, ist nach einem Gesetze des Constantius verpflichtet, auch die Colonen desselben an den neuen Eigentümer zu überlassen (Cod. Theod. XIII 10, 3): wer nur einen Teil eines Gutes veräussert, konnte anfangs mit diesem alle Colonen des ganzen Grundstücks weggeben oder auch alle für sich zurückbehalten, bis Valentinian I. anordnete, dass bei solchen Teilungen der Güter auch die zu ihnen gehörigen Arbeitskräfte, mochten es Sclaven, Inquilinen oder Colonen sein, im entsprechenden Verhältnis geteilt werden müssten (Cod. Iust. XI 48, 7).
Aus dem Gesagten wird man schon ersehen haben, dass der Begriff des Adscripticius nicht ganz mit dem des Colonus zusammenfällt, sondern einerseits weiter, andererseits enger ist, weshalb sie auch in den Rechtsquellen manchmal unterschieden werden (Cod. Iust. I 3, 36. XI 48, 6. 19. 23 § 4. Iust. edict. de adscripticiis et colonis). Denn nicht nur die Colonen, sondern alle Menschen, die als Zubehör der ländlichen Grundstücke in die Schatzungslisten eingetragen werden, sind Adscripticii. Ausser den Colonen und Inquilinen umfasst dieser Name danach folgende Classen:
1) Die servi adscripti censibus (Cod. Theod. VII 1, 3. XI 3, 2) oder, wie sie auch genannt [500] werden, die rustici censitique servi (Cod. Iust. XI 48, 7). Der städtische Sclave, der als persönlicher Bedienter oder auch als Handwerker zu denken ist, wird in dieser Zeit von dem ländlichen Arbeitssclaven streng geschieden (Cod. Theod. III 32, 1. VI 35, 1. IX 42, 7. X 8, 4. XII 1, 6. Cod. Iust. V 37, 22). Jener ist ein frei bewegliches Gut, über das sein Herr nach Belieben verfügen kann; dieser wird rechtlich immer nach Analogie der Immobilien behandelt. Er darf weder freigelassen (Hist. Aug. Tac. 10, 7; vgl. Seeck Ztschr. IV 312), noch ohne das Gut, das er bebaut, verkauft (Cod. Iust. XI 48, 7), noch zur persönlichen Bedienung des Herrn von jenem entfernt werden (Cod. Theod. VII 1, 3). Selbst wenn der Acker wüst liegen bleibt, gewinnt der Grundbesitzer nicht das freie Verfügungsrecht über die Sclaven, die früher darauf thätig gewesen sind, sondern diese gelten als mancipia vaga, die der Fiscus einziehen und beliebig verschenken kann. Doch bestimmt Valentinian I., dass in diesem Falle ihr neuer Eigentümer die Steuer nicht nur für die Sclaven selbst, sondern auch für die Grundstücke, die sie früher bebaut haben, zu entrichten habe (Cod. Theod. XI 1, 12). Dies war in den früheren Jahren Constantins noch nicht Rechtens; im J. 327 wird noch das Recht der Herren anerkannt, auch diese Art von Sclaven zu verkaufen; doch wird es dahin beschränkt, dass dies nur innerhalb der Grenzen derselben Provinz geschehen dürfe (Cod. Theod. XI 3, 2). Wahrscheinlich erhoffte der Kaiser, dass die Decurionen auf diese Weise noch immer die Möglichkeit behalten würden, von ihnen durch Vermittlung des Statthalters die Steuer einzutreiben. Doch erwies sich dies gewiss als sehr schwierig; daher wurden auch diese Sclaven an die Scholle gefesselt, vielleicht gleichzeitig mit den Colonen im J. 332. Jedenfalls erscheinen sie so schon 349 (Cod. Theod. VII 1, 3), obgleich die gesetzliche Regelung ihrer Stellung erst um 368 ihren vollen Abschluss fand (Cod. Iust. XI 48, 7).
2) Die Casarii, die einmal mit den Coloni zusammen als Bestandteil des Inventars confiscierter Vermögen genannt werden (Cod. Theod. IX 42, 7). Wahrscheinlich waren es nicht Kleinpächter, sondern ländliche Tagelöhner, die teils auf dem Gute lebten und dann als Inventarstücke desselben galten, teils als freie Männer ihre eigenen casae besassen und auf den benachbarten Grundstücken gegen Lohn arbeiteten. Da in der Censusliste von Volcei (CIL X 407) mehrere K(asae) verzeichnet sind (II 9. 10. III 14. IV 9), scheinen auch sie censibus adscripti gewesen zu sein.
3) Die freien Bauern, die nicht als Grossgrundbesitzer (possessores) in der Stadt lebten, sondern ihr kleines Gütchen mit eigener Hand bebauten, also auch als ländliche Arbeitskräfte gelten konnten. Sie waren als Zubehör ihres eigenen Grundbesitzes in die Censuslisten eingetragen (Cod. Theod. XI 1, 14). Auch sie wurden im Laufe des 4. Jhdts. an ihre Scholle gefesselt, wie sich namentlich in Bezug auf Ägypten aus folgender Stelle eines Gesetzes vom J. 415 ergiebt, Cod. Theod. XI 24, 6 § 3: qui vicis, quibus adscripti sunt, derelictis et qui homologi more gentilicio nuncupantur, ad alios seu vicos seu dominos transierunt, ad sedem desolati ruris [501] constrictis detentatoribus redire cogantur. Hier sind zwei Classen unterschieden: a) diejenigen, welche zu domini gehören und homologi oder, wie es vorher heisst, homologi coloni genannt werden; b) diejenigen, welche zu vici gehören und wohl nur selbständige Kleingrundbesitzer sein können. Beide sollen, wenn sie ihren Grundherrn oder ihr Dorf verlassen, zur Rückkehr gezwungen werden.
