223. 224) M. Claudius Marcellus. Zwei Männer dieses Namens sind so schwer aus einander zu halten, dass sie hier zusammen behandelt werden dürfen. Einer von ihnen war Praetor urbanus 566 = 188 (Liv. XXXVIII 35, 2. 10. 42, 7; daraus Val. Max. VI 5, 3, der infolge flüchtiger Lectüre seiner Vorlage die Praetur ins folgende Jahr setzt); der zweite war Praetor 569 = 185 (Liv. XXXIX 23, 2). Wären beide identisch, so würde an der zweiten Stelle wohl die Iteration des Amtes verzeichnet sein. Einer der beiden Homonymen ist dann im J. 571 = 183 Consul geworden (M. Claudius M. f. M. n. Marcellus Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Nep. Hann. 13, 1. Liv. XXXIX 45, 1. Oros. IV 20, 27. Obseq. 4. Cassiod.). Er erhielt zusammen mit seinem Amtsgenossen Q. Fabius Labeo Ligurien zur Provinz; einer von ihnen sollte sich auch bereit halten, gegen die Keltenscharen zu marschieren, die von Norden her über die Ostalpen in das nordadriatische Küstenland eingewandert waren und sich hier niedergelassen hatten (Liv. XXXIX 45, 3. 6f.). Marcellus übernahm diesen Auftrag, überschritt aber angeblich seine Vollmacht. Obgleich die Kelten sich ihm ergaben und, wenigstens nach ihrer eigenen Behauptung, seinem Befehl, Italien zu verlassen, gehorchen wollten, liess er sie entwaffnen und ihnen ihre bewegliche Habe wegnehmen. Sie wandten sich beschwerdeführend an den Senat, und dieser entschied, dass sie ihr Eigentum zurückerhalten, aber das occupierte Gebiet räumen und unter Aufsicht römischer Commissare über die Alpen zurückgehen sollten; dies alles wurde ausgeführt (Liv. XXXIX 54, 1–55, 4). Der Bericht des Annalisten Piso (bei Plin. n. h. III 131), Marcellus habe die Ansiedlung der Kelten wider den Willen des Senats zerstört, dürfte die officielle Version wiedergeben: die römische Regierung setzte, um den Anstand zu wahren, ihren Beamten vor den Kelten ins Unrecht, aber in Wahrheit entsprach sein Vorgehen ihren eigenen Absichten; denn um der Wiederkehr solcher Barbareneinfälle vorzubeugen, wurde in jener Gegend unweit von der zerstörten Niederlassung die starke Festung Aquileia bald darauf begründet, und dem Consul bezeugte der Senat seine Zufriedenheit, indem er seine weiteren gegen die Istrer gerichteten Kriegspläne gut hiess und ihm zu deren Ausführung das Commando für 572 = 182 erneuerte, nachdem Marcellus zur Leitung der Wahlen in Rom gewesen war (Liv. XXXIX 55, 4. 56, 3. XL 1, 6). Aus dem J. 572 = 182 hören wir von ihm nur, dass er an der ligurischen Grenze stand und die Unterwerfung von 2000 ins römische Gebiet übergetretenen Ligurern entgegennehmen wollte; der Senat wies ihn aber an, diese Frage den in Ligurien weilenden Consuln zur Entscheidung zu überlassen und die Feinde vorsichtiger zu behandeln, als früher die Kelten (Liv. XL 16, 5f.). Dem einen Consul sollte er Anfang 573 = 181 nach Ligurien zu Hülfe eilen, aber er hatte das Commando bereits seinem Nachfolger übergeben und empfing jenen Befehl erst während der Heimreise (Liv. XL 25, 9. 26, 1). Bei
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den folgenden Angaben muss es wieder unentschieden bleiben, auf welchen der zwei M. Marcelli dieser Zeit sie sich beziehen. Ein Marcellus erschien 581 = 173 als römischer Gesandter vor der aetolischen Bundesversammlung in Delphi, wo übrigens eine Ehreninschrift wohl republicanischer Zeit gefunden ist; Ἡ πόλις τῶν Δελφῶν Μάρκελλον Κλαύδιον τὸν ἑαυτῆς πάτρωνα (Bull. hell. VΙ 449); von hier aus begab er sich zu einer von ihm selbst einberufenen Versammlung des achaeischen Bundes in den Peloponnes (Liv. XLII 5, 10–6, 3). Nach dem energischen Auftreten dieses Gesandten den Griechen gegenüber kann man vermuten, dass er ein bedeutenderer Mann, wohl ein Consular, gewesen sein muss und nicht etwa der junge M. Marcellus Nr. 225, der damals noch ganz im Anfang seiner Laufbahn stand. Im J. 585 = 169, in welchem dieser jüngere Mann die Praetur verwaltete, werden dann zwei weitere Marcelli erwähnt, die sowohl von ihm, wie unter einander verschieden sind. Der eine war damals Legat des Q. Marcius Philippus im makedonischen Kriege (Liv. XLIV 3, 2 aus Polybios, daher die Namensform M. Claudius); der andere war Decemvir sacris faciundis und ist in diesem Jahre gestorben (Liv. XLIV 18, 7: M. Claudius Marcellus). Dass sich alle hier zusammengestellten Nachrichten auf noch mehr als zwei gleichnamige Personen verteilen können, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber kaum wahrscheinlich.