Chauci. Nach Unterwerfung der Friesen zog Drusus gegen das germanische Volk der Ch. (Dio LIV 32; vgl. Liv. epit. 140). Im J. 5 n. Chr. wurden sie den Römern botmässig (Vell. Pat. II 106 receptae Cauchorum nationes); wir finden daher bei ihnen wie bei den Friesen römische Besatzung (Tac. ann. I 38 in Chaucis ... praesidium agitantes vexillarii discordium legionum); wie die Friesen stellten auch sie den Römern Hülfstruppen (Tac. ann. I 60 Chauci cum auxilia pollicerentur. II 17 a Chaucis inter auxilia Romana agentibus. II 24). Unter Tiberius scheint das schwer zu schützende Chaukenland aufgegeben worden zu sein (Mommsen R. G. V 111). Seit der Zeit des Claudius treten die Ch. den Römern feindlich gegenüber. Im J. 41 musste der Statthalter P. Gabinius Secundus eine Expedition gegen sie unternehmen, die ihm den Ehrennamen Chaucius einbrachte (Suet. Claud. 24 Cauchius Hss., vgl. Dio LX 8). Sechs Jahre später brandschatzten sie sogar mit ihren leichten Piratenschiffen die gallische Küste (Tac. ann. XI 18. 19. Dio LX 30). Domitius Corbulo wusste ihren Führer Gannascus, einen geborenen Cannenefaten, unschädlich zu machen, aber an einer nachdrücklichen Züchtigung des Volkes hinderte ihn Claudius, der Befehl gab, alle römischen Besatzungen vom rechten Rheinufer zurückzuziehen (Schiller Gesch. d. röm. Kais. I 322f. Mommsen R. G. V 114f.). Dass die Macht des Volkes im Wachsen begriffen war, zeigt auch der Umstand, dass sie die Amsivarier aus ihren Sitzen vertreiben konnten (Tac. ann. XIII 55). Im batavischen Kriege kämpften sie wieder gegen die Römer (Tac. hist. IV 79. V 19). – Die Ch. gehörten zu den bedeutenderen germanischen Völkern. Vell. Pat. II 106 hebt ihre zahlreiche und kräftige Jugend hervor, Tacit. Germ. 35 rühmt ihre Macht und Kriegstüchtigkeit, daneben ihre Besonnenheit und Mässigung: tam immensum terrarum spatium non tenent tantum Chauci, sed et implent, populus inter Germanos nobilissimus quique magnitudinem suam malit iusticia tueri. sine cupiditate, sine impotentia, quieti secretique nulla provocant bella, nullis raptibus aut latrociniis populantur. id praecipuum virtutis ac virium argumentum est, quod, ut superiores agant, non per iniurias assequuntur; prompta tamen omnibus arma ac si res poscat exercitus, plurimum virorum equorumque, et
[2202]
quiescentibus eadem fama – eine Schilderung, mit welcher die des Plin. n. h. XVI 2ff., der das Land dieser misera gens in den düstersten Farben, aber wahrheitsgetreu malt, scharf contrastiert (Zeuss Die Deutschen 140f. Schweizer-Sidler zu Tacit. a. O.). Auffallend ist die Stellung, welche Plin. IV 101 dem Volke anweist: in Rheno autem ipso ... nobilissima Batavorum insula et Cannenefatium et aliae Frisiorum, Chaucorum, Frisiavonum, Sturiorum, Marsaciorum, quae sternunter inter Helinium ac Flevum. In Wirklichkeit sassen die Ch. östlich von den Friesen an der Nordseeküste zwischen Ems und Elbe. Und zwar waren sie geschieden in ,grosse‘ und ,kleine‘ Chauken (Plin. n. h. XVI 2 gentes ... sunt in septentrione visae nobis Chaucorum, qui maiores minoresque appellantur). Ptol. II 11, 7 (vgl. II 11, 9) setzt die kleinen (Καῦχοι οἱ μικροί) nach den Friesen an von der Ems bis zur Weser, die grossen (Καῦχοι οἱ μείζους) östlich bis zur Elbe. Zeuss (Die Deutschen 139) möchte die Stellung umkehren, da Geschichte und Localität die westliche Abteilung als die grössere zeigt; Tac. ann. XI 19 (missis qui maiores Chaucos ad deditionem pellicerent, doch wohl die nächsten Nachbarn der Friesen) spricht für diese Annahme. Nach Tac. Germ. 35 hätte sich das Gebiet der Ch. südlich bis zu den Chatten erstreckt, eine Angabe, die bezweifelt werden darf (Zeuss a. O.
140. C. Müller Ausg. des Ptol. I 257). Auch zu Anfang des 3. Jhdts. finden wir die Ch. noch als Bewohner des inneren Germaniens (Hist. Aug. Did. Iulian. 1, 7 Belgicam sancte ac diu rexit. ibi Cauchis, Germaniae populis, qui Albim fluvium accolebant, erumpentibus restitit). Später scheinen sie sich mehr nach Westen ausgedehnt zu haben, denn bei Claudian cons. Stilich. I 225 erscheinen sie geradezu als Anwohner des östlichen Rheinufers (Zeuss a. O. 382). Dann verschwinden sie aus der Geschichte. – Der Name wird bei den Autoren verschieden überliefert. Chauci ist wohl die beste Lesart (zur Deutung s. Zeuss a. O. 138. Schweizer-Sidler zu Tac. Germ. 35), die die Hss. des Tacitus an den meisten Stellen bieten, ebenso Plin. IV 101, ἐς τὴν Χαυκίδα Dio LIV 32, Chaci die Tab. Peut. (Desjardins Table de Peut. 3. Müllenhoff D. A. III 313); dagegen Καῦκοι Strab. VII 291; Cauci Plin. XVI 2. 5. Tac. ann. XI 19; hist. V 19 und ferner Cauchi Vell. II 106. Tac. a. XI 19; hist. IV 79. Suet. Claud. 24. Hist. Aug.; Καῦχοι Ptol. und Dio LX 30 (LX 8 ist Καύχους aus Μαυρουσίους hergestellt). Bei Lucan. I 463 ist Cǎȳcos, bei Claudian cons. Stilich. I 225 Cǎūco, in Eutrop. I 379 Cǎūcis überliefert. Bei Zosim. III 6 steht Κουάδους, was nicht in Καύχους (Zeuss a. O. 382), sondern wohl in Χαμάβους zu ändern ist (Riese Rhein. Germanien 286. Müllenhoff D. A. ΙΙΙ 226). Vgl. auch J. Grimm Geschichte der deutschen Sprache ΙΙ³ 466ff.