Wenn so zahlreiche Adscripticii vorkommen, die nicht zugleich Colonen sind, so giebt es andererseits auch Colonen, die nicht censibus adscripti sind (Cod. Iust. XI 50, 2), denn in mehreren Provinzen (Cod. Theod. XI 1, 26) unterlag der Annona nur der Grundbesitz selbst, nicht auch sein lebendes Inventar, und dieses wurde daher auch in die Censusliste nicht eingetragen (s. Capitatio). Wahrscheinlich hat Palaestina dies Privileg um seiner heiligen Geschichte willen schon durch Constantin erhalten. Da hier also kein steuertechnisches Bedürfnis vorlag, die Colonen an die Scholle zu fesseln, blieben sie noch ein halbes Jahrhundert nach Constantin in dem freien, jederzeit löslichen Vertragsverhältnis zu ihren Grundherrn, wie es früher im ganzen Reiche geherrscht hatte. Erst zwischen 383 und 389 wurde die Analogie der übrigen Provinzen auch auf Palaestina übertragen (Cod. Iust. XI 51). In Ägypten ist die capitatio humana vielleicht am Ende des 4. Jhdts. eingeführt worden, früher war die Dioecese jedenfalls davon befreit (Seeck Ztschr. IV 285. 341); daher kommt es wohl, dass hier die Colonen den Namen homologi führen (Cod. Theod. XI 24, 6), was man nur durch ,freie Vertragschliessende‘ übersetzen kann, obgleich diese Bezeichnung in der Zeit, wo sie uns überliefert ist, ihren Sinn schon verloren hatte. Als endlich Theodosius in Thrakien die humana capitatio aufhebt, nimmt er an, die Colonen würden jetzt der Meinung sein, sie könnten ihre Pachtungen wieder nach Belieben im Stiche lassen, und sieht sich veranlasst, dies ausdrücklich zu verbieten (Cod. Iust. XI 52), und ähnlich scheint es in Illyricum gegangen zu sein (Cod. Iust. XI 53). Aus diesen Thatsachen lässt sich Entstehung und Entwicklung des hörigen C. mit grösster Deutlichkeit erkennen.
Sein Vorbild fand er in dem Inquilinat, den Marcus für barbarische Ansiedler und nach dem barbarischen Muster des Litentums geschaffen hatte. Der Grund, warum dessen erbliche Bindung an die Scholle auf die freien, römischen Kleinpächter übertragen wurde, lag darin, dass nach diocletianischer Ordnung Kopf- und Grundsteuer in sehr wunderlicher Art miteinander combiniert waren. Jeder Mann, der als Landarbeiter thätig war, stellte eine Werteinheit der Steuerrechnung dar, jedes Weib eine halbe Einheit, und beide galten als Zubehör des Grundstücks, auf dem sie wohnten, und erhöhten dessen Steuerwert. Da nun die Decurionen nach Massgabe dieses Wertes für die Erlegung der Steuer haftbar waren und jede Minderung desselben während der fünfjährigen Censusperiode für sie einen entsprechenden Zuschuss aus ihrem eigenen Vermögen nötig machte, suchte Constantin sie dadurch zu entlasten, dass er jenen Steuerwert möglichst stabil machte, indem er 332 die Entfernung der menschlichen [502] Wertobjecte von dem Gute, zu dem sie gehörten, verbot. Zunächst fand dies noch keine Anwendung auf diejenigen Provinzen, welche der Kopfsteuer nicht unterworfen waren. In Palaestina, Ägypten und Africa blieb daher die Freizügigkeit der Colonen einstweilen noch bestehen. Wurde aber in einem Teil des Reiches, wo sie früher geherrscht hatte, die Kopfsteuer aufgehoben, wie dies durch Constantius im ganzen Orient, durch Valens in Illyricum, durch Theodosius in Thrakien geschah, so führte dies keine Befreiung der Kleinpächter herbei. Es hiess dann: inserviant terris non tributario nexu, sed nomine et titulo colonorum (Cod. Iust. XI 53, 1). Ihre Abhängigkeit, die jetzt um der Steuererheber willen nicht mehr nötig war, wurde dann um der Grundherrn willen aufrecht erhalten, wie ja überhaupt diese Spätzeit des Römertums sich dadurch auszeichnet, dass die Interessen der Mächtigen und Einflussreichen sich immer auf Kosten des niederen Volkes durchzusetzen wissen. Und weil die Hörigkeit der Kleinpächter über den grössten Teil des Reiches verbreitet war, wurde sie der allgemeinen Gleichförmigkeit zu liebe gegen Ende des 4. Jhdts. auch in den Provinzen eingeführt, wo sie bis dahin noch nicht bestanden hatte. Allmählich wurden die Rechte der Herren über sie immer höher gesteigert, ihre eigene Stellung immer mehr herabgedrückt. Um 400 konnte man sagen, sie ständen den Sclaven beinahe gleich (Cod. Iust. XI 50, 2: paene est, ut quadam servitute dediti videantur); um 530 liess sich überhaupt kein Unterschied mehr wahrnehmen (Cod. Iust. XI 48, 21: quae etenim differentia inter servos et adscripticios intellegetur, cum uterque in domini sui positus est potestate et possit servum cum peculio manumittere et adscripticium cum terra suo dominio expellere?). Sie sind servi terrae ipsius, cui nati sunt (Cod. Iust. XI 52, 2), und werden daher auch immer mit den Sclaven zusammengestellt und rechtlich fast ebenso behandelt (Cod. Theod. XVI 5, 54 § 8. Nov. Val. 22, 3. 30, 6. Nov. Mai. 7 pr. Cod. Iust. VIII 51, 1. XI 48, 23. 69, 1). Dies ist der Abschluss der Entwicklung, die durch den steten Fortschritt der Entvölkerung herbeigeführt war. Erst hatte die Vernichtung des Bauernstandes zur Grosswirtschaft mit Sclavenbetrieb geführt, dann das Schwinden der Sclaven zur Ausdehnung der Kleinpacht, wobei man sich gezwungen sah, immer weniger brauchbare Elemente heranzuziehen. Dann hatten sich auch diese nicht mehr in genügender Zahl gefunden und man hatte gefangene Barbaren mit Gewalt zur Kleinpacht pressen müssen. Als endlich ein hochgespannter Steuerdruck die Äcker ganz zu veröden drohte, hatte man auch die freien Colonen jenen fremden Ansiedlern gleichgestellt, sie an die Scholle gefesselt und zuletzt bis zur Sclaverei herabgedrückt. Doch alle diese Gewaltmittel der Ratlosigkeit halfen nichts, und während der Colonat unterthänig war, ist ein grösserer Teil des bebauten Landes zur Wüste geworden, als jemals in den früheren Zeiten.
V. Recht und Zustände des hörigen Colonats. Auch in dieser Zeit werden Coloni und Inquilini noch immer nebeneinander gestellt (Cod. Theod. V 9. 10 Überschrift. X 12, 2 § 2. XII 19. 1. 2 Nov. Val. 26, 4. Nov. Sev. 2. Cod. Iust. III 38 [503] 11. XI 48, 6. 12. 13. 53,1), doch wird ausdrücklich gesagt, dass sie sich nur dem Namen nach unterschieden, in ihren Rechtsverhältnissen dagegen fast ganz zusammenfielen (Cod. Iust. XI 48, 13), und mitunter werden beide Bezeichnungen auch als gleichbedeutend durcheinander gebraucht (Apoll. Sid. ep. V 19. Salv. de gub. dei V 8, 43. 44). Wir fassen sie daher unter dem Namen der Colonen zusammen, wie es auch die Quellen vielfach zu thun scheinen. So heisst es z. B. Cod. Theod. V 4. 3 von angesiedelten Barbaren, dass sie iure colonatus ihre künftigen Äcker bebauen sollen (vgl. Auson. Mos. 9. Hist. Aug. Claud. 9, 4), obgleich diese Art von Hörigen unter den Begriff des Inquilinats fallen müsste. Doch wäre es auch möglich, dass dieser Name nur noch an den Nachkommen von Ansiedlern aus den früheren Jahrhunderten haftete und auf die neuen nicht mehr angewandt wurde. Dies halte ich für um so wahrscheinlicher, als der Inquilinat, soweit er einen von dem C. gesonderten Stand darstellen will, im 4. Jhdt. nur noch den Charakter eines unlebendigen, historischen Restes zeigt.
Der C. in jenem weiteren Sinne, in dem er den Inquilinat mit umfasst, entsteht in der Regel durch Geburt von Coloneneltern, denn er ist erblich (Cod. Theod. V 10. Cod. Iust. XI 48, 13. 16. 21. 22 § 3. 23. 24. 53, 1. 64, 1. 68, 3. 69, 1. Nov. Val. 30, 2. 34, 19. Nov. Iust. 54. 162, 2. 3), weshalb er auch originalis (Cod. Theod. V 10. XI 1, 14. Cod. Iust. XI 68, 1. Apoll. Sid. ep. V 19) oder originarius heisst (Cod. Theod. V 10. X 20, 10 § 1. Nov. Val. 26, 4. 30 pr. 1. 34, 18. Cod. Iust. XI 48, 7. 11. 16. 52, 1); er ist daher eine condicio, d. h. ein Stand (Cod. Theod. V 10 § 1. 3. Cod. Iust. XI 48, 13. 14. 22. 24. 50, 2. August. de civ. dei X 1, 2 = Migne L. 41, 278). Anfangs verfällt ihm, auch wer ihm nur von väterlicher oder mütterlicher Seite angehört (Nov. Iust. 54 pr. Nov. Val. 30, 6. Cod. Iust. XI 48, 16. 21. 68. 4. 69, 1. Cod. Theod. V 10, 1 § 4); doch werden später teilweise darüber andere Bestimmungen getroffen. Seit 380 folgt das Kind eines Monetarius, auch wenn es mit einer Colonin gezeugt ist, dem Stande des Vaters (Cod. Theod. X 20, 10). Ist der Vater an einen anderen Stand gefesselt, so werden seit 400 die Kinder zwischen den Ständen der beiden Eltern geteilt (Cod. Theod. XII 19, 1). Iustinian verfügt, dass wenn ein Colone sich mit einer Sclavin oder einem freien Weibe verbindet, die Kinder in beiden Fällen der Mutter folgen sollen (Cod. Iust. XI 48, 21 § 1. 24. Nov. Iust. 54 pr. § 1). Später ändert er dies dahin, dass das Kind einer freien Mutter zwar nicht eigentlich Colone, aber doch als Ackerbauer an das Gut gefesselt sein solle, auf dem sein Vater Colone war, ausser wenn es selbst Grundbesitzer sei (Nov. Iust. 162, 2), und endlich kam er ganz auf das alte Recht zurück (Iust. edict. de adscripticiis et colonis). Verheiraten sich Colonen verschiedener Grundbesitzer, so fielen die Kinder anfangs wohl dem Herrn des Vaters zu (vgl. Cod. Iust. III 38, 11); seit 419 soll der Herr der Mutter ein Drittel bekommen (Cod. Theod. V 10 § 3); seit 452 wird im Occident die Nachkommenschaft gleich geteilt (Nov. Valent. 34, 19), seit 530 auch im Orient, doch so, dass bei ungerader Zahl die grössere Hälfte dem Herrn [504] der Mutter zufällt (Nov. Iust. 162, 3). Doch war in allen diesen Fällen die Stellung von Ersatzleuten (vicarii) durch den Herrn des Vaters gestattet oder selbst geboten, damit die Familie nicht zerrissen werde (Cod. Theod. V 10, 3. Nov. Valent. 30, 2. 3. Cod. Iust. III 38, 11). Später wird den Colonen die Erlaubnis zur Ehe versagt, wenn sie eine Frau heiraten wollen, die nicht zu demselben Gute gehört, wie sie selbst (A. Holm Geschichte Siciliens III 300).
Zweitens kann der C. dadurch entstehen, dass der Kaiser gefangene Barbaren entweder auf den Domänen ansiedelt oder privaten Grundbesitzern gestattet, aus jenen eine Auswahl zur Ansiedelung auf ihren eigenen Gütern zu treffen (Cod. Theod. V 4, 3). Auch solche Barbarenhaufen, die freiwillig in das römische Reich übertraten, sind wahrscheinlich nicht sehr verschieden behandelt worden (Ammian. XIX 11, 6), nur waren die terrae laeticae, die man ihnen anwies, wohl immer fiscalischer Besitz, nicht private Grundstücke (Cod. Theod. XIII 11, 10). Zahlreiche Beispiele dieser Barbarenansiedelungen bei Seeck Geschichte des Untergangs der antiken Welt I² 585.
Drittens sollen nach einem Gesetz vom J. 382 (Cod. Theod. XIV 18) Bettler, die gesund und arbeitskräftig sind, denjenigen, welche sie denuncieren, als erbliche Colonen zugesprochen werden.
Endlich können freigeborene Römer auch zu Colonen werden, indem sie sich aus eigenem Willen einem Grundherrn unterwerfen (Salv. de gub. dei V 8, 43–46).- Iustinian bestimmte, dass der Abschluss eines Kleinpachtvertrages nur dann den C. zur Folge haben solle, wenn das in der Urkunde ausdrücklich als Absicht des Pächters ausgesprochen werde (Cod. Iust. XI 48, 22). Dies war also vorher nicht nötig, doch wird es wohl schon damals gestattet gewesen sein, durch eine Clausel des Pachtvertrages die persönliche Abhängigkeit von dem Grundherrn auszuschliessen. So treten denn gegen Ende des 5. Jhdts., allerdings nicht früher, wieder freie Colonen neben den Hörigen auf (Cod. Iust. XI 69, 1. Nov. Iust. 80, 1 vgl. 2). Doch sollten auch diese, wenn sie 30 Jahre auf demselben Grundstück gesessen hatten, nach einem Gesetze des Anastasius zwar nicht ihre persönliche Freiheit und die unbeschränkte Verfügung über ihr Eigentum verlieren, wohl aber als Pächter und Ackerbauer an die Scholle gefesselt bleiben, was Iustinian auch auf ihre Kinder ausdehnte (Cod. Iust. XI 48, 19. 23 § 1). Auch wer eine Colonin heiraten will, muss sich nach einem Gesetze Valentinians III. durch Erklärung zu den Municipalacten verpflichten, dass er, ohne seine persönliche Freiheit einzubüssen, doch das Grundstück, an das seine Braut gebunden ist, auch seinerseits nie verlassen will (Nov. Val. 30, 5).
Dies über die Entstehung des C.; seine Aufhebung erfolgte durch Eintritt in den Militärdienst (Cod. Iust. XI 63, 4), aber seit Valentinian I. auch dies nur, wenn der Grundherr den Colonen als Recruten stellte (Cod. Theod. V 4, 3), nicht wenn sich dieser seinen Pflichten selbst entzog, um sich als Soldat anwerben zu lassen. In solchem Falle sollte er, selbst wenn er schon zum Range eines Protectors aufgestiegen war, entlassen und zurückgegeben werden (Cod. Iust. XI [505] 68, 3). In späterer Zeit ist ihm auch die Befreiung durch den Kriegsdienst verschlossen worden (Nov. Val. 18, 8. Cod. Iust. XI 48, 11. 18. 63, 4. 64,1. 3. 68, 1. XII 54, 3), obgleich man dies in Zeiten der Not kaum aufrecht erhalten konnte. Die Weihung zum Kleriker oder der Eintritt in ein Kloster befreit nur dann, wenn der Herr seine Einwilligung dazu gegeben hat (Cod. Iust. I 3, 16. 36), und auch dies ist zeitweilig ausser Kraft gesetzt (Nov. Val. 18, 8). Ohne Erlaubnis kann der Colone zwar die Weihen empfangen, aber nur wenn er auf dem Gute selbst, zu dem er gehört, des kirchlichen Dienstes waltet (Cod. Theod. XVI 2, 33) und daneben nach wie vor den Acker bebaut (Nov. Iust. 123, 17, 1) oder durch einen Stellvertreter bebauen lässt (Cod. Iust. I 3, 16). Eine Freilassung war möglich (Apoll. Sid. ep. V 19), doch einzig in der Form, dass der Herr zugleich auch auf das Eigentum an demjenigen Teil seines Grundstücks verzichtete, den der Colone bebaute (Cod. Iust. XI 48, 21 § 1). So vertauschte dieser die persona coloniaria mit der plebeia (Apoll. Sid. a. O.), d. h. er wurde einer jener bäuerlichen Adscripticii, die als Zubehör ihres eigenen Ackers in die Censuslisten eingetragen waren. Diese erlitten dadurch zwar insofern eine Veränderung, als ein neuer Titel ihnen hinzutrat und das Gut des Freilassers entsprechend an Steuerwert verlor, aber Verlust und Gewinn glichen sich aus, so dass den Decurionen aus jener Neuerung keine Einbusse erwuchs. Endlich konnte auch Verjährung frei machen. Wer Decurione wurde oder sich einer anderen Körperschaft anschloss, die im öffentlichen Interesse thätig war, der gehörte dem neuen Stande nach einem Gesetz vom J. 400 auf immer an, falls ihn sein Grundherr in 30 Jahren oder, wenn der Colone in eine andere Provinz gezogen war, in 40 Jahren nicht zurückgefordert hatte (Cod. Theod. XII 19, 2). In diesem Falle wurde die Fesselung an die Scholle nur mit der Fesselung an einen anderen Stand vertauscht. Doch schon 419 verordnete Honorius ganz allgemein, dass, wenn ein männlicher Colone seit 30 Jahren, ein weiblicher seit 20 unangefochten ausserhalb des Gutes gelebt habe, die Rechte des Grundherrn an ihn erlöschen sollten. Hatte er diesen Zeitraum als Kleinpächter eines andern Grundbesitzers verbracht, so fiel er diesem zu, im anderen Falle wurde er frei (Cod. Theod. V 10. Nov. Val. 26, 4. 6). Aber schon 451 wurde für den Occident verfügt, dass diese Art der Verjährung wohl den Wechsel des Eigentums an dem Colonen, aber niemals die Freiheit desselben herbeiführen könne (Nov. Val. 30), und nach einem Gesetze Iustinians sollte ein Colonensohn nach dem Tode seines Vaters zurückgefordert werden können, wenn dieser während der betreffenden 30 oder 40 Jahre in seinem Colonat verblieben war. Der Besitz am Vater wurde also auch als Besitz am Sohne betrachtet, so dass für diesen die Verjährungsfrist erst ihre Gültigkeit gewann, wenn ein nicht zu kurzer Zeitraum nach dem Tode des ersteren verstrichen war, ohne dass der Grundherr seine Rechte geltend gemacht hatte (Cod. Iust. XI 48, 22 § 3). Zum Schlusse wurde auch dies beseitigt und der Verjährung jede Wirkung auf das Eigentum am Colonen geraubt (Cod. Iust. XI 48, 23).
[506] Die Colonen werden immer von den Sclaven unterschieden (Cod. Theod. II 30, 2. 31, 1. XII 19, 1. XIV 18. XVI 5, 52 § 4. 54 § 8. 6, 4 pr. Cod. Iust. XI 48, 7. 12. 68, 3. 4) und gelten als ingenui (Cod. Iust. XI 52 § 1. 53 § 3. Cod. Theod. V 9, 1), wodurch die Möglichkeit, sie regelmässig für das Heer auszuheben, bedingt wird (Cod. Theod. VII 13, 5. V 4, 3). Demgemäss besitzen sie nicht nur Familien- und Erbrecht, sondern auch das Conubium mit freien Bürgern (Cod. Iust. XI 48, 24. 69, 1. Cod. Theod. XII 19, 1. Nov. Val. 30, 5. Nov. Mai. 7 pr. Nov. Iust. 54 pr.). Die Ehe einer Freigeborenen mit einem fremden Colonen wurde zwar durch Iustinian für nichtig erklärt (Nov. 22, 17), doch mit ihrem eigenen blieb sie auch ferner gestattet (Nov. Iust. 54 pr. 1. Iust. edict. de adscripticiis et colonis). Bei Mischehen folgen allerdings die Kinder, als wenn sie Bastarde wären, dem Stande der Mutter, anfangs nur wenn der weibliche Teil, seit Iustinian auch wenn der männliche dem Colonat angehört (S. 503); doch sind es darum nicht weniger iusta matrimonia (Cod. Iust. a. O.). Eine besondere Eigentümlichkeit der Colonen war, dass sie auch mit Sclaven gültige Ehen schliessen konnten, deren Sprösslinge anfangs ganz ordnungsmässig dem Stande des Vaters, erst seit Iustinian dem Stande der Mutter folgten (Cod. Iust. XI 48, 21. 69, 1). In Sicilien bedürfen sie Ende des 5. Jhdts. zur Ehe der Erlaubnis des Grundherrn (A. Holm Geschichte Siciliens III 300) und müssen dafür eine Sportel von 1 Solidus zahlen (Greg. I. pap. ep. I 42).
Auch der Eigentumsfähigkeit entbehren die Colonen nicht, wie schon daraus hervorgeht, dass sie ihre Steuern (Cod. Theod. XIII 1, 8. 10. Nov. Iust. 128, 14. Cod. Iust. XI 48, 8 § 1. 20 § 3. 23 pr.) und Strafgelder (Cod. Theod. XVI 5, 54 § 8) selbst bezahlten. Allerdings war es in manchen Gegenden üblich, dass der Herr die Capitatio aus der Pachtsumme erlegte und diese wahrscheinlich entsprechend erhöhen durfte (Cod. Iust. XI 48, 20 § 3 a). Doch können die Colonen neben ihrer Pachthufe eigenen Grundbesitz haben (Cod. Theod. V 3, 1. 11, 1. 14, 9. XI 1, 14. XII 1, 33. Nov. Iust. 128, 14); nach Entrichtung ihrer Fruchtquote bleibt der Rest ihrer Ernte ihr Eigentum (Cod. Iust. XI 48, 8 § 1), mit dem sie nach Belieben Handel treiben können (Cod. Theod. XIII 1, 3. 8. 10). Auch dürfen sie vor Gericht klagen (Nov. Iust. 80, 1. 2), sogar gegen ihren eigenen Grundherrn (Cod. Iust. XI 50, 1). Dies letztere Recht wurde ihnen aber von Arcadius genommen, ausser wo es sich um widerrechtliche Erhöhung der Pachtforderungen oder um criminelle Anklagen handelt (Cod. Iust. XI 50, 2). Iustinian dehnte es auch auf den Fall aus, dass der Adscripticius behauptete, das von ihm bebaute Land gehöre ihm selbst, nicht dem angeblichen Grundherrn. Doch musste er bei einer solchen Klage entweder Bürgen stellen für die richtige Erlegung der Pacht, falls er den Process verliere, oder er musste die streitige Summe bei Gericht deponieren, so dass der Herr für alle Fälle gesichert war (Cod. Iust. XI 48, 20). Auch im übrigen wurden die grossen Grundbesitzer auf Kosten der Colonen begünstigt. Ging man doch sogar soweit, zu ihrem Vorteil von der [507] alten Regel der vindiciae secundum libertatem abzuweichen. Wenn nämlich ein Grundherr einen Menschen als seinen Colonen in Anspruch nahm, so wurde, falls jener nachweisen konnte, dass er diesen früher bona fide besessen habe, zuerst der Besitz wiederhergestellt und dann erst die Frage des Eigentums oder der Freiheit entschieden (Cod. Theod. IV 23). Auch verfügte schon Valens, dass die Colonen ihren eigenen Besitz, namentlich wenn er in Grund und Boden bestand, wohl beliebig vermehren, aber nicht ohne Erlaubnis ihres Herrn veräussern dürften (Cod. Theod. V 11, 1. Cod. Iust. XI 50. 2 § 3. 48, 17); wer nicht nur etwas von dem Ernteertrage, sondern Vieh oder andere Wertstücke von einem Colonen kaufte, konnte durch den Grundherrn auf Diebstahl angeklagt werden (Cod. Hermog. 16). Die Sicherheit, welche der eigene Besitz des Colonen dem Herrn für die richtige Pachtzahlung bot, sollte nicht vermindert werden. So näherte sich ihr Vermögen dem prekären der Sclaven an und wurde daher auch mit dem Namen desselben, peculium, belegt (Cod. Theod. V 3, 1. 10, 1 § 2. XVI 5, 54 § 8. Cod. Iust. XI 48, 8 § 1. 19. 52, 2. Nov. Val. 26, 4. Cod. Hermog. 16. Nov. Iust. 162, 2, 1). Eben darin besteht im 6. Jhdt. der wesentlichste Unterschied zwischen den hörigen und den freien, aber doch an die Scholle gefesselten Colonen, dass diese kein Peculium, sondern frei veräusserliches Eigentum haben (Cod. Iust. XI 48, 19. Nov. Iust. 162, 2, 1).
Überhaupt sinken die Colonen immer mehr zu Sclaven herab, was sich schon darin ausprägt, dass ihr Grundherr anfangs patronus heisst (Cod. Theod. V ll, 1; vgl. Cod. Iust. XI 50, 2 § 4: dominos vel patronos. 52 § 1: et patroni sollicitudine et domini potestate), später nur noch dominus genannt wird (Cod. Theod. V 10 § 3. 11 Überschrift. VII 13, 5. August, de civ. dei X 1, 2 = Migne L. 41, 278. Nov. Val. 30, 1. Cod. Iust. XI 50. 48, 11. 12. 18. 19). Diesem wird durch Iustinian sogar das Recht körperlicher Züchtigung gegen sie eingeräumt (Cod. Iust. VII 24 § 1. XI 48, 24 § 1. Nov. Iust. 22, 17), und schon früher behandelt sie das Criminalrecht ganz nach Art der Sclaven (Cod. Theod. V 9, 1. XVI 5, 52 § 4. 54 § 8. Cod. Iust, XI 48, 23. Nov. Val. 22, 3). So kann denn im 5. Jhdt. mit Recht gesagt werden, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen Hörigen und Sclaven kaum bestehe (Cod. Iust. XI 48, 21 § 1. 50, 2. 52, 1. Nov. Val. 30, 6. Salv. de gub. dei V 45), ja man kann die juristische Frage stellen, welches von beiden die peior fortuna sei (Cod. Iust. XI 48, 21). Wenn die Colonen anfangs als ingenui und liberi galten, so wird doch später die libertas und ingenuitas auch ihrer Stellung entgegengesetzt (Nov. Val. 30, 5. Cod. Iust. XI 48, 16. 24). Ihr Stand fällt daher der tiefsten Verachtung anheim (Nov. Val. 26, 1: vilissimus colonatus. Salv. de gub. dei V 44: iugum inquilinae abiectionis); jede Würde, jeder Rang ist ihnen verschlossen (Cod. Iust. XI 48, 11. 18. 63, 4. 64, 1. 3. 68, 1. XII 54, 3), selbst der Eintritt in den Klerus nur bedingungsweise erlaubt (S. 505).
Trotzdem bleiben sie noch immer in einem Punkte scharf von den Sclaven geschieden, wenn sie gleich auch darin den servi rustici et censiti [508] nahe kommen (S. 500). Sie stehen nicht unmittelbar im Eigentum ihrer Herren, sondern nur durch Vermittlung des Grundstücks, das sie bebauen (Cod. Iust. XI 48, 11. August. civ. dei X 1, 2 = Migne L. 41, 278). Sie sind servi terrae ipsius, cui nati sunt (Cod. Iust. XI 52, 1. 53, 1. 48, 6. 64, 3. Cod. Theod. V 10) oder membra terrae (Cod. Iust. XI 48, 23), und können daher nur mit dem Gut, dem sie durch ihre Geburt angehören, freigelassen (Cod. Iust. XI 48, 21 § 1), vererbt (Dig. XXX 112) oder veräussert werden (Cod. Theod. XI 1, 26. XIII 10, 3. Cod. Iust. XI 48, 7. 50, 2 § 1). Doch durften sie innerhalb desselben Gutes oder auch innerhalb verschiedener Güter desselben Grundbesitzers nach dem Belieben des Herrn von einer Pachthufe auf die andere versetzt werden (S. 499). Auch einen Colonen von dem Grundstück ganz zu entfernen, war anfangs wohl allgemein erlaubt, wenn für ihn ein Ersatzmann gestellt wurde (Cod. Theod. V 10, 3. Nov. Val. 30, 2. 3. Cod. Iust. I 3, 16); doch wurde dies für die fundi patrimoniales durch Theodosius den Grossen untersagt (Cod. Iust. XI 63, 3). Im übrigen dürfen sie selbst auf kurze Zeit ihr Grundstück nicht verlassen (Cod. Iust. XI 48, 15); den kaiserlichen Colonen ist es sogar verboten, irgend eine Geschäftsvertretung für einen andern zu übernehmen, damit sie von den Pflichten des Ackerbaus nicht abgezogen werden (Cod. Iust. XI 68, 2). Suchten sie zu entfliehen, so sollte man sie wie servi fugitivi in Ketten arbeiten lassen (Cod. Theod. V 9, 1. Cod. Iust. XI 53, 1). Wer sie verbarg oder zurückhielt, sollte anfangs für die Zeit ihrer Abwesenheit nur die Steuer ersetzen (Cod. Theod. V 9, 1. X 12, 2 § 3. XI 24, 1; vgl. Cod. Iust. XI 48, 23 § 5), später für jeden privaten Colonen ein halbes Pfund Gold, für jeden kaiserlichen ein ganzes als Busse zahlen (Cod. Theod. V 9, 2), endlich wurde das Strafmass in das freie Ermessen des Richters gestellt. Dabei sollte nicht einmal die Entschuldigung zugelassen werden, dass man den Colonenstand des Flüchtlings nicht gekannt habe, da auch die Beherbergung eines Unbekannten zu unterlassen sei (Cod. Iust. XI 53, 1). Auch die Verführung zur Flucht war strafbar (Cod. Theod. XIV 18). Der Herr konnte seine Colonen nicht für jeden beliebigen Dienst verwenden, sondern ihre Verpflichtung bestand ausschliesslich in der Bebauung ihrer Hufe (Cod. Theod. V 11, 1. August. civ. dei X 1, 2. Cod. Iust. XI 48, 7 § 1. 63, 4. 64, 1. 68, 2) und der richtigen Erlegung ihrer Pacht (Cod. Iust. XI 48, 20). In Bezug auf diese ist sogar jede Neuerung verboten; die Kinder der Colonen sollen sie genau in derselben Form und Höhe zahlen, wie ihre Väter und Ahnen sie gezahlt haben (Cod. Iust. XI 48, 5. 23 § 2. 3). Gestattet der Herr sich Mehrforderungen (superexactiones), so ist dem Colonen sogar ausnahmsweise eine Klage gegen ihn erlaubt (Cod. Iust. XI 50, 1. 2 § 4). Trotzdem scheinen mannigfache Veränderungen in den Pachtbedingungen durch die Herren herbeigeführt zu sein, und ihrem Einfluss gegenüber waren die armen Colonen wohl nur selten im stande, ihr gutes Recht durchzusetzen. Unter Valentinian I. erscheint noch die Naturalpacht als das normale; sie durch Geldforderungen zu ersetzen, wird zwar von einzelnen [509] Grundherrn versucht, aber ausdrücklich verboten. Nur wo von alters her Geldpacht üblich ist, soll sie erhalten bleiben (Cod. Iust. XI 48, 5. 8 § 1). Dagegen ist unter Iustinian die Leistung von Naturalien schon zur Ausnahme geworden und die regelmässige Zahlung erfolgt in Gold (Cod. Iust. XI 48, 20 § 2). Als dieses im Curse sank (Seeck Ztschr.f. Numism. XVII 77. Kubitschek Numism. Ztschr. XXIX 166), mussten sie den Verlust tragen; in Sicilien wurden ihnen im J. 591 für jedes Pfund Gold der Pachtsumme, das sie vorher zu zahlen gehabt hatten, 73½ Solidi statt 72 abgefordert (Gregor. pap. epist. I 42).
Da das Gesetz die Stellung der Adscripticii nur immer tiefer herabdrückte, niemals ihre Rechte verteidigte, suchten sie sich auf ungesetzlichem Wege zu helfen, wobei die schlauen Ägypter vorangegangen sind (Cod. Theod. XI 24, 1), aber bald auch im Orient (Liban. or. II 499) und endlich bis nach Gallien hinüber (Salv. de gub. dei V 38ff., vgl. Cod. Iust. XI 54, 1 § 2) Nachahmung gefunden haben. Waren sie kleine Grundbesitzer, so übergaben sie sich und ihr Land in das Eigentum irgend eines einflussreichen Beamten, am liebsten eines militärischen, der sie, wenn nötig, auch mit Waffengewalt schützen konnte (Cod. Theod. XI 24, 1. 4). Dieser legte ihnen zwar eine Pacht auf, wehrte aber dafür durch seinen übermächtigen Einfluss die viel höheren Steuerforderungen der Decurionen ab. Die Colonen dagegen bemühten sich, Einquartierungen auf ihre Dörfer zu bekommen, und bestachen dann die Soldaten und ihre Führer, um durch sie sowohl die Decurionen, als auch die pachtfordernden Grundherrn zu verjagen, mitunter auch sich auf Kosten der Nachbardörfer zu bereichern (Liban. or. II 501ff.). Diesem Missbrauch trat die Gesetzgebung schon seit dem J. 360 entgegen, hat ihn aber, wie die immer wiederholten Gesetze zeigen, nie ganz abstellen können (Cod. Theod. XI 24, 1–6. Cod. Iust. XI 54, 1–2). Die Adscripticier aber gewannen auch nicht dabei. Sie befreiten sich zwar aus augenblicklichen Verlegenheiten, aber später wuchsen die Ansprüche ihrer Patrone und waren um so schwerer abzuweisen, je mächtigere und einflussreichere sie gewählt hatten.
Durch die Einführung der Hörigkeit hatte man der Verödung des Ackerlandes entgegentreten wollen; doch indem man die Massen gänzlich verelendete, hatte man das schlechteste Mittel ergriffen, um eine gesunde Volksvermehrung herbeizuführen. Man hat daher viel über die colonorum raritas zu klagen (Nov. Val. 18, 8); als in Illyricum ein grosser Teil der Bevölkerung vor einem Barbareneinfall flieht, laufen am Kaiserhofe zahlreiche Petitionen von Grundbesitzern ein, ihnen die Flüchtlinge oder Colonen zu schenken (Cod. Theod. X 10, 25); auf den Feldern wird Raum für die Ansiedelung von ungezählten Tausenden von Barbaren, und trotz derselben nimmt der Umfang der agri deserti immer zu. Die Colonen, die meinen, jede beliebige Veränderung ihrer Lage könne ihnen nur Vorteil bringen, sind immer zur Flucht geneigt, und finden dabei leicht Unterstützung, weil alle Grundherren an Menschenmangel leiden und die meisten daher trotz der angedrohten Strafen die Flüchtlinge gern bei sich aufnehmen und verbergen, wie sich [510] aus den zahlreichen Gesetzen, die dem entgegentreten, ergiebt (Cod. Theod. IV 23, 1. V 4, 3. 9, 1. 2. 10, 1. X 12, 2 § 3. XI 1, 7. 24, 1. XII 19, 2. XIV 18. Nov. Val. 26, 1. Cod. Iust. XI 48, 6. 8. 12. 23. 51, 1. 52, 1 § 2. 53, 1 § 1. 64, 1–3). Der neue Herr pflegte allerdings die Erwartungen, die man in ihn gesetzt hatte, meist auch nicht zu erfüllen. So wechselten denn die Entflohenen immer wieder den Ort (Nov. Val. 30 pr.) oder trieben sich auch als Bettler umher (Cod. Theod. XIV 18), oder sie retteten sich endlich in die von den Barbaren occupierten Landschaften, wo das harte römische Recht nicht mehr herrschte (Salv. de gub. dei V 37). So gehört der C. zu den Gründen, die das Schwinden der Bevölkerung im Römerreiche beschleunigt und endlich dessen Untergang herbeigeführt haben.